Paul vor Felix. Zwei Blätter – Erstes Blatt

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Der Klopffechter Churchill W. Hogarth’s Zeichnungen, nach den Originalen in Stahl gestochen/Zweite Abtheilung (1840) von Franz Kottenkamp
Paul vor Felix. Zwei Blätter – Erstes Blatt
Paul vor Felix. Zwei Blätter – Zweites Blatt
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


[Ξ]
Paul vor Felix.


Zwei Blätter.
[Ξ]
Paul vor Felix.


Erstes Blatt.
[Ξ]

PAUL VOR FELIX.
PAUL BEFORE FELIX.
I.

[Ξ]
Paul vor Felix.
(Paul before Felix.)




Erstes Blatt.

Dies Blatt, welches für das einzige gute unter den historischen Stücken Hogarth’s gehalten wird, verdient in so fern die Aufbewahrung, weil die Figuren nicht ohne passenden Ausdruck dargestellt sind, weil die Gruppirung zweckmäßig ist, und weil die Einheit der Composition hier bewahrt wurde. Wie es scheint, hat jedoch der Künstler dies sein Werk nicht so hoch geschätzt, wie einige verunglückte; er hat wenigstens in einem auf’s Neue verfertigten Bilde einige Veränderungen angebracht, die sich in dem ersten Originalgemälde nicht vorfinden, von welchem dieses Blatt eine Copie bietet.

Der Gegenstand des Bildes ist aus Apostelgeschichte 4, 24 und 25. gewählt: „Nach etlichen Tagen aber kam Felix mit seinem Weibe Drusilla, die eine Jüdin war, und forderte Paulum, und hörete ihn von dem Glauben an Christo. Da aber Paulus redete von der Gerechtigkeit und von der Keuschheit und vom zukünftigen Gericht, erschrack Felix und antwortete: Gehe hin auf diesmal, wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich her lassen rufen.“

[900] Der Künstler hat dargestellt, wie das Gewissen des Römers durch die Rede des Apostels aufgeregt wird, welcher mit Freimuth vor dem Procurator Judäa’s von Unterdrückung und Sittenlosigkeit redet, ersteres bekanntlich ein Punkt, worin alle regierenden Römer in den Provinzen mehr oder weniger sich gleichkamen, letzteres ein Vorwurf, der auf die Mehrzahl anwendbar war, und welcher Felix um so mehr betraf, da dieser die Gemahlin eines Juden, die neben ihm sitzende Drusilla, ihrem Gatten geraubt hatte. Zugleich aber erhellt aus der Apostelgeschichte jener Römergeist, welcher in der größten Verderbniß nicht durchaus sinken konnte, und bald dem Christenthum eine reiche Ernte bot; Felix, obgleich erbittert und beleidigt, denkt nicht daran, seine Gewalt gegen einen Mann auszuüben, der ihm die bittere Wahrheit sagt. Auch der Künstler hat diese Stimmung in seinen Zügen wiedergegeben. Felix scheint die Drusilla zu lieben; während seine Gewissensangst, worin die Anklagerolle seiner Hand entfällt, drückt er jener Frau die Hand, als wolle er bei seiner Geliebten eine moralische Stütze suchen. Die andern Römer scheinen ebenfalls durch des Apostels Worte ergriffen zu sein. Der eine Lictor im Hintergrunde ist dabei nicht gleichgiltig geblieben. Der Soldat neben ihm, welcher das Vexillum trägt, ist offenbar überzeugt und unterhält sich mit einem Weibe, welches die Hände zum Gebete faltet. Der Legionssoldat neben Paulus horcht mit gespannter Aufmerksamkeit auf die Worte des Heidenapostels. Auch der römische Schreiber (scriba) ist ergriffen, während der jüdische, an dem Turban kennbar, die Verhandlung gleichgiltig aufzeichnet. Sogar Tertullus, nach dem Anfange des erwähnten Capitels der Apostelgeschichte der römische Advocat, der die Sache der Juden bei der Anklage des Paulus vertrat, scheint durchaus nicht gegen des Apostels Lehre oder Person aufgeregt zu sein, sondern nur nach Advocatenart einige Punkte aus der Vertheidigungsrede hervorsuchen zu wollen, die er für eine Replik vielleicht benützen könnte. Nur der Lictor hinter der Drusilla ist unter den Römern gleichgiltig geblieben. Uebrigens zeigen die Gesichtszüge der dargestellten Römer sämmtlich die charakteristische Form, welche man aus Münzen und andern Denkmälern erkennen kann. Auch das Costüm ist richtig beobachtet.

[901] Durchaus verschiedenen Ausdruck zeigen die anwesenden Juden. Der Hohepriester, welcher neben Felix sitzt, erweist in seinen Zügen die höchste Erbitterung, welche ein Theologe der herrschenden Kirche gegen Andersdenkende nur immer zeigen kann. Voll Wuth kaut er an den Nägeln. Er ist zugleich über Felix ärgerlich, weil dieser nicht geneigt scheint, den Arm der bürgerlichen Gewalt der geistlichen darzuleihen. Ein zweiter Jude neben ihm, mit einem Gesichte, welches Hogarth sicherlich nach einem jüdischen Trödler copirt hat, nach Apostelgeschichte 24, 1 ein Mitglied des Sanhedrin (ein Aeltester), ist dagegen in verschiedener Stimmung. Er offenbart demüthige Unterwürfigkeit gegen Felix, den er aufmerksam betrachtet, um seinen Willen zu erspähen, und wagt seinen Verdruß nicht zu äußern, daß der Apostel der Rache der Juden jetzt entgeht. – Unter den Zuthaten ist der römische Adler, als Schmuck vor der Schranke, vor welcher Paulus steht, nicht übel angebracht. Auch der Bau scheint der Zeit gemäß, eine römische Basilica, bekanntlich der Ort des Gerichts, von den Römern später als christliche Kirche benützt.

Das Originalbild befindet sich eben so, wie das Gemälde, worin Hogarth einige Veränderungen anbrachte, gegenwärtig in den Sälen von Lincoln’s Inn hall, wo der Lordkanzler seine Sitzungen als Haupt des sogenannten Billigkeitshofes (Court of equity) hält, welcher bekanntlich nach Appellation das Urtheil der anderen Gerichtshöfe nach Billigkeit verändern kann, jedoch so, daß seine Entscheidungen den bestehenden Statuten nicht widerstreiten. Somit ist der dargestellte Gegenstand für den Ort nicht unpassend gewählt, indem hier ein höherer Richter (Felix) um die ungerechte Entscheidung eines niederern (des Sanhedrin) sich nicht kümmert. – Auf dem zweiten Gemälde ist die Drusilla weggelassen, so wie auch der Fahnenträger nebst der Figur, womit sich derselbe unterhält. Paulus steht vor einer höheren Brüstung, so daß nur der römische Schreiber sichtbar ist, welchem eine ebenfalls überzeugte Figur etwas zuflüstert. Die Köpfe hinter dem römischen Soldaten sind somit weggefallen. Letzterer füllt die Thüre aus, so daß man die Aussicht in’s Freie nicht erblickt. Auch die Gallerie oben ist weggefallen.