Die Gartenlaube (1880)/Heft 11

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Ernst Ziel
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Entstehungsdatum: 1880
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[169]

No. 11.   1880.
Die Gartenlaube.

Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich bis 2 Bogen.    Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.



Alle Rechte vorbehalten.
Der Weg zum Herzen.
Erzählung von Robert Byr.
(Fortsetzung.)


Lisa starrte mit weitgeöffneten Augen ihren Gatten an.

„Der Ruin – der vollkommene Ruin ist also unvermeidlich?“ fragte sie beklommen.

„Das ist er.“

Wer das so kurz und trocken sagen konnte, wie kalt und herzensleer mußte der sein! Mit Widerwillen wendete sich Lisa ab.

„Und nichts zu retten?“ fragte sie nochmals.

Seine Antwort klang fast verwundert:

„Doch! Ich sagte Dir ja bereits: will's Gott, die Ehre.“

„Aber Du sprachst von Gerichten?“ entgegnete sie stockend. „Von einer Verantwortung Heinrich's – die Gesetzesübertretungen –“

„Sind bis jetzt nur ihm, mir – und Dir bekannt,“ fiel er mit feierlicher Mahnung ein.

Sie drückte die Hände vor die Augen.

„Armer Heinrich!“

Wieder zeigte sich ein Schimmer von Theilnahme in Witold's Blick, nur daß dieser jetzt noch viel weicher, viel freundlicher auf der Weinenden ruhte. Das Herz, das sich gestern noch so unschwesterlich und hart gezeigt, hatte heute doch Thränen, die auch einem andern als dem eigenen Schicksale galten, und jeder dieser heißen Tropfen wusch aus Witold's Seele einen Buchstaben des strengen Verdammungsurtheils, das er über dieses anscheinend so lieblose Gemüth gefällt, hinweg.

Er störte sie nicht in ihrem Schmerz und um die eingetretene Gesprächspause auszufüllen, nahm er einen Schluck des erkalteten Kaffees. Der Klang der wieder niedergestellten Tasse erregte Lisa peinlich.

Wie gleichgültig ihm das Alles war! Er konnte an Speise und Trank denken, während von dem Ruine ihrer Familie die Rede war. O die Selbstsucht, dieses häßlichste aller Laster!

Sie trocknete die Augen und fragte in herbem Tone:

„Kann etwas geschehen, um zu verhüten, daß diese – diese gefährlichen Dinge weiter bekannt werden?“

„Ich hoffe es.“

„O, wenn es durch ein Geldopfer zu erreichen ist, so muß Alles gethan werden. Ich bin bereit, auf mein Vermögen zu verzichten.“

„Das wolltest Du?“

Der Ausruf klang so seltsam, so froh.

„Du kannst noch fragen?“ Sie richtete sich stolz und entschlossen auf: „Meinst Du, daß ich so sehr an diesem elenden Mammon hänge, seinetwegen meines Bruders und unser Aller Ehre, seine und seiner Kinder Existenz hinzugeben? Ich könnte allenfalls gegen kleine Fatalitäten gleichgültig bleiben, könnte einigen Einschränkungen, die meine Schwägerin treffen möchten, mein Mitleid versagen, vor einem so großen Unglücke aber kann ich nicht kaltblütig auf meinem sicheren Platze stehen bleiben und schadenfroh sagen: 'Warum habt Ihr Euch nicht besser vorgesehen?' Wer das vermag, wenn es sein eigenes Blut betrifft, verdient ein Stein zu werden. Ich bin nie habsüchtig gewesen und will gern die Hälfte und mehr von dem hingeben, was ich besitze; möge das Geld wenigstens dort Segen stiften! Für mich war es ja doch nur – ein Fluch.“

Sie hatte sich in immer höhere Erregung hineingesprochen, ja sogar das leise Geräusch im anstoßenden Zimmer überhört, das Witold mit scharfem Ohre deutlich vernommen und dem er nun sofort nachging. Lisa, deren Redefluß durch sein Aufstehen unterbrochen ward, mußte annehmen, daß er ihr damit ein Zeichen geringschätziger Nichtbeachtung ihrer Worte zu geben gewillt sei, ihre Erbitterung schwand aber, als auf seine Frage, was sie da zu thun habe, Mina antwortete, daß sie nur anfragen wolle, ob die Frau Baronin später auszufahren beliebe und welche Toilette hierfür hergerichtet werden solle.

Er schickte die Kammerjungfer mit gemessenem Bescheide fort und ließ die Thür zum Schutze gegen jeden Horcher offen.

„Ich werde diese freche Spionin aus dem Dienste schicken,“ rief Lisa so laut, daß die sich Entfernende es auf der Schwelle noch hören mußte.

„Dazu wird sich Gelegenheit bieten,“ sagte Witold gelassen.

Er trat in die Fensternische, wo er mit dem Kinde gestanden. Seine Frau folgte ihm dahin; sie glaubte zu verstehen, was er meinte – man war dort vor Belauschung sicherer.

Beide lehnten an dem Fensterbrett, sodaß sie sich nur das Profil zuwandten.

„Ich hoffe,“ begann Lisa wieder, „Du hast auch ohne specielle Ermächtigung meine Bereitwilligkeit ausgesprochen, Alles zu thun, was zur Ordnung der Angelegenheit beitragen kann.“

„Das durfte ich nach Deinen gestrigen Worten denn doch nicht wagen. Mir steht kein Bestimmungsrecht über den Dir besonders vorbehaltenen Vermögensantheil zu; ich darf nur über jene Hälfte verfügen, die Du als Mitgift zur gemeinsamen Nutznießung in's Haus brachtest und welche in meine Verwaltung überging.“ [170] Ein geringschätziges Lächeln verunschönte ihren sonst so lieblichen Mund.

„O, ich weiß, fiel sie ihm in's Worte „Dein Recht verbleibt Dir unbestritten.“

„Das nahm ich an und habe demgemäß gehandelt.“

„Es gelang Dir durch den Vorsprung, den Du Deinen Mitconcurrenten abgewonnen, Deine eigene Sicherstellung zu erreichen. Ich verstehe jetzt die Jagd.“

„Doch nicht so ganz. Um eine Sicherstellung Deiner Mitgift konnte es sich gar nicht handeln, da sie – wie Du vergessen zu haben scheinst – nicht gleich Deinem Erbe auf den Mühlen hypothecirt blieb, sondern in Baarem und Papieren mir eingehändigt wurde. Und diesem glücklichen Umstande verdanken wir heute die Rettung von der Schande. – Nicht doch, laß mich nur zu Ende kommen,“ unterbrach er sich, als Lisa Miene machte, ein Wort einzuwerfen. „Als ich gestern Sternberg erreichte, fand ich Heinrich niedergeworfen, rath- und fassungslos, als einen gelähmten, gebrochenen Mann, seine Frau neben ihm als eine geifernde Furie, die ihn mit den schneidendsten Vorwürfen überhäufte und dadurch nur noch tiefer beugte, statt ihn aufzurichten, ihm mit ihrer Liebe ein Tröpfchen Trost in seinen bitteren Leidenskelch zu mischen, wie es in solchem Falle eines Weibes schönste und edelste Pflicht wäre.“

Ein Seufzer entschlüpfte dem Erzähler, worauf er nur noch rascher, gleichsam um die hinterher bereute Stockung wieder auszugleichen, fortfuhr:

„Es hielt schwer genug, den armen geschlagenen Menschen nur so weit auf die Beine zu bringen, daß mir halbwegs zusammenhängende Auskunft wurde. Zu einer Einsicht in die Bücher war keine Zeit; denn schon fuhr jener Wagen, der mir gefolgt war, in den Schloßhof. Der erste Ausruf, als die Ankommenden gemeldet wurden, überzeugte mich, daß ich mich in meinen schlimmen Ahnungen nicht getäuscht hatte und Heinrich von diesem Besuche die nächste Gefahr drohte. Es blieb mir nur noch so viel Frist, um ihm die Mittel einzuhändigen, durch welche sie beschworen werden konnte. Auch war es gut, daß ich bei den nun folgenden Verhandlungen anwesend blieb; denn meine Gegenwart legte dem ziemlich ungestüm eingedrungenen Banquier einstweilen Zügel an, bis sich die anfängliche Rücksichtslosigkeit nach Befriedigung der erhobenen Ansprüche ohnedem wieder in das geschmeidigste Entgegenkommen verwandelte. Heinrich wäre in seiner gedrückten Stimmung dem brutalen Ansturm nicht gewachsen gewesen und hätte wahrscheinlich sofort die Flinte in's Korn geworfen. Einigermaßen consternirt über die flüssigen Fonds, wo sie eine leere Casse zu finden gehofft, schieden die Edlen mit den widerlichsten Dienstanerbietungen und Versicherungen von Freundschaft und Vertrauen. Ich sage absichtlich 'gehofft'; denn nach genauerer Untersuchung kann ich mich der Einsicht nicht verschließen, daß hier ein vielleicht in der Eile gereifter Plan vorlag, aus dem Ruin des Hauses mit geschicktem Zuge möglichst große Vortheile zu ziehen. Den Rest des Tages haben wir benutzt, um die Gefahr durch Deckung aller dringenden Posten vollends zu beseitigen. Das Schlimmste ist hoffentlich beschworen.“

„Und woher ist es Dir gelungen, die Mittel zu beschaffen?“

„Woher? Verwundert sah er sie an; dann setzte er mit der Trockenheit, als ob er einzelne Posten in einer parlamentarischen Berichterstattung über das Budget aufzähle, der gespannt Lauschenden aus einander: „Hunderttausend Gulden waren Deine Mitgift; davon wurden im Einverständniß mit Deinem Vater vierzigtausend zur Arrondirung und Verbesserung von Riefling verwendet. Sechszigtausend in Anlagepapieren hatte ich selbst unter Verschluß, das heißt die Talons, während die Actien der Sicherheit wegen deponirt worden sind. Dieses Packet hatte ich mit mir genommen; es wird für's Erste ausreichen.“

„O, das war klug,“ rief Lisa lebhaft. „Schaden wird hieraus ja nicht erwachsen und Alles wieder ersetzt werden.“

„Wieder ersetzt?“ Ein Lächeln glitt über sein kühles Gesicht, aus dem nicht Zweifel und Unglauben, sondern nur überlegenes Bewußtsein sprach. „Davon ist ein für alle Mal keine Rede mehr. Im Gegentheil, ich werde gezwungen sein, auch den größten Theil des in dem Gute steckenden Restes herauszuziehen. Es ist schuldenfrei, und wenn auch die Ameliorationen noch zu frisch sind, um schon in volle Wirkung getreten zu sein, so wird es mir doch nicht schwer fallen, eine ausreichende Hypothekanleihe darauf zu erhalten. Mein Obligo ist in Heinrich's Händen.“

Sie starrte ihn an, als hätte sie ihn nicht verstanden und bedürfte Zeit, erst Alles in sich zu verarbeiten, was sie vernommen. Dann verschlangen sich ihre Hände langsam, und sie so vor die Brust hebend stammelte sie:

„Das hast – Du gethan?“

„Nun ja. Dazu war ich, wie Du selbst zugestanden, berechtigt, auch wenn es, wie ich gestern fürchten mußte, Deinen Beifall nicht hätte. Es freut mich jetzt, nachträglich in der zuvor abgegebenen Aeußerung doch noch Deine Zustimmung gefunden zu haben.“

Sie preßte die Hände vor die Augen; sie glaubte in Scham versinken zu müssen. Wie stand sie diesem Manne gegenüber, der ihre hochklingenden Worte gleichmüthig hingenommen, zu stolz, um sich nur gegen den ihm vorgehaltenen Verdacht zu reinigen, der gehandelt, während sie mit ihren Gefühlen Staat gemacht, und der nicht dann erst zu einem Opfer sich aufgerafft hatte, als es schon zu spät war. Als ganz selbstverständlich hatte er es angesehen, sich selbst in die Bresche zu stellen und Alles hinzugeben für Diejenigen, zu denen er nur durch seine Heirath gehörte – durch diese Heirath!

Es war ihr, als müsse sie vor ihm hinknieen mit gefalteten Händen und ihm in reumüthiger Unterwerfung Abbitte leisten.

„Mein Schritt wird allerdings weitgreifende Folgen haben, an die Du Dich wirst gewöhnen müssen,“ fuhr er nach einer Weile, und diesmal in sorgenvollerem Tone, fort. „Eine Umgestaltung unserer Verhältnisse ist unerläßlich geworden. Die Einkünfte meines Gutes sind nicht zureichend für den Aufenthalt in der Stadt; ja, um nebenher die Verzinsung der Belastung aufzubringen, wird energische Arbeit nöthig sein. Uebrigens werde ich mich derselben mit voller Kraft hingeben können, da ich noch heute mein Mandat als Abgeordneter niederzulegen gedenke. Du kannst dann allmählich den Hausstand auflösen und vielleicht mit beginnendem Frühjahr –“ er zauderte ein wenig, als suche er nach dem rechten Ausdruck, ehe er schloß: „die Uebersiedlung in's Werk setzen.“

Sie wußte, wie schwer ihm diese Entsagung fallen mußte, und doch war es ein anderer Gedanke, der ungerufen zuvörderst in ihr auftauchte, der nämlich, daß sie jetzt kein Tauschobject mehr war, daß er, zurückgebend, was er empfangen, auch zurückfordern konnte, was er geboten, daß sie dann frei war und Herrin ihrer Zukunft. Ein leuchtendes Bild zeigte ihr einen Moment den Jugendgeliebten in den Farben ihrer Mädchenerinnerungen, doch sofort war das Bild auch wieder erloschen.

Sie erbebte; eine sonderbare Angst ergriff sie.

Sie mußte ihren Blick zu dem Manne vor ihr aufschlagen. Jetzt stand sie mit einem Male so hoch in seiner Schuld, daß sich die Last der Dankbarkeit nicht mehr mit zugedrückten Augen fortschieben ließ, und – seltsam genug – sie verlangte auch nicht mehr darnach. Es war eine Empfindung, die ihr wohltat, deren sie nicht enthoben sein mochte. Eine Erschütterung war über sie gekommen, mächtiger als je eine zuvor, und wie im Traumwandeln beugte sie sich unter deren Gewalt.

Forschend suchte sie in Witold's Augen zu lesen, bis die ihrigen sich mit Thränen füllten; dann reichte sie ihm schüchtern die Hand.

„Ich danke Dir!“ sagte sie bewegt.

Der sanfte Ton schlug wie etwas Ungewohntes an sein Ohr.

Ueberrascht, zweifelnd blickte er sie an; ein freudiges Aufleuchten ging über sein Gesicht, und dann faßte er schnell und bereitwillig die dargebotene kleine Hand, über die sich seine Finger kräftig schlossen.

„Du hast mir nichts zu danken,“ sagte er in herzgewinnender Einfachheit. „Ich erstatte nur zurück, was Dein Vater mir vorgestreckt. Es ist sein Name, der bedroht war.“

Sie zuckte. Sie wollte ihre Hand zurückziehen, er aber ließ sie nicht los.

„Immerhin aber freut mich Dein Dank,“ fuhr er wärmer, als sonst seine Sprechweise war, fort, „denn er hebt den letzten Druck von meiner Brust. Daß ich es Dir gestehe: ganz ohne Bedenken bin ich dem starken Gefühle, das mich so zu handeln drängte, doch nicht gefolgt. Ich mußte mich fragen, ob mein [171] formelles auch ein moralisches Recht sei, oder ob ich nicht vielmehr verpflichtet wäre, Dir diesen Rest Deines Vermögens zu retten, der genügt hätte, Dir wenigstens für Deine Person den Dir so lieb gewordenen Aufenthalt in der Stadt zu sichern.“

„Ich werde ihn kaum vermissen,“ bemerkte sie leise und zur Erde blickend. „Vielleicht weniger als Du das Aufgeben Deiner politischen Thätigkeit, und wenn es möglich wäre – vielleicht ohne die Last eines Hausstandes –“

„Laß das!“ unterbrach er sie wohlwollenden, aber bestimmten Tones, und dann fügte er weicher, beinahe wehmüthig hinzu: „Vielleicht wird uns der Abschied minder schwer, wenn wir so Hand in Hand fortgehen.“ Sie fühlte den herzhaften Druck, der die Beziehung der Worte noch deutlicher machte: waren doch Jahre vergangen, seit dieses Freundschaftszeichen aus ihrem Verkehr verbannt geblieben. Auch sie erwiderte den Druck, als sie aber das gesenkte Auge befangen zu ihm erhob, gebrach es ihr doch am rechten Muthe über die Vergangenheit zu sprechen. Auch war er selbst zu sehr mit der Gegenwart beschäftigt, um ihr dazu Raum zu lassen. Seufzend sagte er: „Ich wollte, Deine Geschwister nähmen ihr Opfer so leicht auf sich wie Du das Deine.“

„Meine Geschwister?“

„Sie sind bis zu ihrer Volljährigkeit gleich Dir an Heinrich, der ihr Vormund ist, und an das Geschäft gewiesen. Widerspricht eins von Euch der Liquidation oder dem Verkaufe aus freier Hand, so wird das Gericht den Concurs in die Hand nehmen, und dann ist die Revision der Bücher unvermeidlich.“

„O, so laß uns doch keinen Moment zögern!“ fiel Lisa erregt ein, und jetzt preßte sie seine Hand zwischen ihre beiden. „Hilf mir, daß wir nicht scheitern! Schicke zu Richard, und wenn er, wie ich fürchte, schon nach Sternberg abgereist ist, so will ich ihm sofort nachreisen. Bis morgen kann ja hier Alles angeordnet sein. Ich gehe gleich jetzt daran.“

Sie nickten einander zu und trennten sich.




5.

Ueber dem weiten Hügellande lag eine frische Schneedecke; noch immer fielen so dichte Flocken, daß der Kutscher und das Lederdach des langsam auf der Straße sich fortbewegenden Schlittens schon von einer weißen Kruste überzogen waren. Die Pferde, plumpe und dabei abgemagerte Proletarier, arbeiteten sich nur mühsam vorwärts und nickten stoisch zu den ihnen zeitweise von ihrem Meister zugebrummten Flüchen.

Jetzt hoben sie plötzlich die gesenkten Köpfe; die Schellen schienen einen lauteren Ton anzunehmen, weil der vorhin frei austönende Klang nun von den Wänden eines Fichtenwaldes abprallte, in den sie einfuhren. Die Schneewehen, welche auf der offenen Straße mitunter meterhoch quer über dem Wege gelegen, hatten nunmehr ein Ende, und als ob den Gäulen die Annehmlichkeiten der glatteren Bahn recht klar gemacht werden sollten, flog die Peitsche in eindringlicher Aufmunterung über sie hin, worauf es in rascherem Tempo vorwärts ging.

Die einzige Insassin, welche sich, dicht in Pelze gehüllt, in die Ecke des alten auf Kufen gestellten Wagengehäuses drückte, achtete nicht auf die lebhaftere Gangart der Pferde, wie sie auch zuvor der Verzögerungen, des zeitweiligen Schwankens und Steckenbleibens kaum inne geworden. Sie hatte keine Eile; Zweck und Ziel ihrer Fahrt waren beinahe ihrem Gedächtniß entschwunden und tauchten nur ab und zu vor ihr auf, etwa wie durch das gleichmäßig treibende Geflocke dann und wann ein an der Straße stehendes Haus, ein Bildstock, ein Wegweiser zu ihr hereinblickte, um gleich wieder zu verschwinden. Sie sah in das Schneegestöber hinaus, bis Schwindel sie erfaßte und sie die Augen schließen mußte. Ihr war gewesen, als sei sie emporgehoben, immer höher und höher, endlos bis in die Ewigkeit – sie allein; alles Andere blieb zurück, und so schwebte sie aufwärts in furchtbarer erstarrender Einsamkeit.

Sie schauderte trotz der warmen Kleidungsstücke und Decken. Es waren kostbare Pelze, die man in dem elenden Fuhrwerk nicht gesucht haben würde. Wie seltsam nahm sich der zarte Flaum des Edelmarders neben diesem verschrumpften Leder, dem zerfetzten Sitze und der über rissige Bretter hingebreiteten Strohschicht aus, durch die der kalte Wind zog!

Es war, so viel sie sich erinnerte, das erste Mal in ihrem Leben, daß sie in einem solchen Miethgefährte saß. Von Kindheit auf an Luxus gewöhnt, hatte sie immer eine elegante Equipage zur Verfügung gehabt; die feurigsten Gespanne waren ihr nicht schnell genug gewesen. War diese Fahrt ein Symbol für den Wechsel ihres Lebens, eine bedeutungsvolle Mahnung an die Gestaltung der Zukunft?

Warum hatte ihr Gatte nicht dafür gesorgt, daß sie von Sternberg aus abgeholt wurde? Warum hatte er, da er die erbärmliche Verfassung des telegraphisch bestellten Fuhrwerks sah, ihr nicht das ihn erwartende, von Riefling herübergekommene Gefährt zur Verfügung gestellt?

Selbst Gretchen hatte daran Anstoß genommen, daß Mama in die „häßliche schwarze Schachtel“ stieg, und ängstlich gefragt, warum dieselbe nicht auch in dem schönen rothen Schlitten mitfahren dürfe. Doch er schien die Frage zu überhören und hatte das Kind nur angeeifert, Mama Adieu zu sagen.

Ach, das war ja nicht das Einzige, war das Mindeste, was die jüngste Vergangenheit ihr an quälenden Räthseln aufgegeben hatte. Warum ließ ihr Gatte sie überhaupt mit einem Male allein nach Sternberg fahren, während er selbst mit Gretchen sich direct nach Riefling begab? Warum war sein ganzes Wesen seit diesem Morgen in so beängstigender, unerklärlicher Weise verwandelt? Der gestrige Tag hatte doch so beglückend, so hoffnungsvoll geschlossen! Von dem Momente an, wo sie Hand in Hand am Fenster gestanden und er der Hoffnung Worte geliehen, daß sie hinfort auf ganz andere Weise ihren Lebensweg verfolgen würden, hatten sie freilich nur wenig mit einander gesprochen. Jedes hatte die Stunden zu gleichem Zwecke, wenn auch in verschiedener Richtung, benützt: es galt, rasch die Vorbereitungen zur Reise zu treffen. Die flüchtige halbe Stunde am Abendeßtische, während welcher Gretchen plauderte und der servirende Diener ab- und zuging, hatte keine Anlaß zu neuem Aussprechen geboten; nur einige allgemeine Bemerkungen über inzwischen getroffene Maßregeln waren so nebenbei ausgetauscht worden. Ernst und von Sorge in Anspruch genommen, wenn auch nicht gerade kummervoll, sah Witold allerdings dabei aus, und er entschuldigte auch seinen baldigen Aufbruch mit einer Reihe noch zu erledigender Geschäfte und hauptsächlich parlamentarischer Arbeiten, die in seine Hände gelegt waren und nun noch geordnet und übergeben werden mußten. Doch bei all dem war in seinem Benehmen und selbst in den wenigen Worten, die er sprach, eine gewisse Offenheit und Wärme nicht zu verkennen gewesen, von denen sich Lisa eigenthümlich wohlthuend berührt fühlte.

Ueber Nacht aber war ein Frostreif gefallen, unter dem alles jungtreibende Leben erstarrt schien.

Die frühe Stunde, zu der sie Beide mit dem Kinde das Haus verließen, die Hast des Aufbruchs, die Unruhe bis zu denn Augenblicke, wo man die Plätze im Eisenbahnzuge eingenommen, verhinderten Lisa die Veränderung zu bemerken. Dieses ungewohnte Aufraffen zu einer in dieser Jahreszeit eigentlich noch nächtlichen Fahrt und die Nachwehen der durchwachten letzten Nächte machten sich in Erschöpfung und überwältigendem Schlafe geltend. Auch Gretchen war bald wieder eingeschlummert, schon war ein großer Theil der Reise zurückgelegt, als die Beiden erwachten und in den scheinbar noch immer dämmerigen Morgen und das dichte Flockengewimmel hinaussahen.

Während Gretchen sich jedoch der Lust daran freute, fiel Lisa's Blick auf den ihr gegenüber Sitzenden, und sie erschrak über die Blässe seines Gesichts und den finsteren harten Ausdruck in demselben, über das tiefliegende und geradezu feindselig auf sie gerichtete Augenpaar. Waren das dieselben Augen, die gestern so wunderbar bewegt und in die Seele dringend auf sie geschaut?

Er wendete sich wohl sofort zur Seite, als er ihrem Blicke begegnete, aber in seinem Gesicht ging keine Wandlung vor sich, und sein ganzes Wesen war eiskalt. Endlich hatte sie dann auch das peinlich Ueberraschende erfahren, daß ihre Voraussetzung, sie würden mit einander nach Sternberg fahren, eine irrige war.

Mit kurzen Worten, durch immer schüchterner werdende Bemerkungen von ihrer Seite veranlaßt, gab Witold bruchstückweise die Erklärung ab, daß er nicht die Absicht habe, sie nach Sternberg zu begleiten; ihre Mission daselbst betrachte er als eine innere Frage der Familie, die ihn weiter nicht betreffe. [172] Dem Kinde thue es jedenfalls am besten, sobald als möglich wieder unter Dach und Fach zu kommen; bei der Großmutter werde es ausreichende Fürsorge finden.

Das alles klang so sonderbar. War die Reue doch noch über den so plötzlich aus seiner ganzen Laufbahn geworfenen Mann gekommen, und die fruchtlose Erkenntniß, daß er mit seinem Edelmuthe sich übereilt? Dann war freilich die natürliche Folge, daß er mit dem gebrachten Opfer genug gethan zu haben glaubte und sich kalt, ja mit innerlichem Widerwillen von Allem, was ihn in diese Lage gebracht und was ihn daran erinnerte, abwandte. Mochte nun jeder sehen wo er bleibe; er hatte sich losgekauft.

Sie belächelte im Stillen ihr Gespenstersehen, das half aber nur über Secunden hinweg; das Unbehagen stellte sich wieder ein, als ihr immer wieder dieselbe eisige, ablehnende Kälte, dieselbe beinahe verletzende Wortkargheit begegnete. So schlimm war es ja die ganzen Jahre ihrer Ehe her nicht gewesen. Zum wenigsten hatte sie das Bewußtsein, diesmal unschuldig daran zu sein. Sie gab es auf, dem Gatten mit ihren Fragen lästig zu fallen, und richtete ihre Worte nur noch an das Kind, das sich, wie in instinctivem Bestreben bemühte, die der Mama versagte Freundlichkeit durch seine rührenden Liebkosungen zu ersetzen.

So war unvermuthet die Station erreicht, von welcher der Weg über Land fortgesetzt werden mußte, und es kam die Trennung.

„Ich möchte aber mit Mama gehen,“ hatte die Kleine gebeten und darauf die barsche Antwort erhalten:

„Du bleibst bei mir!“

Auf seinen Armen hatte er dann das eingeschüchterte Kind, das sich nicht mehr an Mama zu klammern wagte, in den Rieflinger Schlitten getragen, wo er noch beschäftigt war, es einzuhüllen, als der Lohnkutscher drüben bereits seine Mähren durch Flüche und Peitschenhiebe in Bewegung setzte. Er schien sie ohne Abschied sich selbst überlassen zu wollen.

Und jetzt war noch ein letzter Zwischenfall gekommen, welcher der jungen Frau vollends einen so beklemmenden Eindruck hinterließ, daß sie sich von demselben nicht befreien konnte.

Witold's Stimme hatte dem davonfahrenden Kutscher nochmals Halt geboten; der sah sich verwundert um, was vergessen worden wäre. Es handelte sich aber nur um das kleine Mädchen, das Witold abermals herbeitrug.

Gretchen weinte und schlang voll Zärtlichkeit die Aermchen um Mamas Hals.

„Sie hat nur noch um einen Kuß gebeten. Ich hab's ihr nicht abzuschlagen vermocht. Armes Gretchen!“ erklärte Witold, und in seiner Miene malte sich nun doch auch eine vom Momente gerechtfertigte Bewegung.

Warum dieses tiefe Mitleid mit dem Kinde?

„Es ist ja nicht auf lange,“ tröstete die Baronin das Kind. „Behalte mich nur recht lieb!“ versuchte sie zu scherzen.

„O Mama! O Mama!“ Gretchen brachte über das stoßende Schluchzen nichts weiter heraus.

Witold aber sagte in einem ganz seltsam weichen Tone:

„Sie hat Dich sehr lieb gehabt.“

Und dann, als sie ihm diesmal die Hand reichte und freundlich wiederholte, daß die Trennung ja nicht lange dauern würde, da hatte er so fremdartig gelächelt und erst nach einigem Zaudern die Hand angenommen, ohne Druck, ohne Leben in der eigenen. Aus seiner Stimme klang eine Gefühlsmischung von Herbe und Ergriffenheit, als er, Gretchen auf dem Arme, zurücktretend ein kaum vernehmliches: „Wer weiß!“ entgegnete und ein noch leiseres „Lebe wohl!“

„Fahr zu!“ hatte es gleich darauf geheißen, und als sich Lisa um das eisige Verdeck herausbeugte und zurückblickte, da stand er noch auf derselbe Stelle im Schnee, und das Kind winkte unaufhörlich mit den vor Kälte rothen Händchen.

Dann bog die Straße um ein Haus, und Lisa hatte Zeit, ihren Gedanken nachzuhängen.

Die Schellen klingelten; der Schlitten glitt über die ebene Bahn oder ächzte in bedenklicher Neigung über angewehte Schneeberge; die Flocken taumelten zu den Seitenöffnungen herein und schmolzen auf dem Bärenfell; Lisa wußte von all dem nichts; sie hatte den Schleier über das Gesicht gezogen und lebte sich innerlich zurück.

War's eine Trennung, auf welche seine Worte gezielt?

Aengstlich pochte ihr das Herz in der Brust.

„Wer weiß?“ hatte er zu der Hoffnung baldigen Wiedersehens gesagt. War er in Bezug auf sich selbst im Zweifel, ob er sich entschließen würde, sie wiederzusehen? Aber, wenn er Lust hatte, sich von ihr zu trennen – warum war er dann jetzt eben so ergriffen gewesen? Oder – gab er etwa ihr selber eine Entscheidung in die Hand?

Und jetzt fiel es ihr auf's Herz, daß er sie für immer verlassen haben könnte, in der Meinung, ihren eigenen Wünschen damit zu begegnen.

Aber wie konnte er zu einer solchen Annahme gelangt sein? Aelteren Datums war dieselbe schwerlich, denn die plötzliche Wandelung in seinem Wesen, welche sich seit der letzten Nacht vollzogen, hing doch wohl mit jenem „Wer weiß?“ zusammen. Aber warum sprach er sich nicht aus? In Bitterkeit schnürte sich ihr das Herz zusammen. Warum machte er so gar keinen Versuch, zu hindern, was seiner Ansicht nach geschehe sollte? Und immer wieder blieb das größte Räthsel: wenn er Trennungswünsche auf ihrer Seite so zuversichtlich voraussetzte, mußte dies doch auf irgend einem entscheidenden Anlasse beruhen.

Wo lag er nur, dieser Anlaß?

Sie zerquälte sich den Kopf, ohne doch eine nähere Wahrscheinlichkeit aufzufinden, als jene unbedachten Worte, die sie in der gereizten Stimmung der letzten Ballnacht gesprochen. Als er verlangt, daß das Haus aufrecht stehe, aus dem er seine Frau geholt, da hatte sie ihm das Bitterböse gesagt: „Oder – sie kann wohl in dasselbe zurückkehren.“ Vielleicht lag der Anlaß zu seinem Benehmen doch soweit zurück; er wollte sie strafen für jene Worte. Immer wieder kehrte sie zu ihnen zurück, und je mehr sie dieselben durchdachte und die Stimmung, in welcher er sie damals schon angehört, desto mehr Gewicht glaubte sie ihnen beilegen zu müssen. „Ich habe darauf nichts zu erwidern – auch wenn Dein Zusatz einen Entschluß ausspräche,“ hatte er entgegnet. Waren jene Worte denn seither von ihr widerrufen worden? Nein. Und hatte er das nicht erwarten müssen? Ja, mehr noch: sie ihm abzubitten, war ihre Pflicht gewesen, sich des Leichtsinns und der unedlen Regung anzuklagen und seine Vergebung dafür zu suchen. Statt dessen hatte sie gemeint, Alles mit einem einzigen kärglichen „Ich danke Dir!“ abzuthun. Die große That des Edelmuths und der bewundernswerthesten Selbstentäußerung hatte sie hingenommen, wie allenfalls eine kleine Dienstleistung; sie kam sich selbst wie ein Geizhals vor, der mit dem Retter eines verlorenen Schatzes um den Finderlohn mäkelt und ihn zuletzt in falscher oder doch beschnittener Münze bezahlt.

Und er hatte glaube können, daß sie jetzt von ihm gehen werde?! Für wie undankbar, für wie niedrig mußte er sie halten! Aber er sollte es nicht. Die Worte, welche sie ihm sage wollte, flossen ihr in ungesuchter Fülle zu, und unwillkürlich öffneten sich ihre Lippen zum vernehmlichen Laut.

Aus dem Selbstgespräche riß sie ein heller Ruf freudiger Begrüßung. Sie hatte es gar nicht bemerkt, daß der Schlitten den Wald verlassen und an einzelnen Häusern vorüber durch eine Allee und einen Thorbogen gefahren war, in dessen Schlußstein unter einer alten Sandsteinkrone ein neues Marmorwappen prunkte. Nun hielt das Gespann im engen Schloßhof, und von der Treppe her kam ein schlankes hochgewachsenes Mädchen mit drolligen Sätzen durch den Schnee gesprungen und steckte das rosige Gesicht lachend unter das Lederdach, wobei sich das weißblaue, weitmaschige Wolltuch, das sie in der Eile übergeworfen, von dem blonden Köpfchen streifte und so die ganze anmuthige Form desselben, wie den reichen seidig glänzenden Haarschmuck enthüllte.

„Meine liebe Lora!“ begrüßte die Ankommende sie; doch die also Angeredete schlug überrascht die Hände zusammen, zeigte eine recht enttäuschte Miene und vergaß ganz ihren Bewillkommnungsspruch.

„Ja, wie denn?“ rief sie schmollend; „Du bist allein! Und Witold? Ach, nun habe ich mich schon so gefreut! Ist er Dir denn unterwegs aus dem durchlöcherten Kutschengehäuse verloren gegangen? Wann kommt er denn nach?“

„Er kommt gar nicht nach. Du mußt schon mit mir vorlieb nehmen.“

„Gar nicht?“ rief Lora voll Erstaunen, ohne den Nachsatz einer Erwägung zu würdigen. „Ja, er hat aber doch geschrieben,

[173]

Lotosblume.
Originalzeichnung von G. Marx.

Der Mond, der ist ihr Buhle;
Er weckt sie mit seinem Licht,
Und ihm entschleiert sie freundlich.
Ihr frommes Blumengesicht.

Heinrich Heine.




daß Ihr zusammen reisen werdet, wenigstens habe ich es so verstanden, und ich möchte meinen Kopf –“

„Er hat geschrieben?“ unterbrach Lisa, nun ihrerseits verwundert, die Schwester.

„Ja, gewiß!“ erwiderte die Gefragte ganz feierlich nickend. „Der Brief ist vor zwei Stunden mit der Post gekommen, und Heinrich wollte in der Verwirrung sofort den Schlitten entgegenschicken, wenn ich ihn nicht erinnert hätte, daß es dazu nun doch zu spät wäre. Weißt Du, er ist total –“ sie ergänzte den Satz, indem sie mit den von Kälte roth angehauchten Fingern blitzschnelle Bewegungen vor der Stirn machte.

Lisa achtete kaum darauf, sie verfolgte einen andern Gedanken.

Ihr Mann hatte also zweifellos bis gestern Mittag im Sinne gehabt, sie nach Sternberg zu begleiten. Der Brief mußte noch gestern vor Tisch geschrieben und zur Post gegeben worden sein, und seitdem – seitdem also hatte er seinen Vorsatz geändert. Es war klar: mit ihrer Aeußerung in jener Ballnacht, welche sie vor Minuten noch gepeinigt, hatte sein Entschluß nichts zu [174] thun. Er datirte doch wohl von der letzten Nacht her, und – da stand sie wieder vor dem völlig Unerklärten.

„Ja, willst Du denn gar nicht aussteigen?“ hatte inzwischen das muntere Plaudermäulchen gefragt, und sich auch sogleich eine Antwort zusammengestellt. „Just verlockend ist diese Kibitka nicht, aber freilich noch wohnlicher als das Haus gegenwärtig, gemüthlicher jedenfalls. Weißt Du was? Ich setze mich mit hinein und dann: fahr’ zu, Kutscher! Wir nehmen Reißaus – das wäre das Allerbeste.“ Und sich ganz nahe zur Schwester hinbeugend, fuhr sie flüsternd fort: „Nun, da Witold nicht mitgekommen, ist ja ohnehin guter Rath theuer. Richard ist wie ein angeschossener Eber – gerade hat’s auch wieder allerlei andere Ueberraschungen gegeben. Ich wollte beinahe, man hätte mich nicht geholt, wiewohl ich eigentlich froh bin, daß ich nicht wieder in das Institut zurück muß. Ich müßte mich ja unter den Zöglingen und vor den Damen schämen.“

Ein Livréediener war mittlerweile herbeigekommen; er hatte die große Glocke gezogen und die ihm vom Kutscher zugelangten Koffer in Empfang genommen; dann war er Lisa beim Aussteigen behülflich. Die beiden Schwestern umarmten sich, und es waren herzliche Küsse, die sie mit einander wechselten.

Wie sie so Arm in Arm über die Vorstufen in’s Haus traten, bemerkte Lisa erst, um wie viel ihre Schwester sie überragte. Stehen bleibend, maß sie dieselbe noch einmal mit wohlgefälligem Blicke und streichelte ihr die Wange.

„Wie groß und schön Du geworden bist!“ sagte sie lächelnd.

„Ach, kannst Du mir nichts Angenehmeres sagen?“ entgegnete die Gepriesene mißmuthig. „Alle ertheilen mir ein Wohlverhaltenszeugniß für meine anständigen Bemühungen im Wachsen. Ich bin ja kein kleines Mädchen mehr. Mit siebenzehn Jahren hat man die Kinderschuhe ausgetreten, sollt’ ich meinen, und braucht sich nicht mehr solche zweifelhafte Schmeicheleien sagen zu lassen, weißt Du. Ich würde mich bedanken, wenn mir mein Tänzer auf dem Balle damit kommen wollte. Ja so –“ sie stockte plötzlich, und wehmüthig setzte sie hinzu: „Mit den Bällen ist es nun ja wohl aus. Wie schade! Ich tanze so überaus gern.“

(Fortsetzung folgt.)




Die niederdeutschen Bauern (Boers) von Südafrika.
Von Ernst von Weber.

Von Neuem dringt zu uns aus dem fernen Südafrika eine aufregende Botschaft. Nicht die schwarzen Zuluschwärme mit ihrem todverachtenden Anstürmen und ihren ohrenbetäubenden Kriegsgesängen sind es diesmal, es ist ein weißer Stamm, das stählerne Hünenvolk der Boers, das unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Die gesammte niederdeutsche Bevölkerung von Transvaal rüstet sich zum Aufstand gegen die verhaßte englische Regierung. Ein armes Volk von Hirten und Ackerbauern, höchstens 40,000 Seelen zählend, wagt es, einer Weltmacht in kühnem Trotz den Fehdehandschuh hinzuwerfen, einer Weltmacht, die in fünf Erdtheilen über 290 Millionen Unterthanen gebietet, mit ihrer Flotte alle Meere beherrscht und dazu sich im Besitze reichster und unversiechbar fließender Geldquellen befindet.

Die Empörung, welche das Volk von Transvaal zum Aufstande gegen die Engländer treibt, hat ihre tiefe Wurzel in dessen verletztem Rechtsgefühl und der es beseelenden glühenden Vaterlandsliebe. Vor vier Jahren wurde ihnen ohne einen Schatten von Recht ihre Republik entrissen, die sie mit zäher Energie und unermüdlicher Geduld auf den weiten Gebieten errichtet hatten, welche durch sie nach und nach den Schwärmen feindlicher und blutdürstiger Wilden abgenommen worden waren, um sie europäischer Cultur zu erschließen. Bei zwei großen Volksversammlungen, von denen die erste in Wonderfontein, die zweite in Doornkop abgehalten wurde, faßten die Boers kürzlich zwei Resolutionen gegen die britische Regierung, welche das Ziel des Aufstandes deutlich kennzeichnen. Laut der ersten einigten sie sich durch feierlichen Eid zu einem Bunde, um das unbefleckte Erbe der Väter den Kindern durch Wiederherstellung der Republik zu erhalten. Durch die zweite Resolution wird der Vicepräsident zum Staatspräsidenten eingesetzt; es wird verlangt, daß er sofort den „Volksraad“ einberufe; es wird gegen alle von den englischen Behörden veröffentlichten Proklamationen feierlich protestirt und darauf gedrungen, daß die alte Regierung und die Unabhängigkeit der Republik so bald wie möglich wieder hergestellt werde. Fast einstimmig hat das Volk von Transvaal gegen die aufgezwungene Annexion protestirt, indem die wenigen dafür sich erklärenden Stimmen nicht der holländischen Nationalität, sondern Ausländern angehören. Es steht fest, daß volle neun Zehntel des Volkes von Transvaal die Gültigkeit der englischen Annexion nie anerkannt haben, da die Zahl der fast sämmtlich der englischen Nationalität angehörigen Theilnehmer an jener Volksversammlung in Pretoria, die sich für die Unterwerfung unter die Annexion erklärte, nur ein Zehntel der Personen betrug, welche sich in Wonderfontein und Doornkop zusammen gefunden hatten.

Die Frage ist nun: hat der einmüthige Widerstand der niederländischen Bevölkerung Aussicht, zu dem ersehnten Ziele ihrer Wiederbefreiung zu führen? Für Den, welcher die reellen Machtverhältnisse, die sich auf beiden Seiten gegenüberstehen, vergleichend gegen einander hält, liegt die Versuchung nahe, dem Boeraufstande kein günstiges Prognostikon zu stellen. Denn auf der einen Seite sehen wir eine gewaltige Weltmacht – auf der andern ein wenig zahlreiches einfaches Hirten- und Bauernvolk, welchem die Erfordernisse eines längeren Kriegszustandes zum größten Theil abgehen und das für alle seine Zufuhren auf das vom Feinde beherrschte Meer angewiesen ist. Und doch würde der Kampf, den diese furchtlosen afrikanischen Recken zu unternehmen gewillt sind, nicht ohne Aussicht auf Erfolg sein, wenn ihnen von ihren zahlreichen Stammesgenossen in der Cap-Colonie und im Oranje-Freistaate eine active Unterstützung zugewendet würde.

Die weiße Bevölkerung Südafrikas besteht nämlich zu 30 Procent aus Ansiedlern englischer Nationalität; die übrigen 70 Procent sind von niederdeutschem Stamme, inbegriffen die oberdeutschen und französisch-hugenottischen Volkselemente, die im Laufe der letzten beiden Jahrhunderte mit demselben sich vollständig verschmolzen haben. Ich möchte die heutige, dem niederdeutschen Stamme angehörige Bevölkerung Südafrikas nicht auf weniger als 245,000 Seelen veranschlagen, während die englische etwa 100,000 betragen dürfte. Die erstere hat sich in der Westhälfte der Cap-Colonie, im Oranje-Freistaate und in Transvaal concentrirt und ist dort absolut vorherrschend, während nur die Osthälfte der Cap-Colonie und die Colonie Natal ein Gleich- respective Uebergewicht der englischen Bevölkerung aufweisen.

Der größte Theil der kinderreichen holländischen Familienväter in der Cap-Colonie sendet fortdauernd einen Theil der Söhne hinaus nach den beiden Boer-Colonien: dem Oranje-Freistaat und Transvaal, damit sie sich dort eigene Plätze kaufen. Aus diesem Grunde hängt die gesammte südafrikanische Bevölkerung holländischer Rasse, trotz der Eintheilung des Landes in sechs getrennte politische Körper und unter zwei verschiedene Flaggen, doch unter einander so innig zusammen, wie eine große einträchtige Familie. Es würde daher nicht ohne Gefahr für die englische Regierung sein, wenn in dieser gesammten südafrikanischen Boer-Bevölkerung ein national-holländischer Patriotismus erwachte und wenn dieses altdeutsche Volk stämmiger Riesen durch die allgemeine Verbreitung des nationalen Revolutionsfunkens aus der verschlafenen Ruhe aufgepeitscht würde, in der die große Masse der südlichen Hälfte der Boer-Bevölkerung zur Zeit noch schlummert.

Die bisherigen Kriege Englands mit den Boers waren eigentlich nichts als Kinderspielerei, was schon die Ziffern der in die Gefechte gesandten Truppen bezeugen, die nie über einige Hunderte hinausgingen. Heute muß England ernstere Anstrengungen machen, wenn es seine Sache fördern will; denn die Kriegstüchtigkeit der Boers ist in den letzten Jahren gewaltig gewachsen. Sämmtliche Bewohner des Landes sind von Jugend auf im Gebrauche der Kugelbüchse geübt und verfehlen nicht leicht ihr Ziel. Ihre Kriege gegen die Eingeborenen haben sie stets zu Pferde geführt, indem sie nämlich zum Angriff auf die [175] Schwärme der Wilden rasch bis zur erforderlichen Nähe heranritten, dann vom Pferde stiegen und den auf's Korn genommenen Feind niederstreckten, wonach sie schnell zurückgaloppirten, um von Neuem zu laden und dieselbe Taktik zu wiederholen. Diese Kampfweise würde natürlich noch viel wirkungsreicher sein, wenn die Boers jetzt sämmtlich mit modernen Hinterladern sich versehen hätten.

Der Präsident des Oranje-Freistaates, Herr Brand, rechnete mir persönlich vor, daß der 60,000 Einwohner zählende Freistaat im äußersten Nothfalle 10,000 berittene Scharfschützen aufstellen könnte. Gelänge es daher den Führern der Volksbewegung von Transvaal, die gesammte holländische Bevölkerung Südafrikas zur Betheiligung am Aufstande heranzuziehen, so könnte die möglicher Weise zu erreichende Stärke des niederdeutschen Revolutionsheeres theoretisch auf 40,000 berittene Scharfschützen berechnet werden. Wenn nun freilich auch die ungeheuere Ausdehnung des Landes eine Concentrirung sowie eine regelrechte Verpflegung eines solchen Heeres unthunlich machen und auch der Mangel an militärisch geschulten Führern für die Boers ein sehr empfindlicher sein würde, so hätte doch unter dem ersteren Umstande (und noch viel mehr!) auch die englische Armee zu leiden, und was den Mangel kriegsgelehrter Strategen betrifft, so würde er in einem so weiten, wüsten und menschenleeren Lande, wie Südafrika, weniger bedeuten, als in unseren angebauten, mit volkreichen Städten und Dörfern angefüllten Culturländern, wo Massen gegen Massen unter möglichst raffinirter Taktik zu manövriren haben. Der Krieg würde sich in Südafrika wohl in der Hauptsache zu einem Guerillakrieg gestalten – und dieser würde in solchem wilden Lande für die angreifenden Engländer gerade der gefährlichste sein; denn holländische Reiterschwärme würden überall auftauchen und wieder verschwinden, wo es sich darum handelte, englische Zufuhrtransporte mit ihren langen und ungelenken, schwerfälligen Zügen von Ochsenwagen abzuschneiden und zu erbeuten. Der Krieg könnte also sehr in die Länge gezogen und dadurch für die englische Regierung außerordentlich kostspielig werden – und dieser Punkt der Kriegskosten dürfte die englischen Steuerzahler zu Hause so empfindlich treffen, daß die Opposition im britischen Parlamente bald mit Erfolg auf rasche Beendigung eines so große Summen verschlingenden Krieges dringen würde, auch wenn dieselbe nur durch Rückgabe der Unabhängigkeit an jene zähen und trotzigen Vertheidiger ihrer nationalen Selbstständigkeit zu erlangen wäre. Außerdem ist aber auch nicht zu übersehen, daß durch alle Schichten des englischen Volkes ein tiefer Sinn für Recht und Gerechtigkeit geht, der sich bei längerer Dauer des Krieges als der mächtigste Verbündete der Boers erweisen dürfte. Schon jetzt hat sich in einem Theile des englischen Publicums eine Schwenkung zu Gunsten der Boers gezeigt. Einer der berühmtesten zeitgenössischen Engländer, der Geschichtsschreiber Froude, hat vor einigen Wochen in öffentlicher Rede die gegen den Willen des Volkes von Transvaal in Scene gesetzte Annexion des Landes ein schweres Unrecht genannt und die Sympathie der englischen Nation für jene holländischen Patrioten wach zu rufen versucht.

Die Boers repräsentiren einen ganz eigenthümlichen Menschenschlag, den man einer geognostischen Ablagerung aus den Beständen früherer Jahrhunderte vergleichen möchte. Meistens sechs Fuß bis sechs Fuß vier Zoll hoch und dabei äußerst kräftig und breitschultrig gebaut, ähneln sie im Aeußeren den Backwoodsmen Nordamerikas, von denen sie im Temperament freilich verschieden sind, indem sie in aller Treue den phlegmatischen, ausdauernden, ruhigen und soliden Charakter ihrer holländischen Vorfahren bewahrt haben. Auch in ihrer Lebensweise und ihren schlichten patriarchalischen Sitten sind sie vollständig den Vorvätern gleich geblieben, sodaß man bei einem Besuche ihrer ärmlichen Farmhäuschen das Gefühl hat, als sei man in die Zeiten des siebenzehnten Jahrhunderts zurückversetzt. Auf dem großen runden Tische im Hauptwohnzimmer liegt unabänderlich die dicke alte Bibel, aus welcher der Familie jeden Abend vom Hausvater einige Capitel vorgelesen werden. Diese und ein holländisches Gesangbuch bilden in der Regel die einzige Lectüre des Hauses; denn Zeitungen, die in Nordamerika ihren Weg in die entlegensten Farmhäuser nehmen, sind in den meisten Boerhäuschen kaum jemals zu finden. Jeden Morgen wird das Tagewerk mit dem ernsten und langsamen Gesange einer Hymne begonnen und vor wie nach Tische stets gewissenhaft ein kurzes Gebet gesprochen. Die Taufnamen dieser biedern Leute sind in der Regel der biblischen Geschichte entnommen, und Namen wie: Petrus, Jacobus, Johannes, Isaak, Abraham, Jeremias etc. sind außerordentlich häufig unter ihnen. Ihre reformirten Prediger genießen einen gewaltigen Respect und eine hohe Achtung und Verehrung.

Die Männer sind im Durchschnitte hübsche und imposante Leute und erinnern mit ihren energischen, kräftigen und ausdrucksvollen Köpfen an die Portraits eines Rubens, Teniers, Ostade und van Eyck. Es fehlt eben weiter nichts als die Gelegenheit zu einer guten Erziehung und zum Ansammeln von Kenntnissen, die ja auf ihren gänzlich isolirten und von Städten fernen Wohnplätzen so schwer zu beschaffen sind, um aus diesen kernigen und soliden Menschen und aus ihren guten und natürlichen Anlagen etwas Tüchtiges zu machen. Bei der Einsamkeit, in der sie leben, sind sie genöthigt, in allen schwierigen Lagen des Lebens sich selbst zu helfen. Daher kommt es, daß jeder Boer in der Regel außer Feldbauer, Gärtner und Viehzüchter auch noch sein eigener Zimmermann, Wagenbauer, Grobschmied, Sattler, Schneider, Schuster, Architekt und Arzt ist; er gleicht auch in dieser Beziehung dem amerikanischen Backwoodsmen, dem er nicht minder in wohlgeübter Führung der Kugelbüchse ebenbürtig ist.

Einen viel weniger gefälligen Eindruck als die Männer machen die Frauen und Mädchen. Schönheit und weibliche Grazie scheinen nur in spärlichen Ausnahmen diesem massiv gebauten und kräftig organisirten Frauengeschlechte zugetheilt zu sein, und zur Entwickelung eines lebhaften und aufgeweckten Geistes ist ihr lebenslang so eintöniges und isolirtes Dasein ebenso wenig förderlich, wie der vollständige Mangel an weltlicher Lectüre und anregender gebildeter Geselligkeit. Aber thätige und treue Hausfrauen und Mütter sind sie. Dabei dürfte das ruhige, phlegmatische, pflanzenähnliche Dasein, das sie beständig führen, jenes behäbige Embonpoint erzeugen, das fast sämmtliche Boerfrauen schmückt, wie andererseits mit dem üblichen zeitigen Heirathen ein außerordentlicher Kinderreichthum zusammenhängt. Zehn bis zwölf Kinder sind an der Tagesordnung, sechszehn bis zwanzig keine Seltenheiten; ich hörte sogar von einem alten Boer in Graaf Reynet, Mynheer Gibson Joubert, der nicht weniger als 292 Kinder, Enkel und Urenkel hat.

Es ist eine landesübliche Sitte, auf die sehr streng gehalten wird, daß der Fremde, der in ein Boerhaus eintreten will, erstens nicht früher vom Pferde steigt, als bis der Hausherr ihn ausdrücklich dazu eingeladen hat, und zweitens, daß er beim Eintreten in das Haus allen Mitgliedern der Familie, bis zum allerkleinsten herab, leutselig die Hand drückt. Dieselbe Formalität wird auch beim Fortgehen gewissenhaft wiederholt.

Festlichkeiten, Bälle und dergleichen poetische Episoden kommen im einförmigen und prosaischen Dasein eines Boers kaum jemals vor. Die einzigen Zerstreuungen sind gegenseitige Besuche der selten weniger als vier bis fünf Reitstunden von einander wohnenden Nachbarn, wobei dann Tabakspfeifen und von Zeit zu Zeit ein Gläschen Genever oder Capbranntwein die ernste und bedächtige Conversation über Witterung, Schafkrankheiten, Vieh- und Wollpreise etc. beleben.

Nur zwei oder drei Mal des Jahres kommt der Boer – und darauf hält er sehr strenge – in zahlreiche Gesellschaft von seines Gleichen, nämlich zum Nachtmahle (Abendmahlsfeier) in dem ihm nächsten Dorfe oder vielmehr: Städtchen. Denn Dörfer in unserem europäischen Sinne giebt es dort nicht. Freilich hat der Boer oft sehr, sehr weit bis zu seinem nächsten Kirchorte, und da es sich nicht verlohnen würde, solch eine weite Reise im Ochsenwagen mit seiner ganze Familie nur für einen kurzen Kirchenbesuch zu machen, so bleibt man in der Regel eine ganze Woche dort. Die Hunderte von aus allen Richtungen herbeigekommenen Ochsenwagen bilden dann zusammen mit den zwischen ihnen aufgeschlagenen Zelten ein großes, von Menschen und Vieh wimmelndes Feldlager. Kaufleute und Händler aller Art kommen aus fernliegenden größeren Städten herbei, um ihre Waaren zu hohen Preisen feilzubieten; Geschäfte aller Art, Käufe von Vieh, von Wagen, von Farmen werden abgeschlossen. Die junge weibliche Welt kauft von einer nie fehlenden Modistin ihre nächstjährige Toilette ein, für welche natürlich grell und [176] brillant gefärbte Stoffe und Hüte am gesuchtesten sind, während die jungen Boersöhne die so selten sich ihnen darbietende Gelegenheit, jugendlichen Grazien den Hof zu machen, selbstverständlich nicht ungenützt vorübergehen lassen. Es ist daher eine sehr erklärliche Sache, daß unter den bei Gelegenheit eines „Nachtmahles“ gemachten Geschäften auch das Abschließen von Verlobungen und Ehebündnissen sehr an der Tagesordnung ist. Was aber unter uns bei solcher Gelegenheit nicht fehlen dürfte: Bälle oder wenigstens harmlose Vereinigungen von Familien zu einem gemüthlichen Tänzchen, das kommt dort nicht vor. Ist es der strenge puritanische Sinn, der in diesen Boerseelen wohnt, oder der Mangel an dazu passenden Localen und Musikanten, oder die Unfähigkeit zum Tanzen selbst, welche hieran die Schuld tragen, ich weiß es nicht – je nun, ein Jeder amüsirt sich trotzdem nach seiner eigenen Façon, und die Boerjugend vergnügt sich in der ihnen gewohnten Art gewiß nicht weniger, als unsere, raffinirtere Genüsse beanspruchende junge Generation.

Das Leben eines Boers ist übrigens nicht immer nur solch eine stetige Fortsetzung ruhigen und zufriedenen, phlegmatisch begnügten Dahinvegetirens. Der Sonnenschein seines friedlichen Alltagslebens wird zuweilen durch gar böse Gewitter grell unterbrochen. Heuschrecken, Hagelschlag, Viehepidemien, Viehdiebstahl durch im Lande herumvagirende Hottentotten- und Kaffernstrolche, plötzliches Weglaufen seiner spärlichen schwarzen und gelben Dienstboten und dies vielleicht gerade zu einer Zeit, wo für die Ernte der Feldfrüchte deren Hülfe ganz unentbehrlich war, Viehvergiftung als sehr gebräuchliche Rache gescholtener oder weggejagter farbiger Dienstboten oder endlich eine dürre Saison, vollständiger Regenmangel während sechs bis acht Monaten, in Folge dessen der Wasserdamm und der Brunnen vertrocknen und die Schafe und anderes Vieh zu Tausenden dahinsterben – das sind die bösen Feinde, die dann und wann den Boer heimsuchen, seine Leber afficiren und seiner sonst ungestörten Fettbildung hindernd in den Weg treten. Ein dürres Jahr kommt zum Glück im Durchschnitt nur alle sieben Jahre. In einem solchen geht aber auch leicht der gesammte Heerdenstamm einer Farm zu Grunde. Ebenso verderblich wird auch ein dann und wann kommendes zu nasses Jahr den Heerden; der gänzliche Mangel an schützenden Stallungen hat dann namentlich unter den Lämmern und Schafen massenhaftes Absterben zur Folge.

Die gesellschaftliche Scheidung zwischen der holländischen und der englischen Rasse fängt schon in Capstadt an und geht von da sehr sichtbar durch die ganze Cap-Colonie hindurch, sich in den beiden Freistaaten lebhaft fortsetzend. Forscht man nach der Ursache dieser socialen Scheidung, so findet man, daß sie weniger in persönlichen oder nationalen Antipathien ihren Grund hat (denn die Charaktere des Holländers und des Engländers sind ja nicht wesentlich verschieden und passen im Grunde ganz gut zu einander), als vielmehr in der langjährigen schlechten Behandlung, welche die holländischen Colonisten in Südafrika durch die englische Regierung zu erdulden hatten.

Die letztere hat seit der gewaltsamen Annexion der Cap-Colonie im Jahre 1795 (um sie nicht in die Hände Napoleon's, der Holland erobert hatte, fallen zu lassen) nur wenig gethan, um sich bei den Colonisten beliebt zu machen. Am allermeisten aber hat sie sich seit dem Jahre 1834 verhaßt gemacht durch unvorbereitete Durchführung einer humanitären Maßregel, die an sich die volle Zustimmung jedes civilisirten Menschen haben muß: der Sclavenemancipation. Hierdurch wurde allerdings die Colonie plötzlich ihres ersten Bedürfnisses, nämlich billiger und stets disponibler Arbeitskräfte, beraubt.

Tausende von holländischen Bauern verließen in Folge dessen vom Jahre 1836 an ihre früher so blühenden Farmen und suchten mit ihren Viehheerden jenseit des Oranje-Stroms und in der heutigen Provinz Natal neue Wohnplätze, die sie fortwährend mit Pulver und Blei gegen die widerspenstigen Eingeborenen zu vertheidigen hatten. Allmählich, theils durch gütlichen Vertrag und Kauf, theils durch Gewalt, unterwarfen sie ihrer Herrschaft die eingeborenen Stämme. Wo bisher nur das Brüllen wilder Thiere und das Kriegsgeheul blutdürstiger Schwarzen ertönt war, entstanden durch den Fleiß, die hartnäckige und ausdauernde Arbeit und Energie der holländischen Bauern (die nun von den Engländern zur Bezeichnung ihrer neuen besonderen Nationalität schlechthin die „Boers“ genannt wurden) nach einander drei blühende Freistaaten: der Oranje-Freistaat, die Republik Natal und die Transvaal-Republik.

Die Republik Natal wurde ihnen jedoch von den Engländern im Jahre 1842 mit Gewalt abgenommen, ebenso im Jahre 1845 die Oranje-Republik, welche bis dahin ohne besondere staatliche Organisation gewesen war. Die anhaltenden Grenzstreitigkeiten zwischen den von England protegirten eingeborenen Stämmen auf dem Gebiete der „Sovereignty“ und den wilden, fortwährend in dieses Gebiet einfallenden Basutos hatten jedoch für die englische Regierung so viele Störungen, Kriegsgefahren und Ausgaben zur Folge, daß sie, des ewigen Trubels müde, im Jahre 1854 sich entschloß, die Oranje-Sovereignty wieder aufzugeben und sie von Neuem den Boers zu überlassen. Am 23. Februar 1854 schloß sie mit den Bauern eine Convention ab, die dem Oranje-Freistaate seine vollständige Unabhängigkeit gewährte. Den jenseits des Vaalflusses wohnenden Bauern der im Jahre 1848 formell gegründeten Transvaal-Republik hatte England schon zwei Jahre früher (1852) durch eine ähnliche Convention ihre Unabhängigkeit gewährleistet.

Unter Präsident Brand ist der Oranje-Freistaat unbedingt der bestregierte Staat Südafrikas geworden, ein wahrer Musterstaat für alle umliegenden Nachbarländer. Er hat eben deshalb, namentlich durch die beispiellose Billigkeit seines gesammten Regierungsapparates und die strenge Ehrenhaftigkeit seiner republikanischen Leiter, schon seit einem Jahrzehnt eine solche gewaltige Anziehungskraft auf die holländische Bevölkerung der angrenzenden englische Cap-Colonie ausgeübt, daß Tausende von Familienvätern ihre dortigen Farmen im Stiche ließen und nach dem Freistaate auswanderten. In Folge dessen besitzt der Oranje-Freistaat auf seinem Gebiet von 2000 deutschen Quadratmeilen (also gleich Baiern, Württemberg und Baden zusammengenommen) jetzt schon 6000 bis 7000 Farmen und ist der Preis des Grundes und Bodens hier schon viel höher gestiegen als in der englischen Cap-Colonie. Freilich sind die eingeborenen Schwarzen bei dieser Organisation schlecht bedacht, insofern ihnen im ganzen Freistaat der Besitz von eigenem Grund und Boden versagt, ihr Wohnungsrecht auf den Farmen ausdrücklich an die Bedingung geknüpft ist, daß sie dem Farmer für einen monatlichen oder jährlichen Lohn als Dienstboten und Arbeiter in seiner Feld- und Viehwirthschaft dienen. Dafür giebt es aber nunmehr im Freistaate nicht, wie z. B. in der englischen Colonie Natal, jene Massen von schwarzen Faullenzern, die ausschließlich ihre armen Weiber als unterthänige Sclavinnen in Feld und Garten für sich arbeiten lassen, vielmehr ist die eingeborene Bevölkerung des Freistaates, im Gegensatz zu derjenigen der benachbarten englischen Colonien, arbeitsam, gehorsam und zufrieden, mäßig und nüchtern und hat im Allgemeinen viel mehr wirkliche Anhänglichkeit an ihre Lohnherren, als man jemals bei den verzogenen Schwarzen der englischen Colonien finden wird. Als Uebergangsstadium im erziehlichen Interesse hat sich die so geschaffene Stellung der Schwarzen trefflich bewährt.

Als die Boers in den Jahren 1865 bis 1866 und 1867 wieder zwei blutige Kriege mit dem fortwährend raubend in ihre Grenzdistricte einfallenden wilden Bergvolke der Basutos erfolgreich geführt hatten und im Begriff standen, ganz Basutoland zu annectiren – da war es wieder die englische Regierung, die sie um die Früchte ihres Sieges brachte. Sie nahm, um die Boers nicht zu mächtig werden zu lassen, die geschlagenen Basutos unter ihren Schutz und zwang die Sieger, sich mit dem schon 1866 eroberten, längs der Gebirge liegenden Districte (seitdem das „Eroberte Gebiet“ genannt und an zum Militärgrenzdienst speciell verpachtete Farmer unentgeltlich ausgegeben) zu begnügen, während Basutoland, diese hochromantische Schweiz Südafrikas mit ihrer Bevölkerung von damals 75,000 Schwarzen, den englischen Besitzungen als „Schutzstaat“ einverleibt wurde.

Und die beiden neuesten Liebesthaten, welche die englische Regierung den Boers erwiesen, waren erstens die im Jahre 1871 allem Völkerrechte zum Hohne im tiefsten Frieden ausgeführte gewaltsame Annexion der Diamantenfelder, deren Terrain seit der Convention von 1854 im unzweifelhaften rechtlichen und factischen Besitz des Oranje-Freistaates gestanden hatte, nunmehr aber durch ihren jährlichen Diamantenertrag von 40 Millionen Mark die Habgier der englischen Colonialregierung unwiderstehlich reizte, [177] und zweitens die im Jahre 1876 auf ganz ebenso rechtswidrige Weise ausgeführte Annexion der Transvaal-Republik, eines Staates, zweimal so groß wie das Königreich Sachsen der von allen Großmächten der Welt in optima forma anerkannt war. Die plötzliche Vernichtung dieses Staates gegen den Willen von neun Zehntheilen seiner Bevölkerung ist eine Gewaltthat, die an die vielgerügten Theilungen Polens erinnert. Für England freilich ist der Besitz des Transvaal-Landes äußerst wichtig, denn das jetzt die englischen Staatsmänner begeisternde glänzende Zukunfts-Programm: „Afrika englisch vom Tafelberg bis zum Nil!“ würde in seiner Ausführung sehr bedeutend behindert werden, wenn gerade in der wichtigen geographischen und mercantilen Position von Transvaal ein fremdartiger Staatsorganismus oder wohl gar der Keim zu einer zukünftigen nicht-englischen Staatenverbindung seinen Platz behalten hätte.

Was uns besonders interessiren muß, ist der Umstand, daß diese Boers von Transvaal die lebhafteste Sehnsucht hatten und noch haben, daß das deutsche Reich, welches sie mit sehr richtigem Gefühl als ihr Stamm- und Mutterland betrachten, sie unter seinen Schutz nehmen möchte. Als im Jahre 1873 die, leider falsche, Nachricht Südafrika durchlief, daß die preußische Regierung von der portugiesischen die Delagoa-Bai gekauft hätte, da wurde dieselbe von den holländischen Freistaaten mit dem größten Jubel aufgenommen. Für den Preis eines festen und sicheren Schutzes gegen die Annexionslust der ihnen verhaßten englischen Regierung würden die Bauern der beiden Freistaaten sich gern der deutschen Regierung untergeordnet haben in der Form zweier Schutzstaaten mit eigener und möglichst freier Selbstverwaltung.

Den Freiheitstrieb unserer afrikanischen Stammesgenossen müßten wir Deutschen unbedingt zu fördern suchen, sei es auch nur durch diplomatische Fürsprache; dann werden die Sympathien, welche die Boers für Deutschland hegen, für uns von größtem Werte sein und es uns erleichtern, in jenem reichen Lande Fuß zu fassen durch unsere Auswanderer, besonders vom norddeutschen Stamm. Es ließe sich so dort der Keim legen zu Dem, was unser an Zahl fortwährend so gewaltig zunehmendes Volk so dringend nothwendig braucht; zu einer hier zugleich den Vortheil unbeschränkter Ausdehnungsfähigkeit bietenden nationalen deutschen Colonie, die für die Zukunft zur regelmäßigen und dauernden Entlastung unseres Vaterlandes von seinen alljährlich bedenklicher und bedrohlicher anwachsenden Proletariermassen dienen und durch die verbleibende Zugehörigkeit derselben zum deutschen Wirthschaftsgebiete eine Erweiterung des deutschen Absatzmarktes und somit unseres Nationalreichthums herbeiführen würde, während die Millionen von bisher ausgewanderten Deutschen wegen des Mangels eigener Colonien wirthschaftlich und nationalökonomisch unserer Nation vollständig verloren gegangen sind. In einer vor wenigen Monaten erschienenen Schrift: „Die Erweiterung des deutschen Wirtschaftsgebietes und die Grundlegung zu überseeischen deutschen Staaten (Leipzig, bei Twietmeyer) habe ich dargelegt, wie dringend wünschenswerth es ist, daß die Grundlegung von Keimen zu neuen deutschen Töchterländern womöglich in Südamerika und Südafrika zugleich erfolgen sollte; denn beide Theile der südlichen Halbkugel bieten noch heute der Entwickelung deutscher Zukunftsstaaten die allergünstigsten und vielversprechendsten Aussichten.

Man setzt in England noch einige Hoffnung auf das Zustandekommen eines Compromisses mit den widerspenstigen Boers durch die Zusammenberufung einer Conferenz von Volksvertretern aller südafrikanischen Provinzen und Staaten, zum Zwecke der Bildung einer südafrikanischen Conföderation. Man schmeichelt sich, daß diese staatliche Form es doch noch ermöglichen werde, jene niederdeutschen Recken zu einer freiwilligen Unterordnung unter die englische Oberherrschaft zu veranlassen. Möglich, daß dieser Versuch noch gelingt, ehe der befürchtete allgemeine Aufstand der Boers ausbricht – für die gesammte Colonialbevölkerung von Südafrika selbst wäre ja eine solche Conföderation, die Bildung einer Art von „Vereinigten Staaten von Südafrika“, in der That wohl der günstigste Ausweg aus ihren gegenwärtigen Schwierigkeiten. Es wird nun freilich hauptsächlich darauf ankommen, ob die Boers ihren Anspruch aufgeben wollen, daß die Flagge dieser neuen Conföderation eine unabhängige, also nicht die englische sei. In jedem Falle verdienen unsere um ihre Freiheit und ihre nationale Selbstständigkeit ringenden Stammesverwandten im fernen Südafrika unsere lebhafteste Theilnahme.




Die Helfershelfer des Geheimmittelschwindels.
Ein Blick hinter die Coulissen der Curpfuscherei.

„Mit der Dummheit,“ sagt ein altes, gutes Wort, „kämpfen selbst Götter vergebens“, und „die Dummen werden nicht alle“ fügte der Menschenkenner Professor Bock hinzu. In der That ist Dummheit eines der schlimmsten und weitverbreitetsten Leiden der Menschheit, und Vieles, was, von Weitem gesehen, wie Schlechtigkeit aussieht, ist, näher betrachtet, nur geistige Beschränktheit. Selbst auf Seiten Derer, die mit der Gesundheit ihrer Mitmenschen ein frevelhaftes Spiel treiben, indem sie dem Leidenden ohne alle Wahl und Untersuchung angebliche Heilmittel anbieten, handelt es sich gewiß oftmals viel mehr um Unwissenheit, als um Bosheit. Sie wissen und glauben nicht, wie viel Unheil sie mit ihrer Marktschreierei anrichten können; sie erwägen nicht, daß ihre Annoncen einer Teufelssaat gleichen, welche, wie die Sporen der Schmarotzerpilze, die kranken Individuen befällt, von ihnen zehrt und sie vollends zu Grunde richtet. Ja, so weit geht die Dummheit, daß einzelne solcher Industrieller, deren Mehrere sich auf Kosten der leidenden Menschheit zu Millionären aufgeschwungen haben, mit vollster Ueberzeugung sich für Wohltäter der Menschheit halten. Suchen wir uns an einem Beispiele klar zu machen, wie ein solches Wunder der Dummheit möglich ist!

Da Süßigkeiten und schleimige Stoffe unter Umständen den Hustenreiz mildern, so glauben die Großmütter in der Regel, jene sogenannten lösenden Mittel seien nicht nur Linderungs-, sondern auch Heilmittel der betreffenden Uebel. Da hat sich nun, wie alle Welt zur Genüge gelesen, ein solches weltbeglückendes Großmütterchen vor einigen Monaten entschlossen, ihre vielbewährten „Brustcaramellen“ auch denjenigen Schutzbefohlenen des deutschen Michels, welche die Schlauheit nicht zu ihren Gebrechen zählen, zugänglich zu machen, und läßt sie, um besonders die Stubenhocker der höheren Stände für sich einzunehmen, wie einen Modeartikel in Correspondenzen aus Paris anpreisen. Wüßte diese Caramellen-Großmama, daß der erkrankte Kehlkopf nicht auf dem Wege zum Magen und die Lungen nicht in den Därmen liegen, also von ihren Mitteln, die einfach verdaut werden, gar nicht erreicht werden können, so würde sie möglicher Weise doch Bedenken tragen, die Krankheitsstoffe in diesen Organen mit ihren bestenfalls unschädlichen Caramellen curiren zu wollen. Mögen sie aber noch so unschädlich sein, die Sache hat doch eine allen Geheimmitteln und Curpfuschereien eigene, höchst bedenkliche Seite.

Die Leiden der Athmungsorgane würden nicht halb so verheerend sein, wenn sie nicht in der Regel erst mit Caramellen, Hustenbonbons, Katarrhbrödchen und dergleichen angenehmen Sächelchen groß gefüttert würden, während eine gesunde und vorsichtige – nicht verzärtelnde – Lebensweise und Anordnungen, die nur der Arzt nach genauer Feststellung der Natur des Uebels und der Individualität zu treffen vermag, dieselben im Keime ersticken oder wenigstens in Schranken halten könnten. Man kann wohl sagen daß die meisten Menschen langsame, unbewußte Selbstmörder sind, sofern sie durch allseitige Unbekanntschaft mit den Grundsätzen der gesunden Lebensweise ihren Lebensfaden verkürzen, diejenigen aber, welche bei den bereits beginnenden Folgen derselben, statt zu dem rechten Beichtvater des leiblichen Heiles zu wandern, zu einem Pfuscher ihre Zuflucht nehmen, gleichen Kindern, die mit Waffen und Explosionskörpern spielen.

Freilich kommt auch der Pfuscherei das psychische Heilmoment des Glaubens an die untrügliche Wirksamkeit ihrer Mittel zuvörderst mit seinem günstigen Einflusse zu Hülfe, aber man darf nicht vergessen, daß es darum doch ein mißleitetes Vertrauen bleibt, welches am rechten Orte viel größere Wunder wirken könnte. Dazu kommt, daß die meisten Krankheiten, auch solche,

[178] welche unaufhaltsam fortschreiten, Perioden anscheinender Besserung darbieten, die dann dem angewendeten Geheimmittel gutgeschrieben werden, und daß sich unter den Tausenden, die solche Mittel gebrauchen, immer einige Hunderte befinden, die entweder gar nicht schwer erkrankt waren, oder deren gute Natur den Sieg davon trug.

Alle die „wunderbar Geheilten“ glauben nun, ihrer Dankbarkeit für die vermeintliche Hülfe in überschwänglichen Ausdrücken Luft machen zu müssen; das Beispiel Anderer, die Eitelkeit, auch einmal ein paar Zeilen von sich gedruckt zu sehen, wirken ansteckend, und Niemand von ihnen bedenkt, wie geradezu unsittlich es ist, Zeugnisse für die Güte von Arzneimitteln abzulegen, deren Wirkungsweise man nicht im Entferntesten beurtheilen kann, von denen man höchstens bezeugen könnte, daß man zur Zeit ihres Gebrauches gesund geworden ist, daß sie die Genesung vielleicht nicht auffallend verzögert haben. Niemand aber bedenkt, daß er durch solche Zeugnisse seinen Mitmenschen den größten Schaden zufügen kann und sich zum unfreiwilligen Helfershelfer einer schlechten Sache hergiebt.

Da sich Diejenigen nur vereinzelt melden, denen ein Geheimmittel nichts nützt, und Diejenigen, die daran zu Grunde gehen, den Mund schon gezwungen halten müssen, so wächst natürlich in allen Fällen bald ein Schatz günstiger Zeugnisse an, mit dem man Broschüren füllen kann; der Erfinder des Mittels wird, wenn er nicht ein großer Menschenkenner ist, von seinen eigenen Erfolgen überrascht und lebt sich immer tiefer in seinen einträglichen Wohlthätigkeitsdrang hinein. Wir setzen hier den günstigsten Fall, den Glauben des Verkäufers an seine Mittel und die authentischen Zeugnisse Solcher voraus, die sich durch den Gebrauch derselben geheilt wähnen. Aber wir können noch einen Schritt weiter gehen und sogar eine Unschädlichkeit der Mittel für viele Fälle, eine zufällige Wirksamkeit für einzelne zugeben, und würden doch mit Entschiedenheit behaupten müssen, daß die besten Geheimmittel zehnmal so viel Schaden als Nutzen stiften, sei es auch einzig dadurch, daß sie den Leidenden verhindern, bei Zeiten vor die richtige Schmiede zu gehen.

Konnten wir auf diese Weise einzelne Geheimmittelverkäufer – denn die meisten sind echte Industrieritter – und auch einzelne Personen, die solche Mittel weiter empfehlen, bis zu einem gewissen Grade entschuldigen, nämlich mit ihrer möglicher Weise vorhandenen Unwissenheit, so können wir eine gleiche milde Beurtheilung keineswegs Denjenigen zu Gute kommen lassen, die ein Geschäft daraus machen, Geheimmittel aller Art gegen Entgelt und unter dem Vorgeben eines amtlichen Charakters oder einer speciellen Befugniß zu empfehlen.

So ausgedehnt hat sich der Krebsschaden des Geheimmittelschwindels in unsern Tagen, daß sich ein förmliches Geschäft auf die natürlich unabänderlich günstige Begutachtung von Geheimmitteln begründen ließ. Fast in jeder unserer Großstädte giebt es eine oder einige solcher „Autoritäten“, die gegen bestimmte Vergütung jede neu auftauchende Schwindelwaare unter den Schutz ihrer Titel nehmen, die Reinheit, Unschädlichkeit und Wirksamkeit solcher Waare bestätigen und ihr wie ein Amtssiegel gestaltetes Privatsiegel unter das Attest drücken.

Diese Personen sind in der Regel keine Aerzte, obwohl doch nur solche ein ärztliches Gutachten über Arzneiwirkungen abgeben könnten, sondern es sind meistens sogenannte verdorbene Apotheker, das heißt solche Apotheker, die durch das herrschende Concessionssystem verhindert sind, ihre Fähigkeiten besser zu verwerthen, eines der vielen Beispiele, wie mangelhafte staatliche Einrichtungen stets auch in weiteren Kreisen üble Folgen nach sich ziehen. Um das liebe Publicum nun gründlich zu täuschen, schmückt sich der betreffende Schutzgenius möglichst mit hochklingenden Titeln; er nennt sich zum Mindesten einen Apotheker erster Classe, obwohl es seit sehr langer Zeit keine Apotheker zweiter Classe bei uns mehr giebt, und legt sich den Director-Titel eines chemischen Laboratoriums bei, sollte auch dieses Laboratorium nur in einer gewöhnlichen Kochküche und sein chemisches Werkzeug in Dreifuß und Bratpfanne bestehen.

Ein ferneres sehr schätzbares Requisit ist der Titel eines Doctors der Philosophie, dessen ordnungsmäßige Erwerbung Apothekern, welche vorschriftsmäßige Universitätsstudien zu machen haben, keine nennenswerthen Schwierigkeiten bereitet. Gleichwohl haben sie sogar diesen Titel, der natürlich stets unter Weglassung der näheren Facultätsbezeichnung gebraucht wird, um dem verehrlichen Leser die Verwechselung mit einem Doctor der Medicin möglichst zu erleichtern, meistens auf Schleichwegen erworben, und es machte einen allgemein sehr erheiternden und belustigenden Eindruck, als eine der berühmtesten Autoritäten dieses Faches vor Jahr und Tag auf den peinlich dringenden Wunsch der zuständigen Polizeibehörde, seine Papiere zu sehen, ein Jenaer Doctordiplom zum Vorschein brachte, mit welchem er von einem der bekannten Doctor-Fabrikanten – auch ein moderner Industriezweig! – betrogen worden war, denn das zur Prüfung nach Jena gesandte Diplom erwies sich als eine plumpe Fälschung.

Jedenfalls noch bedeutend höher im Preise stehen die Atteste der sogenannten „Medicinalräthe“; denn Medicinalräthe sind ja in der Regel mit dem Vertrauen einer Regierung betraute Personen von Amt und Würden, deren Urtheil in solche Dingen ein großes Gewicht haben würde. Allein auch hier darf das Publicum getrost überzeugt sein, daß Medicinalräthe, die Geheimmittel attestiren, einem andern Stande angehören. Zur Zeit der deutschen Kleinstaaterei legte man nämlich in kleinen Ländern, die kaum einen Regierungs-Medicinalstab hätten besolden können, diesen Titel Apothekern bei, die zu Revisionen und dergleichen Geschäften herangezogen wurden.

Ein solcher Medicinalrath a. D. eines Ländchens von kaum 50,000 Einwohnern ist nun, da ihm offenbar dieser Wirkungskreis nicht groß genug war, nach der deutschen Reichshauptstadt verzogen und hat durch seine Atteste das liebe Publicum in den Glauben versetzt, er stelle eine preußische oder deutsche amtliche Autorität im Gesundheitswesen vor, eine Täuschung, die um so vollständiger gelingen mußte, als in Berlin sich ein wirklicher Medicinalrath gleichen Namens im Amte befand. Dieser dadurch in eine sehr schiefe Lage gelangende Beamte nahm dann freilich bald Gelegenheit, das Polizeipräsidium auf seinen Doppelgänger aufmerksam zu machen, und diese Behörde hat denn auch amtliche Warnungen vor dem Herrn Doppelgänger erlassen, ohne ihn indessen dadurch einzuschüchtern, denn auf seinen Geheimmittelattesten prangte nach wie vor der Medicinalrathstitel.

Eine zweite Kategorie von Helfershelfern, die man beinahe mit noch mehr Recht die Hehler des Diebstahls an der Volksgesundheit nennen könnte, rekrutirt sich, statt aus verdorbenen Apothekern, aus unfähigen Buchhändlern. Wir meinen hier diejenigen dunklen Ehrenmänner, welche Herstellung und Vertrieb einer Broschürenliteratur betreiben, deren Hauptzweck es ist, mit allen Künsten der Drohung und Ueberredung den Kranken zu veranlassen, sich in den alleinseligmachenden Schutz ihrer Universalmittel oder eines mit ihnen associirten heruntergekommenen Arztes zu werfen. Diese Broschürenliteratur speculirt mit ihren unübertrefflichen „Meisterwerken“ einerseits auf die verderbliche Sucht Halbgebildeter, an ihrem Körper herumzucuriren, andererseits auf junge Gimpel, denen sie einredet, sich durch schlechte Gewohnheiten einem unheilbaren Siechthum übergeben zu haben, wogegen sie nur bei ihnen Hülfe finden könnten. Schon im vorigen Jahrhundert mußte der berühmte englische Arzt John Hunter die Jugend vor jener elenden Literatur warnen, welche durch übertriebene Schreckensbilder die in dieser Richtung sehr folgsame Phantasie in Spannung versetzen und die Krankheit erst schaffen, die sie zu bekämpfen vorgeben. Es handelt sich hier um einen Industriezweig, dessen Nichtswürdigkeit gar nicht zu schildern ist und der geradezu darauf baut, daß sich die anständige Presse nicht gern mit ihm beschäftigt.

Man pflegte früher gern „Doctor und Apotheker“ als die natürlichen Verbündeten gegen den Geldbeutel der Leidenden hinzustellen, aber die Neuzeit hat gezeigt, daß Buchhändler und Arzt viel schlimmere Bundesgenossen sein können. Da hat sich z. B. in Leipzig eine besondere Verlagsanstalt aufgethan, die ihre eigene Druckerei besitzt, und sich berühmt (!), ihre Geheimmittelbücher binnen wenigen Jahren in – ich glaube – hundertzwanzig starken Auflagen verbreitet zu haben. Da diese durch ungeheuere Massen von Anerkennungen und Zeugnissen umfangreiche Bücher halb oder ganz verschenkt werden, so kann man daraus ermessen, mit welchem werthlosen Zeuge die Opfer solcher „Verlagsgeschäfte“ bedient werden müssen, um derartige Unkosten zu decken und die Veranstalter für die Verachtung der aufgeklärten Welt zu entschädigen. [179] Natürlich hat diese systematische Täuschung und Prellerei des Publicums in der wohlmeinenden Presse stets die entschiedenste Gegnerschaft gefunden, und die „Gartenlaube“ darf sich wohl das Zeugniß geben, ihrerseits seit langen Jahren das Mögliche gethan zu haben, das Publicum vor solcher gewissenlosen Ausbeutung zu warnen. Sie will aber auch ihrer Mitstreiter auf diesem Gebiete nicht vergessen und nennt dabei in erster Reihe den verstorbenen Professor Bock, den Professor der Medicin Dr. H. E. Richter, den Vertrauensmann der Dresdener Aerzte beim sächsischen Landesmedicinal-Collegium, der eine besondere Schrift gegen das Geheimmittelunwesen (Leipzig, 1872 bis 1875) herausgegeben hat, und Dr. Emil Jacobsen in Berlin, der in seiner mit Dr. E. Hager begründeten Zeitschrift „Industrieblätter“ seit einem Jahrzehnt tapfer zur Unterdrückung dieser am Volkswohle nagenden Krebsgeschwüre gekämpft hat. Es kann wohl kaum ein beredteres Zeugniß für den großen Umfang des Unwesens und der durch dasselbe geschädigten Interessen geben, als daß ein hauptsächlich gegen die Geheimmittelkrämerei gerichtetes Preßorgan als Bedürfniß erschienen ist und im gebildeten Publicum Boden finden konnte. Es wäre freilich zu wünschen, daß diese Zeitschrift eine noch weitere Leserschaft an solchen Personen fände, die in ihrem Kreise auf Unterdrückung der großen Calamität hinwirken wollen und können.

Naturgemäß hat sich dieser Kampf der wohlmeinenden Presse nicht blos gegen die Geheimmittelfabrikanten, sondern und mit erhöhter Energie gegen die Helfershelfer gewendet, bei denen sie als sicher voraussetzen kann, daß sie sich nicht aus bloßer Fahrlässigkeit an dem kostbaren Gute ihrer Mitmenschen versündigen. Und dieser Kampf ist kein ganz dornenloser; denn die Angegriffenen, welche an kolossale Geschäftsunkosten gewöhnt sind, strengen in der Hoffnung, doch einmal zu triumphiren, selbst in den aussichtslosesten Fällen Injurienprocesse an, um den Gegner einzuschüchtern und ihrem Geschäfte freie Bahn zu schaffen. Die Richter sind nicht immer unbefangen genug, zu erwägen, daß es sich hierbei um Kämpfe für das Volkswohl handelt, daß die Angriffe nicht den Personen an sich, sondern ihrem unsaubern Treiben gelten, daß keinerlei egoistische Motive, sondern rein ethische denselben zu Grunde liegen und statt einer schlechten Absicht (dolus) vielmehr die allerbeste vorhanden ist. Trotz alledem hat auch die „Gartenlaube“ manche bittere Erfahrungen auf diesem Gebiete sammeln müssen, aber sie will hier nicht von sich selber reden, sondern an einem andern Beispiele zeigen, wie auch die selbstlosesten Streiter im Kampfe gegen den Geheimmittelschwindel nicht selten die Zeche bezahlen müssen.

Nachdem Dr. E. Jacobsen die hervorragendsten Geheimmittel-Väter und -Beschützer schon lange Jahre hindurch mit den Waffen der wissenschaftlichen Kritik bekämpft hatte, indem er ihnen an der Hand der chemischen Analyse Schlag auf Schlag nachwies, welch werthloses Zeug sie fortwährend in die Welt setzten respective empfahlen, fiel es ihm vor nicht langer Zeit eines Tages bei, einmal die Waffen zu wechseln und die Satire gegen sie in's Feld zu schicken. Er veröffentlichte im Briefkasten seiner „Industrieblätter“ folgende köstliche Persiflage, die wohl ein Seitenstück zu dem berühmten Theaterzettel Lichtenberg's contra Philadelphia genannt zu werden verdient:

„... Vor einigen Jahren hat Professor A. in J., der berühmte Erfinder der Glycerin-Glanzwichse, bei Experimenten mit einer Deleuil'schen Quecksilberluftpumpe sich die Frage vorgelegt: was wird daraus, wenn man nach Erreichung vollständigster Luftleere weiterpumpt? Gedacht, gethan! Zu seinem Erstaunen entwickelte sich ein blauer Dunst, den der Professor durch eine U-förmige Röhre leitete und genügend abkühlte, wobei eine Condensation des Dampfes stattfand, sich schöne blaue, goniometrisch noch nicht bestimmte Krystalle bildeten. Die Untersuchung ergab, daß man es mit krystallisirtem Raum zu thun hatte. Die Tragweite dieser Erfindung ist natürlich eminent: kein Mangel an Raum mehr! Der Erfinder hat seine Erfindung nicht verwerthen wollen, weil er von der preußischen Patent-Commission mit der Behauptung abgewiesen wurde, die Luftpumpe wäre nicht neu und das Pumpen nichts Eigenthümliches. Ein Versuch Professor A.'s, den krystallisirten Raum als Geheimmittel gegen Magerkeit zu verwerthen, scheiterte, trotzdem die Herren Medicinalrath X., Dr. Y., Dr. Z. und Director W. die besten Atteste ausstellten.“

X., Y., Z., oder vielmehr des inzwischen verstorbenen Z. Wittwe, verklagten den Satiriker, erstere wegen Beleidigung, Herabsetzung ihres „wissenschaftlichen Ansehens“ und Schädigung ihres Geschäftsbetriebs als Geheimmittel-Empfehler, letztere unter Bezeichnung des Angriffs als eine Art Leichenschändung. Die pietätvolle Wittwe wurde mit ihrer Anklage abgewiesen, X. und Y. aber gewannen ihren Proceß in zwei Instanzen, da sie mit Bestimmtheit nachweisen konnten, den sicherlich ganz unschädlichen krystallisirten Raum niemals als bestes Mittel gegen Magerkeit empfohlen zu haben.

Man ersieht hieraus, daß, wer im Kampfe gegen solche Gebrechen des öffentlichen Lebens, die im Strafgesetzbuche nicht vorgesehen sind, siegreich bestehen will, sich gar oft gegen Arglist mit List wappnen muß, wie es laut unserer neulichen gelegentlichen Mittheilung in dem Artikel „Ein Preßproceß der 'Gartenlaube'“ (Nr. 7, „Blätter und Blüthen“) der Karlsruher Ortsgesundheitsrath gethan hat.

Und das Heilmittel gegen jenes Bündniß von Geldgier und Gewissenlosigkeit? Wir wissen vorläufig kein anderes Universalmittel, als die Aufklärung des Publicums über dergleichen Schwindel, denn das Radicalmittel eines Verbots aller öffentlichen Anpreisungen von Heilmitteln unbekannten Inhalts scheint trotz seiner Einfachheit von den gesetzgebenden Factoren aller Länder für undurchführbar gehalten zu werden. Vergeblich fragen wir: warum?




Karpathen-Menschen.
2. Paulu, der Vergeßliche.
Von F. Sch.
(Fortsetzung.)

„Was ist's, Junge? Hat's ein Unglück gegeben?“ sprach ich.

Paulu schüttelte verneinend den Kopf mit den langen Haarlocken, welche wie die Zweige eines vom Sturme zerzausten Baumes umherhingen.

„Ist der Wurf mißglückt?“

Abermaliges Kopfschütteln folgte; erst als der sichtlich Erschöpfte ein Glas Rum, das ich ihm reichen ließ, in hastigen Zügen getrunken, lösten sich gleichsam die Worte von der schwer athmenden Brust.

„Es ist nichts, Herr – nur ein Narr, und ein altes schlechtes Weib – aber glaubt mir, das Geschwätz der Elster oder das Knarren der Windfahne ist verläßlicher, das Gekrächz des Todtenvogels glückbringender als –“

Armer Junge! Er lachte auf wie geistesverwirrt, und in der Einfalt seines Gesichtsausdruckes lag nun ein Zug von Wildheit, der mich fast erschreckte.

„Wohl, Paulu, aber was kann ich für Dich thun?“ meinte ich begütigend.

„O Herr!“ rief er plötzlich, um im nächsten Augenblicke wieder mit stier auf einen Punkt gerichtetem Blicke hinzuzufügen: „Nichts, Herr – ich kam nur, weil – ja weil ich hörte, Ihr wolltet nach Rimnik heimreiten, und ich dachte –“

„Nun, was dachtest Du?“

„Ja seht, Herr, es ist ein weiter Weg für Fremde; darum nehmt mich mit! Und ich will des Teufels sein, wenn –“ Und wieder hielt er inne mit wirrem Blicke.

Sein Geist glich einem Uhrwerk, dessen beschädigte Räder nur noch stoßweise fungiren, doch war dies nach dem Fehlschlagen jahrelang gehegter Hoffnung leicht erklärlich und die Anhänglichkeit des armen Burschen um so rührender, der bei alledem so weit hergelaufen war, um mir als Führer zu dienen.

Es wäre thöricht und grausam zugleich gewesen, das Anerbieten [180]

Heitere Kindheit.
Nach seinem Gemälde auf Holz übertragen von O. Rethel.


zurückzuweisen, und da Paulu auf meinen Rath, sich ein Stündchen der Erholung zu gönnen, erklärte, der Sattel sei hierzu der geeignetste Platz, so wies ich ihm das für meinen Diener bestimmte Pferd an und überließ mich seiner Führung.

Es zeigte sich bald, wie gut ich daran gethan.

Paulu kannte die Gegend so gut wie seine Tasche. Bald die Wirrniß eines majestätischen Hochwaldes durchschneidend, bald dem bahnbrechenden Laufe eines Wildbaches folgend, dann wieder über sanft gewölbte Matten hin, ritt er immer vor mir her ohne einen Augenblick des Zweifels oder Zögerns über die zu wählende Richtung, ein Pfadfinder des Berglandes, desgleichen mir nicht wieder vorkam in all den Jahren meines Aufenthaltes in den Karpathen. So wurde es möglich, daß wir das auf halbem Wege gelegene kleine Bergdorf, wo auf mein Aviso frische Pferde für uns bereit gehalten wurden, in drei statt in sechs Stunden, wie ich gerechnet, erreichten, wodurch unsere Ankunft in Rimnik bis zur Mittagszeit gesichert war.

Dieses überraschende Resultat milderte sichtlich Paulu’s trübe Stimmung, doch blieb er schweigsam und in sich gekehrt, verschiedene Kernflüche abgerechnet, welche gelegentlich überhängender Aeste oder hinderlicher Baumstämme der ortsüblichen Berghexe galten. In der Nähe Rimniks aber, als wir unseren Thieren der zunehmenden Hitze wegen eine ruhigere Gangart erlaubten, hörte ich den nun hinter mir Reitenden so bedenklich stöhnen, daß ich besorgt nach der Ursache dieser Schmerzenslaute fragte.

„O nichts, Herr,“ erwiderte der Gefragte, „es ist mir nur,

[181]

Ernste Kindheit.
Nach seinem Gemälde auf Holz übertragen von O. Rethel.


als ob alle meine Gedanken an Frau Dordona’s Bratspieß steckten und an ihrem Herdfeuer gebraten würden.“

„Das kommt von der Hitze, Paulu,“ sagte ich, durch dieses deutliche Symptom eines herannahenden Deliriums nicht wenig beunruhigt. „Doch gedulde Dich nur! In Rimnik werde ich Dich zum Doctor führen.“

„O lieber, guter Herr, thut das nicht!“ fiel Paulu erschreckt ein und fuhr auf mein „Weshalb nicht?“ eifrig fort:

„Sehet, Herr, mein Vater ließ, so lange er lebte, den Doctormenschen nur einmal holen, das war, als sein Lieblingsschaf erkrankte, während ihn selbst heftige Leibschmerzen plagten; na, und wie meine Mutter vorausgesagt, andern Tages schon streckte das Schaf alle Viere von sich.“

„Aber Dein Vater, Paulu?“

„Meinem Vater wäre es sicher ebenso ergangen, hätte er nicht kluger Weise den für ihn bestimmten Medicintrank eher an dem kranken Schafe probirt und die Flasche, nachdem er gesehen, wie schlecht er diesem bekam, in das nächste Wetterloch geworfen, auf daß kein weiteres Unglück damit angerichtet werde.“

„Dein Vater war in der That ein vorsichtiger Mann.“

„Ja, Herr, und auch ich wüßte ein gutes Mittel gegen die Hitze auf der Heimkehr.“

„Das wäre?“

„Wir dürfen nur die Sonne mit dem Mond vertauschen.“

Die Lösung war freilich höchst einfach und nichts weniger als unvernünftig, da die Hitze in der That äußerst belästigend [182] war; zwar wußte ich, daß Hirten und Bauern, welche nicht zugleich – berechtigt oder unberechtigt – Schützen waren, der Wölfe, Bären und Hexen wegen Nachtmärsche nur im Drange der Noth und dann truppweise vereint unternahmen, weshalb Paulu’s Vorschlag mich einigermaßen überraschte, indessen der Bursche hatte sich schon als ungewöhnlich muthig erwiesen, außerdem aber schien mir die Idee eines Nachtrittes in diesem wild-romantischen Gebirge so reizend, daß ich ohne weiteres darauf einging und ihn beauftragte, die Pferde Abends wieder bereit zu halten. Die Aussicht, auf dem Rückwege den sengenden Strahlen der Sonne zu entgehen, erleichterte die Leiden des Burschen so sehr, daß er mehr wie einmal zu einem fröhlichen Liedchen anhub, um jedoch jedesmal nach wenigen Tönen kurz abzubrechen, ähnlich dem verwundeten Vogel, der gleichwohl den gewohnten Gesang nicht ganz zu unterdrücken vermag.

Dagegen schien der Himmel mit unserem Plane keineswegs einverstanden. Kurz nach unserer Ankunft in Rimnik ballten sich gewaltige Wolkenmassen am Horizonte zusammen, und eben als ich meine Geschäfte beendet, ging ein so wuchtiger Gewitterregen nieder, daß ich meinerseits die nächtliche Rückkehr aufgab.

Paulu war jedoch anderer Meinung. Kaum daß der heftigste Regen nachgelassen, erschien er im Wirthshofe mit den nach meinem Befehle gesattelten und gezäumten Pferden und wartete dann, sich mit nachlässiger Behaglichkeit an seine stämmige Stute lehnend und seiner geliebten Pfeife Rauchwolken entlockend, gerade so, als lachte der blaue Himmel über uns.

Es donnerte, als ich zu ihm hinaustrat, während der Wirth und die anwesenden Gäste neugierig in die Veranda an der Hofseite des Hauses eilten.

„Schlimmes Wetter, Paulu!“ sagte ich bedauernd.

„O, nur etwas naß, Herr!“ erwiderte er, gleichmütig den Steigbügel an meinem Sattel zurecht rückend.

„Hm, und Du meinst, daß es morgen wieder heiß werden wird?“ fragte ich als letzten Versuch, das unerfreuliche Douchebad abzuwenden.

„Sehr heiß, Herr! So ’n paar Tropfen sind eine wahre Wohlthat dagegen,“ versicherte Paulu, mir die Zügel übergebend.

In diesem Augenblicke erhoben sich gleichzeitig ein halb Dutzend warnende Stimmen von der Veranda her. Wirth und Gäste beschworen mich, ein Vorhaben aufzugeben, dessen Ausführung unter allen Umständen ein Wagestück, bei solchem Wetter jedoch geradezu eine Tollheit wäre.

„Stadtleute und alte Weiber schwätzen viel,“ versetzte Paulu auf meinen fragenden Blick. „Doch wenn Ihr glaubt, Herr?“

In der Miene des Burschen lag bei dieser Frage ein Ausdruck des Spottes, dessen ich diese einfältigen Züge nicht fähig gehalten hätte. Meine Antwort bestand darin, daß ich mich in den Sattel schwang und zum Thore hinausjagte; es war doch gar zu ärgerlich, daß ein Hirtenjunge an meinem Muthe zu zweifeln wagte.

Und als ob die Berghexe, deren Zaubermacht nach Paulu’s Versicherung das Unwetter herbeigeführt, unserem entschlossenen Vorgehen gegenüber das Vergebliche ihrer Bosheit eingesehen hätte, zertheilte sich, als wir das Städtchen im Rücken hatten, das dunkle Gewölk, um uns nochmals das strahlende Antlitz der Frau Sonne erblicken zu lassen, welche eben mit warmem Abschiedslächeln hinter den Bergen verschwand. Auch die erst von dichtem Nebel verhüllten Höhen prangten wieder in blauer oder violetter Feiertracht, und der rasche Ritt in der ozonreichen reinen Luft war so erfrischend, daß ich mit Paulu’s Hartnäckigkeit vollkommen versöhnt war.

In der würzigen Abendfrische schien der arme Bursche Kopf- und Leibschmerzen gleichzeitig vergessen zu haben; denn während des munteren Trabes unserer Thiere war er geradezu unerschöpflich an lustigen Liedchen.

So erreichten wir das Bergdorf in heiterster Stimmung. Im Hause des Richters, wo wir unsere ursprünglichen Pferde wieder eintauschten, wiederholte sich die Scene vom Gasthause in Rimnik. Der alte Mann und dessen Hausgenossen schilderten die Gefährlichkeit des Riu rou (Wilder Bach) nach solchem Wetter und die Blutgier der Wölfe, gerade jetzt, wo die Schafheerden ihre Hauptnahrung, von den Alpen abgetrieben seien, in den lebhaftesten Farben, und Ersterer drang in gutmüthigster Weise in mich, die Nacht in seinem Hause vorlieb zu nehmen. Auch war ich nahe daran, auf den gutgemeinten Vorschlag einzugehen, als Paulu mir leise zuraunte:

„Wahrlich, Herr, die braune Suppe dort im Mamaligakessel des Richters scheint mir noch gefährlicher als das Wasser des Riu rou, und was die Wölfe anbelangt, so müßt Ihr selbst schon verspürt haben, daß es hier im Hause von Thieren wimmelt, die noch weit blutgieriger sind.“

Des Burschen Bemerkungen waren leider treffend; das würdige Oberhaupt des Dorfes mochte ein herzensguter Mann sein, allein in seinem Hause waltete keine Margita.

Vorwärts also! Die Gefahren, über welche Paulu so heiter scherzte, konnten nicht schlimmer sein als eine schlaflose Nacht.

Unter den Segenswünschen der Männer und eifrigem Kreuzeschlagen der Weiber ritten wir in die dunkle Nacht hinaus, auf immer rauheren Wegen zwar, doch ungehindert, bis nach etwa einstündigem Ritte sich das Rauschen des Riu rou vernehmen ließ und bald darauf die Pferde weiteres Vorschreiten hartnäckig verweigerten. Als wir dieselbe Stelle Vormittags passirten, wurden kaum die Hufe derselben benetzt, jetzt aber sahen wir, so weit unser Blick in die Dunkelheit drang, nur eine bräunlich schmutzige Wassermasse, welche unheimlich wirbelnd und gurgelnd an uns vorüber toste.

Paulu trieb sein Pferd so ungestüm dem Wasser zu, daß es, sich hoch aufbäumend, jeden Augenblick zu überschlagen drohte.

„Höre, Paulu, das Thier scheint klüger zu sein, als sein Reiter,“ sagte ich unwirsch über die Quälerei.

„Oh, oh,“ protestirte jedoch dieser, „behext ist es, und darum wasserscheu wie ein altes schmutziges Weib, doch Gott schlage mich, wenn Ihr es nicht gleich wie eine Ente plätschern seht.“

Damit sprang der Bursche aus dem Sattel und bis zum Gürtel in die reißende Fluth. In der That wirkte das gute Beispiel derart, daß nun beide Thiere willig in das nasse Element stiegen und uns – Paulu hatte sich sofort wieder in den Sattel geschwungen – muthig vorwärts trugen. Ich hatte den glücklichen Einfall, meine Pistolen aus dem Halfter zu ziehen und in der Brusttasche zu bergen, um sie vor dem Naßwerden zu schützen. Sie wären, wie sich sofort zeigte, diesem Schicksal sonst zweifellos anheimgefallen.

Es war ein unheimlicher Ritt. Durch den Schleier dunklen Gewölkes sandte der Mond sein mattes Licht in das einsame Karpathenthal, auf die hastenden, schäumenden Wogen um uns, die bald in Dunkel versanken, bald wieder aufblitzten; es war, als tummelten sich gnomenhafte Unholde mit unförmigen, schmutzigen Köpfen in phantastischem Reigen, das ringsum herrschende Todesschweigen durch ihr heiser kluxendes Gelächter unterbrechend. Mitten durch dieses wilde Getriebe aber brachen sich unsere braven Thiere Bahn, hart an einander gedrängt, als gelte es, sich gegenseitig beizustehen in dem gefährlichen Gange.

Daß die Gefahr keine geringe war, bezeugten die bleichen Züge meines Gefährten, seltsamer Weise aber – und bezeichnend für die dunkeln Irrgänge des Menschenherzens – fühlte ich weit weniger Sorge als Befriedigung, wenn unsere Pferde strauchelnd oder einsinkend bis an den Hals in die Wogen geriethen und ich in Paulu’s angstvoller Miene die gerechte Strafe für seinen fast unbegreiflichen Starrsinn lesen konnte. Oder war dieses Vorwärtstreiben um jeden Preis nicht Starrsinn, sondern gleich jener Empfindlichkeit für die Hitze ein Symptom beginnenden Wahnsinns?

Ich hatte nicht Muße, darüber nachzudenken, sondern vollauf zu thun, nicht von dem Wasserschwall aus dem Sattel gehoben zu werden, kaum aber hatten wir, dank der Muskelkraft unserer Pferde, das jenseitige Ufer glücklich, wenn auch wassertriefend, erreicht, als Paulu in lautes Jauchzen ausbrach und dann, sein Pferd liebkosend, rief:

„Ho, ho, Bräunchen, morgen sollst Du Malaia fressen bis zum Platzen, ich aber will nimmer eines Richters Kesselwasser verachten, wäre es auch braun wie Deine Haut!“

Während der närrische Bursche so schwatzte, lenkte er seine Stute, die Führung wieder übernehmend, in ein enges Seitenthal, dessen Gerinne zwar mit abgeschwemmtem Gerölle bedeckt war, jedoch leidliches Fortkommen ermöglichte, bis abermals mächtiges Rauschen ein neues Hinderniß ankündigte.

Wie sich nach näherer Untersuchung ergab, war durch die Gewalt des abstürzenden Regenwassers eine Erdlawine niedergegangen, die Thalsohle aufwärts in einen See verwandelnd, [183] der nun, über den stauenden Schutt drängend, einen brausenden Wasserfall bildete. Die überlaute Fröhlichkeit Paulu’s verwandelte sich bei diesem Anblicke in stumme Verzweiflung; lange starrte er unverwandt in die Verwüstung, als müsse sein Auge dennoch einen Durchweg ergründen.

„Umsonst, Paulu! Wir entgehen heute dem trüben Wasser nicht,“ sagte ich, um ihn aus seiner Erstarrung zu wecken, und wandte eben mein Pferd nach rückwärts, als dieses plötzlich fühlbar erzitterte und fast gleichzeitig sich jenes langgezogene Geheul in das Geräusch des Wasserfalles mischte, das ich gar wohl erkannte, da es mich oft genug schon aus dem Schlafe geweckt.

(Schluß folgt.)




Blätter und Blüthen.

Der Tod Kaiser Norton's des Ersten. Am 8. Januar d. J. starb im Alter von fünfundsechszig Jahren in seiner „Residenzstadt“ San Francisco jener Sonderling, welcher als „Norton der Erste, Kaiser der Vereinigten Staaten und Protector von Mexico“ durch die „Gartenlaube“ weltberühmt geworden und den Lesern dieser Blätter gewiß noch in der Erinnerung ist.[1]

Wohl Jedem, der während der letzten Jahrzehnte San Francisco auf längere Zeit besucht hat, ist die wunderbare Gestalt jenes in einer schäbigen alten mexicanischen Uniform, mit Hahnenfeder auf dem Hut und mit Knotenstock oder baumwollenem blauem Schirm unter dem Arm die Straßen dieser Stadt gravitatisch auf- und abwandelnden Mannes eine bekannte Erscheinung gewesen, der sich selbst den gekrönten Titel gegeben und von der ganzen Bevölkerung nie anders als „The Emperor“ genannt wurde. Man sah ihn Sonntags in den Kirchen, und er fehlte bei keinem Concert, keiner Festlichkeit, keinem öffentlichen Aufzuge. In Theatern und an anderen Vergnügungsorten, wo gewöhnliche Sterbliche selbst in diesem freien Lande ihren Obolus an der Eingangspforte entrichten müssen, hatte er freien Zutritt. Nach schweigendem Uebereinkommen sämmtlicher Gastwirthe speiste der „Emperor“ unentgeltlich in jeder Restauration, an jeder Hôteltafel, wo er einzutreten beliebte, und wenn es dennoch gelegentlich vorkam, daß ein Kellner dem kaiserlichen Gaste aus Unkenntnis Geld abverlangte, so fanden sich stets Zehn für Einen unter den gerade anwesenden Amerikanern, welche die Zeche für Seine Majestät liquidirten.

Das nöthige Kleingeld für anderweitige leibliche Bedürfnisse oder für Wohlthätigkeitszwecke verschaffte sich Norton der Erste durch den eigenhändigen Verkauf seiner Schatzscheine oder durch Abgaben, die er von den Kaufleuten mit unnachsichtlicher Strenge persönlich eintrieb und die ihm nie verweigert wurden. Während eines Zeitraumes von mehr als fünfundzwanzig Jahren stand der alte Kaiser auf cordialem Fuße mit seinen getreuen Unterthanen, deren Liebe und Anhänglichkeit für ihn bis zu seinem Tode dieselbe geblieben ist.

Seine unzähligen Proclamationen in den hiesigen Tagesblättern, in denen er seinem Mißfallen über politische Zustände, über Krieg und Frieden, über municipale Verhältnisse im Allgemeinen etc. drastische Worte lieh, seine Befehle an auswärtige Potentaten und Minister wurden stets von Alt und Jung mit gebührender Aufmerksamkeit gelesen, und es war sicherlich nicht seine Schuld, daß z. B. Bismarck den Franzosen die Milliarden nicht erließ und daß die Russen im letzten Türkenkriege nicht an der Donau Halt machen wollten. Ob General Grant dem entschiedenen Befehl, die Candidatur für einen dritten Präsidentschaftstermin nicht anzunehmen, gehorchen wird, muß sich bald entscheiden. Wäre Norton der Erste ein Jahr länger am Leben geblieben, so würden seine auf die nächste Präsidentenwahl Bezug nehmenden Proclamationen ohne Zweifel in Washington gebührende Achtung gefunden haben.

Norton der Erste pflegte nicht gern bei den Sitzungen des californischen Repräsentantenhauses in Sacramento zu fehlen und nahm dort regelmäßig einen Platz auf der vordersten Bank ein, wo er den Debatten mit der größten Aufmerksamkeit folgte. Als er im Jahre 1866 eine Reise von San Francisco nach Sacramento auf dem Dampfer „Yosemite“ unternahm, passirte es ihm, daß der Capitain jenes Dampfers ihn nicht unentgeltlich mitnehmen wollte. In Folge dieser respectswidrigen Behandlung erließ der entrüstete Kaiser die folgende Proclamation, welche dem Leser den energischen Stil unserer californischen Majestät veranschaulichen möge:

„Wir, Norton der Erste, Dei gratia Kaiser der Vereinigten Staaten und Protector von Mexico, befehlen, da die Dampfschiffsahrtsgesellschaft Uns die freie Passage nach Sacramento verweigert hat, daß der Vereinigten Staaten Kutter 'Shubrick' den Sacramentofluß so lange blockire, bis die rebellische Gesellschaft sich Uns gefügt haben wird.
(Siegel.)

     San Francisco, den 8. Februar 1866.

Norton der Erste.“

Die Dampfschifffahrtsgesellschaft, welcher beim Bekanntwerden dieser geharnischten Proclamation der Schrecken in die Glieder ging, sandte dem „Emperor“ sofort einen Freipaß auf Lebenszeit zu, und seitdem hat weder diese noch irgend eine andere Gesellschaft in Kalifornien es gewagt, der freien Bewegung Seiner Majestät Zwang anzulegen.

Einmal war ich jedoch Zeuge, wie dem Kaiser der Vereinigten Staaten durch die brutale Nichtachtung einer niedrigen Kellnerseele eine Majestätsbeleidigung zu Theil wurde, die in den Annalen der Geschichte ihres Gleichen sucht. Es war kurz nach der Eröffnung der Pacificbahn, als noch Restaurationswaggons den zwischen San Francisco und Sacramento fahrenden Zügen beigegeben wurden. Ich verzehrte während einer Reise nach Sacramento auf jener Bahn gerade ein treffliches Hamburger Beefsteak mit Bratkartoffeln im Speisewaggon und ließ als Zugabe das Panorama der fernen San Joaquin-Ebene, mit den Schneebergen der Sierra Nevada im Hintergrunde, an meinem Fenster vorüberfliegen, als die mir wohlbekannte Gestalt des Kaisers der Vereinigten Staaten und Protectors von Mexico gravitätisch aus dem nächsten Silberpalastwaggon in meinen Wagen trat und mir gegenüber an meinem Eßtische Platz nahm.

Norton der Erste befahl einem Aufwärter, ihm sofort eine Hammelcotelette nebst Gemüse, Austernpastete und eine Flasche Rheinwein zu bringen. Der Kellner nahm jedoch keine Notiz davon und hatte sogar die Frechheit, als der Kaiser seine Ordre ziemlich barsch und laut wiederholte, ihn zu fragen, ob er auch genügend Geld in der Tasche habe, um für die bestellte Mahlzeit zu bezahlen.

Die Entrüstung Seiner Majestät über den beschränkten Unterthanenverstand des Aufwärters war grenzenlos. Mit dem knorrigen Ziegenhainer auf den Tisch schlagend, schnauzte er den erschrockenen Kellner wüthend an und befahl ihm bei seinem Zorne, das Verlangte schleunigst zu bringen, widrigenfalls er der Pacificbahn ihren Freibrief innerhalb der Grenzen seines Reiches entziehen werde. Einige mitreisende Californier legten sich nun in’s Mittel und veranstalteten schnell eine Collecte, für deren sehr splendid ausfallenden Betrag die Tafel königlich servirt und überdies noch durch zwei Flaschen Champagner ausgezeichnet wurde, um das erzürnte Gemüth des Kaisers wieder zu versöhnen. Norton der Erste geruhte, sämmtlichen Passagieren und selbstverständlich auch mir, seinem ergebenen vis à vis, ein Glas Schaumwein einzuschenken, erklärte sich aber erst zufrieden gestellt, als der reuige Kellner ihm demüthigst Abbitte that und der mittlerweile in den Speisewaggon eingetretene Conducteur mit unterwürfiger Miene versprach, daß dem Kaiser eine ähnliche Mißachtung, wie sie soeben stattgefunden, nie wieder auf einem Zuge der Pacificbahn geboten werden solle.

Es würde hier zu weit führen, die Excentricitäten dieses originellen Potentaten, dessen Titel und Würde vom Volke mit liebenswürdigem Humor ein für alle Mal acceptirt worden waren, ausführlicher zu beschreiben. Norton der Erste gehörte eng zu der alten Goldstadt San Francisco und wurde von der neueren Generation dieser werdenden Weltstadt als ein heiliges Vermächtniß der „alten Zeit“ pietätvoll hingenommen. Mit ihm ist wieder ein Stück Romantik aus dem Goldlande verschwunden, deß Gleichen in keiner anderen Stadt der Welt möglich gewesen wäre. An zehntausend Menschen, vom Arbeiter bis zum Millionär, haben dem guten, alten „Emperor“ vor seiner Bestattung noch einen Blick zugeworfen, ehe sich der Sargdeckel über seiner irdischen Hülle schloß. Sein Andenken wird in dieser Stadt wohl niemals ausgelöscht werden; seine Büsten und Bilder werden die Erinnerung an ihn wach halten, und spätere Geschlechter werden ihn sicherlich mit dem Zauber der Sage und Romantik aus der „glänzenden alten Zeit“ umgeben. Ohne Hofstaat, Steuereinnehmer und Minister regierte Norton der Erste einen Continent, ein Schattenkaiser, an dessen Namen kein Makel haftet. Möge die Erde ihm leicht sein!

     San Francisco, im Januar 1880.
Theodor Kirchhoff.




Zur ärztlichen Anwendung der Elektricität. Ein von mir in Nr. 34 des Jahrgangs 1877 der „Gartenlaube“ veröffentlichter Artikel: „Die Elektricität als Heilmittel“ hat mehrere Fabrikanten elektrischer Apparate und sogenannter elektrischer Ketten veranlaßt, sich auf den genannten Aufsatz zur Empfehlung ihrer Erzeugnisse zu beziehen und in mehr oder weniger directer Weise den Glauben hervorzurufen, als ob ich diese Fabrikate selbst zur Anwendung empfohlen hätte. Ich sehe mich deshalb genöthigt, zunächst hiermit zu erklären, daß ich weder in dem erwähnten Artikel, noch auf irgend eine andere Weise die betreffenden Fabrikanten zu solchem Vorgehen veranlaßt oder ermächtigt habe, außerdem aber halte ich es für meine Pflicht, die Leser der „Gartenlaube“ vor der Selbstbehandlung mit elektrischen Apparaten auf das Dringendste zu warnen.

Die Elektricität kann in den Händen eines mit der Handhabung der nöthigen Apparate vertrauten und mit den dieselbe voraussetzenden physikalischen und medicinischen Kenntnissen versehenen Arztes ungemein segensreich wirken, bei ungeschickter Anwendung aber steht sie an Gefährlichkeit den eingreifendsten Arzneimitteln durchaus nicht nach, und ich könnte selbst über zahlreiche Fälle berichten, in welchen die nicht sachgemäße Behandlung mit elektrischen Apparaten die traurigsten Folgen gehabt hat.

Wenn bei Kranken, denen von einem erfahrenen Arzte die Anwendung der Elektricität angerathen worden ist, aus irgend welchen Gründen, z. B. wegen großer Entfernung vom Wohnorte des Arztes u. dergl., die Behandlung durch den Arzt nicht möglich ist, so dürfen dieselben sich nur unter der Voraussetzung selbst elektrisiren, daß ihnen genaue Vorschriften bezüglich der Stärke des anzuwendenden Stromes, der Dauer und Häufigkeit der einzelnen Sitzungen gegeben werden. Außerdem sollte der betreffende Arzt aber in nicht allzu langen Zwischenräumen, etwa alle drei bis vier Wochen, sich von der Wirkung der Behandlung und von der Beschaffenheit der Apparate überzeugen, letzteres [184] besonders deshalb, weil durch den Gebrauch der Apparate sich die Stärke derselben allmählich ändert.

Was nun die in den Zeitungsannoncen angepriesenen Apparate betrifft, so sind dies durchweg sogenannte Inductionsapparate, welche – vorausgesetzt, daß sie überhaupt zu Heilzwecken anwendbar sind, was keineswegs bei allen der Fall ist – nur für ganz bestimmte Krankheitsformen passen und z. B. bei Rückenmark- und Gehirnleiden im Allgemeinen entweder wirkungslos oder geradezu schädlich sind. Für diese Zustände ist gewöhnlich nur der constante oder galvanische Strom geeignet, der aber kostspieligere Apparate erfordert und deshalb von den Fabrikanten billiger Inductionsapparate für überflüssig erklärt wird.

Die sogenannten „elektrisch-galvanischen Ketten“, Gichtketten mit oder ohne „Flußableitung“, sind, soweit ich sie kenne, meistens so ungeschickt construirt, daß sie gar keinen Strom erzeugen; einige geben zwar anfänglich einen schwachen Strom, nach kurzer Zeit aber verschwindet derselbe durch Oxydation der leitenden Theile, und die ohnehin schon viel zu theuer bezahlte Kette ist dann nicht mehr so viele Pfennige werth, wie sie Mark gekostet hat.
Dr. Pierson in Dresden.




Die Aufsätze „Zur Geschichte der Socialdemokratie haben mir neben vielen Zeichen freundlicher Anerkennung, für welche ich aufrichtig dankbar bin, auch eine Reihe minder befriedigter Zuschriften eingetragen. Es fehlt mir der Anlaß, näher auf ihren Inhalt einzugehen, um so mehr, als sie sich meist gegenseitig aufheben. Die Einen feiern Lassalle, Engels und Marx als „Könige“ und schelten mich einen „Kärrner“, die Andern wieder verspotten meine „Unwissenheit“, weil ich „Autodidakten“, wie jenen Männern, eine wissenschaftliche Bedeutung zuspreche. Aus diesen Anfeindungen von links und rechts vermag ich nur die tröstliche Ueberzeugung zu schöpfen, daß ich mich auf dem rechten Wege befinde. Meine Aufsätze wollen die Socialdemokratie weder feiern, noch über sie schimpfen. In beiden Beziehungen ist schon so überschwänglich viel gethan worden, daß ich mir gern an der bescheidenen Aufgabe genügen lasse, einem gebildeten Leserkreise, und zwar dem größten und sichtlich aufmerksamsten, den wir in Deutschland haben, ein anschauliches und – so weit möglich – unbefangenes Bild der Bewegung zu liefern.

Wenn seit Erlaß des Socialistengesetzes nicht die Zeit für eine sachliche Prüfung dessen gekommen ist, was die moderne Socialdemokratie ist und was sie will – wann in aller Welt soll die Zeit kommen? Wann hat denn je die allgemeine Weltlage so sehr die gespannteste Aufmerksamkeit jedes denkenden Menschen auf dieses Problem lenken müssen, wie gegenwärtig, wo die russischen Nihilisten in den fürchterlichsten Gräueln schwelgen, die französischen Communards täglich kecker ihr Haupt erheben, aus einem großen Theile der britischen Landbevölkerung die unheimlichsten Symptome auftauchen, die Bakunisten in Italien und Spanien ihre Maulwurfsarbeit nach wie vor eifrig betreiben und – last not least – die deutsche Socialdemokratie trotz alledem in unverminderter Stärke fortbesteht, wie noch jüngst der preußische Minister des Innern im Abgeordnetenhause mit vollem Recht hervorhob?

Auch ist es jenen Zuschriften viel weniger um die Sache selbst zu thun. Sie enden fast alle mit der theilweise von sehr albernen Drohungen begleiteten Forderung, zu widerrufen, daß Lassalle, Engels und Marx jüdischen Blutes seien. Im Interesse ihrer Urheber ließe ich diese Kundgebungen gern unerwähnt, wenn ich nicht in der That einen Irrthum zu berichtigen hätte. Von glaubwürdiger Seite und in schicklicher Form wird mir gleichfalls mitgetheilt, daß Engels aus einer alten deutschen Familie stammt, und ich nehme davon pflichtgemäß die gebührende Notiz. An der betreffenden Stelle meiner Aufsätze bemerke ich selbst, daß über die äußeren Lebensumstände von Engels nur wenig bekannt sei; unter diesem Wenigen hatte ich aber in den verschiedensten Schriften die niemals widerrufene Angabe seiner jüdischen Abstammung gefunden. So peinlich es mir, wie jedem sorgfältigen Schriftsteller, natürlich ist, eine thatsächliche Unrichtigkeit, sei es auch wider Wissen und Willen, verbreitet zu haben, so gereicht es mir doch auch wieder zu einiger Genugthuung, dadurch die Beseitigung eines Irrthums veranlaßt zu haben, der sich seit mehr als drei Jahrzehnten in der einschlägigen Literatur fortschleppte.

Was Lassalle und Marx angeht, so halte ich meine betreffenden Behauptungen in vollem Umfange aufrecht. Einsichtigen und unbefangenen Lesern brauche ich wohl nicht erst aus einander zu setzen, daß ich damit weder etwas für, noch etwas wider das Judenthum habe sagen wollen. Ich habe einfach eine geschichtliche Thatsache erwähnt, deren Unterdrückung eine absichtliche Entstellung und Fälschung gewesen sein würde. Ohne gebührende Berücksichtigung ihrer jüdischen Abstammung sind die schöpferischen Führer des revolutionären Communismus in ihrem eigentlichen Wesen gar nicht zu verstehen; weit besser, als ich dies nachzuweisen vermöchte, ist es namentlich bezüglich Lassalle’s noch kürzlich von einem angesehenen Gelehrten jüdischer Herkunft nachgewiesen worden. Mit Drohungen und Schmähungen ist dagegen nichts auszurichten; diese kläglichen Versuche eines geradezu unerhörten Terrorismus verfallen von selbst dem Urtheile jedes anständigen Menschen.

     Berlin, im Februar 1880.
Franz Mehring.




Die Lotosblume (vergl. Abbildung auf Seite 173) ist ein botanisch und mythologisch gleichermaßen interessanter Gegenstand, welchen Poesie und bildende Kunst vielfach in ihr Bereich gezogen haben. Unser Stimmungsbildchen, das wir G. Marx’ geschickter Hand verdanken, zeigt uns die indische Seerose (Nelumbium speciosum) oder die prächtige Nelumbo im höchsten Schmuck. Die Alten nannten sie bald Rose, bald Lilie (Wasserlilie), je nachdem sie die Färbung oder die Form der Blätter oder Blüthen in Betracht zogen. Ihre Heimath ist in stehenden und in langsam fließenden Gewässern des südlichen und mittleren Asiens; sie kam aber auch als Lilie oder Rose des Nils vor, und ihr verdanken die Griechen und Römer die gepriesene „ägyptische Bohne“. Der Wurzelstock dieser vielbewunderten Pflanze kriecht wagrecht unter der Erde hin, knotig und röhrig, und aus den Knoten heben sich auf langen Stielen die Blätter über die Wasserfläche empor; ebenso treten die Blüthenstiele, den Blattstielen ähnlich, über das Wasser heraus. Die Blüthen sind groß (sechs Zoll im Durchmesser) und gewähren das reizendste Bild, wenn sie, weiß mit rosigem Anhauch, aus dem Wasser hervorschimmern. Der große grüne Fruchtboden der abgeblühten Blume ähnelt merkwürdig einem Gießkannen-Seiher, so zwar, daß die etwas vergrößerten Durchlaßlöcher mit je einem Samenkern besteckt sind.

Die Lotosblume ist die heilige Blume der Inder, des Ganges heiliger Schmuck, und in Aegypten wurde sie hoch gefeiert als Sinnbild der Befruchtung des Landes durch den Nil und zugleich der Unsterblichkeit; sie war der Isis und dem Osiris geweiht. – Die großartigste Rolle spielt der Lotos in der indischen Mythologie, wo die Lotos-Weltblume, deren Fruchtknoten der heilige Berg Meru, der Wohnsitz der indischen Götter ist, die vier Hauptblätter ihrer Blumenkrone als vier Hauptländer nach den Weltgegenden ausstreckt, während ihre übrigen Blätter als Inseln auf dem Ocean schwimmen. Dies erinnert uns an die Esche Yggdrasill unserer nordischen Mythologie, deren drei Wurzeln bekanntlich auch nichts Geringeres, als die Stütze der Welt sind. Man sieht, in der gewaltigen Phantasie ihres alten Götterglaubens zeigen Inder und Germanen sich ebenbürtig und stammverwandt.




Für die Nothleidenden in Oberschlesien

gingen ferner ein: Frau R. in Gohlis M. 3; ein Abonnent am Petersberge M. 3; Fräulein Hedwig H. in New-York M. 100; A. C. in L. M. 3; Kneipe „Namenlos“ in Nürnberg M. 3; Arthur Hentze in Großenhain M. 3; A. Ggch. in Weiherhof M. 5; Lehrer und Schulkinder in Grumbach M. 10.92; eine Gesellschaft in Lingen M 10; H. in Schlawe M. 3; F. Popp in Hafnerzell M. 3; A. T. Marcks in St. Petersburg M. 50; K. S. in St. Ingbert M. 5; Carl Landbeck in Bochum M. 100; L. M. M. 100; M. H., E. H. und Ch. S. M. 5; C. Texas M. 100; A. L. in F. M. 5; B. in Preetz M. 2; aus Badras M. 60; W. König in Wien 5 Gulden österr. Währung; Abonnent vom Schwarzwald M. 5; Sammlung in Bacan, Rumänien, 20 Franken; gesammelt unter den Deutschen in Indianola, durch J. Wagner, M. 236.78; Casinogesellschaft in Sindolsheim M. 18; Ferd. Kuntze in Chemnitz M. 2; eine Frau in Leitmeritz M. 8.30; Hebraicus in Wicheta Doll. 2; Sammlung der Deutschen in Terre Haute, Ind. durch H. Kirmse, M. 1797; Ludw. Wolff M. 41.70; Gust. Förster in Berthelsdorf M. 3; aus der kaiserlichen Hofbuchhandlung C. Röttger in St. Petersburg 15 Rubel; Ertrag einer Vorstellung der Dilettantengesellschaft in Leimbach M. 21.20; Carl Reimann in Goeritz M. 1; aus Kötzschenbroda M. 1.50; Jtte. Ddt. in Dinkelsbühl M. 2; in der Gesellschaft „Erholung“ in Pyrmont gesammelt M. 7; Frau Prof. Marie Schulze in Belgrad M. 3; Sch. Colditz M. 3; ein langjähriger Abonnent in Tiflis 5 Rubel; G. W. in T. M. 15; gesammelt bei einem Zweckessen im Tewes’schen Gasthause in Lühe bei Steinkirchen M. 23.50; eine Deutsche in Ungarn M. 3.46; „Sonnabend-Gesellschaft“ in Magdeburg M 9.10; A. H. in St. Pauli M. 6; Johannes Goetzger in Wien 10 Gulden österr. Währung; R. M. in Z. M. 6; Fr. L. in Teterow M. 10; L. B. M. 3; Kegelgesellschaft „Rochus“ M. 20; G. Zechmeyer, Briefmarkenhandlung in Nürnberg, M. 5; A. R. in Tobg. M. 3; M. H. in Hamburg M. 5; S. R. aus Kempten M. 5; eine langjährige Freundin der „Gartenlaube“ in St. Petersburg 6 Rubel; Louis Handmann in London 5 Pfund Sterling.

Ein Paket mit wollenen Waaren von Frau Heller in Zwickau; eine Kiste mit Kleidungsstücken aus Caub am Rhein.

Die Redaction der „Gartenlaube“.




Für die Hinterbliebenen der verunglückten Bergleute in Zwickau

gingen ferner ein: C. Voigt in Kiel M. 9.53; Prediger Vogel in Berlinchen M. 6; von einem Landsmann in Hecklingen M. 3; Aug. Schweineberg in Erfurt M. 1; Marie Neufeld in Wartenberg M. 10; Ungenannt in Eschweiler M. 10; Provinzki M. 3; gesammelt durch Bruno Wunderlich in Moskau M. 106.90; Ungenannt in Buxtehude M. 50; Unbekannt in Laurahütte M. 5; F. Popp in Hafnerzell M. 3; Sammlung der Schulkinder in Auerhammer durch Lehrer Jahn M. 6; Sammlung der Schulkinder in Wolfsbehringen durch Pf. Orphal M. 1.92; Aug. Last in Bellin-Uckermünde M. 3; B. Schilling in Paris M. 20; Preverance-Spiel-Casse in Helsingfors M. 15; John Rohmer in Manchester M. 10; R. D. in Köln M. 3.5; Ludmilla v. Gr. in Rußland M. 4; Fräulein Fannie Walter in Pittsburgh M. 16.90; Th. Schell in Milwaukee M. 12.68; E. F. M. 10; H und M. Müller in Berlin M. 15; gesammelt in einer Handarbeiterschule bei Gelegenheit des Geburtstags der Lehrerin durch Fräulein Sophie Gruno in Betzdorf M. 11; aus Orlamünde M. 1; Ungenannt in Winterberg 3 Gulden öster. Währ.; E. H. M. 5; C. G. Thomas M 5; Alb. Steffin in Charlottenburg M. 1.50; Jtte. Ddt. in Dinkelsbühl M. 2; Familie Nierhaus in Moskau 37 Rubel; ein langjähriger Abonnent in Tiflis 5 Rubel; Johannes Goetzger in Wien 10 Gulden öster. Währ.; G. Zechmeyer, Briefmarkenhandlung in Nürnberg M. 5; E. T. in Rußland 3 Rubel; J. Möbius in Moskau M. 37.50; Plath in St. Petersburg durch C. Röttger 3 Rubel.

Das Gesammtergebniß unserer Sammlung stellt sich auf M. 2376.14, welche Summe wir an die hiesige Allgemeine Deutsche Credit Anstalt für Rechnung des Hülfscomités einzahlten.

Die Redaction der „Gartenlaube“.



Verantwortlicher Redacteur Dr. Ernst Ziel in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Siehe „Gartenlaube“ 1869, Nr. 32 und 1870, Nr. 47.