Cassel; das Palais der Stände
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„Das schöne Cassel!“ so hieß es vor hundert Jahren; und so heißt es noch. In der That ist Cassel in dem deutschen Städteflor eine der schönsten Blumen, so viele seiner Schwestern auch seit vier Jahrzehnten ihre Blumenkronen entfalteten und so viele es an Größe und Bevölkerung (Cassel hat nur 30,000 Einwohner) übertreffen. Die Lage ist reizend. Heiter und schmuck wie eine Braut prangt es im Fuldathale, zu beiden Seiten des klaren Stroms, der hier Schiffe trägt, umgeben von Höhen, aus deren Waldkränzen Schlösser und Denkmäler schauen: zunächst ragen der Habichtswald, der Rheinhardts- und der Sörewald; westwärts aber, im Hintergrund einer offnen, wellenförmigen Landschaft, erhebt der Meißner sein massiges Haupt.
Der Fluß theilt die Stadt in 2 ungleiche Hälften, in die kleinere auf der rechten Seite, die Unterneustadt, und in die größere am entgegengesetzten höhern Ufer: die Altstadt – den alten Stadtkern mit unansehnlichen Straßen – und die Oberneustadt, den bei weitem schönsten Stadttheil. Eine fast 300 Fuß lange Steinbrücke schlingt das Ganze zusammen. –
Die partie brillante ist der Friedrichsplatz mit seiner nächsten Umgebung. Der Friedrichsplatz, der den neuen Stadttheil vom alten scheidet, bildet gleichsam das Propylon für die prächtigen Anlagen, die sich von da bis zu der Allee fortsetzen, welche Cassel mit den berühmten Scenerien der Wilhelmshöhe zusammen knüpft. Der Friedrichsplatz, ein längliches regelmäßiges Viereck, hat seine prachtvollste, über 1000 Fuß lange Fronte gegen die Altstadt gerichtet. Die Königs-, Karls-, Frankfurter- und Bellevue-Straße, 4 der schönsten Cassel’s, münden in denselben. Massive, stattliche Bürgerwohnungen wechseln mit Palästen. Ueber alle erhebt sich das kurfürstliche Palais mit einer 180 Fuß langen, mit einem Säulen-Portikus und mit corinthischen Pilastern reich verzierten Hauptfaçade; diesem zunächst, mit einer fast 300 Fuß langen Fronte im heitern, jonischen Styl, das Museum, der Bewahrungsort der berühmten Antiken-Gallerie, der Sammlung der Anticaglien, Gemmen, Mosaiken und von Kunstwerken aller Art; sodann der Bibliothek von 90,000 Bänden; der Kupferstiche, Holzschnitte etc. und mehren naturhistorischen Sammlungen; das Observatorium; die von außen einfache, im Innern aber prächtige katholische Kirche und das Friedrichsthor, eine porta triumphalis im römischen Style. Dasselbe führt [21] nach der Bellevuestraße, einer Reihe der prächtigsten Häuser und Paläste, mit freier, freundlicher Aussicht und einem andern kurfürstlichen Schlosse, dem sogenannten neuen Bellevue-Palais, in dessen Umfang seit Kurzem mehre naheliegende Gebäude, unter andern der Palast des Landgrafen Friedrich und die Maleracademie gezogen sind, welche ein Arkadenbau mit dem eigentlichen Schlosse verbindet. An dasselbe stößt auch die Gemäldegallerie, deren Fronte sich rückwärts in die Frankfurter Straße öffnet. Manches Hauptbild hat zwar diese berühmte Sammlung im Sturme der französischen Herrschaft verloren; doch ist ihr Schatz, namentlich an Hauptwerken großer Meister der niederländischen Schule, noch immer äußerst groß. Rembrandt und Paul Potter namentlich sind durch die berühmtesten Bilder repräsentirt, und nicht minder würdig Vandyk, Rubens und Vouvermanns.
An die schöne Karlsstraße stößt der Wilhelmsplatz, aus dessen Gebäudecyklus das Hospital der französischen Gemeinde, das Neustädter Rathhaus und die prächtige Façade des Meßhauses (ein Bazar mit von Säulen getragenen Gallerien, unter welchen die Kaufläden und Contore für die fremden Verkäufer zur Meßzeit angebracht sind) hervorragen. Nicht weit davon ist der Wilhelmshöher Platz, ein Sechseck, im Innern, wie die Squares der englischen Großstädte, mit Rasenplatz und Baumpflanzung, umgeben von schönen Gebäuden, unter denen sich, als Palast, das Fürstenhaus hervorhebt. An den Wilhelmshöher Platz stößt die eine halbe Stunde lange Königsstraße, wo mehre Prachtgebäude die Monotonie der hübschen Privatwohnungen angenehm unterbrechen: so das Schauspielhaus, das Hessen-Philippsthal’sche Palais, das Gouvernementsgebäude, das Waitz’sche Hotel, das Staatsministerium im grandiosen römischen Style. Der Königsplatz, ein weiter Cirkus aus schönen Gebäuden, fünftehalbhundert Fuß im Durchmesser, trennt die Königstraße in 2 Hälften; sein schönster Schmuck ist der ehemals landgräflich Rotenburg’sche Palast, jetzt Sitz der obersten Landesbehörden. Parallel mit der Königsstraße entwickelt sich die neue, nicht minder imposante Anlage der Friedrich-Wilhelms-Straße, deren Mitte Lindenalleen, Promenaden und Corso einfassen. Zwei Paläste im heitersten Style fesseln in dieser jüngsten Parthie der Hauptstadt das Auge zumeist: das Schwarzenberg’sche Haus und das Palais der kurhessischen Stände. Dieses wurde im Frühling der kurhessischen Freiheit nach einem großartigen Plane entworfen; aber es ging ihm, so heißt es, wie dem Verfassungswerke: – man schränkte und zwängte ein, schnitt da und dort ein Stück weg, und am Ende blieb von der Façade blos eine, die 7 Fenster breit ist, übrig, „weil die Mittel zu einem größern Bau nicht ausreichten.“ Für die jetzigen kurhessischen Verfassungszustände und ihre Bedürfnisse hat übrigens der Palast, der unter Ruhl’s und Rudolph’s Leitung vortrefflich ausgeführt ist, reichlichen Raum. Der Sitzungssaal (90 Fuß lang und 42 Fuß tief) kann außer den Deputirten über 300 Zuhörer auf den Gallerien fassen; aber dieselben sind [22] nur zu oft und die prächtigen Logen des Hofs fast stets leer. Der Saal hat Kuppelbeleuchtung und ist von Ruhl’s Meisterhand in Stucco einfach, aber mit Geschmack verziert. –
Die Altstadt sticht in ihrem architektonischen Aeußern gegen die obere Neustadt eben so ab, wie Hof und Bürgerthum. Das letztere ist hier zu Hause, und ein tüchtiges, kräftiges ist es, wie irgendwo in Deutschland. Einige fünfzig Straßen, unregelmäßig, enge, keine einzige schön, durchschlingen sich, oder stoßen auf den neun Markten und Plätzen zusammen, welche freilich an Größe und Pracht mit jenen des neuen Cassels sich nicht vergleichen lassen: aber dafür erfreut das lebendige, rührige Treiben eines kräftigen Volks; Physiognomien, in welchen Arbeit, Unabhängigkeitssinn und Rechtsgefühl die Züge prägen, während in der Neustadt am häufigsten Livréengesindel und was diesem anhängt, widerwärtige Gesichter zur Schau tragen. Im Mittelpunkte der Altstadt steht der ehrwürdige Dom (gewöhnlich die große Kirche genannt), ganz frei auf dem St. Martinsplatze. Er ward in der Blüthenzeit des deutschen Kirchenbaustyls, im vierzehnten Jahrhundert, erbaut, und bleibt, wenn auch spätere Veränderungen und Zusätze Manches verunstalteten, immer ein herrliches Denkmal. In seinen Grabgewölben ruht eine lange Reihe guter und schlechter Fürsten Hessen’s, deren Mausoleen in der Kirche selbst der Nachwelt in Sprüchen und Allegorien erzählen, was sie waren und was sie nicht gewesen sind. Das Monument für Philipp den Großmüthigen ist das prachtvollste und extravaganteste seiner Art vielleicht in ganz Deutschland; es nimmt die eine ganze Seitenwand der Kirche ein und reicht bis zum Gewölbe des Hauptschiffs. Es wurde um 1570 aus Marmor errichtet, wo die Sündfluth des verdorbenen Geschmacks aus Italien schon über die deutsche Kunst hereingebrochen war. – In seinen ältesten Theilen nicht jünger als der Dom des heil. Martin ist das Rathhaus am Marktplatze. Der ihm vor einigen Jahren gegebene Name: „Feldlager der hessischen Freiheit!“ will kaum mehr passen, seitdem ihre Reihenführer in Thurme sitzen, oder im Grabe schlummern, und trotz der Fahnen der Bürgergarde, welche im Rathssaale schirmend hängen, kein braver Mann mehr Bürgermeister werden will: – immer aber werden die Vorgänge, welche hier in den Septembertagen des Jahres 1831 statt fanden, was auch noch geschehen möge, um ihr Andenken zu trüben, einen vergangenen Zeitraum in der hessischen Geschichte schließen, und zugleich die seyn, mit denen eine neue Aera anhebt. – Merkwürdige Gebäude der Altstadt sind noch der neue Stadtbau, deren Zimmer und Säle für geselliges Vergnügen, zu Conzerten und Bällen, zu den Ausstellungen von Kunstgegenständen, Versammlungen des Kunstvereins und des Vereins für hessische Geschichte etc. bestimmt sind; das Hauptzollamtsgebäude mit den Dienstwohnungen und Büreaus der Mauthbeamten; das Zeughaus mit Armatur-Seltenheiten; der alte Collegienhof und die lutherische Kirche mit schönen Bildern von Tischbein, und die große Maschinenfabrik von Henschel und Sohn.
[23] Die untere Neustadt ist derjenige Stadttheil, welcher am wenigsten architektonisches Interesse hat. Eine hübsche Kirche, das guteingerichtete Waisenhaus mit Gartenanlagen und die ehemalige Zwingburg (das sogenannte Kastell), welche zuweilen als Staatsgefängniß benutzt wird, machen die Sehenswürdigkeiten dieses kleinen Stadtviertels aus.
Cassel’s Schönheitsruf beginnt mit der Regierungsepoche Karl’s, eines weisen und guten Fürsten, der durch Aufnahme der aus ihrem Vaterlande vertriebenen Reformirten neue Keime der Bildung, des Geschmacks und der industriellen Thätigkeit herpflanzte, durch den Zuwachs der Bevölkerung die Anlage der obern Neustadt veranlaßte und diese seine Schöpfung unausgesetzt mit Bauanlagen schmückte, welche sein geläuterter Geschmack von den Auswüchsen frei hielt, die die meisten Werke jener Zeit in Deutschland zu wahren Wechselbälgen der Kunst verunstaltet haben. 60 Jahre lang hat Karl für das materielle und geistige Wohl seines Landes gewirkt. Sein Nachfolger, Friedrich I, als Gatte der Königin Eleonore Friederike auf Schwedens Thron berufen und fern von seiner Hauptstadt, ließ nur erhalten, was Karl gegründet hatte; um so glänzender aber war die Regierungszeit Friedrich’s II für Cassel, von 1765 bis 1785. Dieser Fürst, den die Baulust als Leidenschaft beherrschte, welche zu befriedigen er auch solche Opfer nicht scheute, vor denen das Herz eines rechten Landesvaters zurückschreckt, ließ eine Menge berühmter Baumeister kommen, um die überschwenglichen Entwürfe auszuführen, welche er für die architektonische Verherrlichung seiner Hauptstadt gemacht hatte. Durch sein Beispiel, und wo es nöthig war, durch unmittelbare Aufforderung erweckte er gleichartige Bestrebungen bei seinen Hofdienern, den Beamten und den Reichern des Gewerbstandes: und während er Kirchen, Brücken und Paläste aufführte, Lustgärten mit Wasserkünsten und Orangenhäusern anlegte, erhoben sich ganze Straßen der schönsten Privatwohnungen. Zweckmäßige Bauordnungen entfernten zugleich eine Menge Uebelstände, welche die ältern Stadttheile verunzierten. Wollte Jemand bauen und der Riß gefiel dem Fürsten, so schenkte er wohl Steine und das Material dazu, oder erleichterte die Aufführung durch Anleihen für geringe Zinsen. Den Künsten und Wissenschaften befreundet, erweiterte er die vorhandenen Sammlungen und stiftete neue und prächtige Gebäude zu ihrer Bewahrung.
Trotz dieser Bauten, trotz eines Heeres von Künstlern aller Art, welche er zu ihrer Ausschmückung von überall her an seinen Hof rief und freigebig besoldete, trotz der glänzenden Feste, die er veranstaltete, drückte keine neue Steuer Hessens Volk: – vielmehr verminderte er die Abgaben, die bis zu seiner Regierungszeit auf dem Lande gelastet hatten. Wie er das angefangen? Leider! gibt die Geschichte eine furchtbare Antwort: Er verkaufte die Söhne des Hessenlandes für so und so viel den Kopf an England, das im deutschen Blute die junge Freiheit in Amerika zu ersäufen gedachte. Aber die Vorsehung machte es anders. Die Gebeine der verhandelten Hessen, sie düngten zwar Neuenglands Küsten; doch die Freiheitssaat wuchs um so herrlicher [24] auf, und nach sieben Jahren kehrten die Trümmer von zehntausend hessischen Jünglingen zurück, – vom frischen Lebenskranze wenige welke Blätter. – Da war Trauer vollauf im Hessenlande; aber in der Hauptstadt erhob sich die eherne Riesenstatue des Landgrafen im Costüme der Cäsaren, mit der Inschrift: Friderico II. Patria –: und, um das römische Kunststück vollkommen nachzumachen, „auf Kosten und durch Beschluß der hessischen Stände!“ – die freilich, nach ihrer damaligen Zusammensetzung, so wenig geeigenschaftet waren, die hessische Volksmeinung auszudrücken, als ein römischer Senat zu Hadrians Zeit die der Völker im römischen Weltreiche. Die Franzosenherrschaft entfernte die Statue; die Restauration, gewiß nicht in einem Uebermaße von Schicklichkeitsgefühl, ließ sie 1818 wieder aufrichten, und dort, auf dem Friedrichsplatz, prangt sie noch heute und mit demselben Rechte, wie so manches Monarchenbild von Erz oder Marmor anderwärts. –
Auf Friedrich II. folgte Wilhelm I., welcher zur Verschönerung Cassels manches Neue fügte, während er das Aeltere erhielt. Eine völlige Umgestaltung aber trat ein, als Napoleon mit einem Federstrich Hessen’s Kurfürsten aus der Liste der Regenten that und seinem Bruder Land und Leute mit Königstitel als Vasallenlehn hingab. Urplötzlich war die Metamorphose gekommen und der volle Athem des Zeitgeistes hauchte nun über die Hauptstadt des westphälischen Königreichs hin. Nicht die Zöpfe allein schwanden; in tausendfacher Regung trieb das neue Leben Keime, schlechte und gute; – aber Hieronymus war nicht der Mann, der jene ausjäten, diese pflegen mochte, wild schoß Alles neben einander auf und das Schlechte wucherte bald freudiger als das Rechte. – Die französischen Intendanten und Directoren administrirten wie im eroberten Lande, die besten Domänen wurden Dotationen französischer Generale, andere wurden verschleudert und verhandelt; – im Interesse des Landes geschah nichts: Cassel jedoch stand sich nicht übel dabei, ein heiteres, lustiges, sorgloses Leben strömte vom Hofe herein in die Beamten- und höhern Bürgerkreise. Das königliche Cassel hatte eine Zeit, welcher sich Viele noch als einer goldenen erinnern. Aber da kam der Sturm, der die Eiche niederwarf, unter deren Schatten so manche wurzellose Herrschaft eine Zeitlang ihre Triebe geschoben hatte. Der Spieß des Kosacken schreckte den König vom Faulbette auf; er warf seine Krone weg und über das große Stoppelfeld von Leipzig wanderte wieder der hessische Löwe ein. Hieronymus ging aus Hessen bettelarm – und das ist sein bester Ruhm.
Wilhelm I. strich, wie Napoleon mit ihm gethan, so die Napoleon’sche Zeit aus der hessischen Geschichte; wer seinen abgeschnittenen Zopf noch bewahrt hatte, holte ihn wieder vor, und wer keinen hatte, – der steckte sich einen gemachten an. Man spielte damals eben die alte Zeit wieder, wie man früher französisch gespielt hatte; indeß schritt die Zeit selbst tüchtig voran. Die Kernfrucht der französischen Revolution ist eine für die Ewigkeit geworfelte und in Deutschland war Napoleon ihr Säemann, ohne daß er’s selbst gewollt. Die Spreu [25] verflog, die Körner gingen im Stillen auf. – Die Hessen, als Volk, waren in den sechs Jahren der westphälischen Herrschaft weiter gekommen, als sie sonst in sechs Jahrzehnten gekommen seyn möchten. Wer’s nicht sah, nicht sehen konnte und nicht sehen wollte, das war der Kurfürst. Er starb – und der einzige große Gedanke seines Lebens geht nun wie ein Riesengespenst am hellen Tage um und stattet das schöne Cassel mit dem unheimlichen Conterfei eines „verwünschten Schlosses“ aus. Die Kattenburg sollte, wie eine Apotheose der Fürstenmacht, sich über alles Gemeinere und Niedrigere erheben: – über eine Million Thaler kostete die Substruktion allein; andere Millionen waren zur Vollendung nöthig und gesammelt; aber keine Hand regte sich mehr zum Fortbau, nachdem die Hand starr geworden war, deren Wink die Massen von Arbeitern um den neuen Thurm von Babel geschaart hatte, und wo die hessischen Regenten in vergoldeten Festsälen ehrfurchtsvolle Huldigungen entgegen nehmen sollten, – da sehen jetzt die Casseler dürres Gestrüpp ranken, Käuze flattern, Unken schleichen und die Ratten halten Rath und Gelag.
Bei der Kattenburg Schicksal mag man die Schmälerung des Ständehauses leicht vergessen. – Wenn wir aber von den allgemeinen Hemmnissen eines Gesund- und Starkwerdens Deutschlands, von dem einerseits absolutistischen und hierarchischen Fortschreiten und von der anderseits gleich widerlichen Neigung zum Materialismus und zu dem einer höhern Intelligenz feindlichen und Gleichgültigkeit gegen die ideellen Güter nährenden Treiben ab und auf die constitutionellen Zustände Kurhessens sehen, auf die Ereignisse, welche dort das öffentliche Leben bis in das tiefe Innere erschüttern: – so stimmen wir der tröstenden Ueberzeugung bei, welche der brave, gefangene Jordan aussprach: „Das constitutionelle Leben ist ein Keim der Zeit, – und was in der Zeiten Grund am tiefsten wurzelt und zum kräftigsten und dauerhaftesten Baume groß wächst, das gedeiht nur langsam und reift unter Stürmen. Eine große Idee, welche einmal in der öffentlichen Meinung, von deren Daseyn und Macht jeder Tag neues Zeugnis gibt, Wurzel geschlagen hat, die entwickelt sich vermöge der eigenen, innewohnenden Lebenskraft stets bis zu ihrer gänzlichen Vollendung, und wird sie auch in ihrem Fortgange durch äußere Hindernisse aufgehalten, so dient das nur, ihre verborgene Kraft zu spannen. Zur rechten Stunde sprengt sie dann schon die Kruste mit Uebergewalt, und um so rascher, vollkommner durchgeht sie dann die Stadien ihrer Entwickelung. – Kein Schmetterling ohne Verpuppen.“