Der Raub in der Thierwelt I
Der Raub in der Thierwelt.
Es scheint der Kampf um jedes Dasein an die Funktionen des Lebens geknüpft zu sein“ – so sagen wir Brüder in unserem neuesten Werke „Thiere der Heimat“[1]. Wir fügen diesem Ausspruche im Hinblick auf unser gegenwärtiges Thema hinzu: der Kampf ums Dasein – in welchem die Ernährung und Erhaltung des Individuums die erste Rolle spielt – erzeugt in allen Geschöpfen der Erde in mehr und minder ausgeprägter Form ein Raubwesen. Von den Großräubern unter den Säugethieren und Vögeln bis hinab zu den Weichthieren bemerkt man diese Thatsache. Wir beschränken uns in unserer Betrachtung bloß auf die beiden erstgenannten Klassen der Thierwelt, da die Erscheinung des Raubwesens gerade hier am ausgeprägtesten auftritt.
Unsere beiden Wiesel mögen unter den Säugern den Reigen eröffnen. Sind sie doch die vielseitigsten Räuber unter den Mardern, Zwerge mit Riesenmuth, die Kämpen in der Kleinthierwelt, welche Allem, „was da kreucht und fleucht“ und schwimmt, den Krieg erklärt haben. Von unseren Großvögeln, der Gans, dem Auerwild bis hinab zum Zaunkönig und dem Goldhähnchen ist kein gefiedertes Wesen sammt seiner Brut sicher vor diesen beweglichen, feinsinnigen Ueberall und Nirgends; der Hase, das Kaninchen und der Hamster mit allen seinen kleinen und kleinsten Vettern, der Krebs und Fisch des Gewässers, der Frosch und die bissige Kreuzotter, ja der Käfer und Schmetterling in der Luft – sie Alle verfallen dem ewig wachen Raubsinne dieser vielbegabten [599] Naturen. Unter allen unseren einheimischen Raubthieren offenbart sich bei der Jagd der Wiesel am sprechendsten ein hochgespanntes Wesen, eine Hochlaunigkeit, die ebenso sehr unser Interesse als unsere Bewunderung erregen. Entdeckt sich auch in allen Räubernaturen mehr oder weniger ein heißes Temperament, so tritt dasselbe doch am entschiedensten in diesen beiden äußersten Posten unserer Kleinräuber hervor.
Doch beobachten wir diese Thiere in den Aeußerungen ihrer Lebensthätigkeit; unsere Leser mögen sich dann selbst ein Bild ableiten aus den in freier Natur den kleinen Wichten abgelauschten Scene. Da ertappen wir das kleine Wiesel oder Heermännchen sogleich im Frühjahr oder Sommer bei seiner Hauptbravour, der Mäusejagd. Schon beim Zutritt zu diesem Schlachtfelde seiner Thaten dringt aus den Löchern und Gängen der Nager ein durchdringendes Pfeifen und Piepen. Gleichzeitig rennen Mäuse bestürzt aus einer Höhle in die andere. Hinter her setzt das Heermännchen in gewandten Bogensprüngen. Es ist nicht viel größer als eine gemästete Feldmaus, aber dank seiner viel schlankeren Taille, ist es dem Verfolger ein Leichtes, den Flüchtlingen in die Erdröhren nachzuschlüpfen. Was nicht über dem Boden im Genicke gepackt wird, das erreicht das nadelspitze Gebiß des Räubers gewiß in den Röhren. Den ersten Beutestücken wird von dem nach dem Gehirne lüsternen Wiesel der Kopf zerknirscht, nachdem es den Opfern das Blut aus der zerbissenen Halsschlagader gesaugt hat. Nunmehr aber beginnt ein unbändiges Morden, das dem Unkundigen unglaublich erscheinen mag. Unser kleiner Held erhebt sich jetzt – wie sollen wir sagen? – zur Höhe begeisterter Jagdlust, zum Sport des Raubes.
Immer hastiger verfolgt und drängt das Wiesel die Mäuse, diese bloß noch würgend durch tödliche Bisse in Hals und Nacken. Es überkommt das Thierchen zuletzt eine Art Raubwahnsinn, in welchem es wie toll sich nicht allein von einer Maus auf die andere wirft, sondern auch mit hohem gellenden Pfiff wahrhaft verzweifelte Sprünge in die Luft macht. Dutzende von Mäusen fängt und würgt es auf solchen Jagden in sogenannten Mäusejahren. Wir haben mit eigenen Augen gesehen, wie ein Heermännchen wahrhaft berauscht von solcher Todesjagd am Boden hertaumelte und unsere Gegenwart gar nicht gewahrte. Sein erfolgreiches Würgen unter den Mäusen kann mit Recht eine Großthat dieses Zwergs genannt werden. Sie wiegt alle die kleinen Unbilden auf, die das unermüdliche Thierchen unter dem jungen Hausgeflügel, den Lerchen, Ammern, Wiesen- und Steinschmätzern und anderen auf dem Boden brütenden Kleinvögeln verübt.
Noch vielseitiger in seiner Raubbethätigung als das kleine Wiesel ist dessen Vetter, das große Wiesel oder Hermelin. In ihm verkörpert sich die zum Säugethier gewordene Schlange oder die Echse. Sein ungemein geschmeidiger, schlanker Körper zwängt sich durch die unscheinbarste Ritze oder Fuge, um in einem Geflügelhause sich dem Massenmorde hinzugeben. Auch seine Kletterfähigkeit erhebt es schon theilweise in der Vielseitigkeit des Raubes über das Heermännchen, obgleich unsere beiden Marder es in der Turnerkunst weit übertreffen. Hingegen läßt es seine Verwandten ebenso weit hinter sich im Sport des Schwimmens und der Jagd im Wasser. Ein treffendes Bild eben solcher Jagd giebt eine Scene, welche wir selbst mit angesehen und die aus unserem erwähnten Werke auszüglich hier Platz finden mag.
An einem Abende, als wir dem Fischfange in einem Flüßchen der Wetterau oblagen, erschien im offenen Gewässer eifrig rudernd vom Ufer aus eine alte Wasserratte. Bald schwamm sie, halb von der Strömung getrieben, dem jenseitigen Ufer zu. Aber kaum dort am Schilfe angelangt, fuhr sie jäh mit Geräusch herum, sich eilends nach dem anderen Ufer zurückwendend. In demselben Augenblicke sprang ihr von einem Ufervorsprung ein Hermelin ins Wasser nach, durchschwamm rasch das Schilf und durcheilte mit hochgehobenem Näschen das offene Wasser, die flüchtige Ratte unter die breiten Blätter der Wasserrose verfolgend. Hier lag die Ratte unter der Oberfläche des Wassers, nur die Schnauze am Rande eines Blattes hervorstreckend. Das Wiesel war einige Meter weit über diese Stelle hinausgeschossen in dem sichtlichen Eifer, die Versteckte zu suchen. Plötzlich kehrte es um, zog einen weiten Bogen, den Windzug geschickt benutzend, der seinem witternden Näschen das Versteck der Ratte verrathen sollte. Aber kaum war ihm die Absicht gelungen, da floh auch schon die geängstete Ratte durchs Schilf, am Ufer verschwindend. Wie an einer Schnur folgte das Wiesel der Ratte vermöge seines scharfen Geruchssinnes, und nach kurzem Hin- und Herprüfen auf der Wasserfläche am Ufer [600] verschwand es in einer Höhle, in welche eben die Ratte geschlüpft war. Stille herrschte im Wasser und Schilf; doch war es uns, als sei aus dem unterirdischen Gang ein feiner quiekender Klageton gedrungen. Sofort zeigte sich an der Mündung der Röhre eine anfänglich kleine, aber immer stärker werdende Bewegung der Wasseroberfläche, welcher kleine Bläschen entstiegen und welche sich jetzt von aufgewühltem Schlamme trübte und nun kleine Wellen schlug. Darauf wälzte sich ein belebter Klumpen hervor, der sich allmählich deutlicher erkennen ließ und sich selbst als zwei in einander verwickelte Thiere darstellte, von welchen das Wiesel als Sieger oben saß und dem überwundenen Opfer im Nacken die scharfen, spitzen Zähne eingehauen hatte. In gehobener Haltung drängte es die sterbende Ratte dem Ufer zu, schleifte sie auf das feste Land und zog sie weiter längs dem Ufer hin unter eine überwölbte Stelle. Hier stillte es seinen Blutdurst und verzehrte mit vernehmlichem Krachen zermalmter Knochen die Lieblingsbissen von Kopf und Rücken.
Sehr fesselnd und charakteristisch ist das Gebalge des großen Wiesels mit dem seine Leibesgröße überragenden, plumpen, aber höchst wehrhaften und bissigen Hamster. Bei diesen Kämpfen entwickelt es einen erstaunlichen Grad von Bravour, in der es seinen hellen, spechttonartigen Kampfschrei erhebt und mit weitgeöffnetem Rachen den Unhold Hamster kreuz und quer überspringt, verschiedentlich attackirt, endlich unvermuthet überfällt und mit einer vollendeten Meisterschaft von Gewandtheit, Wucht und Ausdauer meist besiegt. Das zwar todesmuthige Heermännchen wagt wohl ebenfalls dieses Duell mit dem unflätigen Gegner, allein es unterliegt auch nicht selten den Folgen dieser übergebührlichen Anstrengungen gegen den Riesen.
In seinem Schlangenrachen, dessen Kinnladen sich über einen rechten Winkel zu öffnen vermögen, trägt das gewandte Hermelin auch die Tauben- und Hühnereier in seine Verstecke, deren Schalen noch die feinen Eingriffe der spitzen Eckzähne unter dem Vergrößerungsglase entdecken lassen. Scenisch belebt ist sein Raubmord an dem Hasen. Diesen beschleicht es entweder im Lager, oder es lauert dem Anrückenden auf dessen gewohntem Pfädchen hinter einem Verstecke auf, um dem Opfer mit einem Satze ins Genick zu springen und ihm die Halsader zu durchbeißen. Wie besessen lautklagend rennt „Lampe“ mit dem kleinen Reiter zuerst meist in weiten und dann immer enger gezogenen Bögen davon, um zu letzt mit verhallenden Lauten zusammenzustürzen. Mehrmals haben wir im Sommer solche Räubereien des Hermelins, durch das Angstgeschrei des befallenen Hasen aufmerksam geworden, entdeckt und die Richtung des Raubrittes durch die stark bewegten Halmen im Getreide verfolgt. In zwei Fällen kamen wir zu der Stelle, woselbst der Hase unter den tödlichen Bissen des Wiesels zusammengebrochen war. In dem einen Falle entsprang der Mörder bei unserer Annäherung; im zweiten Falle entdeckten wir das Wiesel auf dem Hasen am Boden, wie es mit derben Zügen das Blut aus der Halsader seines Opfers sog und im Rausche seiner Mordgier unser Nahen gar nicht bemerkte, so daß wir es mit leichter Mühe tödten konnten. Das Hermelin hat mit den Mardern die Eigenthümlichkeit gemein, daß es sich durch das Blutsaugen aus den Adern seines Raubes vollständig berauscht. Ein Taumel, mit Schlaf endend, überfällt die Räuber nicht selten schon auf dem Schauplatz oder in der Nähe desselben, so daß man ihrer mühelos habhaft werden kann.
Wenden wir uns der Betrachtung unserer beiden Marder zu, so ist vor Allem das grenzenlose Morden des Stein- oder Hausmarders hervorzuheben, dem dieser sich beim Einbruch in die Stätten des Hausgeflügels ergiebt. Der Blutrausch ist auch [601] bei ihm besonders ausgeprägt, und nicht selten liegt der Mörder schon mitten unter dem hingeschlachteten Geflügel zusammengekugelt im Schlafe.
Auch sein Verwandter, der Baum- oder Edelmarder versteht es, mit Gewandtheit und Schlauheit die Vögel des Waldes zu beschleichen, wie dies durch unsere Illustration S. 600 in lebenstreuer Weise wiedergegeben wird. Charakteristisch und von ungemeiner Lebendigkeit ist aber vor allem die Todesjagd dieses Räubers, in welcher er dem Eichhörnchen nachstellt. Wir waren Zeugen dieses oft eine halbe Stunde und länger anwährenden Jagens. Von Baum zu Baum, hier ringelförmig an Stämmen hinauf bis zu den äußersten Aesten und aufwärts in die Wipfel, über diese hinaus und an den Aesten und Stämmen wieder hinab; dort von schwindelnder Höhe in verzweifelten Sätzen oder im Stürzen abwärts von Ast zu Ast bis zur Erde flieht das geängstete Eichhörnchen, gefolgt von dem drängenden Feinde, der anfangs zwar zurückbleibt, dessen ungeheuer ausdauernde Kraft und vorzügliche Sinne ihm aber schließlich den Sieg verschaffen. Wenn auch das gejagte Thier, sichtlich ermattet, sich im Dämmer des Geästes in ein Versteck drückt, Auge oder Nase des Marders spüren es bald aus, und der Rüstige, Nimmermüde erhascht es schließlich in einem gewaltigen Satze. Wie das Eichhorn, so unterliegen auch Rehkitzchen und selbst Schmal- und Altrehe dem mörderischen „Risse“ (Bisse) des Edelmarders. Die tapferste Rehmutter kann dem vom Marder angefallenen Kitzchen nicht beistehen, denn die einzigen Waffen der alten Rehgeis sind ihre Vorderläufe, die sie auf den Feind nicht schnellen kann, ohne mit dem festeingebissenem Raubthier zugleich ihren Liebling zu treffen.
[635] Wir waren im ersten Theil dieses Artikels den Wieseln und Mardern auf ihren Raubzügen in dem Dickicht der Büsche und Bäume, zwischen Felsen und dem Gemäuer von Burg und Haus gefolgt; wir besuchen jetzt unsere Teiche und Seen, Bäche und Flüsse, um anderen Erscheinungen in der Ausführung des Raubes zu begegnen. Der Fischotter, der „Marder der Gewässer“, wie man ihn treffend bezeichnet, hat dieselben zu seinem Jagdrevier erkoren. Sein plattgedrückter, aalartig glatter und geschmeidiger Leib mit den Schwimmfüßen, sein außerordentlich scharfes Gebiß, welches sich durch das feste Einpassen der Köpfe der beiden Unterkieferäste in die Pfannen auszeichnet, wie seine breite, drüsenreiche, gummiartige Schnauze befähigen diesen Feind der Edelfische zum ausgiebigsten Fischer. Hierbei wird das Thier durch das Geschick des Tauchens unterstützt. Der einmal, wenn auch etwa knapp gepackte Fisch kann der mörderischen Beißzange des Otterrachens meist nicht mehr entrinnen, und wenn dies auch glückt, hinterläßt der Entwischte doch zwischen den Zähnen des Räubers den Zehnten seines Körpers, was gewöhnlich sein Verderben herbeiführt. Obgleich Nachtthier, benutzt der Otter doch auch die Tageszeit, besonders die Frühe zu seinen Fischereien. Er schwimmt, ohne Geräusch in die Tiefe tauchend, stromaufwärts; von Zeit zu Zeit, gewöhnlich nach einer, auch wohl zwei Minuten, erhebt er die Nase über die Wasserfläche und schöpft mit oft vernehmlichem Brausen Athem. Sein Fang ist verschieden. Bald jagt er die Fische im vollsten Sinne des Wortes, indem er die vor ihm fliehenden ereilt und packt, bald wittert er sie mittelst seines scharfen Geruchs und Gesichts hinter hohlen Ufern oder unter Steinen und Blattpflanzen aus und ergreift sie in ihren Schlupfwinkeln. Kleine Fische fängt er sehr leicht, gewöhnlich rasch hinter einander deren mehrere, und verzehrt sie im Wasser, den Kopf über die Oberfläche desselben erhebend. Mit großen Fischen begiebt er sich auf seinen „Steigen“ (Pfaden) ans Ufer. Er reißt der Beute, während er sie zwischen den Vorderpfoten hält, die Rückentheile bis zum Schwanz an, verschmäht aber Kopf und Schwanz. Im flachen Wasser und in Tümpeln und Buchten trübt er durch Schlagen mit dem kräftigen Schwanze („Ruthe“) das Wasser, um die in die Verstecke eilenden Fische sicher aufzuspüren. Hier sucht er die still stehende Forelle oder den Hecht von unten her zu packen; dort schießt er mit Gewalt des Blitzes unter versammelte Fische, die sein Anblick verwirrt und die eine leichte Beute für ihn werden. Seine große Raublust läßt ihn oft und weit über Bedürfniß jagen, namentlich unedle, ihm weniger mundende Fische. Den größeren Edelfischen, wie z. B. dem Lachs, stellt er sogar gemeinschaftlich mit seines Gleichen nach, denn es ist beobachtet worden, daß zwei Otter, der eine in der Tiefe, der andere oben, den Lachs verfolgen. In kurzer Zeit entvölkert dieser Verwüster ein Gewässer merkbar und empfindlich von edlen Fischen. Uebrigens dienen zu seiner Nahrung auch andere Wasserthiere, wie Frösche, Krebse, Wasserratten, ferner auch kleinere Vögel und selbst großes Geflügel, wie Enten. Auch dehnt der Otter seinen Raub aufs Land aus. Die kleinen in Ufergewächsen schlafenden Vögel beschleicht er, die auf dem Wasser schwimmenden zieht er, geräuschlos tauchend, von unten ins Wasser. So haust verwüstend das Schreckbild der Wasserthiere in großer Ausdehnung; denn der unermüdliche Räuber tummelt sich in einem großen Jagdreviere.
Gleich nach den marderartigen Thieren tritt auf die Schaubühne des Raubes der vielgenannte und doch in so manchen Charakterzügen und Lebensäußerungen noch unbekannte oder auch verkannte Fuchs. In welcher Art der Diebs- und Mordkunst wäre der Allem sich bequemende Lumpaci Vagabundus nicht Meister!? Selbst das Klettern hat er sich im niederen Grade angeeignet. Seiner Gaunerstreiche und Mordthaten sind so viele, sie begreifen den thierischen Raubsport in einem so vielseitigen, ausgedehnten Maße, daß wir uns nur auf Skizzirung einiger Hauptzüge seiner Raubmanier beschränken müssen. Charakteristisch für ihn sind vornehmlich das Beschleichen und das Lauern. Letzteres wendet der alte erfahrene Fuchs besonders [636] im Sommer an. Er hat sich die betretenen Pfädchen durch Getreide, Wiesen, Au und Wald wohl gemerkt, auf welchen der Hase in den Dämmerstunden der Frühe und des Abends „von“ oder „zu Holz“ oder „zur Aesung rückt“. Wie auf unserem beigegebenen Bilde lauert der rothe Freibeuter als echter Wegelagerer unter Benutzung der Windrichtung ausdauernd, um den endlich heran „hoppelnden Lampe“ durch einen gewandten Gegensprung zur rechten Zeit zu fassen und zu würgen. Geduldiges Abwarten führt ihn im Walde gleichfalls zum Ziele, wenn er den Augenblick ausspürt, in welchem die alte Rehgeis ihr Kitzchen einmal auf einer Blöße des Holzes oder auf einer Wiese unbewacht lassen sollte. Vom sicheren Versteck einer Halde, eines Hages, vom Waldrande aus erspäht er die Augenblicke, wo der Hirtenjunge die sichere Hut der Gänse auf der Weide vernachlässigt, um dann wie der Blitz über das junge Volk der Gänse herzufallen. Ebenso liegt er im Hinterhalte des Feldwachsthums in der Nähe des Gehöftes, das Gebell des Hofhundes, den der Schlaue an der Kette weiß, nicht achtend. Er hat den Spaziergang des Hofgeflügels ins einladende Getreide oder in die nahe Wiese ausgekundschaftet und ertappt wie der Wind mit ein paar flüchtigen Sätzen die herausgetretenen Hühner am Acker oder im Wiesengrunde, die Enten am benachbarten Graben oder Bache. Besonders thätig zeigt sich die Füchsin zur Zeit der Jungenpflege auf der Schaubühne des Raubwesens, bald durch Lauern, bald auf dem Schleichwege oder in der geschickten Verknüpfung beider Raubmethoden. Zu dieser Zeit übt sie nicht selten auch den Akt des Jagens aus, besonders nach jungen Hasen. Gerade auf den Lebenswegen der Fuchsmutter zeigt sich am meisten das vielseitige Wesen dieses geweckten Räubers, dessen Thaten sich in Bezug auf Schaden und Nutzen in der Thierwelt gegenseitig die Wage halten. Denn er vertilgt nicht ausschließlich alle möglichen Kleinthiere der Jagd und des Hauses und Hofes; der aufmerksame Blick des Beobachters bemerkt auch die unzähligen Beweise jenes Raubes an unseren schädlichen Nagern in Flur und Wald. Zu jeder Tageszeit des Vorsommers kann man das Raubthier auf den Blößen der jungen Hegen, den Waldwiesen und selbst in der Nähe der Dörfer und Weiler unermüdlich, dem Mäusefange obliegen sehen. Bald lauert dann der Fuchs an den Gängen und Höhlen der Mäuse geduldig wie die beste Katze, um mit einem raschen Zufahren die aus der Erde hervorkommende Maus zu erhaschen und mit ein paar Bissen zu verschlucken; bald geht sein Lauern in ein Schleichen über, plötzlich durch einen hohen Bogensprung eine im Wachsthum sich regende oder aus dem Versteck huschende Maus mit fast nie versagender Geschicklichkeit zu packen. Stunden, ja halbe Tage lang geht auf diese Weise der Mäusefang fort, und wenn das Lauschen ohne Erfolg bleibt, so legt sich der Listige, um Diebes- und Raubkünste nie Verlegene auf ein Mittel, das wir der alten Füchsin manchmal im Verborgenen abgesehen. Sie verursacht mit den Vorderpfoten am Eingang der Mauslöcher ein Poltern, auf welches nicht selten einer oder der andere Insasse der Erdhöhlen aus den Röhren herausfährt in den Rachen des behenden Freibeuters. Und wie hier im Sommer, so Winters auf den schneebedeckten Feldern zeichnet der Fuchs – wenn ihn das körperliche Auge des Beobachters auch nicht gewahrt – unseren geistigen Blicken in seiner Spur den Abdruck seines Wirkens vor. Ja, auf der vielberedten Zeichenschrift seines Spurganges kann der Blick des Kundigen alle die listigen Streiche und die Abenteuer des verschlagensten, kühnsten Raubes dieses merkwürdigen, begabten Thieres ablesen. Es würde zu weit führen, wollten wir auch nur einige Blätter dieser bewegten Zeichenschrift des Fuchswandels auf dem schneeigen Plane entziffern.
Den nahen Verwandten des Fuchses, den Wolf, können wir füglich ebenso gut übergehen wie den Luchs. Beide Großräuber sind an der Grenze ihrer gänzlichen Ausrottung in unserem Vaterlande angelangt, an dessen äußersten Marken sie nur noch höchst vereinzelt vorkommen. Sie gehören, wie der Elch, zu unseren heimischen Thierruinen, von welchen bald nur noch die Ueberlieferung sprechen wird. Auch nur dieser könnten wir folgen, wenn wir die Bethätigungen beider Räuber vorführen wollten, und da wir wesentlich nur Selbstbeobachtetes aus der Thierwelt schildern, so wenden wir uns von den beiden Genannten der heimischen Wildkatze zu, welche so ziemlich das verkleinerte Bild des Luchses vergegenwärtigt.
Wenn dieser hauptsächlich sein räuberisches Unwesen von hoher Warte der Bäume oder Felsen durch den Absprung ausübt, so beschränkt sich die charakteristische Jagd der Wildkatze im Wesentlichen auf das Beschleichen und Erhaschen der Beute mittelst Sprungs auf der Erde; nur ausnahmsweise raubt dies Thier lauernd in der Höhe von Baum und Fels.
Der Wildkatze natürliche Raubbefähigung erstreckt sich über ein großes Thierkontingent. Zwar ist ihre gewöhnliche Jagd auf die kleinen Säugethiere und Vögel gerichtet; allein sie vergreift sich nicht selten an jungen und alten Rehen und erbeutet unsere größeren Waldhühner mit Kraft und Geschick. Zum Glück der heimischen Thierwelt, insbesondere der Wildgehege entbehrt sie des feineren Witterungssinnes, in dessen Besitz ihr empfindliches Raubwesen sich zur wahren Verwüstung ausdehnen würde. Indessen ist ihr Vorkommen auch lange nicht so häufig, als das der schon geschilderten Raubsäuger; ihr Erscheinen ist vereinzelt.
Aus unserm Bilde der Wildkatze – nach welchem sie ein Volk kaum flugbarer Haselhühner bei der alten Henne beschleicht und eben den Raubsprung auszuführen sich anschickt – ergiebt sich das Wesentliche ihrer Raubart. Irgend eine Deckung weiß das lauernde oder dahinschleichende, sehr scharfsichtige und fein hörende Thier zu benutzen, um den geschmeidigen Körper, auf den natürlichen Socken ihrer Pfoten niedergeduckt und stetig fortschiebend, dem ausersehenen Opfer zu nähern. Dabei spricht die „Ruthe“ (Schwanz) in Schlangenwindungen, der Gesichtsausdruck in dem Feuer der Augen die Sprache der großen Erregung des Thieres, dessen Seelenspannung mit dem Bestreben nach Behutsamkeit und Vorsicht kämpft. Auf eine Entfernung von fünf und mehr Schritten weiß der sprungfertige Leib der Katze die flüchtigste Beute wohl zu erhaschen. Sind Fuchs, Wiesel und Marder sicher und wuchtig im Fassen mit dem scharfen Gebiß im dehnbaren Rachen, so ist dies die Wildkatze in noch erhöhterem Grade mit den ausgiebigsten Waffen der Krallen an ihren Tatzen. Diese „Fänge“ sind einziehbar in eine Scheide der Zehen und üben eine furchtbare Gewalt aus beim Einkrallen in den Körper der Beute, indem sie sich bei Befreiungsversuchen derselben nur um so fester einhaken.