BLKÖ:Riegger, Paul Joseph Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Rieger, Albert
Band: 26 (1874), ab Seite: 129. (Quelle)
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Riegger, Paul Joseph Ritter von (Rechtsgelehrter und Fachschriftsteller, geb. zu Freyburg im Breisgau 29. Juni 1705, gest. zu Wien 2. December 1775). Sein Großvater Johann Baptist war Stadthauptmann von Villingen und hatte sich im Jahre 1704, als die Franzosen die Stadt belagerten, durch Anführung der Bürgerschaft zur Vertheidigung der Stadt rühmlichst ausgezeichnet. Dessen Sohn, gleichfalls Johann Baptist, des obigen Paul Joseph Vater, war Registrator bei der vorderösterreichischen [130] Regierung und hat, als im Jahre 1713 die Franzosen neuerdings die Stadt Villingen belagerten, mit Lebensgefahr die landesfürstlichen Archive gerettet. Sein Sohn Paul Joseph, der öfter auch nur Joseph allein genannt erscheint, beendete die Gymnasial-, philosophischen und rechtswissenschaftlichen Studien an der schon im Jahre 1456 gestifteten Akademie zu Freyburg im Breisgau. Im Jahre 1720, kaum 15 Jahre alt, war er bereits Magister der Philosophie und vor seiner Volljährigkeit Doctor beider Rechte. Im Jahre 1733 ernannte ihn Kaiser Karl VI. zum Professor der eben neu gegründeten Lehrkanzel des Natur- und Völkerrechts, des öffentlichen deutschen Rechts und der deutschen Geschichte an der Hochschule zu Innsbruck, wo er unter Anderen im Jahre 1742 den nachmals so berühmten Staatsmann und Rechtsgelehrten Karl Anton Martini Freiherrn von Wasserberg [Bd. XVII, S. 33] zu seinem Schüler hatte. Auf diesem Posten wuchs Riegger’s Ansehen immer mehr, und ungeachtet der Ränke und Verfolgungen der Jesuiten gegen den aufgeklärten, geistvollen Gelehrten wurde er nicht weniger denn achtmal zum Decan der juridischen Facultät und zweimal zum Rector magnificus der Universität gewählt, dann in wichtigen Universitäts-Angelegenheiten einmal direct an das kaiserliche Hoflager, zweimal an die damals aufgestellte Graf Chotek’sche bevollmächtigte Hofcommission und einmal nach München wegen der Reformen der dortigen Hochschule abgeordnet. Ueberdieß wurde er auch von Seite des Auslandes in verwickelten Rechtsfragen zu öfteren Malen zu Rathe gezogen. Als im Jahre 1753 an der Wiener Hochschule wesentliche Reformen vorgenommen wurden, wurde R. unter gleichzeitiger Ernennung zum Hofrathe als Professor der geistlichen Rechte an dieselbe berufen und dann als Mitglied der damals aufgestellten Büchercensurs-Commission beigezogen. Durch einen am 24. Februar 1746 zwischen der Hofkammer und dem Jesuitenorden abgeschlossenen Vertrag wurde der ehemalige Lieblingsaufenthalt der Kaiser Leopold I. und Karl VI.: das kaiserliche Lustschloß La Favorita, auf Geheiß der Kaiserin Maria Theresia der Gesellschaft Jesu unter der Bedingung überlassen, daß sie sich darin der Erziehung und dem Unterrichte der adeligen Jugend widme und dieselbe für den Eintritt in höhere Staatsämter vorbereite. Durch einen Stiftsbrief der Kaiserin Maria Theresia ddo. 20. December 1749 wurde das Collegium Theresianum – die heutige Theresianische Ritter-Akademie – organisirt und durch einen zweiten ddo. 30. Octobr 1751 reformirt. An dieser so reformirten Anstalt wurde R. durch den Grafen Haugwitz zuerst als Professor des Staatsrechtes, später auch des canonischen Rechts angestellt, ein Umstand, der bei den damaligen religiösen Streitigkeiten große Bedeutung und ein lebendiges praktisches Interesse erhielt. Als Rath bei der böhmischen Hofkanzlei wurden R. die Berichte über geistliche Angelegenheiten übertragen. Die von ihm verfaßten Institutionen der kirchlichen Rechtswissenschaft bildeten bald überall die Grundlage des Unterrichts. Eine freiere Strömung ging durch alle bisher unter dem Bann mittelalterlicher Anschauungen entstellten und verballhornten, nun von Riegger vorgetragenen Lehren über Kirchenstrafen, über Ursprung und die wahren Grundlagen des canonischen Rechtes, über den [131] Orden der deutschen Ritter, über die Stellung der Nuntien in Beziehung auf die freie Glaubensübung, über die Privilegien der weltlichen Macht in geistlichen Sachen und über die Rechte des Königs von Ungarn als Legat des heiligen Stuhles. Einen gleich anerkennenden Erfolg erhielten seine Denkschriften über die Macht des Papstes und die richtigen Grenzen desselben, über die Rechte der Erzbischöfe und Bischöfe, über die Beziehungen des Staates zur Kirche, ferner seine lichtvollen Angriffe gegen die Austreibung des Teufels, gegen die Hexenprocesse, gegen die Gefängnisse in den Klöstern, gegen die ewigen Gelübde, die in zarter Jugend geleistet werden, und gegen die übergroße Anzahl der Festtage und über die strenge Beobachtung der Gesetze gegen die Güter der todten Hand. Man sieht, Riegger war der Vorläufer[WS 1] des großen Sonnenfels, und Vieles, was diesem zugewiesen wird, ward mehrere Jahrzehnde früher von Riegger angebahnt. Diese, in seinen Werken ausgesprochenen, auf Grund geschichtlicher Forschung geschöpften wissenschaftlichen Ergebnisse blieben nicht ohne praktischen Erfolg, die meisten von ihnen riefen eine und die andere Verordnung der Kaiserin Maria Theresia und ihres Sohnes Joseph hervor. So durfte – schon vor mehr als 100 Jahren – kein Breve, keine Bulle ohne Erlaubniß der weltlichen Macht bekannt gemacht werden; die Nuntien durften sich nicht in geistliche Angelegenheiten mischen; ihre kostspieligen Beaufsichtigungen von Klöstern und anderen Anstalten wurden eingeschränkt. Wenn die erblichen Güter der Geistlichkeit – die ersten Kirchenstellen blieben häufig in derselben Familie – besteuert werden sollten, bedurfte es keiner Genehmigung Roms mehr; den Bischöfen wurde verboten, directe Beziehungen zum heiligen Stuhle zu unterhalten, ihre Verhandlungen mußten durch die weltliche Gewalt vor ihrer Ausführung sanctionirt werden. Die Kaiserin verminderte nicht blos die übergroße Anzahl der Festtage, welche dem Landbau, dem Handel und den Gewerben schadeten, sondern verbot auch (1758) die Teufelsaustreibungen und Hexenprocesse, bestimmte die Höhe der Mitgift, welche die Klöster fordern durften (1763), stellte in den Grundsätzen der Theologie und des canonischen Rechtes Uebereinstimmung her, erließ das Verbot, vor vollendetem 24. Lebensjahre ewige Gelübde auszusprechen (1776), begegnete den Verschleppungen und Verschleuderungen der Klostergelder, und befahl den Verwaltern derselben, ihre Capitalien im Lande anzulegen. Sie untersagte den Weltgeistlichen und Mönchen jede Erbschleicherei und befahl den Geistlichen Aufhebung ihrer Kerker und körperlichen Strafen. Ferner beseitigte die Kaiserin das Asylrecht, durch welches viele Missethäter unter den Gewölben von Kirchen und Klöstern Straflosigkeit fanden. Riegger’s wichtigste Schriften fielen mit dem großes Aufsehen erregenden Werke des Weihbischofs von Trier, Johann Nikolaus von Hontheim, zusammen, der unter dem Namen Febronius das berühmte (in geistlichen Kreisen berüchtigte) Werk: „De statu praesenti ecclesiae et legitima potestate Romani Pontificis liber singularis ad reuniendos dissidentes in religione christiana compositus“, 4 Bde. (Bouillon 1763, 4°.) herausgab, worin Hontheim die gallicanischen Freiheiten für das Episcopalsystem mit geschichtlichen Beweisen in Deutschland entwickelte und darin die wesentlichen Rechte des [132] apostolischen Stuhles auf ein von dem bisherigen stark abweichendes Maß einschränkte. Clemens XIII. hatte das Buch mit einer Bulle sofort verdammt (27. Februar 1764) und Hontheim mußte widerrufen, leistete aber den Widerruf nicht ohne Vorbehalt. Die in seinem Werke ausgesprochenen Grundsätze wurden aber nur in bei weitem milderer und deßhalb um so wirksamerer Form von Eybel [Bd. IV, S. 118] und später auch von dem Prälaten Rautenstrauch [Bd. XXV, S. 67] adoptirt und weiter verbreitet. Aus Vorstehendem ist wohl die weittragende und aufklärende Thätigkeit Riegger’s vollkommen ersichtlich. Die bibliographischen Titel seiner fast durchwegs in lateinischer Sprache verfaßten und nur der gelehrten Welt, aber nicht den Massen zugänglichen Schriften sind in chronologischer Folge: „Dissertatio historico-juridica de ordine equestri teutonico“ (Oeniponti 1742, Wagner, Fol.); – „Historia imperii Romano-Germanici pragmatice delineata et in XV periodos distributa“ (Vindobonae 1753, 4°.); – „Exercitatio de Scriptura sacra, primo juris ecclesiastici fonte“ (ibid. 1755, 8°.); – „Exercitatio de juris ecclesiastici origine natura et principiis“ (ibid. 1756, 8°.); – „Delineatio historiae Germaniae in tabulis“. Periodus I (ibid. 1756, Fol.); – „Corpus juris publici et ecclesiastici Germaniae academicum“. Pars I. et II. (Vindob. et Pragae 1757, 1760, 8°.; zweite verm. u. verbess. Aufl. ebd. 1775, 8°.); – „Exercitatio de conciliis iuris ecclesiastici altero fonte“ (Vindob. 1757, 4°.); – „Exercitatio de collectionibus iuris ecclesiastici antiqui, sive ante Gratianei“ (Viennae et Pragae 1757, 8°.); – „Introductio in universum ius ecclesiasticum“. Pars I (Vindob. 1758, 4°.); später vollständiger unter dem Titel: „Institutiones iurisprudentiae ecclesiasticae“ . Partes IV (ibid. 1768–1772); neue Ausg. (ibid. 1774, 8°.); dritte Aufl. (ibid. 1780, 8°.); – „Dissertatio de sensu canonis VI. Concilii Nicaeni“ (ibid. ..., 4°.); – „Dissertatio de Decreto Gratiani“ (Vindob. 1760, 4°.); auch in Ant. Schmidtii[WS 2]: „Thesaurus juris ecclesiast.“, tom. I, No. 3; – „Corpus iuris ecclesiastici Austriaci“ (ibid. 1764, 8°.); – „Opuscula iuris ecclesiastici varii argumenti, sparsim antea nunc collectim edita et recusa“ (ibid. 1768, 8°.); – „Specimen corporis iuris ecclesiastici Regni Hungariae et partium eidem adnexarum secundum ordinem Decretalium Gregorii IX. Pontificis digeeii etc.“ Pars I. et II. (ibid. 1773, 8°.); – „Dissertatio de poenitentiis et poenis ecclesiasticis“ (ibid. 1772, 4°.); – „Dissertatio de magia“ (ibid. 1773, 4°.); – „Principia iuris ecclesiastici Germaniae; cum praefatione J. V. Eybel J. C.“ (ibid. 1773, 8°.); – „Elementa juris ecclesiastici. Pars I. de religione, ecclesia et iure ecclesiastico generatim, nec non Germaniae speciatim. Pars II. de personis et congregationibus nec non officiis ac beneficiis ecclesiasticis“ (ibid. 1774 et 1775, 8°.); – „Synopsis iuris ecclesiastici publici et privati, quod per terras hereditarias Augustissimae Imperatricis Maria Theresiae olim obtinuit et adhucdum obtinet“ (ibid. 1776, 8°. maj.); – „Editio II. adnotationibus et additamentis aucta“ (ibid. 1779, 8“, maj.), von Einigen (man vergleiche darüber das Ergänzungsblatt zur „Allgemeinen Literatur-Zeitung“, Jahrg. IV, Bd. II, S. 148) wird dieses [133] Buch dem Prälaten Rautenstrauch zugeschrieben; und außerdem schrieb R. noch etliche Lehrbücher über das Staats- und Kirchenrecht in deutscher und lateinischer Sprache. Diese Verdienste um die Wissenschaft wurden von der Kaiserin Maria Theresia durch R.’s Erhebung in den Ritterstand, welche mit Diplom vom 8. Jänner 1764 erfolgte, gewürdigt. Riegger starb im Alter von 70 Jahren. Man erzählt, daß, als er auf dem Todtenbette lag, ein Prälat – angeblich von der Kaiserin Maria Theresia abgeschickt? – ihn ermahnt habe, einige seiner Ansichten und Urtheile zu widerrufen. Aber der edle Greis erwiederte dem Versucher: „Eben habe ich mich mit dem Ewigen versöhnt. Am Rande des Grabes erscheint uns die Wahrheit. Von allen meinen Lehren habe ich nicht eine Sylbe zu widerrufen. Wenn Sie Unsere allgeliebte Herrscherin abgeschickt hat, so berichten Sie Ihr, daß ich sterbe, treu dem Schöpfer, der Kaiserin und mir selbst.“ Und der Prälat zog unverrichteter Dinge ab. Sein Sohn ist der nicht minder berühmte Joseph Anton Stephan Ritter von Riegger, dessen Lebensskizze S. 121 u. f. mitgetheilt wurde.

Wander von Grünwald (Joseph)[WS 3], Biographie der beiden Ritter von Riegger (Prag 1797, kl. 4°.). – Pii manes et exima in rem litterariam – Pauli Josephi a Riegger – die IX. Dec. MDCCLXXV celebrata, a J. W. M.(onte) (Olomucii 1776, 12). – Josephi Valentini Eybel Oratio funebris ad solennnes exequias –– Pauli Jos. a Riegger (Viennae 1776, 8°.). – Rieggeriana (von Paul Joseph R.’s Sohne Joseph Anton Stephan Ritter von Riegger herausgegeben) (Wien, Freyburg, Prag 1792, 8°.) Bd. II, S. 1 u. 9. – Hormayr (Jos. Freih. v.), Oesterreichischer Plutarch u. s. w. (Wien 1807 u. f., A. Doll, 8°.) Bd. XV, S. 120. – Oesterreichische National-Encyklopädie von Gräffer und Czikann (Wien 1835, 8°.) Bd. IV, S. 390 [nach dieser gestorben 2. December 1775]. – Meusel (Johann Georg), Lexikon der vom Jahre 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller (Leipzig 1808, Gerhard Fleischer d. Jüng., 8°.) Bd. XI, S. 327 [nach diesem gest. am 6. December 1775]. – Porträte. 1) J. Blaschke sc. (Wien, 8°.) [auch in Hormayr’s „Oesterr. Plutarch“]; – 2) Meßner p., J. G. Haid sc. (Schwarzk.). – Wappen. Quadrirter Schild. 1 u. 4: in Roth zwei in Form eines Andreaskreuzes gelegte goldene Gerichtsstäbe; 2 u. 3: in Blau ein aufrecht stehender silberner Sparren. Auf dem Schilde ruhen zwei gegeneinander gekehrte gekrönte Turnierhelme. Auf der Krone des rechten Helms erheben sich zwei mit ihren Sachsen einwärts gekehrte, vorn rothe, hinten goldene Adlerflügel; aus der Krone des linken Helms wächst ein rechts weiß, links roth gekleideter Mann mit einer rothen, weiß ausgeschlagenen Mütze, der, während er die Linke in die Seite stemmt, mit der Rechten die zwei obbeschriebenen, in’s Andreaskreuz gestellten Gerichtsstäbe aufrecht hält. Die Helmdecken sind: die des rechten roth mit Gold, jene des linken blau mit Silber unterlegt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Verläufer.
  2. Schmidt, Philipp Anton. (ADB).
  3. Vorlage: Wunder von Grünwald (Joseph).