Die Etablissements von Karl Edler v. Querfurth im oberen Erzgebirge
Die Etablissements von Karl Edler von Querfurth bestehen aus
- dem Eisenhüttenwerk Schönheide und
- dem Eisenhüttenwerk Wildenthal,
welche beide in dem oberen Erzgebirge in der Gegend von Eibenstock liegen. Diese Werke sind gegenwärtig im Besitz der Erben weiland Rittmeisters Karl Edler von Querfurth.
liegt in höchst romantischer Gegend an der Zwickauer Mulde und der Eibenstock-Auerbacher Chaussee, zwischen Eibenstock und dem Dorf Schönheide, von Ersterem drei Viertelstunden entfernt. In nicht ferner Zeit steht diesem Werke eine neue Verbindung in Aussicht, welche für dasselbe ein Lebensnerv zu werden verspricht, indem die projektirte Fortsetzung der Zwickau-Schwarzenberger Staatsbahn, welche bei Aue abzweigen soll, hier das Muldenthal durchschneiden und die Werke direkt berühren wird.
Das Eisenhüttenwerk selbst umfaßt
- ein Hohofengebäude mit Gießereiräumen;
- das Müllerhaus mit Gichtaufzugmaschine, Circularsäge und Schlackenpochwerken;
- die Modelltischlerei mit Modellböden;
- die Maschinenbauwerkstatt mit Schlossersaal und Modellböden;
- das Eisensteinpochwerk mit Zimmerhaus;
- das Putzereigebäude mit Gußwaarenlager und Verladungsbureau;
- das Puddlingswalzwerk für Grubenschienen, zugleich Rund- und Stabeisenerzeugung enthaltend;
- das Richthaus;
- das Zünderwaschgebäude;
- drei Vorrathshäuser für Kohlen, Torf und Brennholz;
- das Metallgießereigebäude, und
- das Herrenhaus, mit Thurm versehen, wo sich das Comptoir mit befindet.
Außerdem gehören noch dazu dreizehn größere Oekonomiegebäude und Arbeiterwohnungen, wo in den sehr geräumigen Gewölben der ersterern sich die Lager von Roheisen, Schmiedeeisen und fertiger Eisenwaaren befinden.
Sämmtliche Gebäude des Eisenhüttenwerks figuriren in der Landes-Immobiliar-Brandassekuranz mit 64,000 Thalern.
Das Besitzthum an Grund und Boden, besonders an sehr werthvollen Wiesen, welche pro sächsischen Acker einen jährlichen Pachtertrag bis zu 60 und 70 Thalern ergeben, so wie der umfängliche Wald- und Feldbesitzstand, stellen das Eisenhüttenwerk Schönheide in die erste Klasse obergebirgischer Landgüter.
Als Branchen sind hier vertreten
- die Rundeisen-, Flach- und Quadrateisenfabrikation,
- die Gußwaarenfabrikation, hauptsächlich Ofen- und Maschinenfeinguß,
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- die Grubenschienenfabrikation und
- der Maschinenbau, besonders von Mühlwerken, gangbaren Zeugen, landwirthschaftlichen Maschinen und Hilfsmaschinen.
Die Gußwaaren und Grubenbahnschienen sind die Haupterzeugnisse und zugleich die gangbarsten Artikel des Etablissements. Die Gußwaaren finden ihren Hauptabsatz zum größten Theil in Sachsen, sowie in den angrenzenden Staaten, die Grubenschienen aber theils im Inlande, theils nach Preußen.
Diese Erzeugnisse des Hüttenwerkes befanden sich bisher nur auf den Industrieausstellungen in Dresden und erhielten daselbst mehrere Male Medaillen.
An Maschinen besitzt das Eisenhüttenwerk Schönheide
- eine Gebläsemaschine für den Hohofen, bestehend aus drei Cylindern, getrieben durch ein Wasserrad von 15 Pferdekraft,
- ein Cuppen- und Schmiedeeisen-Walzwerkrad von 35 Pferdekraft, welches außer den Walzensträngen noch den Squizer und die Scheere bewegt,
- ein Wasserrad von 10 Pferdekraft für die Maschinenbauwerkstatt, zugleich das Eisensteinpochwerk treibend,
- ein Wasserrad von 5 Pferdekraft für das Schlackenpochwerk und die Circularsäge, und
- ein Gichtaufzugsrad mit 4 Pferdekraft.
Das Werk beschäftigt 4 Comptoiristen, 5 Maschinisten und Aufseher, 1 Zeichner, 85 Fabrikarbeiter, 5 Mann beim Bauwesen und 10 bis 12 Tagelöhner. Bei dem Eisensteinbergbau sind 5 Grubensteiger angestellt und 80 bis 100 Bergleute in Arbeit. Die Köhlerei zählt 23 Köhler, wozu im Winter noch 40 bis 50 Holzführer kommen. Direkt und indirekt beschäftigt dieses Hüttenwerk im Ganzen 350 bis 400 Personen.
Im Lohne des Hüttenwerkes gehen täglich durchschnittlich 40 bis 44 Pferde zur Anfuhre der Materialien an Steinkohlen, Holzkohlen, Eisenerzen, Kalksteinen, Baumaterialien u. s. w., sowie zur Abfuhre der Produkte nach den nächsten Bahnhöfen in Wiesenburg und Reichenbach.
Die Direktion des Hüttenwerks Schönheide (sowie auch des Hüttenwerks Wildenthal) sowie die Procura, führt Herr Hugo Edler von Querfurth.
Das Eisenhüttenwerk Schönheide wurde durch den Hammermeister Pussius im Jahre 1654 gegründet, und seit dieser Zeit ist das Werk noch nie zum Stillstand gekommen, außer auf ganz kurze durch außerordentliche Calamitäten bedingte Zeiten. Ende des siebzehnten Jahrhunderts ging das Werk in Besitz des Amtmanns zu Schwarzenberg, Christian Kreß, über, welcher aber das Unglück hatte, daß ihm 1703 sämmtliche Gebäude des Hüttenwerkes abbrannten. Die späteren Besitzer suchten das Werk nach Möglichkeit zu heben und zu dem, was es nachher auch wirklich wurde, zu machen, zu dem schönsten des oberen Erzgebirges. So war der hiesige thurmartige Hohofen der erste dieser Art im Gebirge. Vorzüglich viel geschah für das Werk, als es aus den Händen des Hammerherrn Rauh in Besitz des Dresdner Handlungshauses Maukisch und Rosenbaum überging. Diese neuen Besitzer legten ein Walzwerk nach englischer Methode an, bauten 1819 das große Kastengebläse, suchten die Einrichtungen auf alle Weise zu vervollkommnen und den Betrieb zu erweitern; auch erwarben sie dem Gute Schriftsäßigkeit und Landtagsfähigkeit. Aber es geschah des Guten wohl zu viel auf einmal, denn dieses Haus wurde fallit, und dadurch entstand ein bedeutender Rückgang im Betrieb, es wurde unter Anderm das Walzwerk nach Wittigsthal verkauft.
Nun erstand das Werk der Rittmeister Karl Edler von Querfurth, dessen schöpferischer Hand es seinen jetzigen hohen Standpunkt unter den Eisenhüttenwerken Sachsens vornehmlich verdankt, es wurde das Walzwerk neu angeschafft, und die Gießerei nach Möglichkeit vervollkommnet. In seinem Streben wurde der neue Besitzer durch die fachtüchtige Thätigkeit seines damaligen Faktors, Herrn A. Schildbach, gegenwärtig Oberhüttenmeister in Königin-Marienhütte, unterstützt, welcher auf dem Werke [67] selbst erzogen, seine anerkannt tüchtige kaufmännische, wie hüttenmännische Ausbildung hier erlangt hat, sowie Schönheide überhaupt seit dem Bestehen des großen Werkes der Königin-Marienhütte stets eine gute und ausgiebige Pflanzschule für Beamte und Arbeiter dieser Hütte gewesen ist.
Die vielfachen technischen Fortschritte, welche die neuere und neueste Zeit jedem technischen Etablissement zur Pflicht gemacht, sowie besonders den Bau des Puddlingswalzwerkes, an Stelle der früheren in Schönheide üblichen Stabeisenfrischerei, verdankt das Werk der intelligenten Kraft seines jüngsten Hüttendirektors, Herrn Schaff, jetzigen Hüttendirector der Sächsischen Bergbau- und Eisenhüttengesellschaft in Zwickau. Das Eisenhüttenwerk Schönheide eignet sich seinen zum Theil noch unbenutzten starken Wasserkräften nach, zu welchen auch der dritte Theil aller Wasserkräfte hinzukommen, die zu dem eingegangenen Hüttenwerke Muldenhammer gehören, und welche die ganze Mulde bei 12 bis 15 und 18 Ellen hohen Gefällen disponibel haben, noch zu weit umfassenderen technischen Anlagen, und es werden solche gewiß sofort ins Leben treten, sobald die längst ersehnte Muldenbahn hergestellt sein wird.
Das Eisenhüttenwerk Schönheide ist privilegirt für den Betrieb von einem Hohofen, vier Frischfeuern, zwei Blechfeuern, einem Zerremfeuer, einem Zainhammer, einem Blechzinnhause und einem Blechwalzwerke; ebenso hat es die Concession zu einer Hufschmiede und voller Gasthofgerechtigkeit mit Brauerei und Schlachtbank. Dazu kommt noch starke Fischerei und schöne Jagd auf den eigenen Grundcomplexen. Auch steht dem Werke der dritte Theil der dem früheren Hüttenwerke Muldenhammer zukommenden Privilegien auf einen Hohofen, zwei Blechhämmer, ein Frischfeuer, ein Stabfeuer und ein Zinnhaus zu, welche der Besitzer von Schönheide, nachdem jenes Werk zum Stillstand gekommen war, acquirirte.
Besondere Erwähnung verdient noch der überaus umfängliche Besitzstand dieses Werkes an Eisensteingruben, welche geeignet sind, ein zehnfach größeres Quantum von Roheisen andauernd zu produciren, als das Werk, vermöge der theuren Holzpreise jetzt zu liefern im Stande ist.
liegt an der Schneeberg-Karlsbader Chaussee, eine Stunde von Eibenstock, und eine und eine halbe von Johanngeorgenstadt und der böhmischen Grenze entfernt, höchst romantisch in einem der tiefsten Thäler Sachsens, das aber immer noch 2250 Fuß Meereshöhe hat. Die große Bockau durchströmt das Thal, treibt das gangbare Zeug in den Hütten, stürzt über zahllose Granittrümmer und sendet einen Theil ihrer Gewässer mittelst des grünen Grabens auf die Wiese nach Eibenstock. Dieser grüne Graben hat eine besondere Eigenheit, denn trotz seinem starken Gefälle scheint er an einigen Orten bergauf zu fließen und es ist dieses so täuschend, daß schon Mancher bedenklich darüber den Kopf schüttelte und an eine verkehrte Weltordnung dachte. Gleichwohl fällt der Graben bis zur Mühle auf der Höhe bei Eibenstock um 130 Ellen.
Das Thal wird gebildet durch den gigantischen Auersberg, dem zweiten Hochpunkt Sachsens, der sich in einer Höhe von 3175 Fuß über die Meeresfläche, über das Thal aber 925 Fuß erhebt, den überaus steilen Ellbogen und den noch höheren aber weniger steilen Brückenberg. Das ganze Thal hat einen einsamen, düsteren Character und der Ort selbst gehört zu den dürftigsten Sachsens, zudem der Feldbau hier eben so unzureichend als beschwerlich ist.
Das Eisenhüttenwerk Wildenthal ist ebenfalls, wie die übrigen obererzgebirgischen Holzkohlenwerke zumeist, zugleich ein starkes Oekonomiegut, und besitzt besonders schöne Wiesen von sehr gutem Ertrage.
An Gebäuden besitzt das Werk
- ein Blechwalzwerk mit zwei Paar Hartwalzen und einer Wasserscheere;
- eine Frischhütte mit eingebautem Hammerwerke von drei Hämmern, einem Frischfeuer und einer Zeugschmiede, in welchem allerlei Stabeisen- und Roheisengattungen, sowie Achsen, Pflugschaaren und grobe schmiedeeiserne Maschinentheile bei Holzkohlen gefertigt werden;
- eine zweite Frischhütte, ebenfalls mit Hammerwerke, Frischfeuer und Zeugschmiede;
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- ein Gebäude für die Maschinennagelfabrik, in welcher 32 diverse, zum größten Theil durch Wasserkraft getriebene Maschinen aufgestellt sind;
- ein Glühofengebäude, zunächst für die Nagelfabrik bestimmt;
- zwei Holzkohlenvorrathshäuser für die Frischhütten;
- ein Torfvorrathshaus für das Walzwerk;
- ein Herrenhaus mit dem Comptoir und
- sieben Arbeiterwohngebäude.
Außerdem sind noch die nöthigen Oekonomiegebäude vorhanden.
Zu dem Eisenhüttenwerk gehören zwei umfangreiche Torflager, welche mit umfassenden Trockenapparaten und Vorrathshäusern versehen sind.
Als Branchen umfaßt dieses Werk
- die Fabrikation von Schmiedeeisengattungen aller Art,
- die Maschinennagelfabrik,
- die Fabrikation von Zeugarbeiten aller Art und
- die Fabrikation schwarzer Eisenbleche.
Mit Ausnahme der Maschinennägel erfolgt der Absatz der Produkte dieses Werkes lediglich im Inlande, die Nägel gehen stark ins Ausland und werden theilweise selbst bis Rußland und nach der Türkei verführt.
Die Blechfabrikation erfolgt hier aus den für dieselbe auf dem Eisenhüttenwerke Schönheide erzeugten Materialen und wird lediglich bei Torffeuerung bewirkt.
Die Maschinennagelfabrik ist in ihrer Branche die älteste Sachsens und zur Zeit wohl auch die bedeutendste, denn sie erzeugt jährlich über sechzig Millionen eiserne Nägel und Stifte aller Gattungen aus starken Eisenblechen. Auch sie allein arbeitet bei Torffeuerung.
Die Maschinen dieses Etablissements werden mittelst sechs oberschlägiger Wasserräder betrieben, welche bei mittlerem Wasserstande zusammen sechzig Pferdekräfte effectuiren.
Das Eisenhüttenwerk Wildenthal beschäftigt 2 Comptoiristen, 1 Werkmeister, 2 Aufseher, 63 Arbeiter, 5 Mann beim Bauwesen, 6 Hand- und Beiarbeiter, 2 Torfmeister und 40 bis 50 Torfstecher. – Direkt und indirekt beschäftigt dieses Werk mit seinen Eisensteingruben, Torfstichen und dem Werksbetriebe selbst, durchschnittlich 180 bis 200 Arbeiter.
Hüttendirektor ist hier wie in Schönheide, Herr Hugo Edler von Querfurth.
Gegründet wurde dieses Werk im Jahre 1596 von Anargk Friedrich, Dynasten zu Wildenfels, Hauptmann des Voigtlandes, zu welchem damals die hiesige Pflege noch gerechnet wurde; erst 1598 wurde ihm von den kurfürstlichen Kommissären das Revier. Um das Hammerwerk – gewöhnlich der Neuhammer genannt – entstand dann nach und nach die Ansiedelung, welche nach dem Namen ihres Besitzers, an dem man das „Fels“ abtrennte und dafür „Thal“ anhing, die Bezeichnung Wildenthal erhielt.
Später erkaufte der Oberstlieutenant von Milkau auf Alberode das Eisenhüttenwerk, welches im Jahre 1611 mit den ausgedehntesten Privilegien ausgestattet ward, die aber im Verlauf der Jahrhunderte theils von den Besitzern selbst aufgegeben, theils auch durch Widerruf von Seiten der Staatsregierung zurückgezogen wurden. Von der Familie von Milkau erkaufte der Hammerherr Moritz Knaspe das Werk, erlitt aber 1661 großen Schaden durch die Wasserfluth, welche die Hüttengebäude fast ganz wegriß. 1770 gehörte Wildenthal dem Hammerherrn Gottschald auf Wolfgrün und es blieb im Besitz der Gottschald’schen Familie bis auf neuere Zeit, wo im Jahre 1836 der Herr Rittmeister Karl Edler von Querfurth auf Schönheide dieses Eisenhüttenwerk ankaufte.
Das Eisenhüttenwerk Wildenthal ist jetzt noch privilegirt für den Betrieb von: zwei Hohöfen, drei Stab- und Frischfeuern, zwei Zain- und Zeugfeuern, einem Blechwalzwerk, einer Blechzinnerei, einer Maschinennagelfabrik, einer Mahlmühle, einer Brettmühle und einer Hufschmiede.
Auch dieses Hüttenwerk hat zu allen Zeiten seit der Periode einer dichteren Bevölkerung des oberen [69] Erzgebirges eine nicht versiegende Quelle des Erwerbs für den Ort Wildenthal selbst, sowie für die Nachbarortschaften dargeboten, und es würde nach seiner aushaltenden Wasserkraft, welche zur Zeit noch bei Weitem nicht vollständig benutzt ist, sowie nach Maßgabe der daselbst noch geltenden billigen Arbeitslöhne bedeutender Erweiterungen fähig sein, wenn die außer allem Verhältniß mit den Preisen anderer Brennstoffe stehenden Holzpreise der Staatsforsten nicht überaus hindernd einwirkten, wodurch dann die Arbeitslosigkeit der Bevölkerung von Jahr zu Jahr überhand nehmen muß.