BLKÖ:Baillou, Johann chevalier de

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Balassa, Johann
Band: 14 (1865), ab Seite: 388. (Quelle)
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Baillou, Johann chevalier de (Naturforscher und erster Director des Wiener k. k. Hof-Naturaliencabinetes, geb. muthmaßlich in Frankreich um das Jahr 1684, gest. zu Wien 23. November 1758). Sein Vater Sebastian de Baillou, der (seit 1683) mit Marguerite de Gonet vermält war, stand zuerst in französischen Diensten, trat aber später in jene des Prinzen von Lothringen-Vaudemont über, der Baillou’s Sohn Johann in seinen besonderen Schutz nahm, ihn mit seinen Edelknaben zugleich erziehen und vornehmlich in der Mathematik, den Kriegswissenschaften und verwandten Künsten, im Reiten, Fechten u. dgl. m. unterrichten ließ. Johann’s weitere Ausbildung leitete der von dem Prinzen Eugen zum Gouverneur von Finale bestimmte Oberst du Vivier. Nach dessen Tode schickte ihn sein Vater nach Paris, wo er seine wissenschaftliche Ausbildung fortsetzte und bald durch seine Kenntnisse einen so ausgezeichneten Ruf erlangte, daß ihn der Herzog von Parma Francesco Farnese in seine Dienste berief, und im J. 1725 zum Generalcommissär der Artillerie und General-Ingenieur ernannte. Nach des Herzogs Tode wurde B. von dessen Nachfolger Antonio Farnese in allen Würden bestätigt, 1728 zum Comes Palatino Lateranensis, miles et eques aureatus, und zum Intendanten sämmtlicher Gebäude und Gärten, im folgenden Jahre aber zum General-Oberintendanten aller Bergwerke und Fabriken für Parma und Piacenza ernannt. Als der Herzog Antonio im Jahre 1731 starb, verließ B. Parma, übersiedelte mit seiner Familie nach Toscana, wo er in die Dienste des Großherzogs Johann Gasto von [389] Medicis trat, der ihn im Juli 1735 zum Generaldirector der berühmten mediceischen Gallerie in Florenz, im folgenden Jahre aber zum Generaldirector aller Festungen, Gebäude und Bergwerke in Toscana ernannte. Nach Johann Gasto’s des letzten Mediceers 1737 erfolgtem Tode kam B. in die Dienste des Großherzogs von Toscana Franz Stephan’s von Toscana, Gemals der Kaiserin Maria Theresia. B. behielt die unter Johann Gasto bekleideten Würden. Schon als Generaldirector der Bergwerke in Parma und später in Toscana hatte B. den Grund zu seiner später so berühmt gewordenen Naturaliensammlung gelegt, welche von Kaiser Franz I. Stephan im Jahre 1748 angekauft und der Grundstock des heutigen kais. Naturalien- und Mineraliencabinetes wurde. B. selbst wurde nach Wien berufen und zum ersten Director des neugegründeten Hof-Naturaliencabinetes mit der vertragsmäßigen Versicherung ernannt, daß diese Würde erblich bei seiner Familie verbleiben, u. z. auf den ältesten seiner Nachkommen in Oesterreich übergehen solle. Es folgte ihm auch in derselben sein Sohn Ludwig Balthasar von B., und erst dessen Sohn Joseph entsagte diesem vertragsmäßig bedungenen Vorrechte. Johann hatte die Aufstellung der ganzen Sammlung mit Beihilfe seines damals 18jährigen Sohnes Ludwig 1749 vollendet und ihre Ordnung und Vermehrung bis zu seinem im Alter von 74 Jahren erfolgten Tode sorgfältig überwacht. B. war gründlich in den Naturwissenschaften gebildet; schon am Hofe des Herzogs von Parma, seit 1728, hielt er Vorlesungen über Experimental-Physik, welche sich zu jener Zeit eines großen Rufes erfreuten; er machte in denselben die Versuche Newton’s über das Licht, verfertigte sich die zu diesen Versuchen nöthigen Instrumente selbst, wobei er mitunter neue und sinnige Constructionen erfand, unter anderem Sonnengläser, welche die Gegenstände in einer außerordentlichen Reinheit zeigten, eine Fallmaschine, eine Art Reflexions-Goniometer, einen Optometer u. dgl. m. Eines seiner merkwürdigsten Werke und seiner Zeit als ein kleines Weltwunder weit und breit bekannt, war die magische Grotte von Colorno, welche auf den Wunsch des Herzogs entstand, eine originelle Zusammenstellung der sinnreichsten, von Baillou selbst erfundenen und ausgeführten Automaten war und durch eine scharfsinnige Anwendung des Wasser- und Luftdruckes in Thätigkeit gesetzt wurde. In den Kriegswirren zu Ende des 18. Jahrhunderts ging diese Grotte zu Grunde. Sie wurde von einer Gesellschaft Arkadier, deren Mitglieder aus parmesanischen Adeligen und Gelehrten bestanden, in italienischen Versen besungen und unter dem Titel; „Rime degli Arcadi sopra il giardino di Colorno“ (Piacenza 1726) gedruckt. Eine prosaische Beschreibung derselben brachte Joannot de Saint Laurent in dem weiter unten genannten Werke und außerdem ließ der Herzog Zeichnungen des Gartens und der Grotte stechen. Eine Beschreibung der Grotte in deutscher Sprache gibt die unten in den Quellen verzeichnete Monographie des Hauptmanns Blöchlinger. Wie bereits bemerkt worden, begann B. als Generaldirector der parmesanischen Bergwerke Mineralien und Verwandtes zu sammeln und brachte bald eine der herrlichsten und reichsten Privatsammlungen seiner Zeit, welche die Bewunderung von Kennern und Laien erweckte, zu Stande. Nicht aus Liebhaberei, Prunksucht oder Ehrgeiz, [390] sondern als ein Hilfsmittel zum Studium der Naturwissenschaft emsig gesammelt, enthielt sie Stücke einzig in ihrer Art, von den werthvollsten Edelsteinen bis zu dem einfachsten Mineral, das aber auch in einem Prachtexemplare vertreten war. Eine besondere Abtheilung bildeten die nachgemachten Edelsteine. Diese erzeugte B. selbst in seinem Laboratorium und hatte sie alle auf das täuschendste nachgemacht. Um sich eine Vorstellung von dieser herrlichen Sammlung zu machen, sei nur bemerkt, daß die Abtheilung der Edelsteine allein aus 35 Läden bestand, welche wieder in kleinere abgetheilt waren. Wo die Juwelen zu einem Geschmeide zusammengefügt waren, befand sich das kostbarste Stück immer in der Mitte. Ebenso waren die 15 Zellen der Mitte mit kostbaren Edelsteinen umgeben, während die anderen zwanzig mit den minder seltenen und kostbaren Steinen angefüllt waren. Eine ausführliche Beschreibung dieser Sammlung lieferte Joannon de Saint Laurent in dem Werke: „Description abrégée du fameux Cabinet de Monsieur le Chevalier Baillou pour servir à l’histoire naturelle des pierres précieuses, métaux, minéraux et autres fossiles“ (à Luques 1746, 4°.). Baillou war in seinem Fache auch schriftstellerisch thätig, aber sein großartiges mineralogisches Werk: „Traité universel des pierres précieuses, métaux et autres fossiles“, welches in 7 Bände in Folio eingetheilt und druckbereit war, überdieß 600 Blätter mit den trefflich ausgeführten Abbildungen der vorzüglichsten Stücke seiner Sammlung enthalten sollte, ist nicht in die Oeffentlichkeit gelangt. Der Herzog von Parma wollte es auf seine Kosten drucken lassen, da kam sein Tod dazwischen und der Druck unterblieb. Zwei Abhandlungen B.’s sind aber in den Memorie di varia erudizione della societa Colombaria fiorentina 1747 enthalten, u. z. „Compendio analitico delle pietre preziose, metalli e altri fossili“ und anläßlich der oben erwähnten Beschreibung seines eigenen Cabinetes von Saint Laurent: „Memoire presenté à la société Colombaria à l’occasion du livre, qui donne la description abbrégé de son Cabinet“. Wohin das große Werk Baillou’s gekommen, das gewiß auch für die Gegenwart noch Interesse besitzt, indem es außer den fachwissenschaftlichen Beschreibungen auch noch nützliche Andeutungen für Juweliere und Steinschneider und sonst treffliche fachgemäße Winke enthält für jeden, der mit dergleichen zu thun hat, ist dem Herausgeber dieses Lexikons nicht bekannt. B. war bereits seit 1713 mit Marchesa Margarita Monti della Scrivia, die aus einer alten piemontesischen Familie stammte, verheirathet. Sieben Tochter und zwei Söhne waren die Frucht dieser Ehe. Die beiden Söhne Joseph und Johann Ludwig Balthasar wurden mit Diplom vom 9. April 1766 in den Reichsfreiherrnstand erhoben.

Blöchlinger von Bannholz (Karl), Der Oberstlieutenant Chevalier de Baillou und die Entstehung des k. k. Hof-Naturalien-Cabinetes (Wien 1804, Lex. 8°.) [Separatabdruck aus Streffleur’s „Oesterr. militär. Zeitschrift“ 1864, 3. Band, die Hauptquelle der obigen Skizze]. – Brosses (Charles de), Lettres familières écrites d’Italie à des amis 1739–1740; publies par Babou (Paris 1858). – Stütz (Andreas), Mineralogisches Handbuch. Herausgegeben von Megerle von Mühlfeld (1807). – Bergmann (Joseph), Pflege der Numismatik in Oesterreich im 18. Jahrhunderte, I, S. 19 u. 56. – Fitzinger, Geschichte des k. k. Naturalien-Cabinetes.[BN 1]Porträt. Im letzten der Säle des k. k Hof-Mineraliencabinetes erblickt man ein [391] großes Oelgemälde, eine Gruppe von fünf männlichen Gestalten vorstellend. Es ist nämlich Kaiser Franz I. Stephan, umgeben von van Swieten, damaligem Präfecten der Hofbibliothek, Duval, Director des Münz- und Antikencabinetes, Abbé Marcy, Director des physikalisch-mathematischen Cabinetes, und Chevalier de Baillou in der Parade-Uniform eines Artillerie-Oberstlieutenants, mit rothen Aufschlägen, rother goldbetreßter Weste und goldener Schärpe.

Berichtigungen und Nachträge

  1. E Baillou, Jean chevalier de [Bd. XIV, S. 388].
    Blöchlinger von Bannholz (Carl Friedrich), Chevalier Jean de Baillou, erster Director des k. k. Hof-Naturalien-Cabinets in Wien und Oberstlieutenant in der Artillerie. Ein Beitrag zur Geschichte der Gelehrten, der Kunst und der Erfindungen (Wien 1868, E. Schlieper, 8°., VIII u. 52 S.) [ein Anhang (S. 39–52) bringt noch über 7 andere Sproßen der Familie Baillou Nachrichten]. [Band 28, S. 325]