BLKÖ:Weintridt, Vincenz

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Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich
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Weinwurm, Rudolf
Band: 54 (1886), ab Seite: 63. (Quelle)
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Weintridt, Vincenz (Religionsprofessor an der Wiener Universität, Ort und Jahr seiner Geburt unbekannt, gest. zu Nikolsburg, Todesjahr unbekannt). Die Zeit seiner Geburt fällt in das letzte Viertel des achtzehnten Jahrhunderts. Nachdem er die Erzieherstelle in der Familie des Grafen Stadion bekleidet hatte, widmete er sich dem Studium der Theologie, nach dessen Beendigung er das Lehramt der Religionswissenschaft an der Wiener Universität erhielt. Von stattlicher Gestalt und mit einem kräftigen Organ begabt, redegewandt und von feinen Manieren, war er weniger tief wissenschaftlich als ästhetisch gebildet, schob beim Religionsunterrichte die vorgeschriebene Dogmatik nicht selten bei Seite und hielt freie Vorträge halb aus dem Stegreif. Wenn er nun über Bildung sprach, über die dreieinige Idee des Wahren, Guten und Schönen, über das Göttliche, welches sich auch im Dreiklang der Künste manifestire, so fühlten sich seine Schüler gehörig gehoben und sogen begierig die mehr schöngeistigen als religiösen Vorträge ein. Hie und da entschlüpfte ihm wohl auch ein Wort, welches mit dem streng orthodoxen Lehrbuche des Hofburgpfarrers J. Frint [Bd. IV, S. 366] nicht völlig im Einklange stand, doch gab er sich als Geistlicher kaum eine eigentliche Blöße. Er verstand es die Jugend an sich zu fesseln und spielte bald die Rolle des Meisters unter seinen Jüngern. Zu diesen zählten unter Anderen Bauernfeld, dem wir die meisten Nachrichten über seinen einstigen Lehrer verdanken, dann Moriz Schwind [Bd. XXXIII, Seite 127][WS 1], Rauscher [Band XXV, S. 51], der nachmalige Cardinal und Erzbischof von Wien. Weintridt führte seine Jünglinge öfter über Land, hielt sie dann auf diesen Partien, welche durch Erörterungen über Poesie und Kunst zwischen dem Meister und seinen Jüngern gewürzt wurden, frei und erregte dadurch zuerst die Aufmerksamkeit gewisser Aufpasser, deren es im Vormärz, wo ein Spionirsystem unter allen Ständen förmlich organisirt war, in allen Ecken und Enden gab. Bald war an betreffender Stelle die Anzeige gegen ihn eingelaufen, daß er die Studenten in Bierhäuser führe und ihnen Schelmlieder vorsinge. So standen die Dinge im November 1819. Obwohl die ganze Anzeige erlogen war, wurde sie doch geglaubt. Da erfolgte im Winter 1820 die Absetzung des Professors der Philosophie an der Prager Hochschule, Bernhard Bolzano [Bd. II, S. 35], und zwar seiner allzu freien Vorträge wegen; nun ließ auch die Absetzung Weintridt’s nicht lange auf sich warten und ereilte ihn denn auch noch im ersten Semester desselben Jahres. Seine Verbindung mit Bolzano war die Hauptanklage, die man gegen ihn erhoben hatte. Es hieß auch, er wäre von Kaiser Franz beauftragt gewesen, die philosophischen Schriften Bolzano’s zu prüfen, hätte aber dies nicht gethan und sogar vorgegeben, sie verloren zu haben. Man war von mehreren Seiten gegen ihn vorgegangen, und unter anderen fanden sich auch die sonst so trefflichen „Oelzweige“ G. Passy’s unter den Angreifern des mißliebigen Weltpriesters. War es ihm nun auch nicht mehr vergönnt, vom Katheder auf seine Zöglinge zu wirken, seine Jünger blieben ihm treu und schaarten sich nur um so enger um den abgesetzten Lehrer, der durch seinen plötzlichen Sturz sich um die gute Laune nicht bringen [64] ließ: besaß er doch einflußreiche Freunde und Verbindungen, welche in ihm die Hoffnung baldigster Wiederanstellung erweckten, auf die er jedoch länger warten sollte, als er gerechnet hatte. Indessen versammelte der geistvolle Weltpriester gleichgestimmte Menschen in seinem Hause, und wir nennen außer den Genannten noch Franz Schubert, den Bauernfeld im Jänner 1822 zuerst bei Weintridt kennen lernte; dann Kasimir Grafen Lanckoronski, Bruder des nachmaligen Oberstkämmerers Grafen Karl Lanckoronski, Franz Grafen Stadion, Weintridt’s ehemaligen Zögling und nachmaligen Minister. Endlich im Jahre 1824 erfolgte die Ernennung unseres Gelehrten zum Dechanten von Rötz. Daselbst blieb er nahezu zwei volle Decennien in Thätigkeit, die in jeder Beziehung eine ungemein verdienstliche war. So legte er vor Allem das Pfarrgedenkbuch an, in welchem er folgende Rubriken eigenhändig hineinschrieb: Wie die Stadtpfarre Rötz an das Stift der regulären Chorherren zu St. Pölten gekommen, sammt den dazu gehörigen Documenten; von den zur Stadtpfarre Rötz gehörigen Filialen; von den in der Stadtpfarre befindlichen Capellen und Statuen; die Reihenfolge der Rötzer Stadtpfarrer; von den gestifteten Messen; von dem Patron der Pfarre; die Grenzen derselben, Zahl der Familien und Seelen; von den Einkünften der Kirche und des Pfarrers, von der Gottesdienstordnung u. m. a. Weintridt nahm auch energisch die Interessen der Pfarre wahr und richtete an die niederösterreichische Landesregierung eine Eingabe wegen Wiederherstellung der alten Rechte und der Einkünfte der Pfarre im Hinblick auf eine Neudotirung derselben und Wiederaufrichtung der dazu gehörigen frommen Stiftungen. Die Verhandlungen über diese Angelegenheit zogen sich viele Jahre hindurch, ohne jedoch das geringste Ergebniß zu erzielen. Wenn auch der frühere Universitätsprofessor bei seinem Verkehr mit Hochgebildeten in dem Uebergange in die neue Thätigkeit und in einen Verkehr mit schlichten Weinbauern immerhin eine Art Prüfung fand, er schickte sich in seine neue Lage und wirkte, wie sein Nachfolger berichtet, mit Eifer, mit dem aber Mäßigung und große Sanftmuth Hand in Hand ging. Leutselig und freigebig wie er war, genoß er allenthalben große Achtung und Liebe, und ein schöner Zug seiner Pfarrkinder, wie ein Beweis ihrer Liebe zum Pfarrer, ist die Thatsache, daß ihm dieselben, als er zum Dechanten in Nikolsburg ernannt worden, beim Abschiede von ihm, dessen mißliche Vermögensverhältnisse ihnen nicht unbekannt waren, eine ansehnliche Geldsumme überreichten, damit er schuldenfrei die Pfarre verlasse. Es war im November 1843, als er von dem Fürsten Dietrichstein auf die Propstei an der Haupt- und Collegiatkirche zum h. Wenzel in Nikolsburg berufen wurde, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode blieb. – Eine Nichte unseres Religionsprofessors und nachmaligen Nikolsburger Propstes ist Luise Weintridt (gest, im Frühling 1872), welche zugleich mit Anna von Hoffinger dem erblindeten Johann Emanuel Veith [Bd. L, S. 81] hilfreich zur Hand war und dem berühmten Homileten trotz seines traurigen Zustandes es ermöglichte, seine geistige Thätigkeit fortzusetzen. Luise Weintridt besaß eine nicht geringe literarische Bildung und poetisches Talent. Mit echt weiblicher Zartheit der Empfindung verband sie einen männlich besonnenen, für strenggeregeltes [65] Denken befähigten Geist. Eine Probe ihres poetischen Talentes finden wir in der unten verzeichneten Biographie Emanuel Veith’s.

Gesammelte Schriften von Bauernfeld (Wien 1873, Braumüller, 8°.) 12. Bd. Aus Alt- und Neu-Wien, S. 9 u. f. – Johann Emanuel Veith. Eine Biographie von Johann Heinrich Loewe (Wien 1879, Braumüller, 8°.) S. 277. – Neue Freie Presse (Wiener pol. Blatt) 20. August 1875, Nr. 3940: „In den Bergen“. Von E.(mmerich) R.(anzoni).

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: [Bd. XXXIII, Seite 124].