Der Gefangene (Eichendorff)

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Textdaten
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Autor: Joseph von Eichendorff
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Titel: Der Gefangene
Untertitel:
aus: Aus dem Leben eines Taugenichts und das Marmorbild. Zwei Novellen nebst einem Anhange von Liedern und Romanzen. S. 263-266
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1826
Verlag: Vereinsbuchhandlung
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Erscheinungsort: Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Universitätsbibliothek Greifswald, Signatur: 520 Bn 420; Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[263]

     Der Gefangene.

In goldner Morgenstunde,
Weil alles freudig stand,
Da ritt im heitern Grunde
Ein Ritter über Land.

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Rings sangen auf das Beste

Die Vöglein mannichfalt,
Es schüttelte die Aeste
Vor Lust der grüne Wald.

Den Nacken, stolz gebogen,

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Klopft er dem Rößelein –

So ist er hingezogen
Tief in den Wald hinein.

Sein Roß hat er getrieben,
Ihn trieb der frische Muth:

15
„Ist alles fern geblieben,

So ist mir wohl und gut!“

[264]

Mit Freuden mußt’ er sehen
Im Wald’ ein’ grüne Au,
Wo Brünnlein kühle gehen,

20
Von Blumen roth und blau.


Vom Roß ist er gesprungen,
Legt sich zum kühlen Bach,
Die Wellen lieblich klungen,
Das ganze Herz zog nach.

25
So grüne war der Rasen,

Es rauschte Bach und Baum,
Sein Roß thät stille grasen
Und alles wie ein Traum.

Die Wolken sah er gehen,

30
Die schifften immer zu,

Er konnt’ nicht widerstehen, –
Die Augen sanken ihm zu.

Nun hört’ er Stimmen rinnen,
Als wie der Liebsten Gruß,

35
Er konnt’ sich nicht besinnen –

Bis ihn erweckt ein Kuß.

Wie prächtig glänzt die Aue!
Wie Gold der Quell nun floß,
Und einer süßen Fraue

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Lag er im weichen Schooß.
[265]

„Herr Ritter! wollt Ihr wohnen
Bei mir im grünen Haus:
Aus allen Blumenkronen
Wind’ ich Euch einen Strauß!

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Der Wald ringsum wird wachen,

Wie wir beisammen seyn,
Der Kukuk schelmisch lachen,
Und alles fröhlich seyn.“

Es bog ihr Angesichte

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Auf ihn den süßen Leib,

Schaut mit den Augen lichte
Das wunderschöne Weib.

Sie nahm sein’n Helm herunter,
Löst’ Krause ihm und Bund,

55
Spielt’ mit den Locken munter,

Küßt ihm den rothen Mund.

Und spielt’ viel’ süße Spiele
Wohl in geheimer Lust,
Es flog so kühl und schwüle

60
Ihm um die offne Brust.


Um ihn nun thät sie schlagen
Die Arme weich und bloß,
Er konnte nichts mehr sagen,
Sie ließ ihn nicht mehr los.

[266]
65
Und diese Au zur Stunde

Ward ein krystallnes Schloß,
Der Bach ein Strom, gewunden
Ringsum, gewaltig floß.

Auf diesem Strome gingen

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Viel’ Schiffe wohl vorbei,

Es konnt’ ihn keines bringen
Aus böser Zauberei.