BLKÖ:Klein, Johann Wilhelm

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Klein, Johann Samuel
Band: 12 (1864), ab Seite: 51. (Quelle)
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Klein, Johann Wilhelm (Humanist, Gründer und Director der Erziehungs- und Versorgungsanstalt für Blinde zu Wien, geb. zu Allerheim bei Nördlingen 1765, gest. zu Wien 12. Mai 1848). Sein Vater war Amtspfleger zu Allerheim, der seinem Sohne eine wissenschaftliche Erziehung geben ließ, welche auf dem Gymnasium zu Stuttgart begonnen und auf der berühmten Karlsschule daselbst vollendet wurde. Im J. 1788 kehrte der Sohn, 18 Jahre alt, in sein Vaterhaus zurück und erhielt in einiger Zeit die Verwaltung eines Gerichtsamtes. Mehrere Jahre bereits hatte er diesen Dienst versehen, als 1799 die Franzosen jene Gegenden als Feinde durchzogen und das Volk unter den Wirren und Lasten einer traurigen Zeit schwer zu leiden begann. Einige Zeit hatte es K. versucht, die durch die Eroberungssucht der Franzosen unerträglich gewordenen Zustände zu erleichtern; die immer häufigeren, durch beispiellose Eingriffe des Feindes in Privatrechte entstandenen Wirren zu schlichten; endlich aber überwog K.’s sanfte Gemüthsart, freiwillig legte er das Amt, in welchem zu helfen über seine und jedes Redlichen Kräfte ging, nieder und sah sich nach einem andern Wirkungskreise um. K. begab sich im genannten Jahre nach Wien, wo er juridische und pädagogische Studien trieb. Eine von ihm über das Armenwesen verfaßte Schrift wurde Veranlassung, daß man ihn 1803 zum Armen-Bezirksdirector wählte und ihm eine zeitweilige Anstellung bei der damals zur Einrichtung des Armenwesens eingesetzten Hofcommission verlieh. In diesem Wirkungskreise bot sich ihm Gelegenheit, das bedauerliche Geschick blinder Kinder, welche ohne Erziehung und Unterricht geblieben, zu beobachten. Schon der Pädagog Franz de Paula Gaheis [Bd. V, S. 54] hatte im Jahre 1802 einen Entwurf zu einem Institute für blinde Kinder ausgearbeitet, [52] jedoch war die Sache unbeachtet geblieben. K. nahm den Gegenstand wieder auf und einen neunjährigen, im Alter von kaum drei Jahren erblindeten Knaben zu sich, um ihn zu erziehen. K. war bei dieser sich selbst gestellten Aufgabe auch ganz sich selbst überlassen. Denn wohl war in Paris schon 1784 von Valentin Hauy ein Blindeninstitut errichtet worden, aber K. hatte keine Gelegenheit gehabt, die dort befolgte Unterrichtsmethode kennen zu lernen und mußte also sich einen eigenen Plan machen, in welchem er glücklicher Weise durch die Wißbegierde und den Eifer seines Zöglings wesentlich gefördert wurde. Klein hat die Bildungsgeschichte dieses seines ersten blinden Zöglings in anmuthiger Weise beschrieben, seine Beobachtungen und Entdeckungen, darunter die Vorrichtung mit der durchstochenen Schrift mitgetheilt und sozusagen die Möglichkeit eines systematischen Blindenunterrichts nachgewiesen. Im Jahre 1806 nahm er einen zweiten Zögling auf und die öffentlich mit seinen Schützlingen vorgenommenen Prüfungen hatten zur Folge, daß K. seit dem Jahre 1808 von Seite der Regierung und des Publicums in großmüthiger Weise unterstützt und in den Stand gesetzt wurde, seinem wohlthätigen Werke die gewünschte Ausdehnung zu geben. Es wurden ihm nun acht blinde Kinder auf öffentliche Kosten in Erziehung gegeben, ihm aber überdieß freigestellt, auch andere blinde Kinder auf Rechnung ihrer Eltern oder Verwandten aufzunehmen. Einzelne Zöglinge machten ungewöhnliche Fortschritte; dieß und die Möglichkeit, einer ganzen, durch solch ein Leiden schwer heimgesuchten Menschenclasse, die Mittel einer angemessenen Ausbildung zu bieten, rief an anderen Orten ähnliche Anstalten in’s Leben, welche nach dem Muster der Wiener eingerichtet wurden. Klein selbst mehrte seine Beobachtungen, wozu sich ihm bei der größeren Anzahl Zöglinge von mehr oder minderem Talent und glücklichen Anlagen genug Gelegenheit bot, vervollkommnete seine Methode, erfand ein und das andere sinnreiche Mittel, den eines so wichtigen Sinnes Beraubten das fehlende Organ zu ersetzen. Wo solch eine Anstalt in’s Leben trat, wendete man sich an ihn mit Fragen, erbat sich von ihm die Anweisungen über Einrichtung und Methode, und so wurde Klein sozusagen der Begründer des Blindenunterrichtes für Oesterreich und ganz Deutschland. Im Jahre 1816 endlich, nach einer beinahe 14jährigen behördlichen Prüfung und Beobachtung, wurde das von ihm gegründete Blindeninstitut als Staatsanstalt erklärt und er als Director und unmittelbarer Leiter demselben vorgesetzt. Durch eine zweckmäßige Gebarung und Unverdrossenheit ohne Gleichen, seiner Anstalt neue Freunde und fördernde Gönner zu erwerben, hatte er das Stammvermögen der Anstalt bis zum Jahre 1846, also innerhalb 30 Jahren ihres öffentlichen Bestandes, auf 255.617 fl. C. M. gebracht, in welche Summe das Institutsgebäude und die dazu gehörige Einrichtung nicht mit einbezogen sind. Aber noch ein Gedanke war es, der ihm keine Ruhe ließ, nicht bloß Erziehung und Unterricht wollte er seinen Pflegebefohlenen verschafft haben, auch eine Zufluchtsstätte nach vollendeter Ausbildung wollte er ihnen gründen, in welcher sie unbeirrt von der Außenwelt, die im Erziehungsinstitut erlernten Fertigkeiten und sonstigen Kenntnisse ausüben und anwenden konnten, und nicht in die unangenehme Lage versetzt wurden, den nicht immer toleranten Sehenden zur Last zu fallen. So trat über seine Anregung 1826 ein [53] Verein von Menschenfreunden zusammen, welcher die Errichtung einer Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für Blinde auszuführen beschloß. Bald waren die Mittel nicht nur gefunden, sondern mehrten sich von Jahr zu Jahr, es wurde der Bau der jetzigen Versorgungsanstalt für erwachsene Blinde aufgeführt, mit der nöthigen Einrichtung versehen und mit der Aufnahme, Verpflegung und Beschäftigung weiblicher und männlicher Blinden begonnen. Schon im Jahre 1840 besaß die Anstalt außer einem eigenen, mit einem Aufwande von mehr denn 82.000 fl. C. M. fast gänzlich neu aufgebauten Hause ein Vermögen von 52.000 fl. C. M. und das von dem Erbauer, Erzbischof Ladislaus Pyrker, geschenkte Stadthaus, dessen Rente seit dem Ableben des Gebers dem Institute ungeschmälert zu Gute kommt. Im Jahre 1840, am 3. December, wurde K. für seine Verdienste mit der großen goldenen Verdienst-Medaille sammt Kette, feierlich ausgezeichnet und dieses Fest fand statt, während ihn 92 Blinde, aus beiden seiner Leitung anvertrauten Instituten, umgaben. Im Jahre 1842, Klein zählte damals bereits 77 Jahre, fiel ihm die Leitung beider Institute zu schwer und er legte jene der Versorgungs- und Beschäftigungsanstalt für erwachsene Blinde nieder, bei welcher Gelegenheit ihn der Protector des Vereins, Erzherzog Franz Karl, mit einem werthvollen Brillantringe auszeichnete. Von nun an führte K. nur noch die Leitung des Blinden-Erziehungsinstitutes, und in diese letztere Zeit fallen manche nicht unwichtige Neuerungen, welche für den Unterricht von Blinden maßgebend und durch die für alles Zweckmäßige rastlos thätige und unermüdliche Energie des Directors der Staatsdruckerei, Ritter von Auer, mächtig gefördert wurde. Nicht alle Blinden konnten in dem von Klein begründeten und den auch sonst hie und da in’s Leben gerufenen Instituten untergebracht werden. Die Wiener- und die übrigen Anstalten waren nur für die Auserwählten der im Ganzen weit stärkeren Anzahl von Blinden bestimmt. Klein verfaßte deßhalb einen Leitfaden, welcher von der damaligen Studienhofcommission an alle Schullehrer hinausgegeben wurde und welchem zu Folge der Blindenunterricht ein Element des Unterrichtes überhaupt wurde. Durch diese Schrift wurden die Eltern blinder Kinder aufmerksam gemacht, wie Blinde ihrem Zustande gemäß zu erziehen seien, und die Seelsorger und Schullehrer angewiesen, die Blinden zugleich mit den Sehenden, doch jene mit den ihrem Zustande entsprechenden Hilfsmitteln zu unterrichten. Zu diesem Zwecke hatte nun die Staatsdruckerei es übernommen, die Lehr- und Lesebücher für Blinde, ferner das Papier und die Vorrichtungen zur durchstochenen Schrift, womit Blinde selbst für sich schreiben können, zu liefern und dieses Unternehmen auf das kräftigste zu unterstützen. In der Folge hatte die Staatsdruckerei die Zahl der Schriften für Blinde vermehrt und vieles andere, den Unterricht derselben in der Geschichte und Naturgeschichte Fördernde in bewunderungswürdiger Weise ausgeführt. Wie schon erwähnt, war K. auf seinem Gebiete auch schriftstellerisch thätig. Seine im Drucke erschienenen Fachschriften sind: „Ueber Armuth, Abstellung des Bettelns und Versorgung der Armen“ (Nördlingen 1792, 8°.); – „Das Arbeits- und Besserungshaus“ (Wien 1804, Geistinger, 8°.); – „Beschreibung einiger gelungenen Versuche an einem blinden Knaben“ (Wien 1804, Geistinger, 8°.); – „Nachricht von dem neuesten Zustande der [54] Volksmenge und den Wohlthätigkeitsanstalten in Wien“, 2 Hefte (Wien 1814, Ant. Doll, 8°.); – „Abriss der neuesten politischen Geographie, mit einer kurzen Einleitung in die mathem. und phys. Erdkunde“ (Wien 1817, Beck, 8°.); – „Lehrbuch zum Unterricht der Blinden, um ihnen ihren Zustand zu erleichtern, sie nützlich zu beschäftigen u. s. w.“ (Wien 1819, Schaumburg, mit 6 K. K., gr. 8°.); – „Geschichte des Blindenunterrichtes und der den Blinden gewidmeten Anstalten in Deutschland, sammt Nachrichten von den Blinden-Anstalten in anderen Ländern“ (Wien 1837, Pichler, gr. 8°.); – „Anleitung, blinden Kindern, ohne sie in einem Blinden-Institute unterzubringen, die nöthige Bildung zu verschaffen u. s. w. Mit einem fühlbaren Apparate“ (Wien 1844, 8°.). Auch gab K. in den Jahren 1804 und 1805 das „Oesterreichische Magazin für Armenhülfe, Industrie-Anstalten und Dienstboten“ (Wien, 8°.) heraus, wovon 4 Hefte erschienen sind. In seinen letzten Lebensjahren beschäftigte seinen Geist die Sehnsucht nach Befriedigung eines eigenthümlichen Genusses. Laube’s „Karlsschüler“ hatten den Reigen einer neuen Richtung im deutschen Drama eröffnet. Klein, selbst ein Karlsschüler, der die meisten im Stücke auftretenden Personen persönlich gekannt, hätte das Stück für sein Leben gern darstellen gesehen. Aber nur es zu lesen war ihm vergönnt, denn als es zur Darstellung gelangte, lag K. bereits an das Sterbelager gefesselt, von welchem ihn bald darauf der Tod befreite. Noch hatte er die Märztage erlebt, aber wenige Tage vor dem 17. Mai, mit welchem die Schändung der glorreich gewonnenen Freiheit in Wien anhob, starb er im Alter von 83 Jahren.

Wiener (amtliche) Zeitung 1848, Nr. 142. – Neuer Nekrolog der Deutschen (Ilmenau, B. F. Voigt, kl. 8°.) XXVI. Jahrgang (1848), Theil l, S. 381, Nr. 83. – Oesterreichs Pantheon. Gallerie alles Guten und Nützlichen im Vaterlande (Wien 1831, M. Chr. Adolph, 8°.) Bd. I, S. 15–24: „Die Entstehung des Blindeninstituts zu Wien“. – Annalen der Literatur und Kunst in dem österreichischen Kaiserthume (Wien, Ant. Doll, 4°.) Jahrgang 1809, Bd. I, Intelligenzblatt des Monats April, Sp. 145–151; – dieselben, Jahrgang 1811, Bd. II, S. 342: „Kurze Geschichte und gegenwärtige Verfassung des Blinden-Institutes in Wien“. – Meyer (J.), Das große Conversations-Lexikon für die gebildeten Stände (Hildburghausen und New-York. Bibliogr. Institut, gr. 8°.) Supplem. Band IV, S. 254. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. III, S. 216; Bd. VI, im Supplement, S. 514 [nennt seinen Geburtsort irrig Alterheim statt Allerheim]. – Porträt. Unterschrift: Johann Wilhelm Klein. Director des kais. königl. Blinden-Instituts, Gründer des Privat-Vereins zur Versorgung und Beschäftigung erwachsener Blinden in Wien, gewidmet von einem seiner Verehrer. Kriehuber (lith.) 1831. Gedr. im lith. Inst. in Wien (Halb-Fol.).