BLKÖ:Meyr, Johann (Meyr’s Neffe)

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Mayer, Johann Alois
Band: 18 (1868), ab Seite: 136. (Quelle)
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66. Meyr, Johann [heutige Firma: Meyr’s Neffe][WS 1] (Industrieller, geb. zu Silberberg in Böhmen im Jahre 1775, gest. 17. Jänner 1841). Schon Johann Meyr’s Vater, Joseph M., errichtete im Jahre 1816 die Glasfabrik Adolphshütte, welche nach dessen Tode sein Sohn Johann übernahm. Unter dessen Leitung erlangte die Production eine derartige Ausdehnung, daß sich bald das dringende Bedürfniß einer den namhaften Nachfragen entsprechenden Erweiterung des Betriebes ergab. Als auch die Productionsvermehrung nicht mehr ausreichte, erbaute Johann Meyr eine dritte Glashütte. Im Jahre 1834 wurde der Betrieb der Glasfabrik zu Eleonorenhain eröffnet, für deren Aufbau mitten in einem Urwalde mit vielen Kosten erst 150 Joch Moorgrund trocken gelegt werden mußten. Dabei lieferten M.’s zwei großartige Fabriken zu Adolph und Eleonora – beide nach dem damals regierenden Fürsten und der Fürstin Schwarzenberg so genannt – dann die zu Kaltenbach Erzeugnisse von der höchsten Vollendung und in der größten Quantität. In rastloser Thätigkeit hob M. seine Arbeiten von Stufe zu Stufe, so daß sie den Vergleich mit den besten französischen und englischen auszuhalten im Stande waren. Meyr selbst, der mit ungewöhnlichem Scharfblicke auch wissenschaftliche Bildung verband, war das Ideal eines vollendeten Geschäftsmannes, zugleich aber das Muster eines humanen, edlen Menschen. Auf viele Meilen in der Runde seines Wohnsitzes herum wurde sein Name von Arm und Reich mit Achtung und Liebe genannt. Seine Dienstleute und Untergebenen liebten und verehrten ihn wie ihren Vater. Bei 600 bis 1000 Personen fortwährend beschäftigend, dankten eine Menge Haushaltungen ihm ihre Existenz und ihr Wohl. Die Wildnisse des Böhmerwaldes wandelten sich unter seiner schaffenden Hand in wohnliche und angenehme Gegenden. So ist das oberwähnte Eleonorenhain, wo vor Meyr keines Menschen Fuß hingelangt war, nur durch seine unbeugsame That- und Willenskraft entstanden, und bildet nun ein freundliches, von Feldern umgebenes Fabriksdorf mit Kirche und Schule, welches damals schon, als er noch lebte, an sechzig Nummern zählte. Meyr starb, 66 Jahre alt, am 17. Jänner 1841, und die Leitung der Fabriken übernahmen dessen Neffen Wilhelm Kralik[WS 2] und Joseph Taschek unter der Firma: „Meyr’s Neffen“. Im Geiste ihres Vorgängers trieben sie das Geschäft, es bedeutend erweiternd, [137] fort. Im Jahre 1854 kauften sie auch noch die Fabrik Franzensthal. Dabei wendeten sie sich vorzüglich der Veredlung und Vervollkommnung ihrer Fabricate zu. Als im Jahre 1862 Joseph Taschek starb, übernahm Wilhelm Kralik allein die Leitung aller Werke, unter der Firma: „Meyr’s Neffe“. Seine Fabriken erzeugen alle Sorten weißes, glattes und façettirtes Hohlglas, das feinste Krystall-, Rosa-, Rubinroth-, Alabaster-, Turkis-, Chrysopras- und Beryll-Glas, sowie alle verschiedenen farbigen, überfangenen, plattirten und emaillirten Luxusgläser, sowohl glatt, als brillantirt, geschliffen, gravirt, bemalt und vergoldet in den besten und modernsten Formen, dann ordinäres und feines Fenstertafelglas, Kali-, Solin-, halbweiße, sowie in der Masse gefärbte und farbig überfangene Tafelgläser. Als besonders ausgezeichnet ist das daselbst erzeugte Krystall zu erwähnen, welches sehr rein, weiß und feurig ist, den nachtheiligen Einflüssen der Atmosphäre und der Sonnenstrahlen widersteht, und seine ursprüngliche Farbe mit dem Glanze beibehält. Ferner sind bemerkenswerth die Rosa- und die Emailgläser, erstere wegen des Feuers und der schönen, durch Goldpurpur erzeugten Farbe, letztere wegen ihrer blendenden Weiße und Intensivität des Emails. Schließlich sind die Zusammensetzungen der verschiedenen opaken Farben, wie Alabaster mit Turquis oder Beryll den Fabriken von „Meyr’s Neffe“ eigenthümlich. Die Erzeugung der sämmtlichen Glashütten M.’s beträgt im Durchschnitte jährlich 6–7000 Centner Hohlglas aller Art, 4800 Centner (800.000–900.000 Quadratfuß) Tafelglas im Werthe von 300.000 Gulden. Gearbeitet wurde im Jahre 1857 auf 11 Glasöfen, jeder zu 7 oder 8 Hafen für 110–180 Pfund Glasmasse, und zwar in Adolphshütte und Kaltenbach auf je zwei, in Eleonorenhain auf vier und in Franzensthal auf drei Oefen. Die Fabriken verbrauchen jährlich an Brennstoff 13.500–16.000 Klafter Fichten- und Tannenholz, an Rohmaterials 9000–10.000 Centner Quarz, 1600 Centner Kalk, 3000 Centner Pottasche, 2400 Centner Glaubersalz, 200 Centner Soda, 150 Centner Minium, 100 Centner Salpeter, 60 Centner Arsenik und 20–30 Centner Oxyde, als: Nickel-, Kobalt-, Chrom-, Kupferoxyde u. s. w. Das Personale in den Fabriken belief sich im g. J., 1857, auf 579 Personen, darunter 16 Beamte, 1 Zeichner, 230 Glasschleifer, 3 Graveurs, 45 Vergolder und Maler, 28 Tafel- und 48 Hohlglasmacher, 5 Formmacher und Drechsler u. s. w. Durch das Fällen, Verarbeiten und Zuführen des Brennholzes, sowie durch die Verführung des Quarzes und sonstiger Materialien, dann der fertigen Waaren und durch die Erzeugung der Pottasche werden noch außerdem in dieser unfruchtbaren Gegend, wo sonst nur wenig Verdienst ist, 400–500 Menschen beschäftigt, und es kann angenommen werden, daß im Ganzen bei diesen Fabriken an 3000 Personen ihren Erwerb finden. Die Erzeugnisse der Fabriken „Meyr’s Neffe“ haben schon viele Auszeichnungen erlangt, im Jahre 1831 in Wien die silberne Medaille, 1836 in Prag die große goldene Medaille, 1845 in Wien die große goldene Medaille, 1851 in London die Councill-Medaille. 1854 in München die große Denkmünze, 1855 in Paris die große goldene Ehrenmedaille.

Meyr und die Firma „Meyr’s Neffe“ erscheint auf verschiedene Art geschrieben; selbst der amtliche Bericht schreibt ihn Meyer. Die einzig richtige Schreibweise ist: Meyr und Meyr’s Neffe. – Der Sammler. Ein [138] Unterhaltungsblatt für alle Stände (Wien, 4°.) 33. Jahrgang (1841), Nr. 34, S. 134: „Johann Meyr. Silhouette aus der Gewerbs- und Industriewelt“. – Industrie-Statistik der österreichischen Monarchie für das Jahr 1856 (Wien 1857, Staatsdruckerei, schm. 4°.) Heft I, S. 125. – Linzer Abendbote 1864, Nr. 214 u. 215: „Meyr’s Neffe und sein Glas“. – Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat (Wien, 4°.) Jahrg. 1812, S. 381: „Die Glasfabrik des Herrn Joseph Mayr“. – Bericht über die allgemeine Agricultur- und Industrie-Ausstellung zu Paris im Jahre 1855. Nach den Arbeiten und Materialien der österreichischen Berichterstatter und Jury-Mitglieder ... Herausgegeben unter Redaction von Dr. Eberhard A. Jonák (Wien, 1857/58, Staatsdruckerei, 8°.) Bd. II, Classe 18, S. 20 u. f.

Anmerkungen (Wikisource)