Arbeiterschutzrecht

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Autor: Hans Köppe
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Titel: Arbeiterschutzrecht
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aus: Handbuch der Politik Dritter Band: Die Aufgaben der Politik, Dreizehntes Hauptstück: Selbsthilfe und Sozialschutz, 65. Abschnitt, S. 8−18
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[8]
65. Abschnitt.


Arbeiterschutzrecht.
Von
Dr. H. Köppe,
a. o. Professor der Nationalökonomie an der Universität Marburg.


Quellenmaterialien:[Bearbeiten]

Die einschlägigen deutschen und ausländischen Gesetze und Vollzugsvorschriften, abgedruckt u. a.
im Reichsarbeitsblatt,
in dem vom Internationalen Arbeitsamt in Basel herausgegebenen Bulletin und im
annuaire de la législation du travail des belgischen office du travail.
Die Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten (s. Reichsarbeitsblatt).

Literatur:[Bearbeiten]

Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Bd. I. Art. „Arbeiterschutzgesetzgebung“,
Art. „Arbeiterschutz“ im Wörterbuch der Volkswirtschaft und im Oesterreichischen Staatswörterbuch.
Herkner, „Die Arbeiterfrage“, 5. Aufl. 1908, Kap. X.
von Zwiedineck-Südenhorst: „Arbeiterschutz u. -Versicherung“, 1905, und „Sozialpolitik.“ 1911, S. 214 ff.
von Wiese: „Einführung in die Sozialpolitik“, 1910, S. 95 ff.
Abbe: „Sozialpolitische Schriften“.
Die Artikel über Arbeiterschutz in der „Sozialen Praxis“.
Die Veröffentlichungen der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz und die Schriften der Gesellschaft für soziale Reform betr. Arbeiterschutz.
Die Kommentare zur Gewerbeordnung, besonders der von v. Landmann.
Evert: „Handbuch des gewerblichen Arbeiterschutzes“, 1897.
van Zanten: „Der Arbeiterschutz in den europäischen Ländern“, 1902.
von Finckh: „Handbuch der sozialpolitischen Gesetzgebung“, 1906.
Stier-Somlo: „Die neueste Entwickelung des deutschen Gewerbe- und Arbeiterschutzrechts“, 1910.
Auch die nationalökonomischen Lehrbücher und Zeitschriften behandeln den Arbeiterschutz, besonders:
Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik,
Annalen für soziale Politik und Gesetzgebung.

Die Arbeiterschutzgesetzgebung will den Menschen im Arbeiter schützen gegen die mannigfachen Gefahren, die ihn bei und infolge der Ausübung seiner Berufstätigkeit bedrohen. Dieses staatliche Eingreifen ward, trotzdem es äusserlich betrachtet einen Eingriff in den „freien Arbeitsvertrag“, dieses Grundprinzip der gegenwärtigen Arbeitsverfassung darstellt, aus zweifachem Grunde unabweisbar. Erstens wurde durch die grosse Umwälzung in der Technik der gütererzeugenden Arbeit, in deren Mittelpunkte die Einführung der Dampfmaschine und die Vervollkommnung der technischen Arbeitsteilung stehen, sowohl das Arbeitsverhältnis als die auf ihm beruhende wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeiters ebenfalls völlig revolutioniert. Im Grossbetriebe, der dadurch die führende Rolle in der Volkswirtschaft erhielt, hat das Arbeitsverhältnis nicht mehr [9] den individuellen, in persönlichen Beziehungen zum Arbeitgeber sich ausprägenden, sondern einen gesellschaftlichen Charakter. Denn er ist durchweg so organisiert, dass die technischen und ökonomischen Bedingungen der Arbeitsleistung teils für die gesamte Arbeiterschaft des Betriebes, teils für grosse Gruppen derselben einheitliche sind. Die Betriebsmittel, die Wohlfahrtseinrichtungen, die der Sicherheit, der Ordnung, der Disziplin dienenden Anordnungen, kurz alle Einrichtungen und Vorkehrungen, die den Gesamtapparat des Betriebes ausmachen und seinen ordnungsmässigen Gang verbürgen, sind vom Geiste einheitlicher Organisation getragen. Die Arbeiter desselben Betriebes sind dadurch unter gleichartige Bedingungen und Verhältnisse der Arbeit gestellt. Insbesondere sind sie alle den gleichen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sittlichkeit, wenn auch in verschiedenem Grade ausgesetzt. Ihre schutzbedürftigen Interessen sind durch diesen Nivellierungsprozess kollektive geworden. Dadurch wird ein einheitlicher gesetzlicher Schutz der Persönlichkeit eines jeden Arbeiters gegen die Gefahren seines Betriebes zugleich notwendig und möglich.

Diese Gefahren selbst sind mannigfache und grosse und folgen teils aus der besonderen Natur des Betriebes, teils aus dem Missbrauch der Macht des Arbeitgebers. Die ersteren gehen von den Betriebseinrichtungen, Betriebsmitteln und der Betriebsweise aus, z. B. von den Maschinen, von giftigen Rohstoffen, von der starken Hitze in Eisengiessereien, Glashütten usw. Die letzteren fallen zumeist unter den privatwirtschaftlichen Gesichtspunkt der Bedeutung des Lohnes als eines Hauptteiles der Produktionskosten, an deren möglichster Niedrighaltung der Arbeitgeber um der Erzielung möglichst hohen Gewinnes willen interessiert ist. Hierher gehören z. B. die Ausbeutung der Arbeitskraft durch übermässig lange Arbeitszeit, die Ersparungen an hygienischen Vorkehrungen wie Ventilation oder Staubbindung, die Entlohnung in minderwertigen Sachgütern. Endlich gefährden den Arbeiter Massnahmen einseitiger Arbeitgeberpolitik, wie die Eintragung geheimer, sein Fortkommen erschwerender Kennzeichen in sein Arbeitszeugnis. Je schärfer zufolge der Entfesselung des freien Wettbewerbes als herrschenden Wirtschaftsprinzips die Konkurrenz unter den Unternehmern wurde, um so rücksichtsloser und raubbauartiger ward die Arbeitskraft der Lohnarbeiter und damit ihre Persönlichkeit, von der jene ein integrierender Teil ist, ausgebeutet. Begünstigt wurde diese Verschlechterung durch die Stellung der damals herrschenden klassischen Freihandelslehre zum Arbeitsverhältnis. Zwar nicht von A. Smith, wohl aber von seinen Nachfolgern ward der Mensch im Arbeiter allzusehr übersehen, dieser vielmehr nur als lebendige Arbeitsmaschine vom einseitigen Gesichtspunkte der Erzeugung möglichst vieler und wertvoller Güter gewürdigt. In deren Aufhäufung sah man den „Volksreichtum“ schlechthin ohne Verständnis für die entscheidende Frage: wie der Ertrag der nationalen Arbeit unter die Mitwirkenden in der für die Volksgesamtheit förderlichsten Weise verteilt wird.

Der zweite Grund war die allgemeine Erfahrungstatsache, dass gegen die Ausbeutung der Arbeitskraft, die dem Grossbetriebe wie sein Schatten in alle Länder und Gewerbe folgt, weder der einzelne Arbeiter noch auch der einzelne Arbeitgeber Abhilfe zu schaffen vermag, dass aber auch die Koalition schon deshalb hier versagt, weil sie immer nur Teile der Arbeiterschaft erfasst. So bleibt denn nur der Weg der Abhilfe durch die öffentliche Gewalt.

Die Folge der Hilflosigkeit der Arbeiter war eine fortgesetzte Verkümmerung ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage bis zum Herabsinken in das tiefste wirtschaftliche und moralische Elend, von dem die Berichte über die amtlichen Untersuchungen zuerst in England, dem Ursprungslande der Grossindustrie, dann in den übrigen industrialisierten Ländern überaus traurige Bilder entrollten. Dort griff daher auch der gesetzliche Arbeiterschutz zuerst ein, wenn auch unter dem heftigen Widerstande der Arbeitgeber nur zaghaft und zögernd. Er hiess ursprünglich „Fabrikgesetzgebung“, weil die Zustände in den Fabriken am ehesten die öffentliche Aufmerksamkeit erregten und daher in Angriff genommen wurden. Das erste englische Schutzgesetz von 1802 regelte die Arbeitszeit und einige andere Verhältnisse der Spinnereilehrlinge, deren tägliche Höchstarbeitszeit es auf 12 Stunden (!) festsetzte. Von der weiteren Gesetzgebung wurden je nach voraufgegangenen Untersuchungen immer nur einerseits die des Schutzes besonders bedürftigen Arbeiterkreise (Kinder, Frauen, junge Leute), anderseits diejenigen Gewerbe, in denen die Übelstände besonders stark oder augenfällig waren, erfasst. Wirksam wurde sie aber erst seit der Einführung [10] von Fabrikinspektoren, denen die Kontrolle der Durchführung obliegt (1833). Es folgten einander namentlich der Schutz der Kinder und Jugendlichen in der gesamten Textilindustrie (1833 und zugleich mit erstmaligem Schutz für Frauen 1844) und die Einführung des zehnstündigen Arbeitstages in derselben für alle weiblichen und jugendlichen Arbeiter, ⅔ des ganzen Personals, wovon indirekt auch die Arbeitszeit der Männer mitergriffen wurde (1847). Von 1842 ab wurden auch die als geradezu grauenhaft erwiesenen Arbeitsverhältnisse im Bergbau allmählich geregelt. Seit den sechziger Jahren wurde der Schutz auf die übrigen Gewerbe und Arbeiterarten ausgedehnt, 1878 und dann nochmals 1901 vereinheitlicht.

Auch in Deutschland ist der gesetzliche Arbeiterschutz das Ergebnis einer langjährigen, stufenweisen Entwicklung. Sie beginnt mit dem preussischen Regulativ vom 9. März 1839, das die Beschäftigung von Kindern unter 9 Jahren (!) in Fabriken und Bergwerken untersagte, die Arbeitszeit der Arbeiter unter 16 Jahren auf 10 Stunden beschränkte und deren Nacht-, Sonn- und Festtagsarbeit verbot. Die preussische Gewerbeordnung von 1845 und ein Gesetz von 1853 erweiterten diesen Schutz durch Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 12 Jahren, Regelung der Arbeitszeit von Personen unter 14 Jahren und Einführung der fakultativen Fabrikinspektion. Dazu kamen im Jahre 1849 das Truckverbot und der Ausschluss der Sonn- und Festtage von der Arbeitspflicht. Die norddeutsche, später Reichs-Gewerbeordnung vom 21. Juni 1869 übernahm diese Bestimmungen unter Ausdehnung auf die Bergarbeiter und führte die allgemeine Pflicht der Unternehmer ein, alle diejenigen Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, die mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit des Betriebes und der Betriebsstätte zu tunlichster Sicherung gegen Gefahr für Leben und Gesundheit notwendig sind. Unter den vielen sie abändernden und ergänzenden Gesetzen ragen als Marksteine der Weiterbildung des Arbeiterschutzes hervor: die Novellen vom 17. Juli 1878 und namentlich die oft schlechthin „das Arbeiterschutzgesetz“ genannte vom 1. Juni 1891, ferner die vom 30. Juni 1900 und 28. Dezember 1908. Die jüngste erging am 27. Dezember 1911.

Neben der nationalen Entwicklung des Arbeiterschutzes geht die internationale einher. In Verfolg der von der Kaiserl. Botschaft vom 4. Febr. 1890 gegebenen Anregung tagte vom 15. bis 29. März 1890 in Berlin eine internationale Arbeiterschutzkonferenz unter Vorsitz des Handelsministers v. Berlepsch, die eine Reihe von Gesichtspunkten für den Ausbau des Arbeiterschutzes in den beteiligten Ländern zusammenstellte. Wiederaufgenommen wurden diese Bestrebungen und zu einem erstmaligen praktischen Erfolge gebracht durch die Berner Arbeiterschutzkonvention vom 26. Sept. 1906. Sie enthält das doppelte Verbot der Nachtarbeit von Frauen jeden Alters in Gewerbebetrieben mit mehr als 10 Arbeitern und der Erzeugung, Einführung und des Verkaufs von Phosphorzündhölzern. An beiden sind beteiligt: Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande und die Schweiz; nur am ersteren: Österreich-Ungarn, Belgien, Spanien, Grossbritannien, Portugal und Schweden. Die Nachtruhe muss mindestens 11 aufeinanderfolgende Stunden betragen und die Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr früh einschliessen. Bestimmte Ausnahmen sind für besondere Fälle und für Saisongewerbe zugelassen. Das Recht des Beitritts ist allen anderen Staaten offengehalten. Beide Übereinkommen können auf Kolonien und Schutzgebiete von deren Mutterstaaten erstreckt werden. Das erstere ist auf 12, das letztere auf 5 Jahre abgeschlossen mit stillschweigender Verlängerung von Jahr zu Jahr bei nicht erfolgender Kündigung. Im September 1913 hat eine neue, von 18 Industriestaaten beschickte internationale Arbeiterschutzkonferenz, gleichfalls in Bern, Vorschriften über das Verbot der industriellen Nachtarbeit jugendlicher Arbeiter und über einen Höchstarbeitstag der industriell beschäftigten Frauen und jugendlichen Arbeiter aufgestellt. Der Weiterführung des internationalen Arbeiterschutzes dienen die Bestrebungen der im Jahre 1900 zu Paris gegründeten Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz, deren deutsche Sektion die Gesellschaft für soziale Reform ist.

Neben der Gewerbeordnung sind an Reichsgesetzen hier noch zu nennen: das vom 30. März 1903 betreffend die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben, ferner die beiden vom 15. Juni 1895 betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt und der Flösserei (diese mit subsidiärer [11] Geltung der G.O.) und die Seemannsordnung vom 2. Juni 1902. Was den Kreis der geschützten Personen anlangt, so fallen in den Bereich der G.O. alle „gewerblichen Arbeiter“ (Titel VII, Strafbestimmungen in Tit. X), insbesondere die Gesellen, Gehilfen, Lehrlinge, Betriebsbeamten, Werkmeister, Techniker und Fabrikarbeiter. Nicht hierher gehören also namentlich die land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter, das Gesinde und das Eisenbahnpersonal. Auf die Bergarbeiter finden nur die Vorschriften der G.O. über Sonntagsruhe, Truckverbot und Art der Lohnzahlung, Schutz der weiblichen und jugendlichen Arbeiter, Gewerbeaufsicht und Koalitionsrecht auf die Hausgewerbetreibenden diejenigen über Lohnbücher und Arbeitszettel, Truckverbot und Lohneinbehaltung bei Vertragsbruch Anwendung. Sonst gilt für die ersteren Landesrecht, speziell für Preussen das allgemeine Berggesetz vom 24. Juni 1865 mit den Novellen vom 14. Juni 1892 und 14. Juli 1905. Vom Handelsgewerbe gehören hierher nur die in einem Handelsbetriebe in gewerblichen Arbeitsverhältnissen beschäftigten Arbeiter, doch umfassen die Bestimmungen der G.O. über die Sonntagsruhe das ganze Handelsgewerbe. Für die Handlungsgehilfen und Lehrlinge enthält das Handelsgesetzbuch wichtige Schutzbestimmungen (§§ 62, 63, 72–76). Für das Apothekenpersonal gelten die Landesapothekerordnungen. Das Kinderschutzgesetz umfasst jede gewerbliche Beschäftigung von eigenen und fremden Kindern, auch soweit solche, wie in der Heimarbeit, nur innerhalb der Familie stattfindet.

Endlich enthält das am 1. April 1912 in Kraft getretene Hausarbeitgesetz vom 20. Dezember 1911 wichtige Schutzbestimmungen, nämlich:

1. Die Begriffe „Hausarbeiter“ und „Werkstätten“ im Sinne dieses Gesetzes sind genau umschrieben.

2. In allen Räumen, in denen Hausarbeit ausgegeben oder angenommen wird, müssen Lohnverzeichnisse oder -Tafeln aushängen, aus denen die Hausarbeiter sich über deren Entlohnung erschöpfend unterrichten können. Soweit der Lohn im Preise zum Ausdruck kommt, kann diese Pflicht auf die Bekanntgebung der Preise erstreckt werden.

3. Wer Hausarbeit ausgibt, muss deren Empfängern auf seine Kosten Lohnbücher oder Arbeitszettel aushändigen, die Art, Umfang, Lohn oder Preis der Arbeit enthalten.

4. Die Polizeibehörde kann auf Antrag des Gewerbeaufsichtsbeamten für einzelne Betriebe anordnen, was zur Vermeidung unnötiger Zeitversäumnisse der Hausarbeiter bei Empfangnahme oder Ablieferung von Arbeit erforderlich und ausführbar erscheint.

5. Gleicherweise können, soweit in einzelnen Gewerben aus der Art der Beschäftigung sich Gefahren für Leben, Gesundheit, Sittlichkeit der Arbeiter ergeben, Verfügungsmassnahmen nach folgenden Richtungen getroffen werden: a) Entsprechende Einrichtung und Unterhaltung der Werkstätten und Arbeitsmittel, b) Besondere Rücksichtnahme auf Gesundheit und Sittlichkeit der jugendlichen und weiblichen Arbeiter, c) Zulassung besonders gefährlicher Arten von Arbeit nur in ausschliesslich dafür bestimmten Räumen. Bei b) kann über das Kinderschutzgesetz hinausgegangen werden durch Verbot der Beschäftigung eigener oder fremder Kinder schlechthin oder vor Vollendung eines höheren Alters, Regelung der Arbeitszeit für andere Hausarbeiter unter 16 Jahren und Verbot der Arbeit an Sonn- und Festtagen und während des seelsorgerischen Unterrichts.

6. Wo sich, besonders in Nahrungs- und Genussmittelgewerben, Gefahren für die öffentliche Gesundheit ergeben, kann von der Polizei die Art der Einrichtung und Unterhaltung bestimmter Betriebs- und Lagerräume und Arbeitsmittel vorgeschrieben werden, auch wie der Betrieb, um gefahrlos zu sein, zu regeln ist. Soweit nicht Gefahr im Verzuge, ist eine angemessene Ausführungsfrist zu bestimmen. Bei bereits bestehenden Betrieben sind nur zur Beseitigung erheblicher Missstände erforderliche oder verhältnismässig leicht ausführbare Anforderungen zulässig. Das Recht, nähere Bestimmungen zu erlassen, hat der Bundesrat, der sogar die Verrichtung solcher Arbeiten verbieten kann, die mit erheblichen Gefahren für Leben, Gesundheit, Sittlichkeit der Hausarbeiter oder für die öffentliche Gesundheit verbunden sind, nach ihm die Landeszentralbehörde und nach Anhörung beteiligter Gewerbtreibender und Hausarbeiter auch die Polizeibehörde mittelst des Verordnungsweges.

7. Alle Hausarbeitgeber müssen ein Verzeichnis ihrer Hausarbeiter und Zwischenmeister, sowie der Arbeitstätten führen und behördliche Einsicht darin verstatten. Arbeitgeber und Zwischenmeister [12] dürfen Hausarbeit nur für solche Werkstätten ausgeben, die den erforderlichen Ausweis ihrer Eignung für Hausarbeit, soweit er vorgeschrieben, besitzen.

8. In der Nahrungs- und Genussmittelindustrie können Hausarbeitgeber und Zwischenmeister verpflichtet werden, sich periodisch, mindestens halbjährlich, selbst oder durch Beauftragte davon zu unterrichten, dass die Arbeitsstätten und der Betrieb darin den gesetzlichen Ansprüchen genügen.

In den Fällen 6 und 8 ergangene Durchführungsvorschriften können polizeilicherseits auf Betriebe ausgedehnt werden, die „gewerbliche“ (nicht Haus-) Arbeiter beschäftigen.

9. Endlich hat der Gedanke der Arbeitskammern hier wenigstens einen Ansatz gefunden, sofern der Bundesrat für bestimmte Gewerbezweige und Gebiete, in denen Hausarbeiter beschäftigt werden, die Errichtung von Fachausschüssen beschliessen kann. Deren Aufgabe soll sein: a) Unterstützung der Staats- und Gemeindebehörden durch Mitteilungen und Gutachten. Mitwirkung und Begutachtung bei deren Erhebungen über die gewerblichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Gewerbe, besonders über die Ausführung dieses Gesetzes und die Verkehrssitte bei Auslegung und Erfüllung von Arbeitsverträgen, b) Beratung von Wünschen und Anträgen, die derartige Verhältnisse betreffen, c) Anregung von Veranstaltungen und Massnahmen zur Hebung der wirtschaftlichen Lage und Wohlfahrt der Hausarbeiter, Mitwirkung an der Verwaltung der dafür getroffenen Einrichtungen, d) Beihilfe zur Ermittlung der Höhe der bestehenden Hausarbeitslöhne, Begutachtung ihrer Angemessenheit, Vorschläge betreffs angemessener Arbeitsentgelte, e) Förderung des Abschlusses von Lohn- und Tarifverträgen. Die Fachausschüsse sollen nur über den Bereich des Einzelbezirks hinausgehende Angelegenheiten ins Auge fassen und paritätisch zusammengesetzt sein. Hausarbeiterinnen müssen, wo sie in grösserer Zahl beschäftigt werden, angemessen vertreten sein. Den neutralen Vorsitzenden, die beiden Beisitzer und nach Anhörung beider Teile je die Hälfte ihrer Vertreter ernennt die Landeszentralbehörde, die andere wird mit Stimmenmehrheit auf beiden Seiten je von diesen ernannten Vertretern gewählt. Bei Erstattung von Gutachten muss auf beiden Seiten die gleiche Zahl Vertreter beteiligt sein. Es wird gesondert abgestimmt. Nehmen beide Teile einen entgegengesetzten Standpunkt ein, so wird das Gutachten nicht erstattet. Jeder Teil kann dann ein Sondervotum abgeben. Dasselbe Recht hat, wenn ein gültiger Beschluss zustandekommt, stets die Minderheit. Strafmittel des Gesetzes sind Geldstrafe und bei gewohnheitsmässigem Zuwiderhandeln gegen das Verbot der Beschäftigung eigener oder fremder Kinder daneben auch ersterenfalls Haft, letzterenfalls Gefängnis bis zu 6 Monaten.

Was den sachlichen Geltungsbereich des Tit. VII anlangt, so umfasst er zunächst die Fabriken, weil in ihnen das Schutzbedürfnis am grössten ist. Ihnen wurden gleichgestellt in bezug auf wichtige, wenn auch verschieden zugemessene Teile des Arbeiterschutzes: alle Werkstätten mit regelmässigem Motorbetrieb, Hüttenwerke, Zimmerplätze u. a. Bauhöfe, Werften, Ziegeleien und über Tage betriebenen Brüche und Gruben sowie die Werkstätten der Tabakindustrie. Die in der Natur der Betriebe liegenden Schwierigkeiten, die Fabrik begrifflich vom Handwerk abzugrenzen, sind grossenteils dadurch hinfällig geworden, dass die Novelle von 1908 alle diejenigen Schutzvorschriften, welche bis dahin speziell für Arbeiter in Fabriken und fabrikmässigen Betrieben galten, mit Ausnahme derjenigen über die Arbeitsordnung ausgedehnt hat auf die Arbeiter (nicht auch höheren Angestellten) in allen Gewerbebetrieben, die in der Regel mindestens 10 Arbeiter beschäftigen. Damit sind grosse Teile der im Handwerk beschäftigten Arbeiter dieses Schutzes teilhaftig geworden. Es handelt sich dabei hauptsächlich um den Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen. Innerhalb dieser Vorschriften regelt ein engerer Kreis ausschliesslich für Betriebe mit mindestens 20 Arbeitern die Lohnverwirkungen bei Vertragsbruch, die Arbeitsordnungen und die Arbeiterausschüsse. Die Verhältnisse der Gesellen und Gehilfen im Handwerk ordnet im übrigen ein besonderer Abschnitt. Für die Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufsstellen sind durch die Novelle von 1900 besondere Schutzvorschriften eingefügt. Die Verhältnisse der höheren Angestellten sind ebenso wie die der Lehrlinge in Handwerk und Industrie in je einem besonderen Abschnitt geordnet.

Die Schutzvorschriften der G.O. gelten teils für alle gewerblichen Arbeiter (I), teils für deren besonders schutzbedürftigen Kreise: Kinder, Jugendliche, Frauen (II). Aus ihrem äusserst detaillierten Inhalte kann hier nur das Wesentlichste wiedergegeben werden.

[13]
I.

Die Sonn- und Festtagsruhe ist, wie die Geschichte aller Kulturvölker beweist, ein allgemeines Menschheitsbedürfnis. Für die Arbeiter ist sie, zumal bei der Länge des Arbeitstages und der häufigen Über- und Nachtarbeit, zunächst zum Zwecke des notwendigen Kräfteersatzes, dann aber auch um der berechtigten Interessen und Bestrebungen willen geboten, die ausserhalb seiner Berufsarbeit liegen, also der rein menschlichen: so die religiösen, staatsbürgerlichen, familiären, geselligen, sportlichen, Bildungsbestrebungen usw. Denn die Arbeit ist stets nur Mittel zum Zweck, der Mensch aber Selbstzweck. Er kann daher beanspruchen, dass er nicht in ihr aufzugehen braucht. Nach gleicher Richtung geht aber auch das Interesse des Arbeitgebers an leistungsfähigen und intelligenten Arbeitskräften und ebenso das Interesse der deutschen Industrie, angesichts des immer schärferen und schwierigeren Wettbewerbs auf den Weltmärkten durch überlegene Leistungen zu siegen. Dies zumal da unsere Volkswirtschaft die enorm gewachsene Bevölkerung nur auf der verbreiterten Grundlage einer ausgedehnten Exportindustrie zu ernähren vermag. Anderseits bestehen berechtigte Bedürfnisse des Lebens, auch auf Seiten der Arbeiter selbst, die auch und vielfach sogar gerade an Sonn- und Festtagen Befriedigung durch gewerbliche Arbeit heischen (Verkehrs-, Erholungs-, Nahrungsmittelgewerbe, Darbietungen der Erbauung, Bildung usw.). Ferner kommen in Betracht die Gewerbe mit kontinuierlichem Feuer oder sonst nicht unterbrechbarem Betriebe, die Kampagne- und Saisonindustrien, die besonderen Bedürfnisse zu Festzeiten, in Kur- und Badeorten und ähnliche Verhältnisse. Die G.O. bestimmt daher zwar, dass Arbeiter zu Arbeiten an solchen Tagen nicht verpflichtet werden können, und verbietet allgemein die Sonn- und Festtagsarbeit für Fabrik- und fabrikmässige Betriebe, lässt aber reichliche Ausnahmen sowohl für Gewerbe wie für einzelne Betriebe zu, über die teils der Bundesrat, teils die zentralen, höheren oder unteren Verwaltungsbehörden zu befinden haben. Sie selbst gestattet allgemeine Notarbeiten bei Betriebsstörungen sowie die laufenden Arbeiten der Bewachung, Reinigung, Instandhaltung usw. Anderseits dürfen die Landesgesetze die Sonn- und Festtagsarbeit noch mehr einschränken und kann das Verbot der Beschäftigung von Arbeitern an solchen Tagen durch Kaiserl. Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats noch weiter ausgedehnt werden.

Die Zeugnisse, die der Arbeiter beim Ausscheiden aus der Arbeit fordern darf, dürfen keine ihn kennzeichnenden Merkmale enthalten.

Das Truckverbot (truck-Tausch) schliesst den alteingewurzelten Missbrauch aus, die Arbeiter statt in Bargeld in Sachen unter Anrechnung über deren wahren Wert zu bezahlen. Sie müssen in Bargeld bezahlt werden; Waren dürfen ihnen nicht kreditiert werden. Zuwiderhandlungen ziehen Strafe und Nichtigkeit der Hingabe an Zahlungsstatt wie des sie zulassenden Vertrages nach sich. Das Gegebene verfällt zu Gunsten von Arbeiterunterstützungskassen. Forderungen für kreditierte Waren können in keiner Weise geltend gemacht werden. Nichtig sind auch Verabredungen über die Entnahme von Arbeiterbedürfnissen aus gewissen Stellen und über Verwendung des Arbeitsverdienstes zu anderen Zwecken als zu Arbeiter- und Wohlfahrtseinrichtungen. Lohnzahlungen in Schankstätten sind verboten. Damit das Truckverbot aber nicht Wohlfahrtseinrichtungen trifft, sind Zuwendungen gewisser Naturalien und Leistungen ohne Gewinnabsicht und nur zum Selbstkosten- oder ortsüblichen Preise in Anrechnung auf den Lohn zugelassen, ebenso die Verabfolgung von Stoffen und Werkzeugen für Akkordarbeiten. Verwandte Bestimmungen sind die, welche den Akkordarbeitern die richtige Ermittlung des von ihnen geschaffenen, für die Lohnbestimmung massgebenden Arbeitsquantums sichern sollen. Dahin gehört namentlich das Verbot des „Wagennullens“ in den preussischen Bergwerken. „Ungenügend oder vorschriftswidrig beladene Fördergefässe müssen insoweit angerechnet werden, als ihr Inhalt vorschriftsmässig ist.“ Geldstrafen dafür sind nur in Form beschränkter Lohnabzüge zulässig. Von den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählte Vertrauensmänner überwachen das Kontrollverfahren.

Im Interesse jederzeitiger Klarheit der Arbeiter über Leistung und Gegenleistung darf der Bundesrat für bestimmte Gewerbe Lohnbücher oder Arbeitszettel von gewisser gesetzlicher Form vorschreiben, was für die Kleider- und Wäschekonfektion geschehen ist.

Die Pflicht der Unternehmer, alle Einrichtungen herzustellen und zu unterhalten, die nach Beschaffenheit des Betriebes und der Werkstätte zum Schutz für Leben und Gesundheit [14] notwendig sind, hat 1891 eine bedeutende Spezialisierung und Verschärfung erfahren. Sie ist zugleich erweitert worden durch die Verpflichtungen, die zur Sicherung gefahrlosen Betriebes nötigen Vorschriften über seine Ordnung und über das Verhalten der Arbeiter sowie die zur Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes erforderlichen Einrichtungen und Vorschriften zu treffen, auch für Arbeiter unter 18 Jahren die nötigen besonderen Rücksichten auf deren Gesundheit und Sittlichkeit walten zu lassen. Ergänzend treten hinzu ein weitgehendes Verordnungsrecht des Bundesrats und der Landesbehörden hinsichtlich bestimmter Arten von Anlagen sowie ein polizeiliches Verfügungsrecht, das ihre Durchführung in den einzelnen Betrieben, nötigenfalls durch deren Schliessung gewährleistet. Für die Bergarbeiter gelten in diesen Hinsichten die landesgesetzlichen Schutzvorschriften, für die Handelsangestellten analoge Vorschriften des Handelsgesetzbuchs. Vorschriften zur Verhütung von Unfällen werden auch von den Vorständen der Unfallberufsgenossenschaften nach Massgabe des Unfallversicherungsgesetzes unter Mitwirkung der Arbeiter erlassen. Sie betreffen gleichfalls die Einrichtungen der Betriebe und das Verhalten der Arbeiter.

Der Bruch des Arbeitsvertrages, eine vielbeklagte Massenerscheinung, hat nur zivilrechtliche Folgen, da seiner Bestrafung der Reichstag wiederholt die Zustimmung versagt hat. Die Beschreitung des Rechtswegs ist aber beiden Teilen erleichtert durch Gewährung einer gesetzlich normierten Entschädigung bei erwiesenem Vertragsbruch, die an einen Schadensnachweis nicht gebunden ist, jedoch andere Ansprüche ausschliesst. Lohneinbehaltungen als Vertragsstrafen dürfen einen gesetzlichen Höchstbetrag nicht übersteigen. Verleitung zum Vertragsbruch durch einen Arbeitgeber macht diesen mithaftbar, ebenso wissentliche Annahme eines vertragsbrüchigen Arbeiters. Für Betriebe mit mehr als 20 Arbeitern gilt die gesetzliche Entschädigung nicht. Hier muss der Arbeitgeber sich daher im Arbeitsvertrage eine Lohnverwirkung ausbedingen, die aber den Betrag des durchschnittlichen Wochenlohnes nicht übersteigen darf.

Einen Maximal- oder Normalarbeitstag kennt das Gesetz für erwachsene männliche Arbeiter nicht. Wohl aber besteht ein „gesundheitlicher Höchstarbeitstag“, doch nur als fakultativer, indem der Bundesrat die Landeszentral- oder die Polizeibehörde für solche Gewerbe, letztere eventuell auch für solche Einzelbetriebe, in denen durch übermässige Arbeitsdauer die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, Dauer, Beginn und Ende der zulässigen täglichen Arbeitszeit und der Pausen vorschreiben kann. Der Bundesrat hat davon für Bäckereien, Mühlen, Gast- und Schankwirtschaften und für die Grosseisenindustrie Gebrauch gemacht. Daneben schreibt das Gesetz für alle offenen Verkaufsstellen und dazu gehörigen Kontore und Lagerräume eine Mindestruhezeit von 10 Stunden, für grössere Orte und Geschäfte von 11 Stunden, nach Beendigung der täglichen Arbeit und innerhalb der letzteren eine angemessene Mittagspause vor. Zu ihrer Sicherung dient der obligatorische Ladenschluss von 9 Uhr abends bis 5 Uhr früh, an dessen Stelle auf Antrag von mindestens ⅔ der beteiligten Geschäftsinhaber für eine Gemeinde der Achtuhrladenschluss treten kann. In den preussischen Bergwerken darf an Stellen, wo die gewöhnliche Temperatur mehr als 28 Grad Celsius beträgt, die Arbeitszeit 6 Stunden nicht übersteigen. Über- und Nebenschichten sind hier verboten. Jeder Schicht muss eine mindestens achtstündige Ruhezeit voraufgehen. Die regelmässige Arbeitszeit darf durch die Ein- und Ausfahrt nicht um mehr als eine halbe Stunde verlängert werden.

Eine Arbeitsordnung muss jeder Betrieb mit mehr als 20 Arbeitern und jede offene Verkaufsstelle mit mindestens 20 Gehilfen und Lehrlingen haben. Sie muss gewisse Punkte und kann gewisse andere des Arbeitsverhältnisses regeln. Die ersteren betreffen: Anfang und Ende der Arbeitszeit und die Pausen, Abrechnung und Lohnzahlung, Kündigungsfrist und Gründe für vorzeitige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses, Vertragsstrafen und Lohnverwirkung; die letzteren: die Ordnung des Betriebs und das Verhalten der Arbeiter. Die Arbeitsordnung erlässt der Arbeitgeber einseitig, worin materiell ein Widerspruch zu dem in § 105 GO. an die Spitze des Tit. 7 gestellten Prinzips des „freien Arbeitsvertrags“ liegt, nach welchem die Festsetzung des Arbeitsverhältnisses „Gegenstand freier Übereinkunft“ sein soll. Sie soll aber dem Arbeiter, da dieses Prinzip im Leben regelmässig keine Verwirklichung findet, wenigstens eine sichere Kenntnis vom wesentlichen Inhalte, den der Arbeitgeber dem Arbeitsvertrage gibt, und von dessen Abänderungen [15] verschaffen und dadurch Benachteiligungen des Arbeiters mittels Geheimhaltung oder Verschleierung dieses Inhaltes vorbeugen, ausserdem die Abschliessung des Arbeitsvertrages vereinfachen und erleichtern. Einfluss auf die Arbeitsordnung haben die Arbeiter nur, sofern es der Zustimmung eines besonderen Arbeiterausschusses für Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der Wohlfahrtseinrichtungen und dasjenige der minderjährigen Arbeiter ausserhalb des Betriebe bedarf. Im übrigen muss dem Ausschuss oder den grossjährigen Arbeitern nur Gelegenheit zur Äusserung über den Inhalt gegeben werden. Ausgeschlossen sind Strafbestimmungen, die das Ehrgefühl oder die guten Sitten verletzen, eingeschränkt ist das Recht der Geldstrafenverhängung. Die zulässigen Gründe der Aufhebung des Arbeitsvertrages und der Verhängung von Geldstrafen müssen in der Arbeitsordnung vorgesehen sein. Soweit er den Gesetzen nicht zuwiderläuft, ist der Inhalt der Arbeitsordnung rechtsverbindlich. Die Verwaltungsbehörde hat die Umwandlung eines gesetzwidrigen Inhalts in gesetzmässigen zu veranlassen.

Ständige Arbeiterausschüsse sind von der Arbeiterschaft eines Betriebes aus ihrer Mitte gewählte Vertretungen, denen es obliegt, deren Ansichten, Wünsche und Beschwerden dem Arbeitgeber gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Soweit sie an der Arbeitsordnung mitwirken dürfen, muss ihre Mehrheit von den volljährigen Arbeitern unmittelbar und geheim gewählt sein. Man hat von ihnen für die Pflege des sozialen Friedens viel erhofft, doch ist ihre Wirksamkeit eine geringe, hauptsächlich wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit dieser Vertreter vom Arbeitgeber. Eine obligatorische Einrichtung mit gesetzlich bestimmtem Wirkungskreise sind sie in Preussen für alle Bergwerke mit mindestens 100 Arbeitern, in anderen deutschen Staaten für Bergwerke mit verschieden bestimmter Mindestzahl von Arbeitern. Auch in den meisten deutschen Staatsbahn- sowie in vielen städtischen Betrieben und in der württembergischen Post- und Telegraphenverwaltung sind sie als organische Einrichtung eingeführt, durchweg aber nur mit beratender Mitwirkung.

II.

Die weiblichen Arbeiter bedürfen eines ganz besonderen Schutzes, weil sie den mit der gewerblichen Arbeit verbundenen Gefahren in erheblich höherem Grade ausgesetzt sind. Der weibliche Organismus ist an sich in vielen Hinsichten, z. B. gegen übermässig langes Stehen und Sitzen, weniger widerstandsfähig. Dazu kommen besondere Zustände desselben, die in gewissen Zeiten eine stärkere Empfänglichkeit für gesundheitliche Schädigungen bedingen (Menstruation, Schwangerschaft usw.). Ferner ist für die Arbeiterinnen die Gefahr der Überanstrengung besonders gross, weil sie zumeist noch ein reichliches Mass häuslicher neben der beruflichen Arbeit zu verrichten haben. Weiter beruht vorzüglich auf der Gesundheit der Frauen als der Gebärerinnen die Hoffnung auf kräftige neue Generationen und insofern geradezu die Zukunft der Nation. Endlich ist ihre Organisationsfähigkeit aus mannigfachen Gründen viel geringer als die des Mannes, so dass die soziale Selbsthilfe bei ihr zumeist versagt. Besonders schädlich sind für sie gewisse Arten von Arbeit, wie Nachtarbeit, Arbeit unter Tage, in Betrieben mit starker Hitze. Eine mechanische Gleichbehandlung von Mann und Frau in der Berufsarbeit, wie sie als Konsequenz einer radikalen „Emanzipation“ der Frau gefordert wird, wäre daher eine krasse Imparität. Anderseits würde ein allgemeines Verbot der gewerblichen Frauenarbeit wegen der damit verbundenen Verkürzung des Familieneinkommens nicht durchführbar sein ohne schwerste Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Arbeiterklasse, zumal da nach den Ermittlungen des Reichsamts des Inneren Ursache der Fabrikarbeit der Frauen regelmässig irgend eine Not ist, wie Krankheit, Arbeitsscheu oder Strafhaft des Mannes, böswillige Verlassung seiner Familie, übergrosse Kinderzahl, zu niedrige Entlohnung der Männerarbeit usw. Diese Not und ihre Folgen würden enorm vergrössert werden, die Heimarbeit, die Inanspruchnahme der Armenpflege und das Konkubinat zunehmen, die Eheschliessungen und die ehelichen Geburten dagegen abnehmen. Der gesetzliche Schutz beschränkt sich daher auf angemessene Verkürzung ihrer Arbeitszeit und Erzwingung der nötigen Rücksichtnahme auf ihre Gesundheit und Sittlichkeit während der Arbeit.

Arbeiterinnen dürfen höchstens 10 Stunden täglich, an den Vorabenden der Sonn- und Festtage höchstens 8 Stunden und nicht nach 5 Uhr Nachmittags, mit mindestens einstündiger, für „Hausbesorgerinnen“ 1½ stündiger Mittagspause beschäftigt werden. Ihre Nachtruhe muss von 8 Uhr [16] abends bis 6 Uhr früh währen. Vor und nach einer Niederkunft dürfen sie im ganzen während 8 Wochen nicht beschäftigt werden. Nach dieser müssen wenigstens 6 Wochen verflossen sein. Verboten ist ihre Beschäftigung in Kokereien und mit dem Transport von Baumaterialien, ferner unter Tage und mit gewissen Ausnahmen auch bei der Förderung über Tage. Zur Verhütung von Umgehungen darf ihnen Arbeit insoweit nicht mit nach Hause zur Verrichtung gegeben werden, als dadurch jener gesetzliche Rahmen der täglichen Arbeitszeit überschritten würde, und an Sonn- und Festtagen überhaupt nicht. Als Kontrolle dient der Zwang zur Anzeige jeder Beschäftigung von Arbeiterinnen an die Polizeibehörde und zum Aushang des Textes der Schutzvorschriften an der Arbeitsstelle. Der Bundesrat kann diesen Schutz auf andere als die zu I genannten Werkstätten, die weniger als 10 Arbeiter beschäftigen, und auf ebensolche Bauten ausdehnen.

Das Gesetz lässt, um diesen Schutz den Bedürfnissen des Lebens möglichst anzupassen, einerseits zahlreiche Ausnahmen, andererseits Verschärfungen zu, wobei dem Ausführungsrechte des Bundesrats ein breiter Spielraum eingeräumt ist. Namentlich kann er die Verwendung von Arbeiterinnen in gewissen Gewerben, die mit besonderen Gefahren für ihre Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, ganz verbieten oder nur bedingungsweise zulassen. Nach jenen beiden entgegengesetzten Richtungen hat er von diesem Rechte weitgehenden Gebrauch gemacht.

Der Schutz der jugendlichen Arbeiter beiderlei Geschlechts rechtfertigt sich ohne weiteres aus deren geringerer Widerstandsfähigkeit in den Entwicklungsjahren gegen Gefahren, die ihre Gesundheit und Moral bedrohen. Die G.O. unterscheidet die „jugendlichen Arbeiter“ als „Kinder“, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und „junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren“. Verboten ist die Beschäftigung von Kindern unter 13 Jahren schlechthin, von älteren nur, sofern sie, was in Bayern nicht der Fall ist, noch schulpflichtig sind. Für eine bestimmte Reihe von Gewerben verbietet sie das Kinderschutzgesetz, und zwar auch für eigene Kinder, mit dem Rechte des Bundesrats, diesen Kreis zu erweitern oder abzuändern. Soweit nach diesem Gesetze Kinderarbeit erlaubt ist, dürfen fremde Kinder unter 12 Jahren gar nicht, eigene unter 10 Jahren ebenfalls nicht, ältere nur in gewissen Grenzen, besonders nicht zwischen 8 Uhr abends und 8 Uhr früh beschäftigt werden. Dies gilt auch für das Handels- und das Verkehrsgewerbe und für Botendienste. Noch weitergehende Beschränkungen zieht es für den Gewerbebetrieb im Umherziehen, für öffentliche Schau- und Vorstellungen und für das Gast- und Schankwirtschaftsgewerbe. In letzterem dürfen Kinder unter 12 Jahren gar nicht und Nachts auch ältere Kinder nicht beschäftigt werden, weder fremde noch eigene. Nach der G.O. ist die Arbeit Jugendlicher an Sonn- und Festtagen sowie während seelsorgerischer Unterrichtsstunden verboten. Ausnahmen für kontinuierliche und unregelmässige Betriebe kann der Bundesrat zulassen, der anderseits die gewerbliche Arbeit solcher Personen in gleichem Umfang wie die von Arbeiterinnen verbieten kann und davon Gebrauch gemacht hat. Sie bestimmt ferner, dass Kindern unter 14 Jahren, soweit überhaupt, höchstens 6 Stunden, 14–16 jährige höchstens 10 Stunden täglich beschäftigt werden dürfen, beide Arten nicht vor 5½ Uhr früh noch nach 8½ Uhr abends. Die Mindestpausen betragen für die ersteren ½ Stunde, für die letzteren Mittags eine, vor- und nachmittags je ½ Stunde. Der Bundesrat kann sie abkürzen oder wegfallen lassen für Gewerbe, in denen ihre Natur oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht erscheinen lässt. Verzeichnisse der beschäftigten Jugendlichen und ihrer Arbeitszeiten müssen an den Betriebsstellen aushängen. Die Beschränkung der Mitgabe von Arbeit nach Hause und die elfstündige Mindestruhezeit gelten auch für Jugendliche. Die Gewährung von Ausnahmen von diesen Vorschriften ist im wesentlichen wie bei der Beschäftigung von Arbeiterinnen zulässig. Die Verpflichtung der jugendlichen Arbeiter, auch Handlungsgehilfen und -Lehrlinge, zum regelmässigen Besuch der allgemeinen Fortbildungsschulen kann durch Kommunalstatut ausgesprochen werden. Die Arbeitgeber müssen die dafür nötige Zeit freigeben. Zur Verhütung von Kontraktbruch müssen minderjährige Arbeiter Arbeitsbücher haben, aus denen Zeit und Art ihrer Beschäftigung zu ersehen sind und die der Arbeitgeber verwahrt. Die Eintragung von Merkmalen ist auch hier verboten.

Das Lehrlingswesen ist in je einem besonderen Abschnitte allgemein und speziell für Handwerker, namentlich hinsichtlich des zur Vermeidung erheblicher Nachteile schriftlich abzufassenden Lehrvertrags und des behördlichen Einschreitens gegen die häufige „Lehrlingszüchterei“ geregelt.

[17]
III.

Der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis dienen die paritätisch zusammengesetzten Gewerbegerichte unter Vorsitz eines rechtverständigen Beamten (Gewerbegerichtsgesetz vom 29. Juli 1890 / 30. Juni 1901.) Die Berufung an das Landgericht setzt voraus, dass der Wert des Streitgegenstandes 100 M. übersteigt. Die Kontrolle über die Einhaltung der Schutzvorschriften ist nach englischem Vorbilde besonderen Organen, nämlich den Gewerbeaufsichtsbeamten und, soweit es sich um die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften handelt, den Revisionsbeamten der letzteren übertragen. Die ersteren werden von den Landesregierungen ernannt und üben diese Aufsicht hauptberuflich aus. Dabei stehen ihnen alle Rechte der Ortspolizeibehörden, besonders der jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie haben Jahresberichte über ihre Tätigkeit zu erstatten, die ganz oder auszugsweise dem Bundesrate und dem Reichstage vorzulegen sind und vom Reichsamt des Innern zusammengestellt und veröffentlicht werden. Die Aufsicht über den Bergarbeiterschutz üben besondere Bergbehörden. Im Reiche gab es im Jahre 1911 228 gewerbliche und 91 bergbauliche Aufsichtsbezirke, erstere mit 543, darunter 29 weiblichen, letztere mit 111 Aufsichtsbeamten. Die Zahl aller Betriebe mit mindestens 10 Arbeitern betrug 297 969, in denen 6 935 657 Arbeiter beschäftigt waren, darunter 5 099 154 erwachsene männliche, 1 317 682 erwachsene weibliche, 505 417 junge Leute von 14–16 Jahren (332 882 männliche und 172 535 weibliche) und 13 404 Kinder. Revidiert wurden 162 227 = 54,4% dieser Betriebe mit 5 818 994 Arbeitern = 83,9% aller Arbeiter. Im Jahre 1910 wurden Zuwiderhandlungen bei der Beschäftigung jugendlicher Arbeiter in 17 854 = 11,6% der revidierten Betriebe ermittelt und 1200 Personen deshalb bestraft, bei der Beschäftigung von Arbeiterinnen in 13 609 = 8,8% der revidierten Anlagen, wofür 925 Personen bestraft wurden. An erster Stelle standen dabei die Verletzungen der Vorschriften über Anzeigen, Verzeichnisse und Aushänge (14 223 und 10 895). Im ganzen wurden wegen Vergehens gegen den Arbeiterschutz 24 614 Handlungen und 24 291 Personen gestraft, von letzteren 24 226 mit Geldstrafe, 12 mit Gefängnis (alle wegen rechtswidriger Verwendung von Lohnabzügen), 18 mit Haft, 35 mit Verweis. Von den Handlungen betrafen 10 552 die Sonntagsruhe, 3828 die Arbeitszeit in offenen Verkaufsstellen, 3579 den Kinderschutz nach dem Kinderschutzgesetz, 1647 die Arbeiterversicherung, 1003 den Jugend- und Kinderschutz nach der G.O. Ueberarbeit erwachsener Arbeiterinnen an Wochentagen wurde 5860 Betrieben und darin 451 554 Arbeiterinnen in Höhe von rund 6¼ Million Arbeitsstunden bewilligt, solche an Vorabenden von Sonn- und Festtagen 347 Betrieben und darin 6 052 Arbeiterinnen. Ausnahmen betreffs Sonn- und Festtagsarbeit wurden 2915 Betrieben und darin 135 234 Arbeitern in Höhe von fast 1½ Millionen Arbeitsstunden gewährt. Von den 66 Unfallberufsgenossenschaften haben 63 insgesamt 266 Revisionsbeamte. Im Jahre 1909 wurden von diesen 87 157 Betriebe mit über 2 Mill. Arbeitern revidiert bei einer Gesamtheit von 539 867 Betrieben mit 6,3 Mill. Arbeitern.

Die Erfolge der Arbeiterschutzgesetzgebung sind sehr gute. Wie der glänzende Aufschwung des deutschen Wirtschaftslebens seit 1895 beweist, hat die deutsche Industrie die ihr dadurch auferlegten pekuniären Lasten ohne Schaden getragen. Die Gesundheits- und Sterblichkeitsverhältnisse der Arbeiterschaft haben sich bedeutend gebessert. Die Zahl der gewerblich beschäftigten Kinder ist seit 1892 etwas zurückgegangen, dagegen hat sich die der 14–16 jährigen Arbeiter und ebenso die der erwachsenen Arbeiterinnen nahezu verdoppelt. Am wenigsten durchgeführt ist bisher das Kinderschutzgesetz. Was die Fortführung der Schutzgesetzgebung betrifft, so wird sozialreformerischerseits namentlich gewünscht die Erhöhung des Schutzalters aller Jugendlichen von 16 auf 18 Jahre, die weitere Ausdehnung der Sonntagsruhe, besonders im Handelsgewerbe, eine weitere Herabsetzung der Arbeitszeit für Frauen und Jugendliche und endlich die Ausdehnung des gesamten Arbeiterschutzes auf die Hausindustrie und die Bergarbeiter.

Was die übrigen Länder betrifft, so ist der Arbeiterschutz am weitesten in der Schweiz ausgebildet, die darin auch Deutschland und England übertrifft, am rückständigsten in den erst dürftige Ansätze aufweisenden Vereinigten Staaten von Nordamerika. Höchstarbeitstage für alle Arbeiter in fabrikmässigen Betrieben haben: die Schweiz den elfstündigen seit 1877 und [18] für die Samstage den neunstündigen seit 1905, Österreich den elfstündigen seit 1885, Frankreich den zehnstündigen seit 1904 für Jugendliche, Frauen und solche Männer, die mit jenen zusammenarbeiten. Für den Kohlenbergbau haben Grossbritannien und Frankreich den achtstündigen, Österreich und Belgien den neunstündigen Arbeitstag eingeführt.