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BLKÖ:Waser, Joseph Ritter von

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
korrigiert
Band: 53 (1886), ab Seite: 127. (Quelle)
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Waser, Joseph Ritter von (Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes, geb. zu Pettau in Steiermark am 12. Marz 1811). Die Gymnasialclassen besuchte er in Marburg, die philosophischen Studien beendete er in Olmütz, die juridischen in Gratz. Im Jahre 1834 erlangte er an der Wiener Hochschule die juridische Doctorwürde und wendete sich anfangs der lehramtlichen Laufbahn zu, indem er als Supplent des berühmten Rechtsgelehrten und Criminalisten Sebastian Jenull [Bd. X, S. 166] an der Wiener Hochschule in Verwendung trat. 1838 wurde er Professor der Rechtsphilosophie und des österreichischen Staatsrechtes an der Universität in Innsbruck. Im Jahre 1848 trat er aus der bisherigen lehramtlichen Thätigkeit in die des richterlichen Beamten über, wurde zunächst Landrath des Innsbrucker Stadt- und Landrechtes und 1850 Staatsanwalt in Gratz. 1854 rückte er zum Oberstaatsanwalt vor und wirkte in dieser Stellung und zugleich als Referent in bürgerlichen Angelegenheiten in Gratz. 1861 trat er als Abgeordneter der Städte Pettau, Luttenberg, Friedau, Polstrau und Rohitsch in den steierischen Landtag, welcher ihn noch im nämlichen Jahre in das Abgeordnetenhaus des österreichischen Reichsrathes entsendete. Bei den Neuwahlen im Jahre 1867 ward er im slovenischen Wahlbezirke Pettau fast einstimmig zum Abgeordneten des steirischen Landtages und aus demselben einhellig in den Reichsrath gewählt, dem er bis 1870 angehörte. In der Zwischenzeit, 1868, nach Einsetzung des Bürgerministeriums, unter Justizminister Dr. Herbst, wurde er Sectionschef im Justizministerium und blieb es bis 1870, wo er die Präsidentenstelle des Oberlandesgerichtes für Steiermark, Kärnthen und Krain in Gratz erhielt. Am 19. December 1877 erfolgte seine Berufung als lebenslängliches Mitglied des Herrenhauses des österreichischen Reichsrathes. Diese amtliche Laufbahn vollzog sich aber nicht ohne erhebliche Zwischenfälle, welche ebenso erwähnenswerth sind, wie denn auch der schriftstellerischen Wirksamkeit des Rechtsgelehrten des Näheren gedacht [128] werden muß. Als Staatsanwalt in Gratz 1850 bis 1854 machte er sich bei den öffentlichen Verhandlungen vor den Schwurgerichten ebenso durch den Scharfsinn, wie die gründliche Gesetzeskenntniß in kurzer Zeit sehr bemerklich. Im Jahre 1853 gelang es ihm, durch die gelungene Durchführung eines Testamentsfälschungsprocesses den Armenverein der Stadt Gratz um die ansehnliche Summe von 300.000 fl. zu bereichern. In seiner Stellung als Abgeordneter des österreichischen Reichsrathes von 1861 bis 1870 wußte er sich alsbald eine bedeutende Geltung zu verschaffen. Schon in den Verhandlungen im Jahre 1861, welche im September anläßlich der Adreßdebatte, und zwar zunächst in der ungarischen Frage, dann bezüglich der Gerichtsorganisation, bei welcher Gelegenheit er als Berichterstatter des Ausschusses sprach, und in den Verhandlungen, welche über den Gesetzentwurf zum Schutz der persönlichen Freiheit stattfanden, hatte er seine glänzenden Tage. Auch in den Berathungen des Jahres 1862 finden wir den Rechtsgelehrten in wichtigen Fragen vertreten, so in den Verhandlungen über den Justizetat, über das Gesetz wegen Erhöhung des außerordentlichen Zuschlages zu den directen Steuern, dann über die Autonomie der einzelnen Kronländer, endlich über die Reform des Strafgesetzes, bezüglich welcher er den Anschauungen des Staatsministers entgegentrat. Die Verhandlungen in dieser Angelegenheit, in welcher Oberstaatsanwalt Waser seine Rechtsanschauungen mit allem Eifer aufrecht hielt, wurden von der Presse in einer demselben abträglichen Weise wiedergegeben. In den letzten Tagen des Jahres 1864 ging das Gerücht, Oberstaatsanwalt von Waser solle das Portefeuille des Justizministers übernehmen. Nachdem nämlich der Staatsminister an den damaligen Justizminister Dr. von Hein ein Schreiben gerichtet, in welchem er ihm den Rücktritt als Justizminister als Nothwendigkeit darstellte, schrieb der damalige Verwaltungsminister Ritter von Lasser an Herrn von Waser, um ihn für den Posten des Justizministers zu gewinnen, indem schon vorher der Justizminister von Hein dem Oberstaatsanwalt die Stelle als Sectionschef in seinem Ministerium angeboten hatte. Während nun Waser diesen letzteren Antrag entschieden und bedingungslos abgelehnt hatte, führten auch die Verhandlungen bezüglich des Ministerpostens zu keinem Resultat, und Waser blieb wie bisher Oberstaatsanwalt in Gratz und erst mit Ende des nächsten Jahres, als das Sistirungsministerium Belcredi ans Ruder kam, sollte eine unvermuthete Veränderung erfolgen. Das Gratzer politische Blatt „Der Telegraph“ hatte im December g. J. das Programm der autonomen Partei in der auswärtigen Politik veröffentlicht und wurde die Nummer von der Polizeibehörde mit Beschlag belegt, worauf der Staatsanwalt in Gratz die Anklage auf das Verbrechen der Störung der öffentlichen Ruhe gegen das Blatt erhob. Das Journal ließ nicht so mir nichts dir nichts diese Anschuldigung über sich ergehen und appellirte; kurz: nach verschiedenen Bescheiden gab Dr. von Waser als Oberstaatsanwalt die Weisung, von der Klage abzustehen und bemerkte in dem an das Ministerium über diesen Vorgang erstatteten Berichte, daß der Artikel nicht etwa das Werk eines einzelnen Redacteurs, sondern das Programm der ganzen autonomistischen Partei sei, der er selbst sehr [129] nahe stehe und gegen welche strafgerichtlich einzuschreiten er nicht für angezeigt halte. Als bald darauf die Verhandlungen des steierischen Landtages begannen und Dr. von Waser für die Adresse desselben und gegen die Sistirungspotitik des Ministeriums Belcredi sprach, erblickte Graf Belcredi in dem ganzen Vorgehen des Oberstaatsanwaltes eine Gesetzeswidrigkeit, und schon am 6. December brachte die amtliche „Wiener Zeitung“ die ah. Entschließung vom 3. December mit der Enthebung Waser’s von seinem Oberstaatsanwaltsposten und seine Versetzung in das Collegium des Oberlandesgerichtes, welche ohne sein eigenes Ansuchen erfolgt war. Eine eigenthümliche Beleuchtung erhielt nun diese Maßregelung durch die zahlreichen Vertrauens- und Dankadressen, welche aus allen Theilen der Steiermark an Waser gesendet wurden, wie durch die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes von zahlreichen Städten und Landgemeinden des Kronlandes. Daß dann das Bürgerministerium den gemaßregelten Oberstaatsanwalt aus dessen unerbetener Stellung im Richtercollegium als Sectionschef in das Justizministerium berief, wurde bereits erwähnt. Wir haben nur noch der schriftstellerischen Thätigkeit Waser’s zu gedenken. Schon als Professor in Innsbruck schrieb derselbe zahlreiche juridische Artikel und besorgte die Herausgabe des österreichischen Strafgesetzbuches sammt den dazu gehörigen Verordnungen. Später in seiner Stellung als Staats- und Oberstaatsanwalt versuchte er in seinen Schriften die Nothwendigkeit einer gründlichen Reform der österreichischen Strafgesetzgebung darzuthun und war als Mitglied des Reichsrathes beider Häuser in dieser Richtung vielfach thätig. Die Titel der von Waser durch den Druck veröffentlichten Arbeiten sind: „Das Strafgesetz über Verbrechen sammt den dazu gehörige Verordnungen“ (Wien 1839, 8°.), über welches Werk die Wagner’sche „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“ im dritten Bande des Jahrganges 1841, S. 147–171 und 195–203 eine sehr ausführliche Anzeige brachte. In Wagner’s „Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit“ waren von Waser enthalten im Jahrgang 1839: „Beitrag zur Erklärung der ah. Entschließung vom 19. Juni 1835 über das Verbrechen der öffentlichen Gewaltthätigkeit durch gefährliche Drohungen in fortlaufender Vergleichung mit dem Verbrechen des Raubes“ [Bd. II, S. 338–380], in italienischer Uebersetzung in Dr. L. Fortis „Giornale di giurisprudenza austriaca“ [Bd. II, S. 666 u. f.]; – im Jahrg. 1841: „Criminalrechtsfall im Actenauszuge und mit Bemerkungen“ [Bd. l, S. 104 u. f.]; – „Criminalrechtsfall im Actenauszuge mit Bemerkungen über den Anfang des criminellen Versuchs [Bd. II, S. 26 u. f.]; – im Jahrgange 1842: „Einige Worte über die Theilnahme am Diebstahle“ [Bd. I, S. 1–20]; – „Criminalrechtsfall mit Bemerkungen über das Verbrechen der öffentlichen Gewaltthätigkeit durch Widersetzung gegen obrigkeitliche Personen in Amtssachen“ [Bd. II, S. 151–176]; – Jahrg. 1843: „Ueber die Wiederaufnahme der Criminaluntersuchung“ [Bd. I, S. 275–295, 336–359 und Bd. II, S. 1–37]; – Jahrg. 1845: „Ueber den Begriff des fortgesetzten Verbrechens“ [Bd. I, S. 1–40]; – Jahrg. 1846: „Beiträge zur Lehre vom Aufruhr“ [Bd. I, S. 225–251]; – „Ueber die Fragestellung an die Kunstverständigen [130] bei vorkommenden Tödtungen“ [Bd. II, S. 201–223 und 375–326]; in Wildner von Maithstein’s „Jurist“: „Ueber die Verjährung der Verbrechen mit besonderer Rücksicht auf das österreichische Criminalgesetzbuch“ [Bd. XIV (II.) S. 63–91 und 199–224]; in Haimerl’s „Magazin für Rechts- und Staatswissenschaften“: „Das Verbrechen der öffentlichen Gewaltthätigkeit durch gewaltsamen Einfall in fremdes unbewegliches Gut, durch boshafte Beschädigung fremden Eigenthums und durch unbefugte Einschränkung der persönlichen Freiheit“ (St. G. B. 1803, §. 72, 74, 78) [Bd. III, S. 77]; – „Wirkungskreis und Zuständigkeit der Strafgerichte nach der österreichischen[WS 1] Strafproceßordnung vom 17. Jänner 1850“ [Bd. II, S. 38]. Für seine Verdienste im Staatsdienst ist Waser wiederholt, und zwar im April 1854 mit dem Orden der eisernen Krone dritter Classe und im April 1870 mit dem Comthurkreuze des Franz Joseph-Ordens[WS 2] mit dem Stern ausgezeichnet worden. Als er dem Armenverein der Stadt Gratz die große Summe zubrachte, wie es erwähnt wurde, verlieh ihm die Gemeinde das Ehrenbürgerdiplom. Als Mitglied des Reichsrathes zählt er zu den gewandtesten und freisinnigsten Männern dieser Versammlung und hat in wichtigen Debatten durch seine ebenso scharfsinnige als rechtskundige und überzeugende Rede oft entschieden in den Gang der Verhandlungen eingegriffen. Den Statuten des Ordens der eisernen Krone gemäß ist Waser in den österreichischen Ritterstand erhoben worden.

Presse (Wiener polit. Blatt) 1864, Nr. 356: „Zur Tagesgeschichte“; 1865, Nr. 337: „Wien, 6. December“; 1865, Nr. 338 und 342: „Ueber die Versetzung Waser’s“. – Bohemia (Prager polit. und belletr. Blatt 4°.) 28. Juli 1862, Abendblatt zur Nr. 176: „Aus Wien. Schmerling und Dr. Waser“. – Tagespost (Gratzer Localblatt) 1865, Nr. 90: „Pettau, 18. April“. – Fremden-Blatt. Von Gustav Heine (Wien, 4°.) 7. December 1865, Nr. 338: „Eine Verwirrung“. – Neue Freie Presse (Wien, Fol.) 1866, Nr. 815: „Brünn 3. December. (Eine Versetzung)“. – Kärnthner Blatt (Klagenfurt) 1869, Nr. 50 und 51 im Feuilleton: „Vier Doctoren und ein Baron“. – Aquarellen aus den beiden Reichsstuben. Von J. J. K(raßnigg). Zweite Abtheilung (Wien 1868, Waldheim, 12°.) S. 55 und 56. – Silhouetten aus dem österreichischen Reichsrath. (Von Pratobevera) (Leipzig 1862, Otto Wigand, 12°.) S. 30. – Die Tagespresse (Wiener politisches Blatt) 10. Mai 1870: „Aus den Memoiren des Herrn von Waser“. – Neues Wiener Tagblatt 1870, Nr. 128 im Feuilleton: „Ein politischer Proceß von anno dazumal“. – Bombe (Wiener Witzblatt) 21. September 1879: „Herr von Waser“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: österrreichischen.
  2. Vorlage: Franz Joseph-Odens.