Die Gartenlaube (1859)/Heft 47

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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum: 1859
Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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No. 47. 1859.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Verantwortl. Redacteure F. Stolle u. A. Diezmann.
Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.

Aus dem Gedenkbuche der Gartenlaube.

Deutschland – dieser urkräftige Volksorganismus mit seiner naturwüchsigen, wirthschaftlichen Entwickelung, mit seiner schöpferischen Productionskraft, mit der Tiefe seiner Wissenschaft, mit dem Reichthum seiner Industrie und der Fülle seiner Kunst, mit seinen Söhnen voll Kraft und Muth, mit seinen Frauen voll Schönheit, Verstand und Herzensgüte, dem Gegenstande der Verehrung für die Völker der Erde, dem Hort der Familie, dieser Stütze der Staaten, dieses begabte, treuherzige, fleißige, nach dem Ideal der Menschheit strebende Volk, – dieses Volk, welches einst schon für die Gewissensfreiheit der Welt gekreuzigt wurde, – dieses Volk, welches der Palme gleich aus allem Ungemach immer mit neuer Kraft wieder emporschnellte, – glaubt ihr, es könne untergehen? Nein, unaufhaltsam naht der Tag, wo es als Ganzes der Welt gegenübertritt und in der Herrlichkeit seiner Macht den Frieden Europa’s und den unaufhaltsamen Fortschritt der Civilisation dictirt, – unaufhaltsam naht der Tag, wo das deutsche Volk, an der Spitze der Culturbewegung stehend, eine neue Welt – das von den Dichtern einst geträumte goldene Zeitalter – herbeiführen hilft. Dann, mein Deutschland, wenn dein mächtiges Schwert alle Frevler, welche die Ruhe Europa’s und das Glück seiner Völker aus Habsucht und Herrschbegier anzutasten wagen, zu Boden geschlagen hat, wenn du als heiliges, unantastbares Asyl der Gerechtigkeit über den Frieden Europa’s waltest, dann mag dein reiches inneres Leben immer schönere und mannichfaltigere Blumen der Humanität treiben, dann mögen in Wissenschaft, Literatur, Kunst und geselliger Freude immer neue, beglücktere Gefilde sich entfalten, daß deine schöpferische Geisteswelt sich gleich der Stimme des Propheten über die Erde ergießt, und die Völker zu dir aufblicken, wie zu einer Stätte des Heils.

Die große Zeit ist dann gekommen, wo der Wunsch des Dichters in Erfüllung geht:

„Ein einig deutsches großes Reich,
Ein Recht, vor dem wir alle gleich,
Ein Volk so stark als reich an Zucht,
Sein Wort voll Mark, sein Schwert voll Wucht,
Das helf’ uns Gott – und dann genug!“

Aus Max Wirth’s neuerschienenem Buche: „die deutsche Nationaleinheit.“     




Aus dem Leben.[1]
1. Ein Partiechen.

„Wohin, liebes Väterchen?“ fragte die Hofräthin Steinert ihren Mann, der nach Hut und Stock gegriffen hatte, um des Abends auszugehen.

„Nach der Ressource. Ich bleibe höchstens nur ein Stündchen dort,“ entgegnete er, indem er den Paletot mit Hülfe seiner achtzehnjährigen Tochter Lina anlegte.

„Soll ich mit dem Abendbrode auf Dich warten?“ fragte die besorgte Hausfrau.

„Versteht sich; ich komme ganz gewiß. Du kannst Dich darauf verlassen; ich mache höchstens einen Rubber oder zwei.“

„Wenn es Dir nur nicht wieder wie neulich geht, wo Du erst nach elf Uhr gekommen bist! Der schöne Eierkuchen war vom Stehen ganz verdorben.“

„Du kannst den alten Eierkuchen, wie es scheint, nicht vergessen und mußt ihn immer wieder aufwärmen,“ bemerkte er in einem sonst nicht gewohnten verdrießlichen Tone.

Der Hofrath schien Eile zu haben, um nach seinem Whistclub zu kommen; er hatte die Thür bereits geöffnet, als ihn die sanfte Stimme seiner Frau zurückrief.

„Steinert!“

„Was gibt es denn schon wieder?“

„Du hast Etwas vergessen.“

„Den Hausschlüssel habe ich doch zu mir gesteckt.“

„Das nicht, aber einen Kuß. Sonst, wenn Du gingst, pflegtest Du mir doch Lebewohl zu sagen.“

„Verzeih! Aber ich bin seit einiger Zeit zerstreut.“

„Das merke ich.“

Er wendete sich noch einmal um, fast schien es, als ob er mit sich selbst kämpfte und seinen Vorsatz, nach der Ressource zu gehen, aufgeben wollte. Hätte die Hofräthin ihn zum Bleiben genöthigt, er wäre am Ende doch zu Hause geblieben, aber sie schwieg, wie es schien, verstimmt und machte ein ernstes Gesicht, indem sie auf ihre Arbeit niederblickte. Er gab ihr den gewünschten Abschiedskuß, den sie nicht mit ihrer sonstigen Zärtlichkeit erwiderte; [678] auch stand sie nicht von ihrem Sitze auf, um ihn zu begleiten, wie es sonst Brauch in diesem Hause war.

Fünf und zwanzig Jahre war sie in ihrer Ehe mit dem Hofrath glücklich gewesen, kein Wölkchen hatte den Himmel ihrer Häuslichkeit getrübt. Bei einem mäßigen Einkommen wußte sie ihr Familienleben reizend zu gestalten, sich und ihm das Haus so angenehm zu machen, daß Beide nur selten daran dachten, außerhalb eine Zerstreuung zu suchen. Die beiden Kinder, eine reizende Tochter und ein talentvoller Sohn, der in Kurzem sein Doctor-Examen ablegen sollte, verursachten ihnen die größte Freude und brachten durch ihre jugendliche Heiterkeit eine fröhliche Abwechslung in ihr stilles Dasein. Als die Kinder heranwuchsen, erweiterte sich auch der beschränkte Kreis; es kamen Freunde des Sohnes, Bewerber um die Hand der Tochter und damit eine neue Geselligkeit; man las, musicirte und spielte allerlei unschuldige Spiele, vergnügt bei einer Tasse Thee und einem frugalen Abendbrod. Wenn der Hofrath seine Arbeiten beendet und die Acten bei Seite gelegt hatte, nahm er an der Unterhaltung der jungen Leute Theil und scherzte um die Wette mit ihnen. Nirgends amüsirte man sich besser, als hier, und wenn man in der Stadt eine glückliche Familie nannte, so war es sicher das Steinert’sche Haus.

Allmählich und fast unmerklich hatte sich das geändert, seit einem halben Jahre ungefähr war die schöne Harmonie gestört, nicht für die Welt, die meist nur nach dem äußeren Scheine urtheilt, aber wohl für das schärfer blickende Auge der Hausfrau. Auf wiederholtes Drängen eines alten Freundes war der Hofrath Mitglied einer der vielen Ressourcen geworden, wo sich höhere Beamte und meist wohlhabende Kaufleute einfanden, um von den Geschäften des Tages sich zu erholen.

„Du lebst,“ sagte der wohlmeinende Freund, „wie ein Einsiedler in Deinem Hause und erfährst nicht, wie es in der Welt zugeht. In der Ressource findest Du Unterhaltung und Zerstreuung, alte Bekannte, mit denen man sich ausspricht, Männer von Bildung und Einfluß, die Dir später einmal nützen können. Du trittst dort Deinen Vorgesetzten näher, als auf Deinem Bureau, und ein einziger Augenblick, ein vertrauliches Wort zu rechter Zeit kann Dich weiter bringen, als Jahre langes Sitzen über Deinen Acten. Mancher hat schon sein Glück einer Whistpartie zu danken und durch feines Spiel die Protection eines hohen Gönners gewonnen. Bei Deiner jetzigen Lebensweise kannst Du nie vorwärts kommen; denn man muß sich der Welt zeigen, wenn man von ihr Etwas haben will. Bei Deiner Zurückgezogenheit kommt nicht viel heraus; versuche es daher einmal auf andere Weise.“

Diese Auseinandersetzung leuchtete dem Hofrath vollkommen ein; im Grunde genommen halte er selbst im Stillen zuweilen es schon empfunden, daß er doch ein gar zu beschränktes Familienleben führe und sich von der Oeffentlichkeit mehr zurückziehe, als es schicklich und vernünftig sei. Freilich waren diese Gedanken nur vorübergehend: er hatte sie bald wieder aufgegeben, da er sich bis jetzt innerhalb seiner vier Pfähle am wohlsten fühlte. Aber Zureden hilft und die wiederholten Aufforderungen des alten Freundes weckten von Neuem das frühere verlangen, bis er endlich den Entschluß faßte, der ihm vorgeschlagenen Ressource als Mitglied beizutreten. Es kostete ihm allerdings einige Ueberwindung, seine Frau mit diesem Vorhaben bekannt zu machen; er fürchtete nicht ihren Widerspruch, aber doch ihr damit weh zu thun, da bis jetzt ihre Unterhaltungen und Vergnügen stets gemeinschaftlich gewesen waren. Gegen seine Erwartung nahm sie seine Nachricht freundlich und gelassen auf.

„Du hast Recht,“ sagte sie beipflichtend. „Ein Mann muß zuweilen auch in die Welt gehen. Ich kann es Dir nicht verdenken, wenn Du mitunter ein Stündchen auf der Ressource zubringst, die Zeitungen liest und mit vernünftigen Leuten ein unterhaltendes Gespräch führst. Nur wünsche ich nicht, daß Du, wie so viele Männer, daraus eine Gewohnheit machst, den ganzen Abend und bis spät in die Nacht dort verweilst und darüber Deine Häuslichkeit aufgibst.“

„Das hast Du von mir nicht zu fürchten. Du weißt, daß ich am liebsten bei Dir und den Kindern bin. Auch in der besten Gesellschaft halte ich es nicht lange aus ohne Euch.“

In der That blieb auch der Hofrath die ersten Male nur kurze Zeit auf der Ressource; er kehrte immer schnell zu den Seinigen zurück. Im Vertrauen gestand er sogar seinem alten Freunde, daß er sich eigentlich dort langweile und durchaus nicht das Vergnügen finde, das er sich davon versprochen hatte. Die meisten Herren spielten, und die Unterhaltung drehte sich gewöhnlich nur um Politik oder um Geschäfte, die den Hofrath weiter nicht interessiren konnten. Fast war er schon entschlossen, wieder fortzubleiben, wenn ihn nicht die Hoffnung, einigen Vorgesetzten, welche sich ebenfalls einfanden, näher zu treten, noch zurückgehalten hätte.

„Das wird sich geben,“ tröstete ihn der gute Freund. „Du mußt nur öfters kommen und vor allen Dingen ein Partiechen machen; das vertreibt die Zeit und gewährt Unsereinem das beste Vergnügen.“

Der Hofrath hatte allerlei Bedenken, dem an sich unschuldigen Rathe zu folgen. Als junger Mann hatte er zwar zuweilen gespielt, aber seit seiner Verheiratung keine Karte mehr in die Hand genommen, da seine Frau stets dagegen eiferte.

„Man stellt sich immer,“ pflegte sie zu sagen, „ein geistiges Armuthszeugniß aus, wenn man zu den Karten greift; es ist dies gleichsam ein Geständniß, daß man sich nicht zu unterhalten weiß. Bei Geschäftsleuten, die der Zerstreuung bedürfen, will ich es mir noch gefallen lassen; sie kommen meist abgespannt und den Kopf voll Sorgen aus ihrem Comptoir. Aber ein Beamter, der keine gewagten Speculationen macht und regelmäßig alle Vierteljahre seinen Gehalt bezieht, bedarf nicht eines solchen Mittels, um sich von seiner Arbeit zu erholen.“

Einstweilen sah er daher aus purer Langweile den Spielern zu, bis er eines Tages eine Aufforderung erhielt, an einer Partie Theil zu nehmen. Er konnte unmöglich zurücktreten, da sich unter den Herren der Ministerialdirector befand, dessen Untergebener der Hofrath war. Sehr geehrt durch eine solche Auszeichnung und an die Worte seines Freundes denkend, nahm er an dem Spieltische Platz. Als dritter Mann hatte sich ein wohlhabender Kaufmann eingestellt, dessen einziger Sohn schon seit längerer Zeit in dem Hause des Hofraths viel verkehrte und, wie es schien, sich eifrig um Lina’s Hand bewarb.

Alles ging an diesem Abend auf das Beste; man spielte aus Grundsatz nicht zu hoch, nur um einen halben Groschen das Trick, so daß Niemand viel verlieren und dadurch in üble Laune gerathen konnte. Wie es zu geschehen pflegt, wurden die Herren während der Partie bekannter und fanden gegenseitig so großes Wohlgefallen an einander, daß sie mit dem Versprechen schieden, am nächsten Abend sich wieder um dieselbe Zeit einzustellen und ihr Spiel aufzunehmen. Der Hofrath begleitete den Ministerialdirector noch eine Strecke Weges in angelegentlichem Gespräche; nie war dieser so freundlich und vertraulich gegen ihn gewesen, zum Abschiede reichte er ihm sogar die Hand, was der etwas hochmüthige Vorgesetzte früher nie gethan hatte. Steinert träumte schon von Gehaltserhöhung, einem Orden, obgleich er sonst nicht an Eitelkeit litt, und vergaß darüber, daß es spät geworden war.

Aengstlich über sein ungewohntes Ausbleiben, trat ihm seine Frau entgegen; er beruhigte sie indeß und erzählte ihr haarklein die Ereignisse des heutigen Abends, indem er allerdings mit einigem Zögern ihr gestand, daß er auch Karte gespielt habe.

„Hm!“ sagte sie. „Das ist mir nicht lieb zu hören.“

„Aber, mein Kind!“ entgegnete er, „es ging nicht anders. Der Herr Ministerialdirector und der Vater des jungen Laurenberg, der uns in letzter Zeit so oft besucht, forderten mich dringend auf.“

„Du hättest nicht annehmen sollen.“

„Aber bedenke nur, ein Vorgesetzter, der mir zu befehlen hat –“

„So lange Du im Amte bist, nicht aber auf der Ressource.“

„Er war die Freundlichkeit selbst; ich habe ihn bis an sein Haus begleitet, und er hat mir die Hand gedrückt. Ich hoffe, daß diese Bekanntschaft von großem Nutzen für mich sein wird.“

„Auf solche Bekanntschaften, die man am Spieltische macht, lege ich keinen großen Werth.“

„Du bist ungerecht, weil Du einmal die Karten nicht leiden kannst. Mein Gott! es wird doch kein Verbrechen sein, wenn man von Zeit zu Zeit ein Partiechen spielt.“

„Gewiß nicht; dagegen habe ich auch nichts, wenn’s eben nur von Zeit zu Zeit geschieht, obgleich ich immer glaube, daß vernünftige Leute sich weit besser unterhalten können. Meine selige Mutter pflegte zu sagen –“

„Ich weiß schon, was sie sagte,“ unterbrach er sie gereizt.

„Es schadet aber nichts, wenn Du es noch einmal hörst. Die Karten sind des Teufels Gebetbuch und wer sie fürwitzig anrührt, kann sich leicht die Finger verbrennen.“

[679] „Ich bin kein Kind, das man mit altem Frauengeschwätze zu belehren braucht.“

Schon im nächsten Augenblicke bereute der Hofrath das harte Wort, wodurch sich seine Frau tief verletzt fühlen mußte, da ihr das Andenken an ihre verstorbene Mutter, eine der trefflichsten Frauen, besonders heilig war. Ohne ein Wort zu erwidern, wandte sie sich ab, um ihm ihre Thränen zu verbergen. Zum ersten Male in ihrer fünfundzwanzigjährigen Ehe drohte ein ernstliches Zerwürfniß dem bisher so glücklichen Paare.

Der Hofrath sah sein Unrecht ein und bat um Vergebung, aber ähnliche Scenen wiederholten sich jetzt öfters, da er nach und nach sich daran gewöhnte, jeden Abend auf der Ressource zuzubringen, häufig dort länger blieb, als er versprochen, und die Seinigen dann warten ließ. So war er mit der Zeit ein Gast in dem eigenen Hause geworden, da ihn sein Amt am Tage in Anspruch nahm. – Das Spiel selbst hatte einen eigenen Reiz für ihn gewonnen, obgleich er nach wie vor die Partie nur zu einem halben Groschen spielte, sodaß der bloße Gewinn, der meist unbedeutend war, ihn nicht verführen konnte. Es war mehr die Macht der Gewohnheit, die ihn beherrschte, als die dämonische Verlockung des Kartenteufels. Sobald es dunkel wurde, gerieth er in eine Unruhe; es litt ihn nicht mehr zu Hause, er mußte nach der Ressource gehen, wo er seine alten Bekannten schon versammelt fand. Zuletzt wurde es die Frau müde, ihn durch ihre freundlichen oder ernsten Reden zurückzuhalten; sie hatte sich bereits in ihr Schicksal gefunden. Nur zuweilen gab sie, wie an diesem Abende, ihm sanft ihre Mißbilligung zu erkennen, wodurch die vorherrschende Verstimmung nur noch gesteigert wurde.

Die Hofräthin suchte und fand ihren Trost bei ihren wohlgerathenen Kindern. Lina hatte sich mit dem jungen Laurenberg versprochen und war die glücklichste Braut, während der talentvolle Sohn sich zu seinem Examen vorbereitete und durch seinen Fleiß zu den schönsten Hoffnungen berechtigte. An all’ diesen Vorgängen nahm jedoch der Vater nur einen vorübergehenden Antheil, und es schmerzte sie jetzt doppelt, daß er sich immermehr der Familie entfremdete und das schöne Band der Häuslichkeit durch seine Schuld gelockert wurde. Kaum daß er sich die Zeit gönnte, flüchtig die Seinigen zu begrüßen; selten oder nie kam er dazu, sich mit ihnen auszusprechen, und wenn die Hofräthin mit ihm über die Ausstattung der Tochter und über andere häusliche Gegenstände reden wollte, zeigte er nur ein geringes Interesse, da er seine Partie nicht im Stiche lassen wollte. Auch den Kindern war der Vater nach und nach fremder geworden, da sie ihn nur selten noch zu Gesicht bekamen; sie schlossen sich nun um so inniger an die Mutter an und erhöhten dadurch nur seine üble Laune.

In solcher Verstimmung war er auch heut’ auf die Ressource gegangen, wo er sich wieder zu zersteuen hoffte. Hastig griff er zu den Karten, welche hartnäckig für ihn so schlecht fielen, daß er fast die Geduld darüber verlor. Der Einsatz war an sich zu unbedeutend, als daß er deswegen sich betrüben durfte, aber der Hofrath war im Ganzen auf Sparsamkeit angewiesen, da sein nicht eben allzu hoher Gehalt gerade hinreichte, um ihn mit seiner Familie anständig durchzubringen. Eine gewisse Genauigkeit war ihm zur zweiten Natur geworden; selbst der kleinste Gewinn freute ihn, während der geringste Verlust ihn schon in Aufregung versetzte. Wie die meisten Spieler ärgerte er sich jedoch weit mehr über sein fortwährendes Mißgeschick, als über die kleine Summe, die er verlor. Auch nicht eine Partie zu gewinnen, war ihm unangenehm; er wurde immer reizbarer, bis er zuletzt in förmliche Wuth über sein heutiges Unglück gerieth. Wer aber den Schaden hat, darf für Spott nicht sorgen; der reiche Laurenberg hatte die üble Gewohnheit, seine Mitspieler bei solchen Gelegenheiten aufzuziehen. Er neckte sich gern, und je verdrießlicher der Hofrath wurde, desto mehr setzte ihm jener mit seinen schlechten Witzen und Spöttereien zu, indem er ihn bald einen „Pechvogel“, bald einen „Pfennigfuchser“ nannte und sich über seine verzweifelten Gesichter halb todt lachen wollte.

Nur mit Mühe hielt Steinert noch an sich; lediglich die Gegenwart des Ministerialdirektors und die Rücksicht auf die verwandtschaftliche Beziehung zu dem wohlhabenden Kaufmanne legte ihm einigen Zwang auf. In seinem Aerger spielte er jetzt so zerstreut, daß er Fehler auf Fehler häufte und dadurch seinen Vorgesetzten, dessen Partner er im Whist war, mit in seinen Verlust zog. Dieser ließ es nicht an Ermahnungen und, als die nicht halfen, an Vorwürfen fehlen, wodurch der Hofrath immer mehr die Besinnung verlor. Das Blut war ihm zu Kopf gestiegen, sein Gesicht glühte, der Schweiß stand in großen Tropfen ans seiner Stirn, und vor Wuth zitterten die Karten in seinen Händen. Unglücklicherweise fand Herr Laurenberg diesen Anblick so komisch, daß er in ein lautes Gelächter ausbrach.

Da sprang der Hofrath wüthend von seinem Stuhle auf und warf mit einem wilden Fluch die Karten so heftig auf den Tisch, daß sie dem Kaufmann in’s Gesicht flogen. Das gab nun einen heftigen Auftritt: der eitle, geldstolze Laurenberg war nicht zu beruhigen, der Ministerialdirector nahm seine Partei, ein Wort gab das andere und es fielen solche Beleidigungen vor, daß die früheren Freunde heut’ als die erbittertsten Feinde schieden. Am andern Tage erhielt der Hofrath einen vollkommenen Absagebrief von Herrn Laurenberg; die Verbindung seines Sohnes mit Lina wurde förmlich aufgelöst und für nichtig erklärt. Die jungen Leute waren recht unglücklich, da sie sich wahrhaft liebten, am unglücklichsten aber fühlte sich die arme Frau, deren schönste Hoffnungen durch die Schuld des Mannes vernichtet wurden. Da gab es in der sonst so beneideten Familie nur betrübte Gesichter, verweinte Augen und stille Vorwürfe.

Nun hielt es Steinert erst recht nicht in seinem Hause aus; sobald er nur konnte, stahl er sich fort und ging in die Ressource. Wie es häufig zu geschehen pflegt, gesellte sich zu dem Unrecht noch der Trotz; er wollte der Welt zeigen, daß er der Mann sei, um sich nichts gefallen zu lassen.

Bald hatte er statt der früheren Partie eine andere gefunden, wenn ihm auch seine Mitspieler nicht so ganz zusagten. Der Eine war ein pensionirter Hauptmann, so zu sagen mit allen Hunden gehetzt; der Andere ein praktischer Arzt, aber ohne Patienten, der jedoch mit einem außerordentlichen Glücke und mit großer Geschicklichkeit spielte, sodaß er meist so viel und noch mehr gewann, als er zum Leben brauchte; weshalb er in der ganzen Stadt nur unter dem Namen „der Kartendoctor“ bekannt war. Diesen Herren war es weniger um eine Zerstreuung, als um einen recht ansehnlichen Gewinn zu thun, weshalb sie gewöhnlich nur um einen hohen Einsatz spielten. Da der Hofrath keine andere Partie fand, so mußte er sich schon entschließen, an dem Tische, wo der Doctor und der Hauptmann saßen, Platz zu nehmen. Allerdings erschrak er nicht wenig, als die Herren ihm sagten, daß sie das Point mit fünf Groschen zu bezahlen pflegten; aber er konnte füglich nicht zurücktreten, ohne sich zu blamiren.

Im Anfange war das Glück ihm günstig; er gewann recht ansehnlich und war daher meist in der besten Laune. Nur wenn er zufällig nach dem Tisch hinüberschielte, wo Herr Laurenberg und der Ministerialdirector wie gewöhnlich saßen, gab es ihm immer einen Stich durch’s Herz. Der Letztere stand einmal, als der Hofrath sich umwandte, plötzlich hinter dessen Stuhl und drückte durch seine Gebehrden, wie es schien, deutlich seine Mißbilligung über das hohe Spiel aus. Auch die frühere Eingabe Steinert’s, worin derselbe um eine Gehaltserhöhung gebeten, erhielt er jetzt mit der Bemerkung zurück, daß kein Grund vorhanden sei, auf sein Gesuch einzugehen. Die ganze Fassung der abschlägigen Antwort verrieth eine gewisse Animosität, welche die Hand eines übelwollenden Vorgesetzten nicht verkennen ließ. Zu diesen Kränkungen gesellten sich noch mit der Zeit so erhebliche Verluste im Spiel, daß der Hofrath bei seinem beschränkten Einkommen sie kaum ertragen konnte; er mußte oft zehn bis zwanzig Thaler an einem Abende zahlen, und diese unangenehmen Ausgaben wiederholten sich, öfters in der Woche. In demselben Maße aber, wie er verlor, stieg auch seine Leidenschaft und der Wunsch, das eingebüßte Geld wieder zu gewinnen, obgleich, wie gewöhnlich, der entgegengesetzte Fall auch hier eintrat. Sein Gehalt reichte nicht mehr aus, um seine Spielschulden zu bestreiten, und zuletzt sah er sich genöthigt, seine Ersparnisse anzugreifen, aber auch mit diesen war er nicht glücklicher. Ein schadenfroher Dämon schien ihn zu verfolgen und alle seine Anstrengungen zu verspotten. Dies Treiben konnte natürlich der Hofräthin nicht verborgen bleiben; sie ermahnte, bat und warnte den schwachen Mann fast fußfällig, aber so oft er auch Besserung gelobte, er konnte nicht mehr von der Ressource und von seiner Partie lassen. In der größten Geldverlegenheit dachte Steinert nur daran, sich die Mittel zur Befriedigung seiner Leidenschaft zu verschaffen; er kannte keine Rücksicht mehr, Alles, selbst die Stimme der Pflicht und Ehre, war ihm gleichgültig geworden. Als er eines Tages in seinem leeren Schreibsecretair vergebens nach Geld suchte, fiel sein Blick auf ein versiegeltes Päckchen, das er nur mit einer Mischung [680] von Habgier und Scheu betrachtete; es war darin eine ansehnliche Summe enthalten, bestimmt die Kosten für das Examen seines Sohnes zu bestreiten. Mit zitternder Hand erbrach er nach kurzem Schwanken das Siegel und nahm einen Funfzigthalerschein heraus, den er mit seinem Gewinnst bald wieder zu ersetzen hoffte. Nur als ein Darlehn betrachtete er diesen Raub, mit dem er sogleich nach der Ressource eilte, um auch ihn zu verlieren. Bald war die ganze Summe erschöpft und bis auf den letzten Heller verspielt. Mit Schrecken sah der Vater den Tag nahen, wo der Sohn dies Geld von ihm verlangte. Was sollte er beginnen?

In einer schlaflosen Nacht stieg der Hofrath leise aus seinem Bette, indem er einen furchtsamen Blick auf die neben ihm liegende Frau warf. Sie schlief.

Vorsichtig schlich er sich zu dem alten Schrank, einem Erbstück ihrer Mutter, wo sie, wie er wußte, das Geld sorgsam verwahrte, das zur Ausstattung der Tochter bestimmt war; er nahm den Schlüssel, der auf dem Nachttisch neben ihr lag, und öffnete geräuschlos das knarrende Schloß. Darüber erwachte die Frau; in der Dunkelheit konnte sie nicht ihren Mann erkennen.

„Diebe, Diebe!“ schrie sie laut. „Steinert, so wach doch auf!“

Er glaubte vor Scham in die Erde sinken zu müssen.

„Um Gotteswillen!“ rief er ihr zu. „Sei ruhig! Dein Geschrei wird noch das ganze Haus aufwecken.“

„Wie, Du bist es? Was thust Du bei dem Schrank?“

Er hatte nicht den Muth, ihr eine Lüge zu sagen, da sie ohne hin Alles errathen hatte, indem er in der bebenden Hand den geraubten Beutel hielt.

„Also dahin ist es mit Dir gekommen!“ sagte die unglückliche Frau im schmerzlichsten Tone.

Mit beiden Händen hielt er sein Gesicht bedeckt, so war er weinend zu ihren Füßen hingesunken.

„Kannst Du mir noch verzeihen?“ fragte er nach einer bangen Pause.

Sie wandte sich erschüttert ab und dachte nur an ihre ihre Kinder.

Eine tiefe Stille herrschte in dem Zimmer, nur unterbrochen von dem Stöhnen des reuigen Mannes. Endlich siegte das Mitleid in der Brust der edlen Frau; sie reichte ihm die Hand, welche er mit seinen Thränen und Küssen bedeckte.

Seitdem besuchte der Hofrath nicht mehr die Ressource und rührte keine Karte an. Der häusliche Friede wurde wieder hergestellt, und auch der alte Herr Laurenberg ließ sich von den Bitten seines Sohnes rühren, indem er endlich nach einem Jahre sich mit Steinert wieder aussöhnte und seine Einwilligung zu der Verbindung mit dessen Tochter gab. Zu der Hochzeit wurde der Ministerialdirector ebenfalls eingeladen und aus Rücksicht auf ihn eine Spielpartie arrangirt.

„Kommen Sie,“ sagte freundlich der Vorgesetzte zu dem Hofrath, „wir wollen unser altes Partiechen wieder machen.“

„Sie müssen mich schon entschuldigen,“ entgegnete dieser fest, „aber selbst ein unschuldiges Partiechen kann unter gewissen Umständen das Lebensglück eines Mannes zerstören. Ich habe einen Schwur gethan, keine Karte jemals zu berühren.“

Der Hofrath hielt sein Wort und fand einen reichen Ersatz für die sich selbst auferlegte Entbehrung in der schönsten Häuslichkeit. Wollte man seitdem wieder eine glückliche Familie nennen, so führte man nur das Steinert’sche Haus an, wo jetzt zwar nicht Karte gespielt wurde, aber dafür Eintracht und Zufriedenheit in reichsten Maße zu finden war.

M. R.




Aus dem Leben des Nilpferdes.
Von Dr. A. E. Brehm.


Unter den Schaugegenständen, welche die letzte Michaelismesse in Leipzig vereinigt hatte, fesselten mit vollem Rechte zwei junge lebende Nilpferde die allgemeine Aufmerksamkeit, wenn sie auch nicht alle Zeitungen beschäftigten, wie vor wenig Jahren das erste lebende Thier dieser Art, welches seit der Römer Zeiten nach Europa gebracht worden war. Ich glaube aber, daß die beiden Urweltsthiere von Niemandem mit größerer Theilnahme betrachtet worden sind, als von mir; denn ich habe in ihnen wieder einmal alte gute Bekannte aus Afrika wie liebe Freunde begrüßt, obgleich ich nicht gerade sagen kann, daß ich von ihnen in Afrika besonders freundschaftlich behandelt worden wäre. Jedoch die Erinnerung, welche durch sie wieder aufgefrischt wurde, brachte mir so viele freundliche Bilder mit, daß ich ihnen die Unbilden gern verzieh, welche mir andere ihrer Art zugefügt hatten, und mich mit ihnen so vertraut machte, als es möglich war. –

Vor allen übrigen Erdtheilen scheint besonders Afrika berufen zu sein, unseren Tagen Thiergestalten aus der märchenhaften Vorzeit in lebendigen Bildern vorzuführen. Aber man muß jetzt schon ziemlich weit in sein Inneres eindringen, ehe man ihnen, den Zurückgelassenen oder Uebriggebliebenen früherer Schöpfungstage, begegnet. Auch die recht eigentlichen Kinder des heiligen Stromes der Nordhälfte Afrikas haben sich aus dessen unterem Laufe entfernt und sind mehr den Quellenländern zugezogen. In Egypten leben nur noch wenige Krokodile in Angst und Sorge, daß die tödtende Kugel für sie wohl bereits gegossen sein könnte; und Ibis, der Bote des göttlichen Niles, hat sich gegenwärtig bis nach dem Sudahn zurückgezogen. Nur der altberühmte Ichneumon führt noch heut zu Tage, selbst in Unteregypten, ein recht beschauliches Leben: er hat sich dem Zeitgeiste gefügt. Krokodileier gibt es nicht mehr auszuscharren; deshalb spürt jetzt das kluge Thier den Hühnereiern um so eifriger nach, – und arge Verleumder in seinen Augen, zu denen auch ich leider mich zählen muß, wollen behaupten, daß diese ihm gegenwärtig weit besser schmeckten, als die Krolodileier ihm früher geschmeckt haben sollten; denn es mag nicht gerade leicht gewesen sein für unsern edlen Ichneumon, dieselben unter den Augen einer Krokodilmutter, welche oft sehr ungemüthlich sein kann, auszuscharren. So ist an den Grenzrändern Nord-Afrikas von der alten Herrlichkeit nicht viel übriggeblieben; dringt man aber tiefer in’s Innere des „Räthseldreiecks der alten Welt“ ein, dann zeigt sich der Erdtheil noch heut zu Tage in seiner ganzen Eigenthümlichkeit. Die viertausend Jahre alten Hieroglyphenbilder der Tempel Egyptens werden lebendig. Pavian und Nilgans, Krokodil und Ibis, welche gegenwärtig in der Nähe der Tempel ganz oder fast ganz fehlen, leben in größter Behaglichkeit und Ruhe unter den sich gleichgebliebenen Menschen des Innern; aber zu ihnen treten auch jene phantastischen Thiere, welche wohl immer mehr oder weniger in einer gewissen Zurückgezogenheit gelebt haben, jene Uebriggebliebenen, wie Elephant, Nashorn und Nilpferd. Mit der Bildung und Gesittung des Menschen vertragen sie sich nicht; daher sind sie bereits aller Orten, wo dieser zur unbestrittenen Herrschaft gelangt ist, der furchtbaren Feuerwaffe erlegen; aber, dort, wo nur die Lanze oder der Bogen den Mann bewehrt, stehen sie ihm noch heute feindlich gegenüber.

Alle größeren Ströme des Innern Afrikas – nur Afrikas – beherbergen noch gegenwärtig das Nil- oder Flußpferd (Hippopotamus amphibus, Linné); der Nil ebensowohl wie der Gabon, der Zambese sowohl wie der Niger. In Nubien ist es bereits als ausgerottet zu betrachten; denn nur selten zeigt sich eines nördlich der Gebirgskette von Rhexri, welche als die Südgrenze des Sonnenlandes gilt. Anders ist es im Ostsudan. Der Stadt Charthum (am Zusammenflusse des weißen und blauen Nils gelegen) gegenüber liegt eine kleine baumreiche Insel im weißen Nile; auf ihr sah ich noch im Jahre 1851 das wohlbekannte Paar „Wasserbüffel“, welches alljährlich mit den steigenden Fluthen aus den Urwäldern des oberen Flusses herabkam, und habe manche Büchsenkugel vergeblich nach seinen Köpfen entsandt. Wenige Meilen oberhalb der „Hauptstadt der Hölle“ sieht man in den Schlammbänken der Stromufer häufigere Spuren dieses plumpesten aller Thiere, etwa zwei Fuß tiefe, baumstarke Löcher, zu beiden Seiten einer muldenartig eingedrückten Furche; – es sind Fährten des Nilpferdes, welche dieses zurückläßt, wenn es auf seinen nächtlichen Weidegängen dem Strome entsteigt, um nach einem Getreidefelde oder dem Walde zu wandern. Die Löcher rühren von den Beinen her, die Furche von dem auf dem Schlamm dahin geschleppten Bauche; denn bis zu ihm versinkt das Unthier im weichen, nachgiebigen Boden. Bei der ungemein geringen Abflachung des Abiadt oder weißen Flusses, welcher in der Regenzeit hier und da gegen zwei Meilen weit über jedes seiner Ufer austritt [681] kann man jene Fährten nicht selten Viertelmeilen weit verfolgen. – An solchen Orten entdeckt man die Flußriesen sehr bald. In Zwischenräumen von drei, vier Minuten bemerkt man irgendwo einen dampfartigen Wasserstrahl, welcher sich etwa drei Fuß über die Wasserfläche erhebt, und vernimmt zugleich ein eigenthümliches Schnauben oder Brausen, vielleicht auch ein dumpfes, an das grollende Gebrüll eines Bullen erinnerndes Brummen. Dort ist soeben ein Nilpferd aufgetaucht, um Luft zu schöpfen; wenn man nah genug steht, kann man auch den ungeschlachten Kopf desselben wahrnehmen: eine formlose, rothe oder bräunlich rothe Masse, auf welcher man zwei Spitzen, die Ohren und vier Hügel, die Augen und Nasenlöcher, sieht. Mit einem größeren Schiffe darf man es dreist wagen, zu jenen Köpfen hinzufahren; denn das Thier scheut sich nicht vor der Barke, sondern glotzt sie, ungereizt, höchstens mit dummer Verwunderung an, ohne sich durch sie und die auf ihr befindlichen Menschen in seinem Auf- und Niedertauchen stören zu lassen.

Junge Nilpferde.
Nach der Natur gezeichnet von H. Leutemann.

Das Nilpferd ist, wie alle Dickhäuter (etwa mit Ausnahme des Nashorns) ein geselliges Thier und findet sich deshalb selten einzeln. Einmal sah ich bei Tage vier Stück auf einer Sandinsel sich ergehen, ein anderes Mal traf ich ihrer sechs in einem See, nahe am Ufer des blauen Flusses an. Größere Gesellschaften sah ich nicht; wohl aber berichten alle Reisende auf dem weißen Nil von Trupps, welche mindestens zehn Stück enthielten, und Richard fand im Niger, Livingstone im Zambese „zahlreiche Heerden“, ja sogar „eine unglaubliche Menge“ von Flußpferden. Der Wohnkreis einer Gesellschaft ist beschränkt, da er stets in der Nähe guter Futterplätze liegt: schon ein größerer Tümpel genügt einigen Flußpferden zu längerem Aufenthalte. In der Regenzeit scheinen sie jedoch größere Wanderungen zu unternehmen.

Bei Tage verläßt die Gesellschaft nur an ganz menschenleeren Orten das Wasser, um in der Nähe des Ufers, theils im seichten Wasser, theils auf dem Lande selbst, sich einem träumerischen Halbschlummer hinzugeben. Dabei grunzen die männlichen Thiere von Zeit zu Zeit, wie unsere Schweine es auch zu thun pflegen, wohl als Zeichen ihrer großen Behaglichkeit. Nur an Orten, an denen sie die ihnen von dem Menschen drohende Gefahr kennen lernten, achten sie auf das Treiben ihres Haupt-, ja alleinigen Feindes; in den West- und Ostländern Afrika’s kümmern sie sich aber nicht viel um ihn. Wenn der Ort zu solcher Mittagsruhe recht einladend ist, legen sie sich auch wohl geradezu auf die Seite, wiederum wie die Schweine es thun. Gegen Abend kommt Leben in die Gesellschaft. Das Grunzen der Männchen erstarkt zu einem Gebrüll, und die ganze Heerde taucht spielend auf und nieder im Strome; dann und wann beginnt sogar ein lustiges Jagen. Namentlich in der Nähe von Schiffen scheinen sie sich dann gern zu zeigen; wenigstens bemerkte ich, daß sie unser Boot bei abendlichen Fahrten regelmäßig auf größere Strecken begleiteten. Sie schwimmen mit erstaunlicher Leichtigkeit in jeder Wassertiefe, tauchen auf und nieder, bewegen sich ruck- oder satzweise, wenden sich nach allen Seiten hin gewandt und schwimmen in gerader Richtung mit dem besten Ruderboot um die Wette. Die dicken Fettlagen, welche den Riesenleib des Thieres allseitig umgeben, müssen jedenfalls als Hauptursache angesehen werden, daß das specifische Gewicht des Nilpferdes dem des Wassers ganz oder ziemlich gleichkommt und dem ungefügen Vieh hierdurch die Leichtigkeit der Bewegungen im [682] Wasser möglich wird. Es gehört ein bedeutender Körperumfang dazu, so viel Wasser wegzudrängen, daß 15–20 Centner (!) Körpergewicht aufgehoben werden können; aber die Fettlagen unter der Haut des Nilpferdes sind auch so dick, daß sie allein gewiß hinreichen, die günstige Verminderung des bezüglichen Leibesgewichts zu bewerkstelligen. Ich habe bei ruhigem Schwimmen des Thieres niemals eine heftige Ruderbewegung desselben wahrnehmen können; das Wasser um das schwimmende Nilpferd bleibt vielmehr glatt und unbewegt. Gerade das Gegentheil findet statt, wenn sich das Thier wüthend auf einen Feind stürzt oder nach einem erhaltenen Schusse im Flusse herumtobt. Dann schnellt es die Hinterbeine überaus heftig zurück, schießt in förmlichen Sätzen vorwärts, und die Gewalt der Bewegung ist so groß, daß es, wie erwiesen, mittelgroße Schiffe emporheben oder zertrümmern kann.

In den pflanzenreichen, seeartigen Stellen des Abiadt verläßt das Nilpferd auch zur Nachtzeit das Strombett nicht oder nur höchst selten. Es frißt dann bei Tage und bei Nacht von den im Strome selbst wachsenden Pflanzen, wenn es eben hungrig ist. Wie das Zarte und Erhabene so oft dem Rohen und Gemeinen unterliegen muß, so auch hier: der durch die Sinnigkeit längst vergangener, schier vergessener Völker geheiligte, als Bild der Gottheit betrachtete Lotus, der herrliche, königliche Bruder unserer stilllieblichen Wasserrose, dient zur Hauptnahrung des Thieres; die Pflanze, deren Gestalt allein schon ein Gedicht und deren Blüthe von Farbe ätherisch ist, wie von Duft – wird von dem wüstesten, rohesten aller Säugethiere des Festlandes – – gefressen! So wird das freundliche Märchen der plumpen Alltagsweisheit zum Opfer!

Ein fressendes Nilpferd ist ein wahrhaft ekelhafter Anblick. Auf die Entfernung einer Zehntelmeile kann man das Aufreißen des Rachens mit bloßen Augen sehen; in einer Entfernung von etwa hundert Schritte nimmt man deutlich alle Bewegungen beim Fressen wahr. Der ungeschlachte Kopf verschwindet in der Tiefe und wühlt unter den Pflanzen herum, der sich auflösende Schlamm trübt das Wasser weit hin; dann erscheint das Vieh wieder mit einem Maul voll, bezüglich großen, dicken Bündel abgerissener Pflanzen, legt ihn auf die Oberfläche des Wassers und zerkaut und zermalmt ihn nun langsam. Zu beiden Seiten des Maules hängen die Ranken und Stengel der Gewächse lang heraus, und grünlicher Pflanzensaft läuft, mit Speichel untermischt, beständig über die wulstigen Lippen herab. Einzelne halb zerkaute Grasballen werden ausgestoßen und von Neuem verschlungen; die blöden Augen glotzen bewegungslos in’s Weite, und die fußlangen Stoß- und Eckzähne zeigen sich in ihrer ganzen Größe.

Jedenfalls sind diejenigen Orte der Ströme, welche dem Thiere im Strome selbst die Weide gewähren, ihm die liebsten von allen. In jener Inselflur des Abiadt, wo dieser bald zum stillklaren See, bald zum faulenden Sumpfe und bald wieder zum weiten Bruche mit paradiesischer Pflanzenpracht und aller Tücke solchen Reichthums wird, während er selbst nur hier und da als langsam dahinschleichender Fluß sich bekundet, leben Krokodile und Nilpferde zu Hunderten jahraus jahrein ausschließlich im Strombett, ohne sich um die Außenwelt zu bekümmern. Hier wird unser Thier zwischen dem uralten Papyrus, dem Lotos, dem flaumenleichten Ambak- oder Ambadjrohre, Neptunien, Wasserlilien und hundert anderen, uns zum allergeringsten Theile bekannten Pflanzen geboren und verlebt sein ganzes Leben im Strome.

Anders ist es in allen Gegenden, wo Steilufer die Flüsse begrenzen, z. B. im blauen Flusse oder Asrakh, dessen rascherer Lauf keine Seebildung gestattet. Hier muß es auf’s Land steigen, um zu weiden. Etwa eine Stunde nach Sonnenuntergang, dem in den Tropen bekanntlich fast zauberisch schnell die lichte, schöne Nacht folgt, entsteigt er mit größter Vorsicht lauschend und spähend dem Strome und klettert, so plump es auch ist, an den steilsten Uferpfaden hinan. Im Urwalde sieht man seine Wege überall, wo der Reichthum der Pflanzenwelt gute Weide verspricht; in der Nähe bewohnter Ortschaften richten sich die Pfade nach den Fruchtfeldern. Hier fällt es verheerend in diese ein; hier wird es, trotzdem es nur Pflanzen frißt, zum schädlichsten und gefährlichsten Thiere. Denn mit blinder Wuth stürzt es sich auf seinen nächtlichen Weidegängen auf alle sich bewegende Gestalten und vernichtet sie, wenn es dieselben erreicht. Die vier gewaltigen Eckzähne der Kiefern, von denen wenigstens die unteren bei ausgewachsenen Thieren eine Länge von mehr als zwei Fuß erreichen, sind anderen Thieren gegenüber furchtbare Waffen: mit ihnen zermalmt es selbst Rinder zu Brei. Wo Nilpferde hausen, werden die Heerden sorgsam bewacht; denn auch die harmlosesten Geschöpfe reizen das abscheuliche Vieh zu blindwüthendem Zorn. Rüppell berichtet, daß ein Nilpferd vier Zugochsen zermalmte, welche ruhig an einem Schöpfrade standen; ich selbst habe genug ähnliche Geschichten vernommen. Die Eingebornen erzählen, daß es mit dem Maule angreift und erst zu guter Letzt den Gegenstand seiner Wuth mit den Füßen zerstampft.

Der Mensch jener Länder ist dem Thiere gegenüber ziemlich machtlos, obgleich er immer der einzige gefährliche Gegner des Nilpferdes bleibt. Denn außer Blutegeln, Mücken und Eingeweidewürmern wird das Nilpferd von keinem Geschöpfe angegriffen, und alle so schön ausgedachte Kämpfe zwischen unserem Thiere und dem Krokodil müssen unerbittlich in das Reich der Fabel gewiesen werden. Noch einmal, der Mensch ist der einzige Gegner des Nilpferdes. Zur Zeit der Fruchtreife zünden die Dorfbewohner längs des Ufers Feuer an, um das gefräßige Ungeheuer von den Feldern abzuhalten, an einigen Orten unterhält man mit Trommeln einen beständigen Lärm während der Nacht, und gleichwohl sind die Nilpferde nicht selten so kühn, daß sie nur dann nach dem Flusse zurückkehren, wenn eine größere Menschenmenge schreiend oder trommelnd und mit Feuerbränden auf sie losstürmt. Leider ist gegen das Nilpferd ein Mittel, welches bei anderen Thieren regelmäßig von dem besten Erfolge gekrönt wird, nicht anwendbar, und die höllische Natur des Unthieres geht daraus recht deutlich hervor. Das Wort des Gottgesandten Mohammed – Allahs Frieden über ihn! – ist kräftig genug, selbst den Elephanten von allen Feldern abzuhalten, die es in Gestalt eines dort aufgehangenen Amuletes schirmt; das Nilpferd aber mißachtet auch das kräftigste wirksamste Amulet – und sei es selbst von dem Schëich el Ulema in Mekka geschrieben! So bleibt dem armen Gläubigen eben nur das Feuer übrig, um Höllisches mit Höllischen zu bannen.

Die weiblichen Nilpferde, welche ein Junges haben, nehmen dieses auf ihren Weidegängen mit auf das Land und sind dann doppelt gefährlich. Denn die für ihr Kind zärtlich besorgte Mutter sieht auch in dem unschuldigsten Kinde Gefahr und stürzt sich mit der furchtbarsten Wuth auf jeden Feind. Es scheint, daß das Junge lange Zeit von der Mutter geführt und geleitet wird, denn Livingstone sah junge Nilpferde nicht viel größer als Dachshunde, während ich niemals so kleine, sondern höchstens solche beobachtet habe, welche die Größe eines vollkommen ausgewachsenen Ebers hatten, der bedeutend größeren, welche noch immer mit der Alten gingen, nicht zu gedenken. Derselbe Reisende berichtet, daß das junge Nilpferd von der Mutter anfangs auf dem Halse und später auf dem Widerrist getragen werde; ich habe dies nie beobachtet, habe aber keinen Grund, an der Wahrheit des Livingstone’schen Berichtes zu zweifeln. Wir Beide stimmen darin vollständig mit einander überein, daß die Mutter ihr Junges zärtlich liebt; ja ich glaube behaupten zu können, daß sich auch der Vater seines Sprößlings schützend annimmt. Wenigstens sah ich fast immer um ein Junges zwei alte Nilpferde, unter denen die Mutter allerdings leicht zu erkennen war. Sie läßt ihr Kind keinen Augenblick aus den Augen und bewacht jede seiner Bewegungen mit mütterlicher Lust und zärtlichen Sorgen. Zuweilen spielt das ungefügige Thier ganz lustig mit seinem Liebling; da tauchen dann Beide scherzend auf und nieder und unterhalten sich mit Brummen. Es ist wahrscheinlich, daß das Junge im Wasser schwimmend saugt, denn ich bemerkte öfters, daß die Alte mit dem Kopfe über dem Wasser ruhig auf ein und derselben Stelle blieb, während das Junge beständig dicht neben ihr auf und nieder tauchte, jedenfalls um Athem zu holen. Uebrigens weiß man über Erzeugung und Geburt des Jungen, die Zeit der Trächtigkeit der Mutter und dergleichen noch gar nichts Sicheres.

Es ist nicht rathsam, sich einer Nilpferdmutter, wenn sie ihr Kind bei sich hat, zu nahen; denn sie greift auch bei Tage Schiffe und Menschen an, sobald sie Gefahr für ihr Junges wittert. Livingstone’s Kahn wurde von einem weiblichen Nilpferd, dessen Junges Tags vorher mit einem Sperre getödtet worden war, halb aus dem Wasser gehoben und dergestalt erschüttert, daß einer seiner Leute herausgeschleudert wurde, ohne daß die Mannschaft das Thier gereizt hätte. Und ich selbst habe das Necken alter Nilpferde und ihrer Jungen einmal schwer büßen müssen.

(Schluß folgt.)



[683]
Aerztliche Strafpredigten
gegen das „in’s Freie Müssen“ kleiner Kinder.


Mütter! Mütter! lernt doch endlich einmal „ordentliche Mütter“ sein. Ich sage: „lernt’s!“ denn beim Heirathen und im Schlafe zieht der mütterliche Verstand wahrlich nicht in Euer Gehirn ein; ebenso können Euch die alten, größtentheils unverständigen, von der Großmutter auf die Mutter und Tochter vererbten Kinderstuben-Regeln und Erfahrungen nur verdummen, und was sich gar die Frauen Mütter in Kaffee’s und Thee’s von der Behandlung und Erziehung der Kinder erzählen, das ist keinen Pfifferling werth. Lernt’s doch ja durch Schrift und Wort von Lehrern und Aerzten.

Warum ich stets so „grob“ gegen die Frauen und besonders gegen die Mütter schreibe, lieber Herr Keil, fragen Sie mich im Namen vieler Damen? Weil man Krebsschäden nicht mit Rosenwasser curiren kann, und die Frauen nur, wenn sie tüchtig aufgerüttelt werden, zum Insichgehen gebracht werden können. Nur durch sie sehe ich aber Heil in die Welt kommen, wenn sie nämlich in ihren Kindern von Jugend auf andere Menschen an Körper und Geist als die jetzigen erziehen lernen, und zwar Menschen, denen nicht, wie den meisten unserer Tage, Aberglaube, Ehrsucht, Selbstsucht, Eitelkeit, Herrschsucht oder Servilismus, Heuchelei und Intoleranz etc. anerzogen sind. Anerzogen, nicht etwa angeboren, sind aber den Menschen diese Laster, und stets ist der Grund dazu in den ersten Lebensjahren, meistens von den Müttern, gelegt worden. Wenn ich mich also über die Frauen, besonders aber über die Mütter, auch öfters erbose, so stelle ich sie doch, als die zukünftigen Erlöserinnen der Menschheit von Schwachheiten und Lastern sehr hoch; mit dem Mannsvolke nehme ich mir gleich gar nicht die Mühe.

Zu den unglücklichen Ideen der Mütter gehört nun auch die, daß kleine Kinder, so oft als nur möglich, bei Wind und Wetter, in’s Freie hinaus müssen. Sie meinen, daß nur freie Luft gute sei und daß ein Kind im Zimmer nicht gedeihen könne. Als ob in Zimmern durch gehörigen Stuben- und Luftwechsel nicht ebenfalls auch eine gute, reine und frische Luft herzustellen sei, und als ob die Luft im Freien nicht weit leichter eine nachtheilige Beschaffenheit annehmen könnte, als die Zimmerluft! Es versteht sich übrigens ganz von selbst, daß bei milder Witterung Kinder nicht oft und lange genug das Freie genießen können. Allein auch hierbei ist mit einer Vorsicht zu verfahren, die ebenso Müttern, wie Kindermädchen und Muhmen sehr selten eigen ist. Es muß vor Allem die freie milde Luft auch eine reine, nicht mit Staub, Rauch, Dünsten und Gerüchen etc. verunreinigte sein; sie sei nicht zugig und von kalten Luftströmen unterbrochen.

Betrachten wir nun aber das Gebahren der Wärterinnen von Kindern im Freien, so braucht man sich nicht zu wundern, wie selbst in der schönsten Jahreszeit das Freie die Ursache von Kinderkrankheiten, zumal von Hustekrankheiten, werden kann. Hier kosen einige von den jungen Kindermädchen, mit Halbjährigen auf dem Arme, am staubigen Fahrwege mit rauchenden Liebsten; dort paddeln Zwei- bis Vierjährige mit entblößten Beinen und halb nacktem Hintertheile im Sande Wolken auf, in denen stillende Ammen mit ihren Säuglingen, so wie gesetzte Kindermuhmen mit Entwöhnten ihre Madamens stundenlang durchhecheln; da klatschen schlabbernde Truppe von Einspännerinnen mit ihren zweikindrigen Korbwägen den Staub auf und zerren am Arme krächzende Läuflinge nach sich, während dort wimmernde Zwillinge aus einem umgestürzten Wagen purzeln; hier erhitzen sich im kühlen, zugigen Schatten ausgezankte Dirnengemüther über ihre knurrigen, knauserigen, herrschsüchtigen Herrschaften, während sich unterdessen die von der Sonne erhitzten Kinder zum Tode verkühlen; dort stopft eine milcharme Amme dem von seinen Eltern vergötterten, eben hungernden Erstling gekautes Brod in’s Mäulchen und befeuchtet dann mehrere Windeln mit Wasser, um die Frage der Mutter und des Hausarztes: „wie vielmal naßgemacht?“ mit erkünstelten Thatsachen beantworten zu können; da hat sich ein blühendes Wickelkind schon seit geraumer Zeit hinter dem Rücken seiner eingeschlummerten Wärterin aus seiner Verunreinigung herausgestrampelt und legt eben durch Erkältung des warmen Bauches den Grund zum tödtlichen Durchfall. Wie viel Kindern durch unvorsichtiges Trockenlegen und Abhalten im Freien gefährlicher Brechdurchfall zugezogen wurde, ist kaum zu glauben.

Kurz, das Gebahren der unbeaufsichtigten Kinderwärterinnen gegen ihre Pfleglinge, zumal im Freien, ist ein solches, daß eine vorsichtige Mutter ihr Kind womöglich nicht aus den Augen lassen und entweder in’s Freie begleiten oder lieber zu Hause im geräumigen, trocknen, sonnigen Zimmer bei reiner warmer Luft behalten muß. Von Müttern, die ihre Kleinen nur deshalb in’s Freie schicken, um zu Hause Ruhe vor ihnen zu haben, oder um mit ihnen, die wie Aeffchen mit nettem Hütchen und schönem Mäntelchen aufgeputzt sind, zu kokettiren, von diesen Müttern schweigen wir hier; sie mögen sich als von uns verachtet betrachten.

Das meiste Unglück richtet nun aber in der Kleinkinderwelt die rauhe, kalte Luft, zumal die im Freien an, indem sie so leicht lebensgefährliche Krankheiten entweder im Athmungsapparate oder in den Verdauungsorganen veranlassen kann. Erstere führen als hauptsächlichste Krankheitserscheinung „Husten“, letztere „Durchfall und Brechen“ mit sich; jene werden durch das Einathmen der rauhen Luft veranlaßt, diese durch das Kaltwerden der untern Körperhälfte, vorzugsweise aber des Bauches (d. Gartenl. 1854 Nr. 17). Bei größerer Kälte, beim Nord- und Ostwinde, sollten deshalb kleine Kinder gar nicht in’s Freie gebracht werden; bei kalter Luft müssen sie aber, natürlich wenn sie ganz gesund (ohne Husten) sind, nur in den wärmern Tagesstunden und an ruhigen, sonnigen Orten das Freie genießen; Kaltwerden des Bauches durch Entblößung desselben beim Trockenlegen und Abhalten, durch zu dünne und abstehende Kleidung, durch solches Tragen auf dem Arme, daß die Luft unter die kurzen, herausgeschobenen Kleider dringen kann etc., ist ängstlich zu vermeiden. Eine warme Leibbinde gehört darum auch bei kleinen Kindern zu den unentbehrlichsten und heilsamsten Kleidungsstücken; sie ist ganz besonders bei strampligen Kindern in der Nacht anzulegen. Da nun bei kalter Witterung im Freien die meisten lebensgefährlichen Krankheiten des Kindesalters veranlaßt werden, die sehr oft trotz alles Wehklagens der Mutter und trotz aller ärztlichen Behandlung zum Tode führen, so ist hier bei den Müttern nicht genug Vorsicht, Umsicht und Aufsicht anzurathen. Am besten ist es aber, wenn kleine Kinder bei nur etwas rauher Witterung ganz zu Hause, freilich in gutgelüfteter Stube bleiben.

Bock.


Schiller’s Beerdigung (1805) und die Aufsuchung seiner Gebeine (1826).
Von Dr. Schwabe.
(Schluß.)


Näher und näher rückte der gefürchtete Tag der Aufräumung des Cassengewölbes; der Gedanke an Schiller’s Gebeine ließ meinem Vater keine Ruhe. Er war im Besitz eines trefflichen Gipsabgusses, welchen der bekannte Bildhauer Klauer am Tage nach Schiller’s Tode von dessen Gesicht genommen und meinem Vater verehrt hatte. Sollte es nicht möglich sein, aus den Schädeln in der Gruft den Schädel Schiller’s durch Vergleichung mit dem vorhandenen Gypsabguß herauszufinden? Dann war doch „das geheime Gefäß, das einst Orakelsprüche gespendet“, wie Goethe in seinem bekannten Gedicht Schiller’s Schädel nennt, „die Schale, die einst so herrlich edlen Kern bewahrte“, der Vernichtung entzogen! Mit Macht wurde mein Vater von diesem Gedanken erfaßt und zu neuem Eifer angetrieben. Dieser von warmer Begeisterung für den Dichter angefachte Eifer überwog sogar einige nicht leichte Bedenken, die sich den wieder aufzunehmenden Nachsuchungen in den Weg stellen wollten. Zu letzteren hatte mein Vater weder als Privatmann, noch als Beamter das Recht. Vom Oberconsistorium, welches als geistliche Oberbehörde das Aufsichtsrecht über den Kirchhof und dessen Grabstätten hatte, war es bereits übel vermerkt worden, daß die ersten Nachsuchungen nach Schiller’s Gebeinen ohne vorher geziemend nachgesuchte Erlaubniß vorgenommen worden waren. Wenn nun das Landschaftscollegium auch jetzt wieder Ja sagte, so [684] konnte es sich doch leicht ereignen, daß das Hochpreisliche Oberconsistorium Nein sagte. Der Behördengang nahm zu jenen Zeiten oft wunderliche, labyrinthische Richtungen, mindestens wäre die Sache durch Competenzfragen etc. in’s ungewisse Weite hinausgeschoben worden. Nun waren dem Todtengräber zum Zwecke der Ausräumung des Cassengewölbes bereits die Schlüssel vom Landschaftscollegium übergeben worden; also die Zeit drängte! Der Todtengräber war als städtischer Diener Untergebener des Bürgermeisters. Diese seine Stellung benutzte mein Vater, allerdings mit einer unzweifelhaften Ueberschreitung seiner Competenz, wegen deren ihm gewiß heutzutage Niemand mehr zürnen wird. Er verpflichtete den Todtengräber Bilke und drei als zuverlässige Männer ihm bekannte Arbeiter zum tiefsten Stillschweigen, und mit ihnen nur von einem treuen Diener begleitet begann er in der Stille der Mitternacht am 19. März 1826 die neuen Forschungen im Reiche der Todten.

Einzeln und ohne Laternen fanden sich die sechs Männer in jener Nacht am Cassengewölbe ein. Mit der äußersten Vorsicht und Stille wurde die Thüre desselben geöffnet und mit einer der dort bereit gehaltenen Laternen stieg einer von den Arbeitern hinab in die Todtengruft, und hier erst wurde die Laterne angezündet, worauf die Anderen nachfolgten und noch einige Lichter anzündeten.

Mein Vater ließ sämmtliche Sargtrümmer auf einen Haufen, auf einen zweiten alle Gebeine, und auf einen dritten Haufen die Schädel sammeln. Daß dies keine kleine Arbeit war, wird man begreifen, wenn man bedenkt, daß es galt, ein Chaos von dreiundzwanzig Begrabenen und deren Särgen zu entwirren. Auch dauerte die Arbeit drei Nächte hindurch, jedesmal von zwölf bis gegen drei Uhr. Mein Vater saß bei diesen Nachforschungen auf einer Sprosse der Leiter, die von der Oberwelt herabführte, und dirigirte von hier aus die Arbeiter. Durch eifriges Tabakrauchen suchte er sich den Aufenthalt in der vom abscheulichsten Moderduft erfüllten Atmosphäre erträglich zu machen.

In der dritten Nacht halb drei Uhr wurden die unterirdischen Arbeiten beendet. Kein Winkel war undurchsucht geblieben, selbst die obere Erdschicht war durchwühlt worden. Das Resultat der Nachsuchungen waren dreiundzwanzig Schädel, die mein Vater in einen Sack packen und in seine Wohnung tragen ließ. Hier wurden sie auf einer Tafel neben einander aufgestellt, und hier war es, wo die Phrenologie (oder Schädellehre), welche damals wie jetzt weniger Bekenner zählte, als sie verdient, einen stillen, aber großen Triumph feierte. Denn wie der Gott unter den Hirten, so hob sich unter den drei und zwanzig Schädeln einer herrlich und mächtig hervor, ausgezeichnet durch Größe und regelmäßige edle Formation. Mein Vater war kein Phrenolog, aber gleichwohl rief er, als er die aufgereihten Schädel überblickte, auf einen derselben zeigend, sofort aus: das muß Schiller’s Schädel sein! Er holte nun den Klauer’schen Gypsabguß herbei und stellte mit dem Schädel vergleichende Messungen an, welche ihm die Ueberzeugung gaben, daß der wirkliche Schiller’sche Schädel gefunden war. Noch einmal aber mußte er sich entschließen, einen nächtlichen Gang in die Gruft des Cassengewölbes zu machen. Derselbe galt der Aufsuchung der zum Schädel gehörigen Kinnlade. Der Schädel wurde mit an Ort und Stelle genommen, und hier die aus den übrigen Gebeinen hervorgesuchten Kinnladen daran gepaßt. Bald fand sich auch eine solche, die genau in die Gelenkflächen des Schädels paßte. Nach Haus zurückgekehrt, versuchte mein Vater, die gefundene Kinnlade den übrigen 22 Schädeln anzupassen; doch der für den Schiller’schen erkannte Schädel war bei der beträchtlichen Größe des Abstandes der beiderseitigen Gelenkflächen der einzige, an welchen diese Kinnlade paßte.

Sehr beweiskräftig für die Echtheit des Schiller’schen Schädels war der Umstand, daß an demselben, wie an der dazu gehörigen Kinnlade die sämmtlichen, wohlerhaltenen und gesunden Zähne noch vorhanden waren, mit Ausnahme eines einzigen fehlenden Zahnes der unteren Reihe. An sämmtlichen übrigen 22 Schädeln waren die Gebisse äußerst schadhaft, an vielen fehlten die Zähne bis auf einzelne Stifte ganz, an anderen waren sie höchst unvollständig und schadhaft. Alle aber, die Schillern persönlich gekannt hatten, erinnerten sich noch wohl, daß derselbe bis zu seinem Tode sich eines vortrefflichen, durchaus gesunden Gebisses erfreut hatte. Nur einen einzigen Zahn hatte sich Schiller, wie sein damaliger Bedienter bekundete, ausziehen lassen, als er in Jena Professor war.

Seine persönliche Ueberzeugung von der Echtheit des kostbaren Fundes genügte meinem Vater nicht. Er lud eine Anzahl Personen, welche Schillern genau gekannt hatten, zu sich ein und führte Jeden einzeln in das Zimmer, in welchem die dreiundzwanzig Schädel auf einer großen Tafel in Reihe und Glied aufgestellt waren. Ohne Ausnahme erklärten Alle nach kurzer Beschauung einen und denselben Schädel für den Schiller’schen.

Die vergleichenden Messungen, welche mein Vater an dem aufgefundenen Schädel und an dem Klauer’schen Gypsabguß vorgenommen hatte, wurden auf sein Ersuchen von den drei angesehensten Aerzten der Stadt wiederholt angestellt, und ergaben das Resultat, daß der Schädel ganz unzweifelhaft derselbe sein müsse, über welchen jener Abguß genommen worden war, während die Maße bei keinem der übrigen zweiundzwanzig Schädel, die sämmtlich viel kleinere Dimensionen zeigten, auch nur annähernd zutrafen.

Endlich möge nicht unerwähnt bleiben, daß mein Vater sich die Acten des Landschaftscollegiums über die Beisetzung von Leichen in das Cassengewölbe zur Durchsicht erbat. Aus denselben ging hervor, daß seit der letzten Ausräumung des Gewölbes dreiundzwanzig Leichen in dasselbe beigesetzt worden waren, welche Zahl mit der der aufgefundenen Schädel übereinstimmte. Schiller’s Schädel mußte also darunter sich befinden.

Nachdem so die Echtheit des Fundes constatirt war, begab sich mein Vater mit demselben zunächst zu Goethe, dem er referirte, wie es ihm gelungen sei, den theuern Ueberrest der Vernichtung zu entziehen. Mit dem lebendigsten Interesse hörte Goethe die Mittheilungen meines Vaters an, und die tiefste Rührung war auf seinen edlen Zügen sichtbar, als er nun den Schädel in die Hand nahm und ihn sinnend betrachtete. „Da, sehen Sie,“ sprach Goethe nach langem Schweigen, „sehen Sie diesen eigenthümlichen horizontalen Streifen an der oberen Zahnreihe. An ihm allein würde ich Schiller’s Schädel aus Tausenden heraus erkannt haben. An keinem Menschen, außer an Schiller, habe ich diese Eigenheit je bemerkt.“

In der That war ein die obere Zahnreihe entlang laufender horizontaler feiner Streif sichtbar, der in der besonderen Structur von Schiller’s, übrigens vortrefflichen, schönen Zähnen seinen Grund hatte.

Goethe dankte meinem Vater in herzlichen Worten und bat ihn, den Schädel zunächst in seiner Verwahrung zu lassen.

Bekanntlich sprach Goethe die poetischen Betrachtungen und Gefühle, welche durch die Auffindung von Schiller’s Schädel in ihm erregt wurden, in jenen trefflichen Terzinen aus, welche die einzigen sind, die er in seiner langen Dichterlaufbahn gemacht oder doch veröffentlicht hat. Man findet dieselben am Schluß von Meisters Wanderjahren, hinter den Aphorismen aus Makariens Tagebuche, mit lateinischen Lettern abgedruckt. Mit dem bittersten Unrecht hat man aus diesem Gedicht den Vorwurf abgeleitet, Goethe habe sich in jenen Versen das Verdienst der Auffindung von Schiller’s Schädel zuzueignen gesucht. In dem Anhang zu meiner Schrift über Schiller’s Beerdigung etc. glaube ich überzeugend dargethan zu haben, daß dieses kleinliche Motiv Goethen bei der Abfassung des Gedichtes ganz fern lag.

Was sollte nun mit Schiller’s Schädel geschehen? Nach der Absicht meines Vaters, zu welcher die Angehörigen der Schiller’schen Familie ihre Zustimmung gegeben hatten, sollte der kostbare Ueberrest auf dem höchsten Punkte des vor der Stadt neuangelegten Gottesackers der Erde übergeben, und die Stelle, wo dies geschah, durch ein Denkmal bezeichnet werden. Dasselbe würde bei der freien, ansteigenden Lage des Gottesackers nach allen Seiten hin sichtbar gewesen sein, und schon von weitem würde der der Stadt sich nähernde Wanderer die Grabstätte des Lieblingsdichters der Nation haben unterscheiden können. Dieser Plan fand jedoch nicht die Beistimmung des Großherzogs Karl August und Goethe’s. Der Großherzog hatte von der Familie Schiller’s die bekannte schöne Marmorbüste des Dichters, von Dannecker im Jahre 1805 meisterhaft ausgeführt und der Familie des letzteren als Geschenk verehrt, für den Preis von 200 Ducaten angekauft und im großen Saale der Bibliothek, gegenüber der Trippelschen Büste Goethe’s, aufstellen lassen. In dem Postament zur Schillerbüste sollte Schiller’s Schädel feierlich deponirt und hier aufbewahrt werden.

Die Begehung dieser Feierlichkeit verschob man bis zur Ankunft des jüngsten Sohnes Schiller’s, des Appellationsgerichtsassessors Ernst von Schiller aus Köln.

[685] Am Sonntagmorgen des 17. September 1826 versammelten sich im Saale der Bibliothek, außer dem Bibliothekpersonal, auf vorhergegangene Einladung eine Anzahl Staatsdiener, die theils der Schiller’schen Familie nahe gestanden, theils die Leiche des Dichters zu Grabe getragen hatten, oder bei der Auffindung seiner irdischen Ueberreste thätig gewesen waren.

Goethe selbst hatte die Absicht gehabt, dem Actus persönlich beizuwohnen, allein er fühlte sich am Morgen vor der Feier so bewegt, daß er, eine weitere Steigerung seiner Gefühle befürchtend, seinen Sohn, den geheimen Kammerrath von Goethe, mit seiner Stellvertretung beauftragte.

Ernst von Schiller eröffnete die Feier mit einer kurzen Rede, in welcher er zunächst meinem Vater dankte für den unermüdlichen Eifer bei der Aufsuchung der irdischen Ueberreste seines Vaters. Dann erklärte er sein und seiner Familie vollkommenes Einverständniß mit der Idee des Großherzogs, den Schädel Schillers nicht wieder der Verwesung zu übergeben, sondern ihn hier, auf der großherzoglichen Bibliothek, für die Nachwelt aufzubewahren. Er übergab ihn hierauf dem seinen Vater repräsentirenden geheimen Kammerrath von Goethe.

Dieser dankte der Schiller’schen Familie im Namen seines Vaters, welchen er zugleich wegen seiner Abwesenheit entschuldigte. Möge der schöne Eingang dieser Rede hier wörtlich Platz finden, wobei ich bemerke, daß sowohl Ernst v. Schiller’s, wie des Kammerraths von Goethe Rede von Goethe dem Vater verfaßt und nebst der darauf folgenden Rede des Kanzlers von Müller ihrem ganzen interessanten Inhalte nach in meinem oben erwähnten Schriftchen mitgetheilt sind.

„Die erste Pflicht,“ so begann Goethe’s Rede, „welche ich heute zu erfüllen habe, ist die, meinen Vater zu entschuldigen, daß er diesem feierlichen, hochwichtigen Acte nicht selbst beiwohnen kann. Es war früher sein fester Wille, dieses zu thun, doch am heutigen Morgen wurden in ihm alle die Gefühle mächtig rege, welche jene Vergangenheit vorüberführten, wo er mit seinem geliebten, unvergeßlichen Freunde, Friedrich von Schiller, die schönsten Tage verlebt, auch manche Trauer erduldet hatte – einem Freunde und Zeitgenossen, dessen früher Tod einen Riß in das Leben meines Vaters brachte, welchen weder Zeit noch Mitwelt zu heilen im Stande war.“

Im weitern Verlaufe der Rede hieß es, der Schädel Schiller’s solle in dem Postament der Dannecker’schen Büste unter Verschluß gelegt werden, und „nur solchen Personen die Anschauung des Verwahrten verstattet sein, von denen man mit Gewißheit voraussetzen könne, daß nicht Neugierde ihre Schritte leite, sondern das Gefühl, die Erkenntniß dessen, was jener große Mann für Deutschland, für Europa, ja für die ganze cultivirte Welt geleistet hat.“

Der feierliche Actus wurde mit den erhebenden Worten der Weihe geschlossen, welche der geistvolle Kanzler von Müller sprach.

Die Verwahrung von Schiller’s Schädel auf der Bibliothek erfuhr die verschiedenartigste Beurtheilung. Während man sich einerseits freute, daß der kostbare Ueberrest der Vernichtung entzogen war und bleiben sollte, sprach man sich andererseits sehr mißbilligend darüber aus, daß Schiller’s Schädel, statt wie andere christliche Gebeine in der Erde zu verwesen, auf der Bibliothek mit anderen Raritäten aufbewahrt werden sollte. So erklärte der Generalsuperintendent Röhr in einem die zeitherige Ruhestätte Schiller’s, das Cassengewölbe, betreffenden Aktenstücke unter anderm: „Ob und was mit der Schiller’schen Leiche geschehen ist, davon weiß ich als Oberpfarrer und Superintendent hiesiger Stadt officiell bis auf diesen Tag (October 1826) – nichts. Nur von der Schädel-Ceremonie auf der Bibliothek habe ich in öffentlichen Blättern gelesen, und mich in Leipzig in einer großen Gesellschaft geistreicher Männer fragen lassen müssen: „Wie das gesittete Weimar mit seinen großen Geistern so huronenmäßig verfahren könne?“ Ich hatte darauf keine Antwort, konnte aber die Frage nicht unangemessen finden.“

Den Beweis, wie entgegengesetzt seine Bemühungen zur Auffindung von Schiller’s Schädel beurtheilt wurFetter Textden, erfuhr mein Vater an seiner Person dadurch, daß ihm vom Oberconsistorium ein gemessener Verweis zuging, während ihm der Großherzog Karl August im October desselben Jahres seinen Hausorden verlieh.


III.

In Goethe war indeß der Gedanke lebendig geworden, zu dem aufgefundenen Schädel auch die übrigen noch vorhandenen Ueberreste Schiller’s der Vernichtung zu entziehen. Als guter Osteolog wußte er, daß es möglich ist, aus einem Haufen menschlicher Gebeine die zusammengehörigen herauszufinden.

Bereits einige Tage nach der Feier der Niederlegung von Schiller’s Schädel auf der Bibliothek ließ er den Prosector an der anatomischen Anstalt, Dr. Schröter, und den Museumschreiber Färber, welcher Letztere früher Schiller’s Diener gewesen war, von Jena nach Weimar kommen, um von ihnen die Aufsuchung von Schiller’s Gebeinen vornehmen zu lassen. Diese beiden Männer begaben sich mit dem Schädel in die Gruft des Cassengewölbes, und es gelang ihnen bald, das zu dem Schädel gehörige Knochengerüst, wenn auch nicht ganz vollständig, doch nur mit Ausnahme weniger Theile des Skelets, aufzufinden und zusammen zu fügen. Unter dem 30. September 1826 überreichten sie das schriftliche Verzeichniß der aufgefundenen und der fehlenden Theile.

Goethe war über die glückliche Erreichung seiner Absicht sehr erfreut.

Die aufgefundenen Ueberreste Schiller’s wurden in einen blau ausgeschlagenen Sarg gelegt, und blieben auf der Bibliothek in Verwahrung. Der Schädel kam wieder in das Fußgestell der Dannecker’schen Büste.

Indem ich mich dem Schluß dieses Aufsatzes nahe, erfaßt mich ein schmerzliches Bedauern, welches gewiß auch die meisten meiner Leser theilen werden, daß das, was ich nun noch mitzutheilen habe, nur eine herrliche Idee blieb, ohne, wie so vieles Schöne im Leben, zur Ausführung zu kommen.

Wenige Monate nach den eben geschilderten Vorgängen erließ der Großherzog Karl August folgendes merkwürdige Rescript an die Landesdirection:

„An die Landesdirection zu Weimar.

Wir Karl August, Großherzog etc. etc.

Es ist Uns der Gedanke und Vorschlag hinterbracht worden, daß für Unsern wirklichen Geh. Rath und Staatsminister von Goethe, Ezcellenz, und für den verstorbenen Hofrath von Schiller ein Denkmal errichtet werden möge, in welchem die irdischen Ueberreste des Letzteren und dereinst auch des Ersteren beigesetzt werden könnten, daß hierzu aber ein mehr geeigneter Platz nicht aufzufinden sei, als der obere Theil des an den neuen Gottesacker vor dem Frauenthor stoßenden, dem hiesigen Stadtrath eigenthümlich zustehenden Grundstückes, welches ohnehin früher oder später zu dem nicht hinlänglich geräumigen Gottesacker beizuziehen sein würde. Da Wir der Ausführung eines solchen Gedankens nicht entgegen sein wollen, so weisen Wir Unsere Landesdirection gnädigst an, jenes zu einer Centralbaumschule eingerichtete Grundstück dem hiesigen Stadtrath zurückzugeben und das dafür bisher aus dem Polizeifonds gezahlte Pachtgeld wieder einzuziehen, damit der erforderliche Platz zu jenem Denkmal davon abgetreten, der übrige Theil künftig, so weit nöthig, zu dem Gottesacker mit gezogen werden könne.

Es wird hiernach darauf Bedacht genommen werden müssen, die Baumschule, deren gegenwärtige, durch die Thätigkeit und Einsicht des Sccretairs Wangemann bewirkte gute Verfassung Uns angerühmt worden, auf einen andern Platz zu versetzen, und Wir sind nicht abgeneigt, hierzu selbst die Hand zu bieten, wenn sich unter den von Unserer Disposition abhängenden Grundstücken ein dazu passendes vorfindet, welches entbehrt werden kann.

Wir glauben übrigens erwarten zu dürfen, daß der Stadtrath mit Rücksicht auf den Zweck der Verwendung für den zur Errichtung des Denkmals zu überlassenden Theil jenes Grundstückes um so weniger eine Entschädigung in Anspruch nehmen werde, als Wir dagegen die Kapelle der auf dem Gottesacker erbauten Fürstengruft zu dem Gebrauch bei städtischen Leichenbegängnissen eingeräumt, und der Stadt dadurch einen außerdem nicht zu vermeidenden, beträchtlichen Aufwand erspart haben.

Daran geschieht Unser Wille etc. etc.
Weimar, den 6. Februar 1827.

Karl August, 

Großherzog zu Sachsen.

C. W. Frhr. v. Fritsch.“

Dieses höchste Reskript wurde von der Landesdirection dem Stadtrathe zu Weimar abschriftlich zugefertigt. Mein Vater, als Vorsitzender des letzteren, hielt in voller Rathsversammlung darüber Vortrag, und sprach dann in einem Berichte vom 8. März 1827 die freudige Bereitwilligkeit der Väter der Stadt aus, auf die landesfürstlichen [686] Propositionen einzugehen. Die Aufkündigung des Pachtes über den oberen Theil des Gottesackers, der bisher zur Centralbaumschule benutzt worden war, wurde angenommen, „dergestalt, daß unter den vorliegenden Umständen das Pachtverhältniß sofort als aufgelöst erscheine.“ Weiter heißt es in diesem Berichte am Schlusse:

„Sonach überlassen wir den höchsten Punkt des uns eigenthümlich zugehörigen Gottesackers für immer zu dem zu errichtenden Goethe-Schiller’schen Denkmal, und werden demnächst mit Zuziehung Sachverständiger Sorge tragen, daß die nächsten Umgebungen desselben durch zu fertigende Gartenanlagen und Anpflanzungen, soweit solche immer zum Ganzen des Gottesackers passend erscheinen, verschönert und stets in einem der Würde des Denkmals angemessenen Zustande erhalten werden.“

Es ist bekannt, daß Goethe den Gedanken, welcher in seiner Vaterstadt Frankfurt auftauchte, ihm, während er noch lebte, ein Denkmal zu errichten, fast wie eine Beleidigung zurückwies. Hier aber war es etwas ganz Anderes. Hier galt es nicht, eine jener Ovationen anzunehmen, denen Goethe stets abhold war. Aber nach dem Tode mit dem geliebten Freunde in gemeinschaftlicher Ruhestätte vereint zu sein, das war ein Gedanke, den Goethe freudig erfaßte. Auch mochte er sich wohl mit edlem Selbstbewußtsein, doch fern von kleinlicher Eitelkeit, die wahrlich seine Schwäche nie war, sagen, daß seine und Schiller’s vereinigte Grabstätte dereinst eines der herrlichsten Nationaldenkmäler sein werde.

Goethe war bereits mit der Schiller’schen Familie, deren Zustimmung ihm bereits gewiß war, über jenen Plan in Rapport getreten, und theilte mit großer Befriedigung den Bericht des Stadtrathes in wörtlicher Abschrift dem Appellationsgerichtsassessor Ernst v. Schiller in den letzten Tagen des März mit. Mit dem Oberbaudirector Coudray gemeinschaftlich arbeitete er eine Zeichnung zu dem zu errichtenden Grabdenkmal aus. Dasselbe war in sehr einfacher, doch würdiger Gestalt projectirt und sollte die von außen sichtbaren, dicht nebeneinander stehenden Sarkophage der beiden großen Dichter enthalten.

Die beiden höchstgebietenden Männer des Landes, der Großherzog und Goethe, wünschten lebhaft die Ausführung jener trefflichen Idee – ja es liegt nahe zu glauben, daß sie die Urheber derselben waren; das Pachtverhältniß des Stadtrathes mit der Baumschule war in bester Form von der competenten Oberbehörde, der Landesdirection, gekündigt, und der Eigenthümer des für das Monument ausersehenen Platzes, der Stadtrath, war dem allen mit der größten Bereitwilligkeit entgegengekommen. Es stand also der Ausführung nichts, gar nichts mehr im Wege, als eine unbedeutende Kleinigkeit – einige Dutzend zur Centralbaumschule gehörige Obstbaumstämmchen!

Voll frohen Eifers wollte mein Vater die nöthigen Vorarbeiten an dem für das Grabdenkmal bestimmten Platze beginnen lassen. Unter Berufung auf die geschehene und angenommene Pachtkündigung bat mein Vater wiederholt darum, daß man die dort stehenden, einen Theil der Landesbaumschule bildenden Baumstämmchen hinwegnehmen möge. Es ward ihm endlich erwidert, die Verpflanzung jener Stämmchen könne ihres Gedeihens wegen erst im Spätherbst vorgenommen werden. Vergebens wies er darauf hin, daß der Gegenstand viel zu kleinlich sei, um einer so großen Sache hindernd in den Weg gestellt werden zu dürfen. Man wollte nicht! Und wir wollen nicht verschweigen, warum man nicht wollte.

Ungeachtet seines wahrhaft biederen und wohlwollenden Charakters besaß Goethe, der allerdings weder Zeit noch Lust dazu hatte, den zahllosen Anforderungen, die an seine Person gemacht wurden, zu entsprechen, und sich deshalb besonders in seinen späteren Lebensjahren in die bekannte vornehme Abgeschlossenheit zurückzog, Goethe, sage ich, besaß in Weimar zahlreiche Feinde. Die Wichtigste Persönlichkeit unter denselben war die geliebte Freundin Karl Augusts, die von ihm zur Frau von Heygendorf erhobene Demoiselle Jagemann. Ob es von Seiten dieser sonst höchst liebenswürdigen, doch der Intrigue nicht abgeneigten Frau Eifersucht wegen des Einflusses, den Goethe auf seinen Jugendfreund, den Großherzog, ausübte, oder irgend ein anderer Grund war, der ihre Abneigung gegen Goethe veranlaßt hatte – wir wissen es nicht. Schon im Jahre 1817 hatte sie es, gegen Goethe’s mit Entrüstung ausgesprochenen Willen, beim Großherzoge durchgesetzt, daß auf der Weimarischen Bühne der bekannte Pudel als der Hund des Aubry auftrat, wodurch sich Goethe trotz aller Bitten und Vorstellungen der großherzoglichen Familie bewogen fand, die von ihm so lange Jahre hindurch geführte Direktion des Theaters auf der Stelle niederzulegen. Als nun zehn Jahre später die Idee bekannt wurde, daß für Goethe und Schiller ein gemeinschaftliches Grabdenkmal errichtet werden sollte, erklärte es Frau von Heygendorf für eine Entwürdigung des Andenkens Schiller’s, des Letzteren sterbliche Ueberreste zu einer Huldigung Goethe’s benutzen zu wollen! Die Geliebte des Fürsten besaß ihren eigenen kleinen Hof, dem sich zurechnen zu dürfen gar mancher hohe Staatsbeamte als eine große Ehre schätzte. So wurde es der Frau von Heygendorf leicht, es dahin zu bringen, daß die Räumung der Landesbaumschule und somit die für die Errichtung des Denkmales nöthigen Vorarbeiten den ganzen Sommer 1827 hindurch verzögert wurden, und endlich brachte sie es durch ihren Einfluß auf den Großherzog dahin, daß der ganze Plan aufgegeben wurde. Ihre Absichten fördernd war der Umstand, daß gerade zu dieser Zeit der König Ludwig von Baiern Weimar besuchte und sich mit großer Befremdung darüber aussprach, daß man Schiller’s Gebeine auf der großherzoglichen Bibliothek aufbewahre. Gewiß erfuhr der edle Ludwig nichts von jenem bereits dem Scheitern sich nahenden Plane, sonst würde er ohne Zweifel dafür bemüht gewesen sein, denselben wieder in gutes Fahrwasser zu bringen.

Im October 1827 richtete der Großherzog das nachstehende Handbillet an Goethe:

24. 9. 27.

„Hier einige Autographen für die Sammlung. – Es wird so verschiedentlich über die Aufbewahrung der Schiller’schen Relicten (seines Kopfes und Skelets) auf hiesiger Bibliothek hin und her geurtheilt, und meistens wohl mißbilligt, daß ich es für rathsam halten möchte, selbige in dem Kasten, in welchem sie liegen, inclusive des Hauptes, von welchem vorher noch ein Abguß zu nehmen wäre, in die Familiengruft einstweilen setzen und aufheben zu lassen, welche ich für mein Geschlecht auf dem hiesigen neuen Friedhofe habe bauen lassen, bis daß Schiller’s Familie einmal ein anderes darüber disponirt. So Du hiermit einstimmst, so werde ich dem Hofmarschallamte die Anweisung geben, Schiller’s Ueberbleibsel unter seinem Beschluß bei meinen Ahnen zu nehmen.

Karl August.“

Goethe äußerte in seiner bei allem, was ihn persönlich betraf, milden und ruhigen Weise nicht die geringste Empfindlichkeit darüber, daß der ihm theuer gewordene Plan so ohne Weiteres wieder aufgegeben wurde. Er ordnete sofort an, daß die Gebeine Schiller’s nebst dem Schädel in einem dauerhaften und schön gearbeiteten Sarkophag niedergelegt wurden. Am 16. December 1827 Morgens 6 Uhr wurden Schiller’s sterbliche Reste in Gegenwart der höchsten Hofchargen und mehrerer Staatsdiener feierlich in der großherzoglichen Gruft beigesetzt. Ein halbes Jahr darauf folgte ihm der edle Karl August nach, und seit dem 26. März 1832 ruht auch Goethe neben den Beiden, die seine geliebtesten Freunde auf Erden waren.

So ruhen denn Schiller und Goethe, die unsterblichen Lieblinge des deutschen Volkes, in derselben Gruft mit ihrem fürstlichen Freund und Beschützer und dessen Ahnen. Beide waren bürgerlichem Blute entsprossen; daß sie aber als Fürsten im Reiche der Geister anerkannt wurden, bezeugt ihre Ruhestätte. Diese ihre Ruhestätte legt auch ehrendes Zeugniß ab für die edle Gesinnung des weimarischen Fürstenhauses, und wir freuen uns dessen. Noch mehr aber würden wir uns freuen, wenn sie, die für das Licht Geborenen, wieder hervorkämen aus dem nächtlichen Düster der Fürstengruft an das Licht des Tages; wenn die Stätte, wo Schiller und Goethe ruhen, an deren Andenken sich die Liebe und Verehrung des ganzen deutschen, hier doch einmal einigen Volkes für alle Zeiten knüpft, diesem Volke zugängig gemacht würde.

Die Centralbaumschule ist längst – seit dem Jahre 1834 – vom Gottesacker verlegt, die vor zweiunddreißig Jahren auserlesene Stelle ist frei, und Goethe hat in Weimar keinen Feind mehr, der es ihm mißgönnte, mit Schiller ein gemeinsames Grab zu besitzen. Sollte es zu spät sein, die große Idee, für welche einst Karl August und Goethe, wenn nicht begeistert, doch eingenommen waren, nun doch noch in’s Leben zu rufen und das Vaterland mit einer Stätte geistiger Erhebung zu schmücken, wie sie in seinen weiten Gauen so hehr und herrlich nicht zu finden ist?


[687]
Bilder vom Thüringer Walde.
Von Berthold Sigismund.

Die landschaftliche Natur unsres Gebirges, die manches Große und so viel Lieblichschönes darbietet, ist in der Fremde weit mehr bekannt und gewürdigt, als der schlichte biedere Menschenschlag, der auf diesen Bergen haust. Gar viele Wanderer, die von Berghäuptern, Felsschluchten, Wasserfällen und Waldriesen des thüringer Gebirges mit Entzücken reden, haben den Bewohnern desselben kaum einen flüchtigen Blick geschenkt. Und doch gehört es zu den schönsten Freuden einer Reise, die mannichfaltigen Lebensformen unsrer Brüder zu beobachten und sich in ihr Dasein zu versetzen, namentlich aber sich auf einige Stunden in die Lage und Weltanschauung schlichter, armer Menschen zu träumen. Das Loos der glücklichen Armuth erscheint wirklich zuweilen so reizend, daß man wenigstens auf einige Zeit aus der eignen Haut fahren und sich in eine fremde stecken möchte.

Die ursprünglichsten Formen des thüringer Lebens, die ihre alte Art am treusten bewahrt haben, finden wir mitten im Walde. Es sind die Hirten, Holzhauer, Köhler, Kustelsteiger, Harzscharrer, Rußbrenner, Sägemüller und Steinbrecher. In der Hoffnung, daß es dem geneigten Leser nicht unlieb sein werde, sich auf ein Viertelstündchen in die Lage solcher „Waldleute“ zu versetzen, und daß es Lustreisenden, die das Gebirg besuchen, zur Anregung dienen könne, mit dieser vielfach übersehenen „Staffage“ der Landschaft persönliche Bekanntschaft zu machen, will ich versuchen, einige derselben mit kurzen Andeutungen zu schildern. Den Vortritt mögen haben

1. die Holzhauer,

als die Waldleute, die zuerst im wilden Urforste sich angesiedelt und die ursprüngliche Art ihrer Voreltern, der thüringer Pioniere, am treusten bewahrt haben. Mancher Ort des höhern Gebirgs verdankt ihren Niederlassungen seinen Ursprung; einzelne Dörfchen bestehen noch jetzt zum größten Theile oder fast ausschließlich aus ihren Hütten, einstöckigen, kleinfenstrigen Gebäuden mit grauen Schindeldächern, an deren Außenwand zahlreiche Bauer mit Kreuzschnäbeln hangen und auf deren Thürstufen flachsköpfige Kinder im lustigsten Morgenanzuge Gruppen bilden, bei deren Anblick man nicht selten denkt: Wie schade, daß Ludwig Richter dies Völkchen nicht sieht, um es mit seiner Meisterhand zu verewigen!

Im Sommer trifft man in den Holzmacherorten außer den kleinsten Kindern selten Jemand zu Hause. Die Hausfrau ist im Wald oder auf dem Felde. Das Feld besteht aber in einem meist kaum einige Schritte breiten, steinigen Aeckerchen, das sich dicht am Waldsaume an einem steilen Berghange hinzieht. Zugthiere sind da nicht zu brauchen. Der dürftige Boden wird mit der Hacke bearbeitet, der Dünger muß auf steilen Zickzackwegen in Körben hinaufgetragen werden. Die Frau säet, schneidet mit der Sichel und erntet. Viele Familien haben nur ein Kartoffelfeldchen, auch die wohlhabenden bauen kaum das Brod für einige Monate; wer seine Jahreskartoffeln baut, gilt für einen „gemachten Mann“.

So klein ihr Ackerland, so groß ist ihre Wiese und ihr Garten. Das ist nämlich der Wald. Er liefert den Ziegen Nadelstreu und Gras, er spendet der Küche die werthvollsten Gaben an Beeren und Pilzen. Ganze Körbe voll Schwämme werden für den Winter getrocknet; das ist unser Fleisch, sagen sie schelmisch.

Der Vater und die der Schule entwachsenen Söhne sind alle Tage, die Gott werden läßt, im Walde, es müßte denn der Schnee so lief liegen, daß gar nicht durchzukommen ist. Und das tritt im hohen Winter nicht selten ein; muß doch der menschenscheue Auerhahn zuweilen sein einsames Revier verlassen und tiefer gelegene Stellen suchen.

Sonst waren die Holzhauer leicht an ihrer Kleidung zu erkennen; sie trugen leinene „Waldkittel“ und eine Art kleinen Tyrolerhut, eine Tracht, der man auch noch jetzt häufig begegnet. Seit jedoch der Verkehr mit den großen Städten lebhafter geworden, trifft man bei diesen Waldleuten zuweilen wunderliche Costüme. Der eine trägt einen fadenscheinigen Modefrack, der endlich seine Schöße zur Ausbesserung hergibt und zur Jacke wird, ein Anderer kleidet sich gar in einen ausrangirten Waffenrock; die verschiedensten Waaren der Trödler wandern in die thüringer Wälder, um da zu verenden. So buntscheckig aber auch die Kleidung hin und wieder sein mag, an einem Stück ihrer Tracht sind die Holzhauer immer kenntlich. Das ist der Behälter, in dem sie ihre Lebensmittel in den Wald tragen; seine Beschaffenheit bezeichnet zugleich das Revier, dem die Einzelnen angehören. Die Einen tragen einen leinenen Quersack („Waldsack“) über die Schulter, Andere ein Reff mit einer Schachtel auf dem Rücken, noch Andere eine taschenähnliche Schachtel aus Fichtenrinde („Gutter“) an der Seite.

Die „Holzmacher“ sind hagere, aber kräftige Gestalten, die mit schweren Tritten bergan steigen, scheinbar langsam und träge, aber doch so fördersam, daß jeder sie begleitende Fremde, der sich keuchend den Schweiß trocknet, ihre Lungen bewundert. Die meisten sind kerngesund, wenn sie nicht einmal das Kreuzweh, die Folge des Bückens und der Durchnässung, plagt. Viele werden alt; ich sah ein Paar siebzigjährige Kumpane, die länger als fünfzig Jahre! mit einander gearbeitet, im Walde thätig; zu schweren Arbeiten waren sie freilich nicht mehr geeignet, der Förster wies ihnen die ihrer Kraft angemessene Arbeit des Durchforstens zu, bei der sie nur dünne Stämme aus den Dickichten zu hauen hatten. So mürrisch auch das wettergebräunte, meist kahlgeschorene Gesicht der Holzhauer aussehen mag, sie sind meist heitere Naturen und jedenfalls offenherzige, biedere, freundliche Leute. Sie lassen sich eine Versäumniß nicht verdrießen, um einen Fremden zu „berichten“, und so schweigsam sie bei der Arbeit sind, so gesprächig findet man sie, wenn sie ihre Rast halten.

„Wir sind die reichsten Leute,“ sagen sie scherzend, „denn wir haben zwei Häuser.“ Der beigefügte Holzschnitt stellt ihre Sommerwohnung dar. Die Lage derselben ist reizend. Der Waldschlag, auf dem sie steht, prangt im Purpurschmucke des Fingerhutes und Weidenröschens, neben manchem alten Fichtenstamm duften die herrlichsten Erdbeeren. In der Nähe ragt der Hochwald, in dem die Vögel so laut singen und schmettern, daß ihr Gesang das Knarren der Säge und den Hall der Aexte übertönt. Der Gesichtskreis ist von waldigen Bergen umschlossen, auf denen man hier und da eine Gruppe von Schindelhäusern erblickt. Die zeltartige, aus Pfählen gebaute und mit Fichtenrinde bekleidete Hütte hat vor vielen andern Bauten im Walde große Vorzüge. Freilich mit einer Vogelheerdhütte der wohlhabenden Städter, die wie ein Landhäuschen alle Bequemlichkeiten bietet, kann sie sich nicht messen, sie läßt aber die mit bloßem Reisig gedeckten und umwandeten Meisen- und Tränkenhütten weit hinter sich. Sie ist etwa zehn Fuß lang und an dem nach dem Bergfuße zugewandten Ende so hoch, daß man zur Noth darin stehen kann. Auf einzelnen Hütten, die ein Holzmacher errichtet, der Sinn für das Schöne hat, findet man als Giebelschmuck einen hirschgeweihähnlichen Baumast aufgepflanzt, der das Wahrzeichen des Forsthauses nachahmt.

Das Innere der Hütte entbehrt all’ der entbehrlichen Unentbehrlichkeiten der gewöhnlichen Wohnungen, des Tisches, der Bank, des Schrankes. Das Rindenzelt ist ja nur Schlafstätte. Auf einer Streu von Tannenreisig, das nicht so stachelt wie das struppige Fichtenreißig, lagern sich die müden Männer, zu deren Füßen in kühlen Nächten ein kleines Feuerchen brennt. Ein Holzklotz vertritt das Kopfkissen, eine Schicht Tannenzweige („Flieschen“) das Deckbett. In einer Sommernacht ruht es sich wirklich schön in einem solchen Rindenzelte, neben dem die Drossel ihr sanftes Schlummerlied flötet und eine Nachtlerche ihre süßen Weisen anstimmt. In regnerischen Nächten freilich läßt das Obdach Manches zu wünschen übrig. Dichter preisen oft das melodische Getrappel der Regentropfen auf ein dichtes Dach; aber wenn die Schauer durchdringen, das Feuer verlöschen und die Streu durchnässen, da muß man wetterfest sein und sich so gut in den Mantel der Geduld zu hüllen verstehen, wie diese kernigen Waldleute.

Wenn die Drossel den Morgen verkündet, erheben sich die Schläfer, die zu zwei bis sechs in einem Zelt übernachten, von ihrem grünen Lager, erfrischen sich an einer kühlen Quelle und bereiten am frisch entfachtem Feuer ihren Morgenimbiß.

So schlicht die Küche der Holzhauer, so hat sie doch durch die fortschreitende Civilisation manche Umänderung erfahren. Was war das Feueranmachen sonst für eine Plage! Man mußte trockene Fichtennadeln und Wurmmehl suchen, mit Schwamm anzünden und durch Schwenken und Blasen mühselig zur Flamme anfachen. Wie flott geht das jetzt mit dem Streichholze! „Wir sparen alle Tage eine Viertelstunde Zeit,“ sagen die dankbaren Arbeiter. Die Aelteren [688] bereiten sich noch immer nach der Väter Sitte eine Morgensuppe, Jüngere ziehen häufig den Kaffee vor. Kartoffeln, die aus dem Vorrathskellerchen unter einem alten Wurzelstocke hervorgelangt werden, bilden die Zukost.

Rasch wird zur Arbeit gegriffen. Man steht im Gedingelohn, und es „will etwas wissen,“ so vielen eßbegierigen Familiengliedern das theure Brod zu schaffen. Die Holzfäller arbeiten stets in Genossenschaften, gewöhnlich „zwei- oder dreispännig“, zuweilen auch „sechsspännig“; einen Trägen oder Ungeschickten nimmt man nicht leicht zum Gespann. Die Gemeinsamkeit spornt zum Fleiß an, das überwachende Auge des Försters zur Pünktlichkeit.

Vom Frühjahr ab werden Bäume gefällt und in Blocke zerschnitten. Das Umstürzen hoher Fichten, die mit gewaltigem Sausen große Bogen durch die Luft beschreiben und knackend und prasselnd zu Boden fallen, daß es dröhnt und bebt, sehen die Holzhauer mit derselben Lust, wie der Jäger das Niederstürzen eines waidgerecht erlegten Hirsches. Dem Baumfällen folgt das Zersägen, Spalten und Ausklaftern des Scheitholzes. Ein tüchtiger Arbeiter setzt seinen Stolz darein, die Klaftern voll- und ebenmäßig aufzubauen, und der Förster belohnt ihn dadurch, daß er ihm eine gute „Partie“ zuweist. Die Art, wie unsere Holzhauer die Arbeitsbücher führen, in denen sie ihre Klaftern einzeichnen, gibt ein vortheilhaftes Zeugniß für ihren Schulunterricht. Spätestens im Juli beginnt die mühseligste Waldarbeit, das Stockgraben. Vor vierzig Jahren war den Waldleuten diese Arbeit erspart, in jener holzreichen Zeit ließ man die Baumstümpfe stecken und verfaulen. Jetzt werden sie sammt ihren Hauptwurzeln ausgegraben und gespalten. Das Stockgraben ist zum Sprüchwort für eine saure Arbeit geworden; es ist aber nicht nur die beschwerlichste, sondern auch die kunstreichste Arbeit des Holzhauers. Nur der Arbeiter, der außer den kräftigsten Armen auch Scharfblick besitzt, um den Verlauf der oft in den sonderbarsten Windungen fortkriechenden und sich zu Knäueln verstrickenden Wurzeln zu errathen, der durch lange Uebung gelernt hat, wo und wie er den hartnäckigen Gegner zu packen hat, kommt hier rasch zum Ziele. Ich wüßte keine Arbeit im Walde, bei der das Zusehen für den Laien interessanter wäre, als das Stockgraben. Man erzählt auf dem thüringer Walde, daß F. Gerstäcker die gebirgischen Holzhauer in einem Baumfällungs-Wettkampfe durch seine in Amerika gelernten Künste ausgestochen habe; im Stockgraben würde der Vielgewanderte und Vielgewandte kaum den Preis davon tragen, so viel zweckmäßiger die amerikanische Axt auch sein mag, als die altväterische der Thüringer.

Holzhauerhütte im Thüringer Walde.

Die Werkzeuge unserer Holzfäller sind sehr einfach. Eine Schrotsäge ohne Gestell, einige Aexte und Rodehauen nebst einigen eisernen und hölzernen Keilen bilden die ganze Ausrüstung, deren Ankauf fünf bis sechs Thaler und deren Instandhaltung jährlich zwei bis zwei und ein halb Thaler erfordert. Von der Winde, die beim Heben der Stöcke wesentliche Dienste leistet, machen sie nur gelegentlich Gebrauch, wenn ein im Wald anwesender Block-Fuhrmann sie darleiht. Die neuen künstlichen Werkzeuge zum Stockroden, den Waldteufel und den Zahnbrecher, findet man vollends nicht bei Leuten, welche kaum die Anschaffung des schlichten Arbeitszeuges bestreiten können. Wahrscheinlich werden sich die Förster mit der Zeit genöthigt sehen, jene zeitsparenden Apparate herbeizuschaffen, denn es beginnt auch hier an Waldarbeitern zu fehlen. Die Fabriken locken durch ihre weniger mühselige Arbeit Manchen aus dem Walde weg; in den letzten Jahren sind viele Holzhauer zu den Perlenmachern übergetreten. Ja, so unglaublich es den Frauen klingen mag, gar viele der zierlichen schwarzen und weißen Glasperlen, womit mancher Kopfputz und vielerlei Andenken geschmückt sind, werden von derbhändigen Holzhauern gemacht, die ihrem Forste untreu geworden und in den Dienst des Luxus getreten sind.

Zum Frühstück ißt der Holzhauer einen „Keil“ Brod und trinkt einen herzhaften Schluck des köstlichen Wassers aus der nahen Quelle. Nur Einzelne trinken Branntwein, den sie für kraftgebend halten, aber nur sehr mäßig. Auf ein Moospolster gestreckt, pflegt man eine Viertelstunde lang der Ruhe. Sie ist so wohlverdient und erquickend, daß sie vom Wanderer beneidet wird. Man spricht nicht viel dabei, denn die Ruhe ist eine so köstliche Gabe, daß sie mit Bewußtsein und voller Hingabe genossen sein will.

Weit mehr wird nach dem Mittagessen der Unterhaltung gepflogen. Während des Mahles ist dazu keine Zeit. Mit behäbiger Stetigkeit werden die einfachen Gerichte verzehrt, die fast täglich wiederkehren. So lange es Kartoffeln gibt (das ist aber gewöhnlich nur bis zur Mitte des Sommers der Fall), geben diese die Hauptmahlzeit ab. In der Asche gebraten, als Mus („Zämpe“), als Gemüse („Schippel“) und als Suppe, die mit Stockschwamm, Schafgarbe oder Brennnesseln gewürzt ist, kommen sie tagtäglich auf den Tisch oder, wie man eigentlich sagen müßte, auf den Stock, denn ein Baumstumpf dient der Schüssel gewöhnlich zum Gestelle. Fehlen die Kartoffeln, so wird das tägliche Mittagsmahl aus Roggenmehl bereitet und in Form eines mager geschmälzten Breies oder einer mit den oben genannten Waldgewürzen versehenen Suppe genossen. Als Nachtisch dient eine Pfeife „Querreiter“, dessen süßlicher Duft im Walde manchem an feineres Kraut gewöhnten Raucher ein bewunderndes Schnüffeln abgelockt hat. Eine Cigarre erlaubt sich der Holzhauer höchstens zur Kirchweih oder zu Fastnacht. In den sächsischen Forsten ist es anders, dort ist der Glimmstengel nahe daran, den Ulmer zu verdrängen.

„Muß es sein? Ja, es muß sein!“ So überschrieb Beethoven in einer gutgelaunten Minute einen Sonaten-Satz. Dieses Motto fiel mir ein, so oft ich die Holzhauer sich von dem Mittagsruheplatz erheben und ihrer Arbeit zuwandern sah. Es ruht sich so prächtig am Stamme der alten Buche auf dem schwellenden [689] Moose, man ist in süßes Nichtsthun versunken, sogar zu bequem, eine nahe Erdbeere zu pflücken, selbst wenn man keine so „müden Knochen“ in sich trägt, kurz, man begreift wohl, wie schwer es fallen muß, wieder zu dem heißen kahlen Platze zu gehen, zu dem die schwere Axt mit ihrem von vielem Gebrauche blanken Stiele winkt.

Eine Uhr besitzen die Holzmacher nicht. Der Stand der Sonne und der Vogelsang verkündet ihnen die Tageszeit bestimmt genug. Endlich, endlich! Die „Zippe“ (Singdrossel) stimmt den Feierabendruf an. Nun geht es zur Hütte. Die Abendsuppe wird verzehrt; dann greift Alles zur Pfeife und sieht „discurirend“ die Nacht hereinbrechen. Oft kommt Besuch aus der nächsten Hütte. Das ist ein süßes Plauderstündchen am flackernden Feuer! Man bespricht die Neuigkeiten des Tages; der hat eine Auerhenne gesehen, jener einen „Mordhirsch“, auf den man den Förster aufmerksam machen will; der Eine hat Nachrichten aus dem Dorfe, der Andere spricht seine Muthmaßungen über den Ausfall der Kartoffelernte aus; ein Dritter erzählt, was er vom „Apolijon“ gehört, der Krieg anfangen will; manchmal ergehen sie sich auch in launigen Späßen und barocken Phantasien. Als sich einmal eine Gruppe berieth, was sie sich wünschen würden, wenn ihnen eine Bitte an’s Schicksal frei stünde, war der Vorschlag des Einen: eine Knackwurst, so groß wie ein Fichtenstamm, der des Zweiten: den Floßteich voll Bier, der Dritte wünschte sich bescheiden genug eine Million Finken, aber lauter gute Schläger und Futter für dieselben. Meist dreht sich aber unter den älteren Leuten das Gespräch um die „gute alte Zeit.“

Die alte Zeit, sie war nicht etwa besser, weil sie höhern Lohn gewährte. Bewahre! Sonst waren die Löhne niedriger und im Walde weniger Arme nöthig, denn wer kümmerte sich um die „Stocke“! Einst fehlte es den Holzhauern nicht selten an Arbeit, jetzt ist überall Nachfrage nach Waldarbeitern. „Wir stehen uns,“ sagen die verständigen Waldleute, „mit den 120 Thalern, auf die wir’s bringen können, zwar nicht ganz so gut, als manche Fabrikanten; aber unser Brod ist sicher, und wir brauchen nicht in der Stube zu hocken. Ja, erträglich haben wir’s schon, besser als sonst; aber die alte Zeit war doch die gute Zeit!“ Und nun kommen Geschichten von früheren Jahren, die beweisen sollen, wie viel fröhlicher man sonst gelebt hat, und wie es ehedem doch ganz anders war. Ach, wer fühlte nicht, daß die gute alte Zeit immer da blühte, wo man jung und fröhlich war!

Uebrigens ist auch heutigen Tages die Fröhlichkeit „auf dem Walde“ (so bezeichnet man die höchsten Theile des Gebirges, während die niederen „vor dem Walde“ heißen) keineswegs ausgestorben. Noch klingt die Cither in dem kleinen Stübchen der Holzhauer, noch singt manche Familie an Winterabenden in traulichem Chor geistliche und weltliche Lieder; auch im Kunstgesang schulen sich manche junge Holzhauer neuerdings. An den dritten Feiertagen und zu Fastnacht macht sich der Waldarbeiter bei Spiel und Tanz gründlich lustig; da sieht man einzelne bemooste Häupter, denen man solche Beweglichkeit nicht zugetraut, im raschen Walzer Großes leisten.

Wer in den schlichten Waldleuten besonders abergläubische Menschen vermuthet, irrt sich. Vor einem Menschenalter freilich war’s anders. Da galt ein Holzhauer, der wöchentlich zwei bis drei Klaftern mehr fertig brachte, für verbündet mit dem Bösen. Jetzt lacht man über solchen Wahn.

Mittwoch und Sonnabend machen die Holzhauer früher Feierabend, um in’s Dorf zu wandern. Kaum hat der müde Arbeiter Frau und Kind begrüßt, so sieht er nach seinen Vögeln und freut sich an diesen Lieblingen, den Finken und Kreuzschnäbeln.

Behaglich setzt er sich dann auf die Bank vor den weißgescheuerten Tisch, um einmal mit Manier zu essen; dann verbringt er ein Stündchen, auf der Hausthürschwelle sitzend, mit dem Rauchen aus einer langen Pfeife, wobei er dem Getreibe des Dorfes ernst zusieht. Abends macht er ein vorläufiges Schläfchen auf der Ofenbank oder auf dem Höllsteine, dann labt er sich gründlich in seinem „Federhausen“, das ihm nach längerer Entbehrung gewiß so gut wie ein Eiderdunenbette behagt. Auch sein Haus dünkt ihm wohl im Vergleich mit dem Waldzelt ein wahres Schloß. Der trauliche Ofen, die tickende Wanduhr, die Muskatblätterstöckchen im Fenster – Alles lacht ihn an. Sie sind wirklich meist wohnlich und sauber, diese Holzhauerstübchen, wenngleich manche Fensterscheibe durch Dachspäne ersetzt ist. Die Diele ist rein, und auf weiße Wäsche zu halten, ist Ehrensache dieser Gebirger.

Für den Leser, der sich in eine solche Hütte zu versetzen wünscht, steht hier der Grundriß, nach dem sie alle gebaut sind.

a ist die Hausflur, deren Hinterthür zum Ziegenstall im Hofe führt, b die Wohnstube mit großem Kachelofen und dem Höllsteine, sie ist von zwei kleinen Schiebfenstern erleuchtet, c der Alkoven, das Schlafgemach der Eltern, während die Kinder unter dem Dache, neben dem Heu schlafen, d eine kleine dunkle Küche ohne Heerd (es wird auch im Sommer im Ofen gekocht), e eine Vorrathskammer.

Im Winter ist es in dem mit Fichtenreisig eingemummten Hüttchen traulich warm oder gar heiß. Der Hausherr genießt freilich diese Wärme nur des Abends. Er fährt auf Schlitten Holz an die Meilerstätten und Fahrwege. Dies ist eine nicht ungefährliche Arbeit, wo es steil bergab geht. Dann gibt man dem beladenen Schlitten einen großen, durch Ketten zusammengeschnürten Holzstoß zu schleppen, der als Hemmschuh wirkt. Ein Mann lenkt den Schlitten, ein zweiter den Schlepper; so geht es pfeilschnell die steile „Schleife“ hinab. Bei völliger Unwegsamkeit des Waldes bleibt der Holzhauer daheim und sucht sich durch Schachtelmachen, Schindelspalten oder das Formen von Porzellanfigürchen, das die Kinder vieler Waldleute beschäftigt, einen Nebenverdienst zu erwerben. Im ersten Frühling hilft er bei der Flöße. Er fährt die Scheite an den Waldbach, dessen Fluthen, geschwellt durch den Ablaß eines Sammelteichs, Hunderte von Klaftern an einem Tage thalabwärts befördern. Das Flößen ist die geräuschvollste Arbeit. Das Brausen des über Fälle hinabstürzenden Wassers, das Poltern der wahre Lachssprünge machenden Scheite, die lauten Zurufe der Flößer, unterbrochen von Jauchzen und Singen – das gibt ein Durcheinander, daß man sich in eine Schlacht versetzt wähnt. Von noch fröhlicherem, aber sanfterem Charakter ist die zweite Frühlingsarbeit, bei der die Holzhauer gewöhnlich mitwirken, das Pflanzen. Da hier Mädchen und Frauen helfen, herrscht allgemeine Munterkeit, kaum eine Viertelstunde verstreicht ohne Lied.

Am Sonntag feiert der Holzhauer. Im besten „Staate“ geht er zur Kirche, im Sommer meist eine Blume im Munde. Zu Mittag prangt auf seinem Tische das thüringer Leibgericht, der Kloß aus rohen Kartoffeln, den die Frauen „auf dem Walde“ vorzüglich weiß und locker herzustellen verstehen; neben diesen Bombenhaufen verschwindet fast das niedliche Schweinebrätchen, das einzige Fleischgericht der ganzen Woche. Am Sonntag Abend besucht der Holzhauer das Wirthshaus, um ein Seidel zu trinken. Die Würze dieses die ganze Woche entbehrten Trankes bilden gesetzte Unterhaltungen mit den Kumpanen und die Neuigkeiten, die man in der Gesellschaft hört oder liest. So wenig auch diese Thüringer Wäldler von der großen Welt „draußen im Lande“ wissen, so erfahren sie doch in der Schenke durch die ausliegende Dorfzeitung hier und da Etwas vom Weltgetriebe. Eine gute, nur das Allerwichtigste gebende und der Fassungskraft angepaßte, kleine und spottwohlfeile Wochen- oder Monatszeitung für diese und andere schlichten Glieder des Volkes erscheinen zu sehen, das ist ein Wunsch, der sich oft in mir regte, aber wohl noch lange ein frommer Wunsch bleiben wird. In England hat man seit Jahren dergleichen Zeitschriften „für die Million“, wie sie dort heißen. Ich bezweifle nicht, daß die deutschen „Arbeiter“ ein solches Blättchen für einige zusammengelegte Pfennige halten und am Feierabend lesen würden, wie es die Engländer thun. Die Vereinigung vermag viel. Schon sind durch die Bemühung der Förster Kranken- und Sterbecassen unter den Holzhauern errichtet; vielleicht erleben wir noch, daß Bildungsvereine unter ihnen entstehen. Mancher Städter wird darüber die Achseln zucken, aber das haben Viele auch gethan, als man für die Kinder der ärmsten Classen regelmäßigen Schulunterricht einführte. Nun können alle Erwachsenen lesen, es ist also an der Zeit, ihnen etwas Gutes zum Lesen zu verschaffen. Hier ist ein Feld für edle Wohlthätigkeit, das edle Früchte verheißt. Ist kein Lord Brougham da, um einen Verein zu stiften, der durch eine Pfennigliteratur auch die Aermsten in Verbindung hält mit dem Leben des großen Ganzen?

[690]
„Das Volk steht auf, der Sturm bricht los!“[2]

Der Aufruf des Königs „An mein Volk“ vom 14. März war wie die Tuba des Auferstehungstages. durch die Welt geklungen, und die Russen waren unter Wittgenstein in Berlin eingerückt, welches Augereau-Castiglione eilig verlassen. Kaiser Alexander, dessen andere Heersäule schon nach Schlesien marschirte, erschien in Breslau. Der französische Gesandte, St. Marsan, war nächtlich von dort abgereist, um mit Bassano zu spät dem Kaiser den Schrecken zu berichten, der ihnen über den Hals gekommen.

In diesen Tagen, wo kein Mann daheim blieb, glich Breslau einer gefüllten Petarde, die nur der Lunte harrt. Das Regierungsgebäude auf der Albrechtsstraße mit seinen Höfen, die weite Aula, sonst der Sitz der Musen, das alte majestätische Rathhaus mit seinen vielen Erkern, gothischen Giebeln und Simsen, den ehernen Eichenbüscheln auf den spitzen Eckthürmen, den steinernen Wahrzeichen, der arabeskenreichen, nunmehr verwitterten Vergoldung, mit der alten Freitreppe, die auf den Markt mündet, wo, von wackligen Buden und Scharren umdrängt, die gespenstig dunkle Staubsäule in mittelalterlicher Grobheit uns zuruft: „Seid ehrlich!“ endlich der umgitterte Platz vor dem königl. Schloß – das waren die Altäre, wo Preußens Volk seine Jugend, seine Habe der Befreiung deutscher Erde darbrachte! O welch Strömen und Jauchzen, welch brünstig Abschiednehmen und Schwören zu den Fahnen! – Der König mit ernster Majestät, Scharnhorst mit Dunois’ Zähigkeit und Ueberblick, Blücher, der wilde Roland Preußens mit flammendem Feuereifer, beseelten und begeisterten die Krieger.

Hier trat ein Musensohn hervor in kantischer Verachtung aller Erdengröße, ohne Rücksicht vor Gefahr und jede Tradition verlachend, dort kam ein Anderer, ein Schüler Fichtes, der die Materie verachtete, dem die Idee allein Wirklichkeit hatte. Der tolle Spitzbubenhumor Spiegelbergs und die animalische Kampfeswuth Schweizers, welche aus Mordlust kämpfen will, neben der Tellsnatur, die Rache zu ihrem einzigen Ideal erhebt, der anarchische Geist Carl Moors neben dem fröhlichen, stolz-sorglosen Gemüthe Egmonts, das heiße Blut Don Juans mit dem Spartanermuthe Zrini’s und die Freiheit lechzende Seele Marqui Posa’s mit dem Brutusstolze Berrina’s, Alles, was die Nation in Wort, Lied und Wünschen barg, mischte sich zu jener furchtbaren todestrunkenen Schaar der schwarzen Gesellen, die unter Blücher, unter Lützow und York die Furien der Schlachten wurden, dem Teufel in die Zähne schlugen und lachend sich mit der Vernichtung selber vermählten, deren Banner getränkt war von Louisens Thränen, geweiht von den Seufzern Friedrich Wilhelms, umrauscht von Herders, Moritz Arndts und Schillers Skaldenklängen! – Theodor Körner, der Dichter, verließ Braut, Eltern und Heimath, um zu Lützows Schaaren zu stoßen, und grüßte den preußischen Adler mit dem Liede:

„Bald werd ich unter deinen Fahnen steh’n,
Bald werd’ ich dich im Kampfe wiedersehn,
Du wirst voran zum Sturm, zur Freiheit weh’n!
Und was dann immer aus dem Sänger werde,
Heil ihm, erkämpft er sich auch mit dem Schwerte
Nichts, als ein Grab in einer freien Erde! –“

Das war ein einziges Erheben, nicht erlebt seit Menschengedenken, und der Preis all dieses Opfermuthes war nur – ein Kreuz, ein Kreuz von Eisen zur Erinnerung an diese eisernen Zeiten! – Es war am siebzehnten März, zwei Tage nach dem allgemeinen Aufruf, als auf dem weiten Plane vor den Wällen des Schweidnitzer Thores zu Breslau ein gigantisches Schauspiel stattfand. Die freiwilligen Jäger des schlesischen Armeecorps sollten das erste Mal inspicirt werden und ein Theil der Truppen unter Blücher sofort in’s Feld rücken. Die weite Ebene, von der Landstraße nach Schweidnitz durchschnitten, ward rings von der Bevölkerung, den Freunden und Verwandten der jungen Krieger umgeben. Auf der einen Seite des Platzes standen die Freiwilligen, Infanterie und Cavallerie, eine lange, endlose, dunkelgrüne Linie, in der Mitte von einem schwarzen Streif unterbrochen, dem Lützow’schen Freicorps. Ihnen gegenüber, am andern Ende des Platzes, stand das reguläre Militair, die Garde, die Linien-Infanterie- und Cavallerie- Regimenter, Artillerie und Pioniere. Hell blitzten die Waffen, die Fahnen rauschten, – man erwartete den König mit seinem Gast, dem Kaiser Alexander von Rußland. In der Mitte des Plans hielt eine zahlreiche Suite von Generalen, die Adjutanten ritten hin und wieder, den einzelnen Commandeuren Befehle überbringend. Da bewegte sich von Kleinburg her, die Landstraße entlang, ein sonderbarer Zug. Vorauf ein Wagen mit Staub und Koth bedeckt, von vier Dorfkleppern gezogen, die keuchend dahertrabten, dahinter eine Schaar Reiter, bis an die Zähne bewaffnet, welcher drei offene Bauerwagen folgten, in denen, Schulter an Schulter, eine Masse Bursche saßen.

„Teufel, meine Herren, was ist das? Sehen Sie nur dort den Aufzug herkommen!“ rief Scharnhorst, eine große, ritterliche Gestalt, wie von Erz gegossen, und wendete den Rappen, mit der Hand nach der Straße deutend. Alle Generale folgten seinem Beispiele und richteten ihre Gläser nach der bezeichneten Gegend.

„Herr von Richthofen, sehen Sie nach, was es ist. – Bei Gott, von hier sehen die Leute wie eine Bande Zigeuner aus,“ sagte Blücher. Der genannte Adjutant gab seinem Pferde die Sporen, jagte über die Ebene, passirte die Truppenlinie und erreichte bald genug den Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. Von der Stadt der erscholl indeß Trommelwirbel. Eine Cavalcade glänzender Reiter ward unterm Thore sichtbar.

„Die Majestäten, meine Herren!“ rief Scharnhorst, setzte sein Pferd in Bewegung, und die Suite eilte dem Thore zu.

„Hurra!“ dröhnte es durch die Reihen. Die Truppen präsentirten, die Trommeln rasselten; „es lebe der König, es lebe der Kaiser Alexander!“, scholl es aus den Reihen der Zuschauer, und die Regimentsmusik spielte. Die Suite der Generale eilte, die Herrscher zu begrüßen und sich dem Gefolge anzuschließen. – Neben einander ritten langsam König Friedrich Wilhelm und der Kaiser von Rußland die Front herauf, gefolgt von den Prinzen des königlichen Hauses, den Prinzessinnen im offenen Wagen, dem General- Lieutenant Scharnhorst, dem Obristen Prinzen Biron von Curland, dem General-Feldmarschall Grafen von Kalkreuth, Staatskanzler v. Hardenberg, den General-Lieutenants v. Blücher und Kleist, den Grafen Tolstoy, Araktschejeff, Nesselrode, Balacjetschefs, dem General-Adjutanten von Natzmer, Oberstlieutenant v. Wrangel, Regierungschefpräsidenten von Merkel und vielen Adjutanten. – Während die Blicke aller Treuen an diesem glänzenden Zuge wie an dem Hoffnungssterne ihrer Zukunft hingen, sprengte der Adjutant von Richthofen von der anderen Seite her an Blüchers Seite und flüsterte leise mit ihm.

Blücher stutzte, dann lächelte er: „Element, das laß ich gelten!“ und seinem Pferde die Sporen gebend, brachte ihn eine halbe Volte aus der Suite und in die Nähe der Monarchen. Indem sich der General etwa zehn Schritte entfernt, aber in gleicher Linie mit den Majestäten hielt, legte er die Hand an den Tschako. Der König bemerkte ihn.

„Was haben Sie, Blücher?“

Blücher ritt heran. „Etwas, das Ew. Majestät königliches Herz recht freuen wird. Da ist nämlich tief aus dem Glatzer Gebirge eine alte ehrliche Haut von Gutsbesitzer gekommen und bringt uns zwanzig Mann Freiwillige ganz armirt zu Pferde und ein Paar Wagen Linienrekruten.“

„Zwanzig Mann zu Pferde? Blücher, Sie irren sich wohl! Manche Stadt bat nicht so viel gestellt!“ Damit hielt der König sein Pferd an.

„Und doch ist’s so, Majestät, mein Adjutant hat sie selbst gesehen. Sie halten auf der Straße jenseits der Linie.“

Der ganze glänzende Zug hielt still.

„Wenn Ew. Liebden lauter solche Patrioten hat, kann es uns nicht fehlen!“ rief Kaiser Alexander, „der Mann verdient, daß wir ihn sehen.“

„Lassen Sie ihn herankommen, Blücher, damit alle Truppen dies Beispiel der Aufopferung sehen!“ sagte der König.

Blücher legte die Hand an den Schirm, wandte das Pferd und eilte mit seinem Adjutanten der Straße zu. Die Majestäten mit ihrem ganzen Gefolge wendeten sich. Scharnhorst sprengte vor und winkte mit der Hand; die Tambours schwiegen. Eine seltsame Scene bereitete sich vor den Augen der Truppen. Blücher kam langsam zurück. Neben ihm schritt, auf den Stock gestützt, ein alter Herr in der Officiersuniform der ehemaligen Seydlitz-Dragoner, hinter ihm aber, fünf Mann hoch in vier Colonnen, mit gezogenem Säbel zwanzig freiwillige Jäger zu Pferd, commandirt von einem graubärtigen Knaben, der den Wachtmeister machte. In einiger Entfernung davon folgten etwa fünfundzwanzig bis dreißig Mann [691] verschiedenen Alters, ihr Bündel im Arm, drei und drei nebeneinander. Ein Gemurmel des Erstaunens lief durch das Gefolge. Die Monarchen sahen einander lächelnd an. Heber Friedrichs Antlitz zuckte es wie Wetterleuchten. Als das Häuflein auf etwa fünfzig Fuß heran gekommen, ward „Halt“ commandirt. Die Truppe hielt. „Präsentirt’s Gewehr!“ Sie salutirten. Blücher mit dem alten Officier kam auf einen Wink des Königs heran.

„Woher, mein Lieber?“

„Von Biebersdorf im Glatzer Gebirge, Majestät. – Wir sind alle Biebersdorfer!“

„Sie haben unter des hochseligen Friedrich II. Majestät gedient, seh’ ich. Ihr Name?“

„Detleff v. Bebran, Majestät. Ich war arm, als ich in des großen Königs Heer trat, Alles, was ich erworben, dank ich ihm, daher mein ich, ist’s recht, daß ich wiedergebe in solcher Zeit, was ich kann. Die jungen Leute sind schon etwas geschult, Majestät, freilich nur in der alten Weise, auch bitte ich um Verzeihung, daß ich sie nicht eher schicken konnte.“

Der König nickte stumm, kaum konnte er seine Rührung verbergen. „Wer ist der Graubart, der die Leute führt?“

„Mein alter Reitknecht Rösler. Hat die Campagne mit mir zusammen gemacht. Er will auch gern mit und das junge Volk zusammenhalten, wenn nämlich Ew. Majestät gnädigst geruht, daß sie beisammen bleiben dürfen. Des alten Sohn, Lorenz, ist ebenfalls dabei, und der Erste da auf dem Flügel ist mein Pflegesohn, Gottlieb Trautmann, welcher Theologie studirt hat. Die andern Alle sind meine Leute und Insassen!“

„Die Rekruten da hinten auch?“

„Ja, Majestät!“

„Wie viel hat Biebersdorf gestellt?“

„Fünfzig Mann auf tausend Seelen, beide Dörfer zusammengerechnet!“

„Bei Gott, das ist viel!“ rief der Kaiser.

König Friedrich Wilhelm ritt hastig an die Freiwilligen heran und musterte sie. „Tadellos!“ murmelte er. Alexander folgte. „Ihr sollt mir beisammen bleiben, Kinder, und ich will hoffen, daß die Biebersdorfer von sich hören lassen im Felde. Seht auf den Alten, Rösler heißt er ja wohl, der wird’s euch vorthun. Wo ist der Theologus?“

Gottlieb Trautmann rückte mit seinem Pferde einen Schritt vor.

„Nun,“ lächelte der König, „wenn Du in der Bibel und im Bügel recht fest bist, mein Sohn, kannst Du’s wohl noch zum Superintendenten bringen, wenn wir erst glücklich wiederkommen.“

„Wenn Ew. Majestät nur zu seinem Recht kommt, und wir nach Paris, soll mich der Superintendent nicht kümmern, mit Erlaubniß.“

„Aber mich. Du bist ein braver Junge. Wir sehen uns – nach der ersten Schlacht!“ Darauf grüßte der Monarch die Leute und wendete sich mit tiefer Rührung zu dem Kaiser, dann schaute er rings um sich her.

„Meine Herren, wo solche Herzen im Lande schlagen, muß es uns gelingen!“

„Amen!“ sagten die Generale, und unwillkürlich drängte sich die Suite um die Monarchen. Der König aber wandte sich zu Blücher: „Leihen Sie mir Ihr Verdienstkreuz!“ – Blücher löste von seinem Halse das gewässerte Band, an dem das blaue Kreuz hing, und überreichte es dem Monarchen. Der König nahm es, beugte sich vom Pferde nieder und legte den Schmuck in Bebrans zitternde Hand. – „Pour le mérite, mein Braver! Gott erhalte und segne Sie! – Generaladjutant von Natzmer, notiren Sie mir Herrn Detleff v. Biebersdorf. – Blücher, Sie haben mir aber ein scharfes Auge auf die Biebersdorfer.“ – Da reichte Czar Alexander dem wackern Bebran die Hand.

„Es lebe der König und das Vaterland, es lebe Alexander!“ rief der alte Degen.

„Es lebe der König, es lebe der Kaiser!“ riefen die Generale, und die Begeisterung packte in rasendem Fluge die Reihen, ein Jubel, ein Vivat brauste durch die Linien, und ward vom Volke jauchzend wiederholt! – Die Majestäten, die Prinzen und Generale zogen grüßend an Bebran vorüber, Blücher blieb zurück.

„Mein lieber Herr von Bebran, die jungen Leute werde ich gleich einstellen; um zwölf Uhr Mittags rücken wir zum Nicolaithor aus. – Haben Sie irgend noch einen Wunsch?“

„Ich, General? Keinen,“ sagte Bebran erschüttert, „nur – daß Sie mir die Jungens nicht schonen!“

Blücher faßte ihn bei der Hand. „Herr von Bebran, die Biebersdorfer sollen an mir einen Vater haben, der Himmel erhalte Sie gesund, bis wir Alle wiederkommen!“ Darauf ertheilte er wegen der Biebersdorfer an den Adjutanten einige Befehle, gab dem Pferde die Sporen und eilte dem königlichen Gefolge nach.

Herr von Richthofen brachte darauf Rösler mit seiner Schaar zu einem Detachement reitender Jäger, deren Führer er sie anvertraute, geleitete Bebran zu seinem Wagen und ließ die Rekruten hinter die Linie eines Infanterieregiments treten, wo ihnen ein Unterofficier beigegeben wurde. Bebran ließ seinen Wagen hinter den Zuschauern Posto fassen und eilte, sich in die Nähe des Detachements zu stellen, wo Rösler mit Trautmann und den Seinen stand, und überließ sich, selig und stolz auf die Zierde seiner Brust, dem Glanz und der Begeisterung des militärischen Schauspiels.

Er hatte von ihnen und auch ganz besonders noch von der Freude seines Lebens, von Trautmann, Abschied genommen, der ihm in der Nacht schon bis Schidlakwitz entgegen gekommen war. Er empfing dabei zugleich auch den Schlüssel von dessen Studirstube und versprach, seine Bücher und Sachen in Verwahrung zu nehmen, bis Gottlieb glücklich heim komme.

Die Inspection war zu Ende. Blücher und Gneisenau nahmen das Commando, die Linien, schwenkten ein, die Detachements der Jäger rückten in die Lücken der Regimenter, das Defiliren begann unter rauschenden Klängen der Feldmusik.

Das eigenthümliche Ereigniß mit Bebran war im ganzen Gefolge, unter allen Generalen und Commandeuren bekannt geworden. Als die Blücherschen Husaren mit ihrem Detachement reitender Jäger vorbei zogen, Rösler am äußersten Flügel, sagte der König: „da sind auch die Biebersdorfer. Gott gebe, daß sie so gut fechten, wie sie aussehen!“ Darauf bildeten die Truppen, welche zum Ausmarsch bestimmt waren, ein großes Quarree, und schmetternd zog das Lied „eine feste Burg ist unser Gott“ zum sonnenhellen Himmel. Ernst und glühend ermahnte der Feldprediger die kriegerischen Söhne des Landes, „dem Feinde die Stirn zu bieten, daß die Heimath frei werde!“ Nun kam die Abschiedsstunde. Während die Monarchen die übrigen Truppen den Parademarsch machen ließen, ward der fortziehenden Schaar ein „Rührt euch“ commandirt. Die Angehörigen, Freunde und Gattinnen drängten sich in die Reihen zu einer letzten Umarmung und schmückten mit Blumen und Eichenkränzen die begeisterten Soldaten.

„Wenn ihr mir eine frohe Sterbestunde machen wollt, Kinder,“ sagte Bebran, „so haltet euch brav. Seid tapfer, wo ihr Waffen blinken seht, Brüder unter einander und menschlich mit Weibern und Kindern. Die Euren daheim sollen nickt darben. Du aber, mein lieber Sohn,“ und er umarmte Trautmann, „denke, daß du in mir einen zweiten Vater zurückläßt, und seh’ ich dich wieder, glänzt gar das Eisenkreuz auf deiner Brust,“ dann, Gottlieb, hast du mir alle Wohlthaten reichlich vergolten, die ich dir erwies! Leb wohl! Auch du, alter Knabe, leb’ wohl, hab’ Acht auf die Leute!“ Damit schüttelte er Rösler, dann Lorenz und allen Uebbrigen die Hände. „Gott behüt’ euch, Kinder!“

„Gott segne Sie!“ rief Trautmann bewegt.

„Gott segne unsern Herrn!“ riefen weinend die Leute.

Bebran eilte hastig hinweg, er wollte seine Bewegung nicht blicken lassen. Rasch bestieg er den Wagen und fuhr nach der Stadt. Der Parademarsch der ausziehenden Regimenter erfolgte. Alle übrigen Truppen präsentirten vor ihnen. „Vivat!“ dröhnte es durch die Reihen. „Hurrah!“ antworteten die Andern im Vorüberziehen.

Die Monarchen an der Spitze, von Blücher geführt, rings umwogt von der Masse, zogen die Krieger durch die Stadt, die Schweidnitzer Straße entlang, über den Ring, die Nicolaistraße hinab. Alle Glocken klangen von den Thürmen, die Tücher der Frauen wehten, es rauschten die Banner, Blumen, Segenswünsche und Thränen fielen rings um sie nieder! Ein Taumel hatte die Herzen erfaßt, ein Todesmuth, wie Sparta’s Jugend je besessen! So zogen sie zum Thor hinaus. Die Majestäten grüßten zum Abschied. „Lebet wohl!“ dröhnte es hinterher aus dem zurückbleibenden Volke. Als sie draußen auf der Ebene waren, begann die Feldmusik eine fröhliche Weise.

„Jungens,“ sagte der alte Rösler, „nun denkt nicht mehr an daheim!“ Seid lustig, Schwerenoth!“ und er begann mit voller Kehle:

„Kein schönrer Tod ist auf der Welt,
Als wer auf grüner Haide fällt!“



[692]
Blätter und Blüthen.

Schiller’s Räuber. Vor etwa dreizehn Jahren starb zu Mainz in hohem Alter Wilhelm Ehlers. Dieser Mann hatte ein vielbewegtes Leben geführt. Er war aus Hannover gebürtig, besaß eine wunderschöne Tenorstimme und im Vortrage Goethescher Lieder ist ihm kein Anderer gleichgekommen. Zu Anfang unsers Jahrhunderts lebte er in Weimar und Goethe erwähnt seiner mit Auszeichnung. Oft mußte er bis tief in die Nacht hinein bei dem Dichter bleiben und demselben Romanzen zur Guitarre singen; dabei war Goethe ganz außerordentlich aufmerksam, wiegte zum Zeichen des Beifalls den Kopf hin und her, indem er die Augen geschlossen hielt, gab aber dem Sänger auch wohl dann und wann eine Anweisung über Ausdruck und Betonung einzelner Stellen. Ich vergesse die Abende nicht, an denen Ehlers, als er schon nahe an den Siebenzigen war, in einem Freundeskreise zu Mainz, vor neunundzwanzig Jahren, Goethesche Lieder nach Zelters Composition vortrug. Der Alte hatte nicht vergessen, daß er einst auf der Bühne mit Lorbeeren überschüttet worden war; es machte ihm Freude, bei Familienfesten in der Tracht eines Barden zu erscheinen. Dann war er unermüdlich im Vortrag bis spät in die Nacht hinein, nach jedem Becher perlenden Weines stammte er wieder ein Lied an, und in den Pausen erzählte er uns von den „herrlichen Tagen in Weimar“ und von seinem Verkehr mit Schiller und Goethe. Den Band, in welchem der Letztere des Sängers erwähnt, trug dieser als eine theure Reliquie stets bei sich; und nicht selten, wenn er wußte, daß in dem Freundeskreise ein Fremder erschien, brachte er auch die Briefe mit, welche die beiden Dichter an ihn geschrieben. Er befand sich nicht in glänzenden Umständen; zu Pesth in Ungarn war er vom Schnürboden gefallen und hatte ein Bein gebrochen, zu Amsterdam in Holland , wo er Theaterdirector gewesen, mußte er die Zahlungen einstellen. Aber seine letzten Lebenslage waren ruhig und durch seines Schülers Meyerbeer Güte ganz sorgenfrei. Aus seinem Nachlaß konnten wir ihm über seinem Grab eine Säule errichten.

Eines Abends, als« der Freundeskreis das Fest der Bohnenkönigin feierte, und in ungewöhnlich heiterer Stimmung war, fehlte unser „Barde“, für welchen an jenem Tag ein festliches Gewand und ein Barett mit Federn bereit lagen. Er ließ doch sonst nicht lange auf sich warten. Wo mochte er nur bleiben? Endlich erschien er, in feierlicher Stimmung; offenbar hatte er etwas auf dem Herzen. Aber er sang, und begeisterter, kräftiger, als wir je von ihm gehört hatten; bei Tische bat er um’s Wort, zog dann ein Päckchen hervor und erzählte, daß er kürzlich in Mannheim gewesen sei. Dort habe er im Nachlaß eines Schauspielers der alten Schule (er betonte diese Worte) einen Komödienzettel über Schiller’s Räuber, und zwar von der ersten Aufführung gefunden. „Hier,“ sagte er, indem er das vergilbte Papier herumreichte, „lesen Sie die Namen von Böck als Karl, Iffland als Franz Moor, Beil als Schweizer, Beck als Kosinski, und hier, was Schiller dem Publicum über seine Räuber zu sagen hatte.“

In aller Stille war Ehlers mit dem Originalzettel zu einem Buchdrucker gegangen, der ihm möglichst genaue Abdrücke besorgen mußte. An jeden der Anwesenden vertheilte er ein Exemplar, und das meinige stelle ich hiermit der geehrten Redaction der Gartenlaube zu Gebot. Der Zettel ist vom 13. Jänner 1782 datirt und hat die eigenthümliche Bemerkung: „das Stück spielt in Deutschland im Jahre, als Kaiser Maximilian den ewigen Landfrieden für Deutschland stiftete.“

Jedenfalls noch interessanter ist Schiller’s Ansprache an das Publicum, die er – als Placat gedruckt – an die Ecken anschlagen und am Theater vertheilen ließ. Sie klingt fast wie eine Entschuldigung und lautet wörtlich:

Der
Verfasser an das Publikum.

Die Räuber – das Gemählde einer verirrten großen Seele – ausgerüstet mit allen Gaben zum Fürtrefflichen, und mit allen Gaben – verloren – zügelloses Feuer und schlechte Kammeradschaft verdarben sein Herz, rissen ihn von Laster zu Laster, bis er zulezt an der Spize einer Mordbrennerbande stand, Gräuel aus Gräuel häufte, von Abgrund zu Abgrund stürzte, in alle Tiefen der Verzweiflung – doch erhaben und ehrwürdig, gros und majestätisch im Unglück, und durch Unglück gebessert, rückgeführt zum Fürtrefflichen. – Einen solchen Mann wird man im Räuber Moer beweinen und hassen, verabscheuen und lieben.

Franz Moor, ein heuchlerischer, heimtückischer Schleicher – entlarvt, und gesprengt in seinen eigenen Minen.

Der alle Moor, ein allzu schwacher nachgebender Vater, Verzärtler, und Stifter vom Verderben und Elend seiner Kinder.

In Amalien die Schmerzen schwärmerischer Liebe, und die Folter herrschender Leidenschaft.

Man wird auch nicht ohne Entsezen in die innere Wirtschaft des Lasters Blicke werfen, und wahrnehmen, wie alle Vergoldungen des Glücks den innern Gewissenswurm nicht tödten – und Schrecken, Angst, Reue, Verzweifelung hart hinter seinen Fersen sind. – Der Jüngling sehe mit Schrecken dem Ende der zügellosen Ausschweifungen nach, und der Mann gehe nicht ohne den Unterricht von dem Schauspiel, daß die unsichtbare Hand der Vorsicht, auch den Bösewicht zu Werkzeugen ihrer Absicht und Gerichte brauchen, und den verworrendsten Knoten des Geschicks zum Erstaunen auflösen könne.


Zu Schiller’s Jubelfeier.

Die deutsche Schillerstiftung an die Deutschen. Am heutigen Tage hat sich die Deutsche Schillerstiftung constituirt zu dem in §1 der Satzungen ausgesprochenen Zwecke: „Deutsche Schriftsteller und Schriftstellerinnen, welche für die Nationalliteratur (mit Ausschluß der strengen Fachwissenschaften) verdienstlich gewirkt, vorzugsweise solche, die sich dichterischer Formen bedient haben, dadurch zu ehren, daß sie ihnen oder ihren nächstangehörigen Hinterlassenen in Fällen über sie verhängter schwerer Lebenssorge Hülfe und Beistand darbietet.“ – „Sollten es die Mittel erlauben, und Schriftsteller oder Schriftstellerinnen, auf welche obige Merkmale nicht sämmtlich zutreffen, zu Hülfe und Beistand empfohlen werden, so bleibt deren Berücksichtigung dem Ermessen des Verwaltungsrathes überlassen.“ – Die Constituirung dieser Stiftung fällt nahe zusammen mit dem hundertjährigen Geburtstage des unsterblichen Dichters, zu dessen würdiger, nationaler Feier, so weit die deutsche Zunge klingt, die großartigsten Vorbereitungen getroffen werden. Deutsche! Bei dem festlichen Klang jener Glocke, die in ewiger Höhe tönt, sammelt Euch, nicht blos um zu seinen Ehren ein begeistertes Gedächtnißfest zu begehen, sondern auch um ein bleibendes Denkmal werkthätiger Liebe für unsern volksthümlichsten Dichter auf alle Zeiten zu stiften. Wie er selbst gesungen:

Göttern kann man nicht vergelten;
Schön ist’s ihnen gleich zu sein.
Gram und Armuth soll sich melden,
Mit den Frohen sich erfreu’n,

so können wir auch ihm selbst nicht vergelten, wohl aber durch die mit seinem Namen geschmückte Stiftung den Dank keines Volkes dadurch abtragen, daß wir geistig Strebende, die von schwerer Lebenssorge heimgesucht sind, durch Beistand und Hülfe ehren. – Deutsche! Keinen Ort gibt es im Vaterlande, so abgeschieden von den großen geistigen Besitzthümern unseres Daseins, daß nicht Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen darin lebten, in denen die Dankbarkeit glüht für das, was Schiller uns Allen geworden. In der Fremde lebt kein Deutscher, dem nicht der Name Schiller ein heiliger Heimathsruf ist, so daß in diesem Namen eine Weihestimmung, einzig in ihrer Art, und ein Gesammtbewußtsein, aus so vielen Gebieten des öffentlichen Lebens schmerzlich vermißt, zur erhebenden Erscheinung kommt. – So tretet denn am 10. November zur Bildung von Schillerstiftungen überall zusammen; wo eine solche sich nicht gründen läßt, sammelt Beiträge, wo sich frohe Herzen zum Festmahle vereinigen, verkündet diese unsere Worte und laßt nach dem Festgruß für den Dichter durch die Hände Eurer Frauen und Jungfrauen Spenden der Liebe in Empfang nehmen. Wo Gesangvereine und Liedertafeln, wo Kapellen und Theater seinem Andenken huldigen, opfert ihm den Ertrag seines Ehrentages. – Und du, deutsche Jugend, in deren frische Herzen er die ersten Keime edler Begeisterung senkt, fehle auch du nicht in den Reihen der Opfernden. Die kleinste Gabe ist willkommen. – Auf Deutsche! Laßt uns ein Beispiel geben zur Ehre für uns und unsere Nachkommen, daß der Freude schöner Götterfunken, der Begeisterung Flamme, nicht wirkungslos verlodere, sondern daß die hundertjährige Jubelfeier von Schiller’s Geburt als der Geburtstag der in seinem Namen gegründeten Stiftung ein Lichtpunkt sei und bleibe, tröstlich hineinleuchtend in die Nacht der Sorge und der Noth.

Die bis jetzt bestehenden Schillerstiftungen befinden sich in: Berlin, Breslau, Coburg, Darmstadt, Dresden, Frankfurt a. M., Gratz, Hamburg, Leipzig, München, Nienburg, Nürnberg, Offenbach, Stuttgart, Weimar (als Vorort für die nächsten fünf Jahre gewählt, Wien.

An eine derselben wollen die Beiträge für die Stiftung eingesandt werden.

     Dresden, den 10. October 1859.


Die constituirende Versammlung der Deutschen Schiller-Stiftung:

Dr. Berthold Auerbach aus Dresden. Dr. Ludwig Blum aus Stuttgart. Dr. Ludwig Braunfels aus Frankfurt a. M. Heinrich Brockhaus aus Leipzig. Geh. Medicinalrath Dr. Karl Gustav Carus aus Dresden. Generalintendant Dr. Franz Dingelstedt aus Weimar. Dr. Johann Georg Fischer aus Stuttgart. Dr. Ernst Förster aus München. Advocat Adolar Gerhard aus Leipzig, Dr. Karl Gutzkow aus Dresden. Professor Dr. Friedrich Haase aus Breslau, Dr. Julius Hammer aus Dresden, Dr. Gustav Haubold aus Leipzig. Graf Stanislaus Kalckreuth aus Weimar, Dr. Moritz Lazarus aus Berlin. Generalconsul Ernst Merk aus Hamburg. Hoftheaterregisseur Ferdinand Pirscher aus Darmstadt. Karl Rick aus Wien. Major Serre auf Maxen aus Dresden. Karl Voigt aus Weimar. Staatsminister a. D. Dr. Ernst von Wietersheim aus Dresden, Dr. Friedrich Zabel aus Berlin, Dr. Georg Zimmermann aus Darmstadt.



Verlag von Ernst Keil in Leipzig – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Unter diesem Titel werden wir eine Reihe Skizzen aus dem häuslichen Leben bringen. Daß es dem Autor dabei nicht nur um Unterhaltung, sondern um Durchführung eines moralischen Grundgedankens zu thun ist, der vorzüglich belehrend wirken soll, werden unsere Leser bald herausfühlen.
    D. Red.
  2. Probe aus dem demnächst erscheinenden neuen Romane von Brachvogel: „Benoni.“