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Der Klopffechter Churchill

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John Wilkes W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Der Klopffechter Churchill
Paul vor Felix. Zwei Blätter – Erstes Blatt
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[Ξ]
Der Klopffechter Charles Churchill
im
Charakter eines russischen Herkules.
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DER KLOPFFECHTER CHARLES CHURCHILL,
(Einstens Sr. Hochwürden.)
im Character des Russischen Hercules.
THE BRUISER, CHARLES CHURCHILL,
(Once the Reverend.)
IN THE CHARACTER OF A RUSSIAN HERCULES.

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Der Klopffechter Charles Churchill
im
Charakter eines russischen Herkules.
(The bruiser Charles Churchill in the character of a Russian Hercules.)




Dies ist das vierte und letzte Blatt, welches durch die Theilnahme Hogarth’s an den politischen Streitigkeiten jener Tage veranlaßt wurde. Es kömmt den beiden Blättern der „Zeiten“ in so weit nahe, daß der künstlerische Werth nicht besonders ist; es fehlt ihm ferner am wahren Humor; was man in letzterem Punkte vermißt, wird durch gemeine Grobheit ersetzt. Beide Parteien, Hogarth und Wilkes mit seinen Freunden, waren in eine solche Stimmung gerathen, daß sie sich gegenseitig gewissermaßen mit Koth bewarfen. Nur muß man zur Entschuldigung Hogarth’s in dieser Hinsicht anführen, daß er heftig gereizt worden war. Der hier dargestellte Churchill hatte ein Schmähgedicht gegen ihn verfaßt, welches an plumper Gemeinheit mit der vorliegenden Carrikatur auf gleicher Stufe stand.

Churchill, ein gegenwärtig vergessener Dichter, der aber vom damaligen Publikum viel gelesen wurde, weil er den Ton der allgemeinen [892] politischen Aufregung jener Periode zu treffen verstand, war ein Freund und Mitarbeiter von Wilkes, und wie dieser durch zerrüttete Vermögensumstände genöthigt, die Parteiaufregung zu seinem Vortheil zu benützen. Nur gerieth er nicht durch Verfolgungen in dieselbe Stellung eines Märtyrers, wie Jener, und lebte auch nicht lange genug, um ähnliche Vortheile zu ernten, denn er starb schon 1764 in Frankreich, wo er Wilkes in der Verbannung aufgesucht hatte. Wie Wilkes, war er ohne moralische Grundsätze im Leben. Liederlichkeit hatte ihn genöthigt, seine frühere Stellung im Leben aufzugeben. Er war ein Geistlicher, und verlor seine Pfarre, weil er durch sein schmutziges Treiben in London die in dieser Hinsicht sehr langmüthige Geduld der Hochkirche auf eine zu harte Probe gestellt hatte; die höhere Geistlichkeit zwang ihn nämlich, seine Stelle niederzulegen, nachdem seine Gemeinde sich entschieden gegen sein scandalöses Leben erklärt hatte und seine Predigten nicht länger besuchen wollte. Hierauf begann er als Schriftsteller durch gereimte Spöttereien über die Theater- und Stadtgeschichten die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen, bis Wilkes ihn als Mitarbeiter am North Briton engagirte, und ihn somit zu seinem Seïden machte. Von dieser Zeit an pflegte er über dasselbe Thema zu reimen, welches Wilkes in seiner Zeitschrift behandelte, oder über Abenteuer dieses Demagogen[1] Gedichte drucken zu lassen. So stimmte er mit Wilkes dasselbe Lied über Schottland in der Prophezeiung einer Hungersnoth (Prophecy of famine) an, dem einzigen Gedichte von Churchill, welches jetzt noch wohl gelesen wird, und von welchem sich nicht läugnen läßt, daß sich eben so viel Bosheit als Witz darin befindet. Alles Andere, was er schrieb, wurde mit seinem Tode 1764 sogleich vergessen, als das augenblickliche Interesse vorüber war, welches durch die Ereignisse des Tages bewirkt wurde. Seine gesammelten Gedichte sind jedoch noch 1804 herausgegeben worden.

Bei der Stellung von Churchill zu Wilkes war es natürlich, daß Ersterer die Partei seines Freundes gegen Hogarth nahm. Er ließ nach der Herausgabe von Wilkes Porträt eine sogenannte poetische Epistel an Hogarth drucken, welche wegen grober Vorwürfe den Künstler nicht wenig ärgerte. Hogarth war darin der niedrigsten Eifersucht gegen seine Kunstgenossen beschuldigt, und vor Allem war er als ein Mann dargestellt, der durch Alter bereits kindisch geworden sei, indem auf der andern Seite sein früheres Verdienst hervorgehoben wurde. (Die auf dem Titelblatt dieser Ausgabe als Motto gedruckten Verse sind aus dieser [893] Epistel entnommen.) Uebrigens hat diese Epistel nicht einmal das Verdienst des Witzes, und wird sogar widerlich durch eine weitläuftige Beschreibung der körperlichen Altersschwächen (der eingefallenen Wangen, schlotternden Schenkel u. s. w.), wie Churchill den Maler darstellte. Dieser war übrigens gerade hierüber so ärgerlich, daß er sich nicht einmal die Zeit nahm, ein Kupferblatt zu stechen. Er schliff das Oval desjenigen Blattes aus, worin er früher sein bekanntes Porträt gravirt hatte, setzte die Carrikatur von Churchill hinein, und fügte noch einige andere Zuthaten hinzu. Hogarth’s Lieblingshund, Trump, ist auf dieser Carrikatur in derselben Stellung geblieben, wie er auf dem Porträt war.

Die vollständige Unterschrift des Blattes, mit etwas erzwungenem Witz, lautete: Ein russischer Herkules (und dennoch keine geringe Aehnlichkeit des Mannes), wie er sich erquickt, nachdem er das Ungeheuer Carrikatur erschlagen, welches seinen tugendhaften Freund, den vom Himmel entsprossenen Wilkes, so arg erbittert hat (A Russian Hercules (yet no small likeness of the man) regaling himself after having killed the monster Caricatura, that so sorely galled his vertuous friend, the heaven born Wilkes). Trotz der Gemeinheit war das Blatt übrigens nicht ohne Witz, denn Churchill’s Persönlichkeit soll sowohl an der Haltung, wie besonders an den Schultern kennbar gewesen sein. Der zerknickte geistliche Halskragen deutete auf Churchill’s früheren Stand; die zerzausten Manschetten auf seine tägliche Gesellschaft bei Trinkgelagen, worin Schlägereien nichts Seltenes waren. Auch hier betrinkt er sich im Porter-Bier, dessen Schaum aus dem Kruge hervorragt, und aus seinem Maule herauströpfelt. Ferner hält die Figur eine Keule, worauf an dem Knoten verschiedene numerirte Lügen bemerkt sind (Lüge 1, 3 und 4 bis 18. Lüge 15. Lye 1 und 4 bis Lye 15). Die Keule soll Wilkes Zeitschrift, den North Briton, bedeuten, woran Churchill, wie erwähnt, ein Mitarbeiter war. Aus Milton, Swift und Shakespeare auf Hogarth’s Porträt ist eine Liste der Subscribenten des North Briton (Subscribers to the North Briton) und Massinger’s Schauspiel: Eine neue Art, alte Schulden zu bezahlen (A new way of paying old debts) geworden, letzteres eine Andeutung auf Churchill’s ungeordnetes Leben. Auf der Subscriptions-Liste steht eine Bettelbüchse; diese mag hier angebracht sein, so wohl um die zerrütteten Umstände des Herausgebers und Mitarbeiters, als auch jene Collekten zu bezeichnen, welche, wie in der Erklärung des vorigen Blattes gesagt ist, gemacht wurden, um Wilkes für seinen kecken Widerstand gegen die Staatsgewalt zu belohnen. Trump tritt die Epistel an seinen Herrn mit Füßen und behandelt dieselbe ohnedem [894] auf die verächtlichste Weise, jedoch in einer Art, welche den Hunden nicht natürlich ist.

In einer zweiten größeren Ausgabe dieses Blattes fügte Hogarth noch ein kleines Bild aus der Pallette hinzu, worin er die politischen Verhältnisse jener Zeit wieder anbrachte, und einige seiner Einfälle, die er auf den Zeiten ausgeführt hatte, wiederholte. Pitt sitzt auf einem Throne und feuert einen Mörser auf die Friedenstaube ab, schießt aber vorbei. Ein Mühlstein oder ein Chester-Käse hängt über seinem Haupte mit der Inschrift: 3000 Pfund. Die Friedenstaube sitzt übrigens auf der Unionsfahne Großbritanniens. Pitt zur Seite stehen die beiden Riesen Gog und Magog, welche bekanntlich das Rathhaus der City schmücken, und Jedem bekannt sein werden, welcher Guildhall gesehen hat. Beide dienen bekanntlich als spöttisches Symbol der Corporation der City. Dies soll sich auf die entschiedene Opposition beziehen, welche die Corporation der City gegen die Regierung einnahm. Sie halten Tabakspfeifen im Munde, und machen also viel Rauch. Einer der damaligen Aldermen, ein Herr Beckford, soll übrigens in einem dieser Riesen porträtirt sein. Gog setzt auf Pitt’s Haupt die Bürgerkrone. Magog hält ein Schild mit dem Wappen Oestreichs, welches jedoch der Held mit dem Fuße verächtlich fortstößt.

Auf der andern Seite des kleinen Bildes hat sich Hogarth selbst als einen Affen- und Bärenführer eingeführt. Er leitet einen Affen am Seil, den er tanzen läßt; der Affe ist Wilkes, reitet auf einem Stock mit der Freiheitsmütze, und hält einen North Briton in der Hand. Auch Churchill schreitet als Bär mit Maulkorb, Manschetten und dem Halskragen der Geistlichkeit einher. Auf dem Kopfe trägt er einen mit Tressen besetzten Hut. Beide tanzen nach den Tönen einer Fiedel; der Künstler peitscht sie, damit sie nach Gebühr den Takt halten. Der Fiedler ist Lord Temple, dessen Verhältniß zu Wilkes in der Einleitung dargelegt ist. – Diese kleine Carrikatur gefiel übrigens besser, als die früheren, einerseits, weil sie nicht überladen, andererseits, weil sie nicht ohne Witz ist.




  1. Z. B. über ein Duell desselben.