Zum Inhalt springen

Die Gasbereitung

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Diverse
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gasbereitung
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 2, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 2, Seite 28–34
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Neusalza
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[28]
Die Gasbereitung.
Vorbemerkung.

Die Gasfabrikation ist schon seit einer Reihe von Jahren in Sachsen, gleich wie in anderen Ländern, ein wichtiger Zweig der Industrie geworden, der täglich mehr an Ausdehnung gewinnt, je mehr die großen Vortheile der Gasbeleuchtung erkannt werden und je leichter die Herbeischaffung der dazu nöthigen Materialen durch die vervollkommten Verbindungs- und Transportmittel wird. In fast allen größeren Städten wie in vielen Mittelstädten Sachsens, sowie in zahlreichen industriellen Etablissements findet man jetzt Gasbeleuchtung, und wenn ein alter Bürger, der vor zweihundert Jahren in Dresden oder Leipzig lebte und um bei der Rückkehr aus gemüthlicher Abendgesellschaft den Weg nach Hause zu finden bei den sparsam vertheilten und trübe brennenden Oellampen oft noch sein eignes Laternchen brauchte, jetzt auferstände und bei Nacht durch die Straßen der genannten Städte wandelte, wie würde er – ganz abgesehen von allen anderen Veränderungen – allein schon staunen über das weiße strahlende Licht, welches jetzt die Gaslaternen über Straßen und Plätze werfen, und das sich zu der früheren Beleuchtung [29] ungefähr so verhält, wie die hellglänzende Mittagssonne gegen ein trübes umschleiertes Mondenlicht. Unsere Zeit ist aber die Zeit der Lichtfreunde, sie will die Nacht in Tag verwandeln, will Licht, recht viel Licht und ununterbrochen sinnt sie darauf, die Leuchtkraft des Gases zu erhöhen und auch andere künstliche Beleuchtungsarten aufzufinden. Man geht in unserer Zeit von dem Princip aus, des Menschen Leben sei zu kurz, um seinen Zweck ganz zu erfüllen, um es im vollen Umfang zu genießen und versucht ein Stück Lebensverlängerungskunst, indem man die Nacht nach Möglichkeit verbannt. Je mehr Licht, je mehr Leben!

Zur Geschichte des Gases.

Daß das Gas erfunden sei, kann man füglich nicht sagen, denn es war stets in der Natur vorhanden, und wann es entdeckt wurde, ist gänzlich unbekannt. Bemerkt wurde das Gas und seine Leuchtkraft – wenn auch ohne Erkenntniß des wahren Wesens – seit die Menschen den Erscheinungen der Natur einige Aufmerksamkeit zuwendeten, beobachtet seit man begann, sich mit Chemie zu beschäftigen, und namentlich den alten Alchymisten kann es kaum entgangen sein, daß bei ihren Arbeiten Gase sich entwickelten und in der Luft entzündeten. Hätten diese in ihren räucherigen Küchen vertrockneten Alchymisten, statt ihren unfruchtbaren Träumen vom Stein der Weisen und von der Goldkocherei nachzuhängen, diesen Erscheinungen mehr Beachtung geschenkt und sie verfolgt, so würden sie wohl deren wahren Werth endlich erkannt haben und man hätte vielleicht schon vor Jahrhunderten Gasbeleuchtung, wenn auch nur theilweise und nicht auf dem heutigen Standpunkt, gehabt; allein sie suchten eben nicht Licht, sondern Gold. – Auch in dieser Beziehung ist es jetzt bei uns ganz anders, denn unsere Chemiker suchen zwar auch Gold, wollen es aber nicht unmittelbar aus dem Schmelztiegel herstellen, sondern suchen, indem sie nützliche Erfindungen machen, sich eine reiche Goldquelle zu öffnen; vielen ist dieses auch weit besser gelungen, als allen den leeren Phantomen nachjagenden Alchymisten. In unserer Zeit wird selbst der kleinste und noch so unbedeutend scheinende Gegenstand untersucht, ob er nutzt, oder nutzbar zu machen ist.

Im vorigen Jahrhundert wurde es schon häufig zur Sprache gebracht, daß es vortheilhaft sein müsse, das bei der Verkohlung von Brennmaterialen verloren gehende Wasserstoffgas weiter zu benutzen. Man fing an, diesem Gegenstand Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die erste Nachricht von dem Gaslicht gab 1739 ein englischer Geistlicher Namens Clayton, der sich wohl mehr mit Chemie und Physik, als mit Theologie beschäftigte. Um die verschiedenen Bestandtheile der Steinkohlen chemisch zu untersuchen, setzte er eine Parthie dieser Kohlen in einer langhalsigen Retorte dem offenen Feuer aus. Aus dem Halse der Retorte ging in das vorgelegte Gefäß zuerst eine Flüssigkeit über, dann ein schwarzes Oel. Zuletzt bildeten sich Dämpfe, die sich nicht condensiren oder in tropfbaren Zustand bringen ließen, aber so gewaltige Kraft entwickelten, daß sie die Retorte endlich sprengten und entwichen; bei dem Entweichen entzündeten sie sich und verbreiteten ein auffallend hellstrahlendes Licht. Nun setzte Clayton seine Versuche fort und kam endlich auf die Idee, an den Hals der Retorte ein feines Mundstück anzufügen, durch welches die entwickelten Dämpfe langsam entwichen und bei Annäherung an die Flamme sich entzündeten. Die Flämmchen konnten nach Belieben ausgeblasen und wieder angezündet werden. Clayton fing dann die Dämpfe in Blasen auf, und fand, daß sie auf diese Weise lange Zeit aufbewahrt werden konnten, ohne daß ihre Brennkraft verloren ging. – Somit war das Gaslicht entdeckt, ohne indeß lange Zeit zu etwas Anderem benutzt zu werden, als zu chemisch-physikalischen Spielereien; von der eigentlichen Wichtigkeit der Entdeckung schien Niemand eine Ahnung zu haben und deshalb dachte auch Niemand an deren praktische Verwerthung.

Erst 1798, durch die Lebonschen Versuche – von denen wir später sprechen werden – aufmerksam gemacht, kam Murdoch in Redruth in Cornwallis auf die Idee, das Gas zur Beleuchtung im Großen zu verwenden. Er bereitete aus Torf und Steinkohlen Gas und wurde dabei durch Bulton, den Besitzer der Eisenwerke von Soho bei Birmingham, unterstützt. Bulton (geb. 1728 in Birmingham, gest. [30] zu Soho am 17. August 1809) war ein strebsamer Mann, für jede neue Erfindung begeistert, – wie denn auch James Watt in Verbindung mit ihm seine ersten Dampfmaschinen baute – und selbst genialer Erfinder, er begünstigte Murdochs Idee auf das Eifrigste und stellte die zur Erzeugung und Reinigung des Gases nöthigen Apparate her. So gelang es Murdoch, die Gasfabrikation im Großen zu treiben und 1802 brachte er es zuerst in Anwendung, indem sämmtliche Werke in Soho zur Friedensfeier mit Gasflammen glänzend erleuchtet wurden.

Nun war erfolgreich Bahn gebrochen. Schon 1803 und 4 wurde die Gasbeleuchtung auf dem Lyceum-Theater in London eingeführt, 1805 in der größten Spinnerei in Manchester und diesem Beispiele folgten rasch noch eine Menge andere Fabriken; auch Kaufläden erhielten schon häufig Gasbeleuchtung. 1815 waren schon ein Theil der Straßen Londons, sowie viele öffentliche Gebäude daselbst durch Gas erleuchtet. Immer schneller verbreitete sich die neue Beleuchtungsmethode, je mehr man ihre Vortheile erkannte, und 1822 betrugen die von Privaten zu diesem Zweck angelegten Kapitale schon 1,000,000 Pfd. Sterling und es hatten die gelegten Gasleitungsröhren zusammen die Länge von mehr als 150 englischen Meilen.

Aber das Verdienst, die Gasbeleuchtung in colossalem Maßstabe in England eingeführt zu haben, gebührt einem in jenem Lande lebenden Deutschen, A. Winzer, welcher sich aber mit Verleugnung seines deutschen Namens Winsor nannte. Er stiftete in London die Gas- und Coakscompagnie, welche die Beleuchtung der gesammten Stadt mit allen ihren Straßen, Plätzen, öffentlichen und Privatgebäuden übernahm, und deren Einrichtungen das Muster für alle von da an entstehende ähnliche Gesellschaften wurden.

In Frankreich wendete der Ingenieur Philipp Lebon (geb. 1765 zu Brachet im Departement der oberen Marne) der Leuchtkraft der Gase besonderes Studium zu, und läßt sich auch die frühere Anwendung des Leuchtgases den Engländern nicht streitig machen, so gebührt doch die Ehre der ersten wissenschaftlichen Auffassung dieses Gegenstandes allein Lebon. Er kam auf den Gedanken, die Gase, welche sich bei Erhitzung des Feuerungsmaterials entwickeln, zu Beleuchtungszwecken zu benutzen; doch wendete er dabei seine Aufmerksamkeit vorerst mehr auf das Holzgas. Er theilte im Jahre VII der Republik seine Entdeckungen dem Institut mit und nahm ein Patent auf einen von ihm erfundenen Apparat, den er Thermolampe nannte. In seiner Schrift über die Thermolampe entwickelte Lebon weitgreifende Gedanken, denn er wollte das Gas nicht allein zur Beleuchtung verwenden, sondern auch zur Erwärmung, und als Triebkraft der Maschinen. Vorzüglich von 1799 bis 1802 machte Lebon viel Versuche, im letzten Jahre unter Benutzung der inzwischen bekannt gewordenen Ideen der Deutschen über diesen Gegenstand, und er stellte seine Thermolampen in Havre auf, da er sie namentlich auch zu Leuchtfeuern auf Leuchtthürmen bestimmt hatte; doch war das Gas noch zu unvollkommen, um genügende Resultate damit zu erzielen. Allein auch diese Vervollkommnung würde Lebon endlich gelungen sein, da er alle Geistesgaben besaß, das Werk glücklich zu einem guten Ende zu führen, wenn nicht die Franzosen eine solche Theilnahmlosigkeit gegen seine Entdeckungen bewiesen, namentlich als er den Vorschlag machte, ganz Paris durch Gas zu erleuchten. Sein Vorschlag wurde von Wenigen beachtet, von Vielen bespöttelt und Lebon theilte endlich das Schicksal so manchen unglücklichen Entdeckers: er hatte sich durch seine Versuche ruinirt, sah sich mit Undank belohnt und gab sich in Verzweiflung darüber 1802 selbst den Tod. Seine Ideen wurden von den Franzosen schnell vergessen.

Erst später, als die Gasbeleuchtung immer mehr Terrain gewann, und die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf sich zog, erinnerten sich die Franzosen ihres Lebons, und sie nahmen für den im Leben verkannten und vernachlässigten Mann die Ehre in Anspruch, der wahre Entdecker des Gases zu sein, behauptend, die Engländer und Deutschen hätten ihm das Geheimniß nur abgelauscht. Nun folgten die Franzosen wohl dem englischen und deutschen Verfahren, aber es zeigte sich bald, daß sie keinen Mann mehr besaßen, der etwas Bedeutendes in diesem Fach geleistet, und als 1816 in einigen Hospitälern von Paris Gasbeleuchtung eingeführt werden sollte, mußten deshalb mehrere Engländer verschrieben werden.

[31] Später war es der schon genannte Winzer oder Winsor, der auch in Frankreich die Gasbeleuchtung im Großen einführte, indem er in Paris eine Gesellschaft stiftete, die Gascompagnie, ähnlich der von ihm in London gegründeten. Winzer behielt deren Leitung und starb in Paris am 11. Mai 1830.

In Deutschland war es der berühmte Chemiker, Professor Wilhelm August Lampadius in Freiberg (geboren in Hehlen im Braunschweigischen am 8. August 1772, gestorben in Freiberg am 13. April 1843), welcher in seiner „Hüttenkunde“, die 1801 erschien, zuerst seine Ideen über Gaserzeugung bekannt machte und mit Versuchen begann, worauf er durch sein ganzes Leben sich eifrig mit diesem Gegenstande beschäftigte. Lampadius versuchte frühzeitig die Straßenbeleuchtung durch Gas und 1816 führte er die erste Steinkohlengasbeleuchtung auf dem Amalgamirwerke Halsbrücke bei Freiberg ein. – Man kann also mit vollem Recht Lampadius als den Vater und Sachsen als die Wiege der deutschen Gasbeleuchtung betrachten.

Zwar hatten schon mehrere Jahre früher Winzler aus Znaym, in Wien 1802, und Werner in Leipzig Versuche mit Anwendung des Leuchtgases in größerem Umfange gemacht, und letzterer erleuchtete 1808 eine Tuchmanufactur in Züllichau auf diese Weise; allein diese bedienten sich dazu des Holzgases, welches bei dem damaligen Verfahren weder eine vorzügliche Leuchtkraft entwickelte, noch auch sonst sich sehr empfahl, namentlich war dessen widerlicher Geruch der Anwendung sehr hinderlich. Deshalb gingen alle diese Anstalten schnell wieder ein, und des Holzgases geschah lange Jahre hindurch kaum noch Erwähnung.

Aufgemuntert durch die glücklichen Erfolge von Lampadius unternahm 1817 Prechtl die Beleuchtung des polytechnischen Instituts in Wien durch Gas, und nun fand diese Lichterzeugung in Deutschland immer mehr Eingang, vorzüglich als durch den Erfindungsgeist der Engländer die Gasbereitung im Großen nicht nur vervollkommnet, sondern auch erleichtert wurde durch Erfindung und Verbesserung der Apparate, z. B. des Gasometers, welche in der Mehrzahl aus England stammen.

1826 wurde in Hannover die Straßenbeleuchtung in der ganzen Stadt durch Gas eingeführt, und es war dieses somit die erste deutsche Stadt, welche sich dieses strahlendes Lichtes erfreute. Berlin folgte 1828 diesem Beispiel; daselbst hatte eine Gesellschaft Engländer die Beleuchtung übernommen. 1840 erhielt Wien, 1841 Köln Gasbeleuchtung, und jetzt haben alle großen und eine Menge kleinerer Städte Deutschlands die trüben Oellampen mit den hellleuchtenden Gasflammen vertauscht.

In Sachsen wurde die Straßenbeleuchtung durch Gas in größerem Umfange 1828 in Dresden begonnen, doch war das Fortschreiten in den ersten Jahren nur höchst langsam, allein 1850 konnte die dasige Anstalt bereits 12,000 Flammen speisen und der Betrieb hat sich seit dieser Zeit mindestens verdreifacht. Leipzig erhielt 1840 Gasbeleuchtung, dann folgten Chemnitz, Zwickau, Plauen, Crimmitschau, Glauchau, Zittau, Löbau, u.s.w. und es sind gegenwärtig namentlich die Fabrikstädte fast sämmtlich durch Gas erleuchtet, oder es ist doch zur Einrichtung derselben Vorbereitung getroffen. Außer diesen städtischen Anstalten besitzen noch eine bedeutende Anzahl industrieller Etablissements für eigenen Bedarf Gasanstalten in kleinerem Maßstabe. In einigen Fabriken, wie z. B. die Spinnerei von Trinius und Söhne in Eutritzsch werden auch die Abfälle und das nach dem Waschen der Wolle übrig gebliebene Seifenwasser zur Gasbereitung benutzt.

Die Fabrikation des Leuchtgases.

Die Gasfabrikation zerfällt in drei Abschnitte: die Bereitung des Gases, die Reinigung desselben, und die endliche Fortleitung zu den Brennern.

Zu der Gasbereitung sind nicht alle Steinkohlen gleich geeignet; am zweckdienlichsten haben sich die sogenannten Backkohlen bewiesen und unter diesen wieder die Schwefelfreiesten. Am vorzüglichsten ist die englische candle coal, welche auch in Berlin in Anwendung kommt, während die sächsischen Gasbereitungsanstalten die vaterländischen Steinkohlen benutzen.

Die zur Gasfabrikation bestimmten Kohlen werden in den Gasretorten zersetzt. Diese Retorten sind [32] gewöhnlich von Gußeisen, oft auch von starkem, feuerfesten Thon[1], cylinderisch und werden durch einen Deckel luftdicht verschlossen. Die hintere Oeffnung ist zur Füllung – dem Beschicken – bestimmt, die vordere aber hat eine senkrecht aufstehende Abzugsröhre. Diese Retorten werden zu drei bis fünf über eine gemeinschaftliche Feuerung in den Gasofen eingelagert, welcher von unten geheizt wird und die Retorten in Rothglühhitze versetzt. In einigen Fabriken werden die Retorten auf einen Rost gesetzt, ohne daß das Feuer sie berühren kann, in anderen aber läßt man die Flammen um sie herumspielen.

Die Zersetzung der Beschickung beginnt und es steigen zuerst Wasserdämpfe und Kohlensäure auf, erstere in mehr oder minder geringer Menge, je nachdem die Kohlen trocken waren; dann folgt das Leuchtgas, verbunden mit schwefelhaltigem Wasserstoffgas, und zuletzt kommt noch kohlensaures und Wasserstoffgas. Der Rückstand bei der Steinkohlengasfabrikation besteht in Coaks, die fast einen eben so großen Werth haben als die verwendeten Steinkohlen und eben dieses ist ein bedeutender Vortheil bei der Fabrikation dieser Gasart, da dem Material wohl das Gas entzogen wird, es selbst aber nur wenig von seinem Werth verliert, was – außer bei dem Holzgas – bei keinem anderen Material, aus dem sich Gas bereiten läßt, der Fall ist. – Es macht dieser Umstand auch allein nur möglich, das Gas zu so billigen Preisen zu liefern, indem die Kosten zum Theil schon durch die entstehenden Coaks gedeckt werden; deshalb sind bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge die Steinkohlengasfabriken, vom ökonomischen Gesichtspunkte betrachtet, mehr Vercoaksanstalten, welche durch den Verkauf der Coaks bestehen und die das Gas mehr als Nebenprodukt verwerthen.

Nun beginnt die Reinigung des Gases von den dem Brennen hinderlichen Bestandtheilen, die eben bei dem Steinkohlengas die komplicirtesten sind. Die Steinkohlen haben neben den Hauptbestandtheilen, Kohlenstoff und Wasserstoff, noch andere, namentlich Sauerstoff, Schwefel und Stickstoff, welche der Gaserzeugung sehr hinderlich sind. Aus Sauerstoff und Kohle entsteht Kohlensäure, aus Wasserstoff und Schwefel Schwefelwasserstoffgas und aus Stickstoff und Wasserstoff Ammoniak, welche alle durch den Reinigungsprozeß hinweggeschafft werden müssen, und von denen nur das Ammoniak einen Nebengewinn abwirft, indem man es in verdünnter Schwefelsäure auffängt.

Man läßt das Gas vorerst in einen gußeisernen, cylindrischen, oberhalb der Gasretorten angebrachten Behälter, den Condafator, von oben eintreten, in welchen durch Abkühlung das Steinkohlentheer, die Wasserdämpfe und die öligen Bestandtheile sich sammeln, die das Gas mit fortgeführt hat; auch ein Theil des Ammonik setzt sich hier ab. Das Steinkohlentheer fließt durch eine unterhalb angebrachte Röhre in die sogenannte Cisterne ab und bildet ein nutzbares Nebenprodukt.

Damit ist die Reinigung aber noch nicht vollendet. Das Gas muß nun durch Räume geleitet werden, wo sich Körper befinden, mit denen die das Gas verunreinigenden Theile gern eine Verbindung eingehen, wozu ungelöschter Kalk als bestes Mittel sich darbietet, da er Kohlensäure und Schwefelwasserstoffgas schnell an sich zieht und in sich aufnimmt. In großen Anstalten läßt man das Gas gewöhnlich durch Reihen mit ungelöschtem Kalk gefüllte Gefäße gehen, in anderen aber wird das Gas in Kasten mit Kalkmilch geführt, welche durch einen Mechanismus beständig umgerührt wird, so daß das Gas an den Kalk treten und sich mit diesem vereinigen kann. Man nennt dieses das Waschen des Gases.

Nun ist das Gas zwar nicht vollständig, aber doch hinreichend gereinigt, denn es hält sechszig bis siebenzig Prozent Leuchtgas, im Uebrigen aber noch Kohlenoxydgas, Wasserstoffgas und Stickstoffgas, auch wohl noch etwas Ammoniak und Schwefelwasserstoffgas. Von der Tonne Steinkohlen erhält man so, je nach der Güte derselben 6–9000 Kubikfuß Gas, welche 1200–1800 Flammen eine Stunde nähren, da eine Flamme in der Regel stündlich bis fünf Kubikfuß Gas verzehrt. Jede Flamme gibt dann so viel Licht als sechs Wachskerzen.

[33] Das gewaschene Gas geht jetzt in den Gasometer. Dieses ist ein großes, gewöhnlich 20–30,000 Kubikfuß fassendes, aus starkem Eisenblech zusammengenietetes Gefäß, an dem alle Fugen durch Kitt luftdicht gemacht werden, so daß kein Gas entweichen kann. Dieser Kasten wird dann, den Boden nach oben, in einen Wasserbehälter aufgehangen und mit Gegengewichten versehen. Die Röhren, durch welche das Gas in den Gasometer geführt wird, münden am Fuß des Gasometers, das Gas tritt durch das Wasser in diesen und hebt ihn nach und nach in die Höhe, indem es sich über dem Wasser ansammelt, das Wasser aber verhindert das Entweichen des Gases aus dem Gasometer.

Wird das Hauptausflußrohr mittelst des Hahnes geöffnet, so strömt das Gas in die Leitungsröhren unter der Erde, wo die Hauptröhren durch die Straßen der Stadt, die kleineren aber, von den Hauptröhren abzweigend, zu den Laternen und die Gebäude geführt werden. Die Hauptröhren sind am besten von Eisen, die Nebenröhren aber, der Biegsamkeit wegen, auch häufig von Blei. Die Brenner sind Mundstücke, welche durch feine Durchbohrungen das Gas ausströmen lassen, wenn der Hahn unterhalb derselben geöffnet wird; es kann dann entzündet werden.

Um die Consumtion der an Gebäude abgelieferten Gasmenge controliren und danach einen gleichmäßigen Preis bestimmen zu können, wendet man Gasmesser an, eine sehr sinnreiche und zweckmäßige Erfindung.

Die übrigen Gasarten.

Nicht allein aus Steinkohlen, sondern auch aus anderen Materialen läßt sich Leuchtgas bereiten, wie aus Torf, welcher wie Steinkohle behandelt wird. Ferner aus allen fetten Oelen, welches sich aber nur lohnt, wenn das Oel hinreichend niedrigen Preis hat; doch kann man auch solche Oele benutzen, welche wegen ihres widrigen Geruchs nicht in der Lampe zu brennen sind. Auch Pechöl, Theeröl und Erdöl sind geeignet dazu.

Das Oelgas erfordert aber bei seiner Bereitung eine ganz andere Behandlung wie das Steinkohlengas, ist hingegen bedeutend reiner; allein seine Abfälle sind nicht sehr nutzbar. Ein Pfund Rüböl liefert zwei und dreißig Kubikfuß Gas und gibt bis drei Mal soviel Licht wie Kohlengas, also besitzt eine Flamme dieses Gases die Leuchtkraft von achtzehn Wachskerzen; ein Pfund Fichtenharz liefert sechs und zwanzig Kubikfuß, ein Pfund Pechöl vierzig Kubikfuß Gas und letzteres leuchtet ein und ein halbes Mal so stark wie Steinkohlengas, also eine Flamme gleich neun Wachskerzen.

Eine besondere Aufmerksamkeit ist in den letzten Jahren wieder

dem Holzgas

zugewendet, seit es dem Professor Max Pettenhofer in München, Leibapotheker des Königs von Baiern, gelungen, ein Verfahren bei Bereitung dieses Gases zu finden, wodurch die Uebelstände, welche früher die umfassende Anwendung des Holzgases hinderten, in Wegfall kommen. Bei der weiteren Ausbildung der Sache hatte A. L. Riedinger in Augsburg wesentlichen Antheil.

Das nach dem neuen Verfahren hergestellte Holzgas bietet wesentliche Vortheile: seine Leuchtkraft ist stärker wie die des Steinkohlengases, da es sich wie 6 zu 5 verhält; es brennt sparsamer, da eine Flamme die Stunde nur drei bis vier Kubikfuß verzehrt; die Retorten, welche bei dem Steinkohlengas vermöge des Schwefelgehaltes beständiger Zerstörung ausgesetzt sind, erleiden keinen Schaden; das Verfahren bei der Bereitung ist einfacher, also auch billiger; der Holzgasapparat verlangt weit weniger Raum und er bedarf weder vieler Retorten noch großer Gasometer, da sich das Gas sehr schnell entwickelt; endlich erleidet das Holz ebenfalls keine Entwerthung, da es als Holzkohle in den Retorten zurück bleibt, welche wie das gewonnene Holztheer und dem Holzessig, wieder verwerthet werden kann.

100 Pfund Holz geben durchschnittlich 530 Kubikfuß Gas, 20 Pfund Holzkohle, 3 Pfund Theer und 23 Pfund Holzessig. Nadelholz giebt etwas mehr Gas wie Laubholz, doch ist der Unterschied nicht so bedeutend.

[34] Die erste Anwendung des Holzgases geschah auf dem Bahnhofe zu München, und wurde am 18. März 1851 begonnen; sowohl die Bahnhofsverwaltung als auch die Unternehmer sind bis heute mit dieser Beleuchtung vollkommen zufrieden. Der glänzend gelungene Versuch hatte die rasche Ausbreitung der Holzgasbeleuchtung zur Folge, sowohl in Deutschland als in der Schweiz, namentlich in holzreicheren Gegenden; so wurden rasch hinter einander in Baireuth, Koburg, Würzburg, Darmstadt, Gießen, Zürich, Basel, Pforzheim, Gotha, Regensburg, Ulm, Erlangen u.s.w. Holzgasbereitungsanstalten errichtet und über die Vorzüglichkeit und Billigkeit dieser Beleuchtung herrscht nur eine Stimme.




  1. Diese Thonretorten werden jetzt vorzüglich gut in bei Margarethenhütte bei Bautzen gefertigt; ebenso in Kercha bei Meißen.