Die Gartenlaube (1886)/Heft 32

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1886
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[557]

No. 32.   1886.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Begründet von Ernst Keil 1853.

Wöchentlich 2 bis 21/2 Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig oder Halbheften à 30 Pfennig.


Sankt Michael.

Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)


Sankt Michael erschien Hertha und ihrem Begleiter fast wie ein einsames Hochalpenthal, so eingebettet lag es in den grünen Alpen, die es rings umgaben. Es hatte nur einen einzigen Ausblick, der es freilich mit jedem anderen aufnahm, den Blick auf die Adlerwand. Der mächtige Felsenzug, der dort drüben aufstieg, in ernster, düsterer Majestät, beherrschte völlig die Aussicht und deckte all die anderen Berggipfel; war er doch selbst ein Gebirge mit dunklen Tannenwäldern, wild zerklüfteten Schluchten und stürzenden Wildbächen, deren Brausen dumpf herüberdrang. Die Wand selbst mit ihren nackten, starren Schroffen und ihrem jähen Absturz in die Tiefe schien unzugänglich für jedes menschliche Wesen, ihre Gipfel ragten zu schwindelnder Höhe empor, und der höchste derselben, das Haupt des Adlers, trug eine Gletscherkrone, die in blendender, eisfunkelnder Pracht dastand, seine riesigen Felsenschwingen schirmten das kleine Sankt Michael zu seinen Füßen. Die Wand führte ihren Namen mit Recht, sie glich in der That den ausgebreiteten Flügeln eines Adlers.

Das Schweigen hatte ziemlich lange gewährt, endlich brach Hertha es mit der Frage:

„Von jener Höhe also soll der Legende nach der Erzengel niedersteigen?“

„Mit dem ersten Morgenstrahl!“ ergänzte Michael, „dort drüben an der Adlerwand geht die Sonne auf. Das Volk hängt nun einmal mit unverbrüchlicher Treue an seinen altgeheiligten Ueberlieferungen, es läßt sich sein Frühlingsfest und seinen Sonnenkultus nicht nehmen. Es ist die uralte Lichtgottheit, die sich segnend oder verheerend dem Menschen zuwendet, die in den Donnerwolken zürnt und dann wieder mit ihrem Flammenschwert die Erde furcht, damit ihr das neue Frühlingsleben entsteige – die Kirche hat sie freilich hier mit der strahlenden Rüstung des Erzengels umkleidet.“

„Das klingt sehr ketzerisch,“ sagte die junge Gräfin vorwurfsvoll. „Lassen Sie das den Herrn Pfarrer und meine Mutter nicht hören. Man merkt es, daß Sie im Hause des Professors Wehlau aufgewachsen sind. Er war ja wohl ein Jugendfreund Ihres Vaters?“

Michael neigte nur wie zustimmend das Haupt. Der Professor hatte es ihm längst zur Pflicht gemacht, diese Annahme zu bestätigen, welche unbequemen Nachforschungen vorbeugen sollte, und die selbst Hans für Wahrheit nahm.

„Sie haben Ihren Vater sehr früh verloren?“

„Ja – sehr früh!“

„Und auch die Mutter?“

„Auch die Mutter!“

Es klang etwas wie aufquellendes Weh in diesem


Schach dem König.0 Nach dem Oelgemälde von H. Kaulbach.


[558] Worte, Hertha mochte fühlen, daß sie unbewußt etwas Bitteres berührt habe, und rasch, wie um den Eindruck zu verwischen, sagte sie: „Auch ich war noch ein Kind, als mein Vater starb, ich habe nur noch eine dunkle Erinnerung an ihn und an die grenzenlose Liebe und Zärtlichkeit, mit der er mich umgab und verwöhnte. Wo haben Sie denn mit Ihren Eltern gelebt?“

Die Lippen des jungen Mannes zuckten in tiefster Bitterkeit. Auch er hatte noch Erinnerungen an seine Kinderzeit, aber was ihn damals umgab, war nicht Liebe und Zärtlichkeit gewesen. Die Schmach und das Elend, das er doch kaum zur Hälfte verstand, hatten sich trotzdem wie mit glühenden Zeichen in das Gedächtniß des Knaben eingeprägt, und das war noch heute nicht verwischt, trotzdem zwei Jahrzehnte dazwischen lagen.

„Meine Jugend ist keine frohe gewesen,“ sagte er ausweichend. „Sie bietet wenig Bemerkenswerthes, so wenig, daß ich Sie wirklich nicht damit behelligen möchte, es kann Sie unmöglich interessiren.“

„Doch, es interessirt mich!“ fiel Hertha lebhaft ein. „Aber ich möchte nicht zudringlich erscheinen, und wenn Ihnen meine Theilnahme unangenehm ist –“

„Ihre Theilnahme – mir?“ flammte Michael auf und brach dann plötzlich ab, aber was die Lippen nicht aussprachen, das sagte sein Blick, er hing wie gebannt an der jungen Gräfin, die freilich nicht des glänzenden Rahmens einer reichen Toilette bedurfte. Sie war berückend schön gewesen in Seide und Spitzen, in Blumen und Juwelen unter dem strahlenden Glanze der Kronleuchter, und heute, in dem einfachen dunkelblauen Reitkleide, das sich eng um die schlanke Gestalt schmiegte, war sie fast noch schöner. Unter dem Hütchen mit dem blauen Schleier schimmerten die goldblonden Flechten, halb verhüllt durch jenes Schleiergewebe, und die Augen strahlten leuchtend hell. Es lag heute etwas Eigenthümliches in dem Wesen Hertha’s, sie erschien wie losgelöst von dem glänzenden Boden, auf dem sie sich sonst bewegte, wie angeweht von dem Ernste der mächtigen Bergwelt, die sie umgab, und das gab ihr einen neuen, gefährlichen Reiz.

„Nun?“ sagte sie lächelnd, ohne jenes jähe Abbrechen bemerken zu wollen. „Ich warte.“

„Worauf?“

„Auf den Bericht aus Ihrer Jugendzeit, den Sie mir noch immer schuldig sind.“

Michael athmete tief auf und fuhr mit der Hand über die Stirn.

„Ich werde ihn wohl schuldig bleiben müssen, denn ich kann nichts berichten von einem Elternhaus und Elternliebe. Ich bin unter Fremden aufgewachsen, habe Alles von Fremden annehmen und empfangen müssen, und so gütig und großherzig es mir auch geboten wurde, ich empfinde es doch als eine Schuld, die mich zu Boden drücken würde, hätte ich mir nicht das Wort gegeben, sie mit meiner ganzen Zukunft einzulösen. Jetzt endlich habe ich selbst das Steuer in Händen und darf hinaussteuern in das offene Meer.“

„Und vertrauen Sie diesem Meere mit seinen Wogen und Stürmen?“

„Ja! Wer der Fluth vertraut, den trägt sie, und Eins wenigstens weiß ich mit Bestimmtheit: ich werde nie auf halbzerschelltem Wrack an das Ufer treiben, froh, nur das nackte Leben gerettet zu haben, ich führe entweder mein Schiff in den Hafen – oder sinke mit ihm!“

Er hatte sich hochaufgerichtet bei den letzten Worten, die in vollster Energie klangen. Hertha sah ihn betroffen an, auf einmal sagte sie:

„Merkwürdig – wie Sie in diesem Augenblicke meinem Onkel Steinrück gleichen!“

„Ich – dem General?“

„Zum Sprechen!“

„Das muß wohl eine Täuschung sein,“ entgegnete Michael kalt. „Ich bedaure, die Ehre einer Aehnlichkeit mit Seiner Excellenz ablehnen zu müssen, aber sie besteht wirklich nicht.“

„Für gewöhnlich allerdings nicht, da haben Sie auch nicht einen Zug mit einander gemein, es liegt nur im Ausdruck, und jetzt ist es auch schon wieder verschwunden. Aber in jenem Moment, da waren es die Augen des Grafen, seine Haltung, seine Stimme sogar – ich erschrak förmlich darüber.“

Ihre Augen ruhten noch immer auf seinem Gesicht, und sie schien eine Antwort zu erwarten, die jedoch ausblieb, Michael wandte sich wie zufällig seitwärts und sagte abbrechend:

„Die Aussicht verschleiert sich immer mehr, wir werden bald mitten in den Wolken stehen!“

Das Wetter war in der That drohender geworden, die Sonne begann schon zu sinken, aber ihre Strahlen kämpften noch mit den Nebeln, die jetzt von allen Seiten heranschwebten. Als habe ein mächtiger Heerführer seinen Ruf erschallen lassen, den die ganze Bergwelt vernommen hatte, so stiegen überall die Wolkengestalten auf, bald feierlich, langsam, bald in jagender Hast. Aus den Schluchten und Tiefen quoll es unaufhörlich empor, wie weiße Schleier, die lautlos und gespenstig über die Wälder hinstreiften, hier und da einen flatternden Streifen an den Tannenwipfeln zurückließen und dann immer höher emporstiegen. Aber auch seitwärts über die grünen Alpen kam es jetzt herangezogen, erst einzelnes Gewölk, dann ganze Wolkenmassen, und Alles wallte und strebte der Adlerwand zu, wo es sich immer dunkler und drohender zusammenzog.

Die Matte, auf der Sankt Michael lag, erschien bald nur noch wie eine Insel inmitten eines wogenden, fluthenden Meeres, dessen Wellen mit jeder Minute höher stiegen. Hier leuchtete es weiß, wie der Schaum der Brandung aufwallend und zerfließend, dort lagerte es grau und gestaltlos wie Schatten, und hoch oben an den Zinnen der Wand, die noch von der Sonne getroffen wurden, schwamm ein goldiger, flimmernder Nebel, in dem seltsame Strahlen zuckten. Er umwob die Felsenhäupter und die Gletscherkrone mit einem leuchtenden Zauberschleier, sie standen halb verschleiert, halb sichtbar, wie Schemen in dem goldigen Duft.

Zu ihren Füßen aber ballte sich das Wetter zusammen, und jetzt klang auch dumpf der erste Donner herüber, der aus dem Schoße des Berges zu kommen schien und dann grollend in der Ferne erstarb.

Die Luft war bisher unbewegt geblieben, jetzt aber erhob sich der Wind. Der Schleier der jungen Gräfin flatterte hoch auf und verfing sich dabei in einem niederhängenden Zweige des Wildrosenstrauches, sie versuchte vergebens, ihn los zu machen. Die Dornen hielten ihre Beute fest, und Rodenberg, der ihr zu Hilfe kam, mochte wohl etwas ungeschickt dabei zu Werke gegangen sein, denn auf einmal löste sich das Band des Hutes und dieser fiel herab. Michael, der sich niedergebeugt hatte, um das leichte Gewebe zu befreien, zuckte zusammen und ließ die Hand sinken, denn dicht vor seinen Augen schimmerten jetzt unbedeckt die reichen Flechten, das „rothe Märchengold“.

„Haben Sie sich verletzt?“ fragte Hertha, welche diese Bewegung bemerkte.

„Nein!“ Er griff plötzlich mitten hinein in das dornige Gezweige und riß Hut und Schleier gewaltsam los, aber die Dornen rächten sich, der Schleier zerriß, und von der Hand des jungen Mannes rieselten einige Blutstropfen nieder.

„Ich danke,“ sagte Hertha, indem sie ihren Hut wieder in Empfang nahm. „Aber Sie sind ein ungestümer Helfer. Wie unvorsichtig, mitten in die Dornen zu greifen, Sie bluten ja!“

Es lag eine wirkliche Besorgniß in dem Tone, um so eisiger klang die Antwort.

„Es ist nicht der Rede werth. Ich werde als Soldat doch einen Dornritz nicht scheuen!“

Er zog sein Taschentuch hervor und preßte es achtlos auf die kleinen Wunden, dabei glitt aber ein Blick bebender Ungeduld nach dem Häuschen hinüber, wo der Pfarrer noch immer weilte. Die Unterredung da drinnen schien kein Ende zu nehmen, und die Folter mußte ausgekostet werden bis auf den letzten Grad!

Die junge Dame mochte wohl eine Ahnung von dieser Folter haben, aber sie fühlte sich nicht veranlaßt, sie abzukürzen. Die verwöhnte, gefeierte Schönheit empfand es als eine Beleidigung, daß der Mann dort es wagte, einer Macht zu trotzen, die sie so oft schon an Anderen erprobt hatte. Er hatte diese Macht auch kennen gelernt, das wußte sie längst, er war ihr nicht straflos genaht, und doch stand er da, mit dieser eisigen Zurückhaltung, die nicht zu durchbrechen war, mit dieser trotzigen Stirn, die sich nicht beugen wollte – das sollte er büßen!

„Ich möchte eine Frage an Sie richten, Herr Lieutenant Rodenberg,“ hob sie wieder an. „Meine Mutter machte Ihnen [559] vorhin Vorwürfe, weil Sie ihrer Einladung noch immer nicht gefolgt sind, ich hörte es.“

„Ich habe die Frau Gräfin bereits um Entschuldigung gebeten. Uns beschäftigte während der letzten Zeit eine Familienangelegenheit, welche auch die unerwartete Abreise des Professors veranlaßte. Sobald ich von Sankt Michael zurückkehre –“

„Werden Sie einen anderen Vorwand finden!“ fiel Hertha ein. „Sie wollen nicht kommen.“

In dem Gesichte Michael’s stieg eine dunkle Gluth auf, aber er vermied es, den Augen zu begegnen, die er auf sich gerichtet wußte, er schaute hinüber nach der Adlerwand.

„Sie nehmen das mit einer seltsamen Bestimmtheit an, Gräfin Steinrück – und dennoch wünschen Sie mein Kommen?“

„Ich wünsche nur Aufklärung darüber, was es eigentlich ist, das Sie uns fern hält. Sie haben mir und meiner Mutter das Leben gerettet und entziehen sich unserer Dankbarkeit in einer Weise, die uns unerklärlich ist, wenn wir sie nicht für beleidigend halten wollen. Bei einem Fremden würden wir kein Wort darüber verlieren, unserem Retter dürfen wir wohl die Frage stellen: Was liegt zwischen uns? Was haben wir Ihnen gethan?“

Die Worte hatten einen weichen, halb verschleierten Klang, aber es verflossen einige Sekunden, ehe die Antwort kam. Michael’s Auge hing noch immer an jenen Felsenhäuptern, er wußte, daß es Gewitterwolken waren, die sie umzogen, und sah doch nur den goldigen Nebel, den leuchtenden Zauberschleier, er hörte das Donnergrollen, das jetzt näher und lauter herüberklang, und vernahm doch nur dies leise, vorwurfsvolle: „Was haben wir Ihnen gethan?“

„Sie beschämen mich wirklich,“ sagte er endlich, mit einem letzten Versuch, den Ton kühler Artigkeit festzuhalten. „Der kleine Dienst, den ich Ihnen leisten konnte, bedurfte gar nicht des Dankes, Sie haben ihn stets überschätzt.“

„Sie weichen mir wieder einmal aus, darin sind Sie wirklich Meister!“ rief die junge Dame mit einer Bewegung der äußersten Ungeduld. „Aber ich erlasse Ihnen die Antwort nicht, ich will endlich die Wahrheit wissen.“

„Und wenn ich nun diesem Befehl, denn ein solcher scheint es doch zu sein, nicht nachkomme?“

„Das steht freilich bei Ihnen, aber es war kein Befehl, nur eine Bitte, die ich jetzt wiederhole: Was haben wir Ihnen gethan? Warum fliehen Sie uns?“

Es spielte wieder ein Lächeln um ihre Lippen, das alte zauberhafte Lächeln, dem Keiner widerstand, aber hier blieb es wirkungslos. Rodenberg richtete das Auge voll und finster auf sie und sagte mit unendlich herber Stimme: „Das wissen Sie ja, Gräfin Steinrück – das haben Sie längst gewußt!“

„Ich?“

„Ja Sie, Hertha, denn Sie kennen nur zu gut Ihre Macht, und jetzt treiben Sie mich bis zum Aeußersten und lassen mir keinen Ausweg mehr. Nun wohl – ich stelle mich Ihnen!“

Befremdet, fast bestürzt blickte Hertha ihn an, auf eine derartige Wendung war sie nicht gefaßt gewesen, sie hatte sich den Moment ihres Triumphes doch anders gedacht.

„Ich verstehe Sie nicht, Herr Lieutenant Rodenberg,“ sagte sie. „Was soll diese seltsame Sprache bedeuten, die dem Hasse verwandt zu sein scheint?“

„Dem Hasse?“ brach er mit wilder Heftigkeit aus. „Wollen Sie zu dem Spiele auch noch den Spott fügen? Es ist Ihnen ja niemals ein Geheimniß gewesen, daß ich Sie liebe!“

Es klang eigenthümlich genug, das Liebesgeständniß, mit dieser bebenden Stimme, in der Groll und Leidenschaft stritten, mit diesen Augen, in denen es nicht zärtlich, sondern drohend aufblitzte, die Empfindung schien in der That dem Hasse verwandt zu sein.

„Und in solcher Weise werben Sie um die Liebe einer Frau?“ fragte Hertha entrüstet, während doch zugleich eine geheime, nie gekannte Bangigkeit in ihrem Innern aufstieg.

„Werben?“ wiederholte er mit schneidender Bitterkeit. „Nein, das thue ich nicht, und die Werbung wäre mir auch schwerlich gestattet worden, mir, dem jungen, unbedeutenden Officier mit dem bürgerlichen Namen, der nichts hat, als sich selbst und vielleicht noch eine Hoffnung auf die Zukunft. Es wäre mir wohl in der schonungslosesten Weise klar gemacht worden, daß ich meine Augen nicht zu der Gräfin Steinrück erheben darf, daß ihre Hand läugst einem Anderen zugesagt ist, der wie sie die Grafenkrone trägt.“

Hertha biß sich auf die Lippen, der Vorwarf traf, das wäre allerdings der Ausgang der Sache gewesen. Es war der Gräfin Steinrück nie eingefallen, dies Spiel mit dem bürgerlichen Officier ernst zu nehmen, aber es überkam sie doch wie eine heiße Beschämung bei der Entdeckung, daß sie von Anfang an durchschaut gewesen war.

„Sie scheinen nicht zu fühlen, wie beleidigend Ihre Worte sind,“ sagte sie, sich stolz aufrichtend, „und wie beleidigend dies Geständniß ist –“

„Das Sie doch um jeden Preis hören wollten!“ unterbrach er sie. „Nun denn, so nehmen Sie es hin! Ich will Ihnen nicht ableugnen, was sich nun einmal nicht ableugnen läßt, ich will dem Verhängniß ins Auge sehen, denn wie ein Verhängniß ist es über mich gekommen. Ja, ich habe Sie geliebt, Hertha, vom ersten Augenblicke an, wo ich Sie sah, und hätte ich auf Ihre Gegenliebe hoffen dürfen, der Grafentitel der Steinrück hätte mich wahrlich nicht abgeschreckt. Stände mein Glück auch so hoch und unerreichbar wie die Adlerwand dort, ich würde hinaufdringen, und wenn mir auf jedem Schritte das Verderben drohte, ich würde mir das Glück herabzwingen in meine Arme, der ganzen Welt zum Trotze! Aber ich war gewarnt, gewarnt durch ein Kind, das mir einst meinen Schneerosenstrauß abschmeichelte, um ihn dann zu zerpflücken im gedankenlosen Spiel. Es sind noch dieselben rothgoldenen Locken und dieselben schönen, schlimmen Augen, ich erkannte sie wieder bei der ersten Begegnung, aber ich will es nicht zum zweiten Male von diesen Lippen hören, das höhnische, verächtliche: ,Geh’ fort! Ich mag Dich jetzt nicht mehr! Ich bin des Spieles müde!‘ Hat es mir doch ohnehin immer in den Ohren geklungen, wenn mich der Schmeichellaut Ihrer Stimme auch noch so süß umstrickte. Der Knabe ließ seine Blumen eher den Flammentod sterben, ehe er sie in Ihren Händen ließ, und der Mann wird seine Liebe niederzwingen und vernichten, ginge ihm auch ein Stück seines Lebens damit verloren – ein Spielball in Ihren Händen wird sie nimmer sein!“

Hertha war todtenbleich geworden; so hatte es noch Niemand gewagt, sie zu beleidigen, ihr die Wahrheit so rückhaltlos und schonungslos ins Antlitz zu schleudern, aber was fragte der Mann, den sie auf das Aeußerste gebracht hatte, jetzt noch danach, ob er sie beleidigte oder nicht? Der Sturm, den sie selbst entfesselt, brauste auch über sie hin, sie konnte ihm nicht mehr Halt gebieten. Sie sah das deutlich, als Michael jetzt vor ihr stand und ihr flammend, unaufhaltsam dies seltsame Gemisch von Liebe und Haß entgegenschleuderte. Jede Fiber in ihm bebte in wilder, qualvollster Leidenschaft, und dennoch rang er auch jetzt noch dagegen, rang mit einer Kraft, die nicht erliegen wollte und auch nicht erlag. Er war besiegt – unterworfen war er nicht!

„Sie erlassen es mir wohl, Herr Lieutenant Rodenberg, diese Ausbrüche noch ferner anzuhören,“ sagte die junge Gräfin endlich, ihre ganze Selbstbeherrschung zusammenraffend. „Ich werde den Herrn Pfarrer aufsuchen.“

„Dessen bedarf es nicht, ich gehe!“ erklärte Michael, seine Stimme klang tonlos, aber fest. „Ich weiß, daß wir uns nach dieser Stunde nichts mehr zu sagen haben – Leben Sie wohl, Gräfin Steinrück!“

Er verneigte sich und ging. Hertha sah es nicht, wohin er sich wandte, und bemerkte es auch nicht, daß der Pfarrer jetzt aus dem Hause trat und sich ihr näherte. Sie stand regungslos da.

Der Wind wnrde heftiger, die Zweige des Wildrosenstrauches wehten und flatterten über ihrem Haupte, das Wolkenmeer wallte und wogte immer näher heran, und immer höher stieg die Nebelbrandung, als wollte sie die Matte überfluthen. Der verklärende Schimmer an der Adlerwand war erloschen, verschwunden die goldigen Schemen, dort schwammen jetzt graue, schwere Nebelmassen, sie sanken tiefer und tiefer und einten sich mit dem dunklen Gewölk, das jetzt plötzlich zerriß, und mit zackigem leuchtenden Strahle blitzte es hervor – das Flammenschwert Sankt Michael’s!

(Fortsetzung folgt.)




[560]

Schloß Herrenwörth mit dem Hochgern.

Aus den Schlössern König Ludwig’s II.

I.0Das Inselschloß zu Herrenchiemsee.

Wer von München nach Salzburg fährt, dem eröffnet sich zwischen den Bahnstationen Endorf und Prien plötzlich, indem der Bahnzug aus einer düsteren Waldlandschaft hervorbraust, nach Osten zu ein weites und großartiges Landschaftsbild. Langhin streckt sich am Horizonte die Alpenkette; unter ihr dehnt sich die schimmernde Fläche des Chiemsees entlang, dessen Wellen bis hart an den Bahndamm heranplätschern. Die dunkleren Linien von Inseln und Landzungen, mit Wäldern und Gehöften bedeckt, durchschneiden mehrfach den blinkenden Wasserspiegel. Eine jener Inseln zeigt schon aus dieser stundenweiten Entfernung zwei ansehnliche Gebäude, deren mächtige Mauern über die umgebenden Bäume aufragen. Das eine dieser Gebäude, mit hohem Giebeldach, ist die vormalige Abtei Herrenchiemsee; das andere, langhingestreckt im Walde, das vielgerühmte Inselschloß König Ludwig’s II. von Bayern. – Wir entsteigen dem Zuge auf dem Bahnhofe zu Prien, fahren in einem Omnibus ein Viertelstündchen und stehen dann am See-Ufer, wo ein kleines Dampfboot uns aufnimmt. Unweit seines Hafens strecken sich zwei Landungsbrücken in den See hinaus; sie wurden für den Schloßbau errichtet. Da sah man vor wenigen Jahren noch Hunderte von Händen sich regen, um in weitbauchige Transportschiffe Riesenkisten mit den kostbarsten Erzeugnissen des Kunstgewerbes einzuladen. Schätze im Werthe von vielen Millionen sind diesen Weg gefahren – was wird ihr Ende sein?

Der Dampfer verläßt seinen Hafen. Ueber den Waldhügeln hinter dem nächsten Ufer jagt finsteres Gewölk von Westen her, Windstöße peitschen den See, während auf der waldumsäumten Insel Herrenchiemsee noch die Sonne liegt und die breite Façade des fernen Schlosses beglänzt. Dort schimmern räthselhafte goldene Pünktchen auf breiten Terrassen. Während unser Schiff vor dem

[561]

Die Latona-Anlagen mit dem Mitteltrakt des Schlosses auf Herrenwörth.

[562] Winde her eilt, haben wir Zeit, den landschaftlichen Gesammteindruck aufzunehmen. Er fällt entschieden zu Gunsten der alten Abtei gegen das neue Königsschloß aus. Mit klarem Blick und einfachem Verständniß fanden in den Tagen grauer Vorzeit jedesmal die Mönche für ihre Klostergründungen den schönsten Punkt auf Meilen in der Runde. So war’s auch hier auf Herrenchiemsee. Hoch ragt der Prälatensitz auf seinem Hügel; von prächtigen Bäumen umstanden schaut sein stattlicher Giebel nach allen vier Windrichtungen über den See hin und macht in all seiner Einfachheit landschaftlich mehr Eindruck, als der neue Königsbau, der langgestreckt sich kaum über den Wald erhebt. Und doch ist es die Hauptfront des Palastes, die man zuerst sieht: die Westseite, von welcher sich terrassenförmig die „Latona-Anlage“ herabzieht bis zu dem breiten Kanal, der vom See aus nach dem Schlosse zu gegraben ist.

Vom Dampfboot aus gleitet der Blick direkt in diesen Kanal hinein und sieht die hohen Spalierbauten, welche ihn einfassen, sowie den Spiegel des Schlosses und der dunklen Waldbäume. Es ist nur der kleinere Theil des Sees, welchen man vom Westgestade aus nach Herrenchiemsee durchfährt; aber er macht weit mehr den Eindruck eines Gebirgssees, als der größere östliche. Von Norden her ziehen sich bewaldete Halbinseln in den See vor, zwischen welchen stille Buchten liegen; an der Westseite zeigt sich waldiges Hügelland; die Ostseite erscheint fast ganz durch die langgestreckte Herreninsel abgeschlossen; im Süden aber baut sich ein schöngezackter Berg empor, die Kampenwand, an deren Gehänge ein scharfes Auge leicht die Alphütten entdecken kann.

Eine Viertelstunde fährt der kleine Dampfer über diesen Theil des Sees; dann biegt er in scharfer Wendung um die Nordspitze der Herreninsel, wo, fast auf dem Wasser schwimmend, eine kleine Kirche unter Pappeln steht. Gleich darauf ist die Landungsbrücke erreicht, und man steigt den Hügel zur Abtei hinan. Hier deutet nichts mehr auf das ehrwürdige Alter dieser Ansiedelung, von der nur dunkle Sagen berichten, daß sie schon in karolingischer Zeit unter der Herrschaft des bayerischen Herzogsgeschlechts der Agilolfinger aufgeblüht sei. Was jetzt an den Gebäuden der vormaligen Abtei noch steht, ist neueren Ursprungs: stattliche weiße Fronten auf hoher Terrasse, mit großen Fenstern, das Erdgeschoß umrankt von Weinlaub und Pfirsichbäumen. Aber die schönen Räume sind leer. Seit dem Anfange unseres Jahrhunderts ist das Kloster aufgehoben. Das prächtige Besitzthum ward um einen Spottpreis verkauft, die beiden hohen Thürme, die einst ein Wahrzeichen der Umgebung, eine weithin sichtbare Landmarke gewesen, abgetragen, die Kirche selbst in ein Bräuhaus verwandelt und aus den kupfernen Thurmdächern wurden Braupfannen. Die Geister der verstorbenen Mönche ließen das Alles ruhig geschehen, ohne in den Gängen und Hallen zu spuken. Von den Spuren ihres Wirkens zeugen nur noch die weißen Mauern und die schönen alten Bäume des Klostergartens, in deren Schatten die Prälaten einst wandelten und in Ruhe das prächtige Landschaftsbild beschauten, welches ringsum sich darbietet. Von der luftigen Höhe dieses Gartens aus sieht man jetzt auch auf den neuen Schloßbau; man sieht fast herab auf ihn. Aber nur der unvollendete Rohbau starrt uns hier entgegen (siehe Anfangsvignette). Der schöne Berg, der ihn überragt, ist der Hochgern, dessen Schluchten ausgedehnte Gemsreviere enthalten.

Wir wandern um die Abtei durch den Klostergarten. Ueberall schimmern zwischen dunklen Zierbäumen See und Hochgebirge. Dann führt uns der Weg durch eine lange Allee von Apfelbäumen sanft abfallend nach der westlichen Kanal- und Gartenanlage des neuen Schlosses. Blendendweiß schaut uns die Hauptfaçade des Prachtbaues entgegen, über breiten Syenittreppen ansteigend mit ihren Riesenfenstern und Säulen. Aber so sehr man auch überzeugt wird, daß hier die heiterste großartigste Pracht beabsichtigt war, so überwiegt doch bei dem äußeren Anblicke des Schlosses der Eindruck des Unvollendeten. Denn an den selbst noch unfertigen Hauptbau schließt sich nördlich ein mächtiger Flügel an, welcher kaum über das Stadium des Ziegelrohbaues hinaus gediehen und nur nothdürftig mit Bewurf versehen ist. Das klafterdicke Mauerwerk des südlichen Seitenflügels aber schaut eben erst über den Erdboden heraus. Das Dach der Façade ist flach; auf dem Dachgesims stehen Statuen und Trophäen in langer Reihe; auch die Außenmauern zwischen den Fenstern sind mit plastischen Trophäen geschmückt.

Drei reichvergoldete Gitterthore führen in ein Vestibül, aus welchem man nach Osten wie nach Westen hin eine weite Aussicht über die Kanäle und nach dem See hinaus genießt. Aber die Räume, welche an dieses Vestibül anschließen sollen, sind alle noch völlig unfertig. Im ganzen Erdgeschoß sind nur zwei Räume vollendet: des Königs Schwimmbad und das daran schließende Ankleidezimmer. Das Badezimmer, welches unsere Illustration[1] S. 569 wiedergiebt, ist einzig in seiner Art; eine ovale Halle enthält ein etwa acht bis zehn Meter im Durchmesser haltendes und gegen drei Meter tiefes Marmorbassin, in welches eine Marmortreppe hinabführt. Die Wände sowie den gewölbten Plafond schmückt ein großes farbenreiches Freskobild: eine feuchtschimmernde Meereslandschaft, wo an felsiger Küste Nereiden und Tritonen ihr lustiges Spiel treiben. Dunkelroth sind die Vorhänge vor den Fenstern, und den ganzen Raum füllt ein magisches rothes Licht. Aus diesem phantastischen Raume führt ein kleines Thürchen in das zu ihm gehörige Ankleidekabinet. Außer einem reich gestickten Ruhebett ist in demselben fast kein Mobiliar zu bemerken; sein charakteristischer Schmuck besteht in seinen Spiegeln, welche so geschickt angebracht sind, daß man, wohin man auch blickt, die Zahl der eintretenden Personen verhundertfacht und das Zimmerchen selbst in eine unendliche Flucht von Zimmern verlängert sieht. Eine schmale Wendeltreppe führt aus diesem Ankleidekabinet hinauf ins obere Stockwerk, in das Schlafgemach des Königs (siehe Illustration S. 568).

Hier fesselt unsere Augen das Prachtbett, in welchem der König viermal übernachtete, – ein Meisterwerk kunstgewerblichen Fleißes. Blaue Seide und weiße Felder mit Goldeinfassung und Ornamenten bedecken die Wände. Der riesige Baldachin ist ebenso wie die Vorhänge aus dunkelblauem schwersten Seidensammt gearbeitet und mit reichen Goldstickereien geschmückt. Große Aufsätze von weißen Straußenfedern schmücken die Ecken. Unter der goldenen Königskrone schimmert das Monogramm Ludwig’s II., das doppelte L; daneben sitzen zwei Genien, Palmenzweige und Lilienstengel schwingend.

Am Kopfende des Bettes befindet sich eine große strahlende Sonne, darüber ein Kunstwerk farbiger Seidenstickerei, die Kreuzigung Christi darstellend. Von der inneren gleichfalls dunkelblauen Decke des Baldachins strahlen goldene Sterne herab. Das Fußende des Bettes bildet ein vergoldetes Basrelief: eine auf dem Lager ruhende Mutter mit Kindern. Rechts von diesem Mittelbilde steht ein Bogenschütze, links eine erwachende Frauengestalt. Beide Figuren sind plastisch ausgeführt und reich vergoldet. Auch diese Gruppe wird von zwei Genien gekrönt.

Rechts vom Bette steht ein Betschemel, auf welchem der König unmittelbar nach dem Aufstehen knieend sein Gebet verrichtete.

Nicht minder prachtvoll wie das Bett ist auch die Waschtoilette gearbeitet. Kostbares Waschzeug aus blauem Email mit schweren Vergoldungen steht auf dem mit mattblauer Sammtdecke versehenen Tisch. Darüber ist ein Spiegel in schwerem schön geschnitzten Goldrahmen angebracht, zu dessem Seiten in reichen Falten kostbare Brüsseler Spitzen herabhängen.

Das Prachtbett wird von dem übrigen Raume des Gemaches durch eine vergoldete Brustwehr getrennt, deren einzelne Pfeiler zierliche Rosengewinde verbinden. Intarsien mit dem Monogramm L schmücken den spiegelglatten Parkettboden.

In dieser der Ruhe geweihteu Stätte finden wir eine Marmorbüste Ludwig’s XIV., dessen Prachtbauten zu Versailles der unglückliche Bayernkönig in dem einsamen Jnselschloß von Herrenchiemsee zu übertreffen suchte. Wenn der König erwachte, so fiel sein Blick zunächst auf jenes starre, vor einem Riesenspiegel aufgestellte Bildniß. Seltsam – durchwandern wir jetzt diese Räume unter dem Eindruck der tragischen Vorgänge, so glauben wir in diesem prunkvollen Schlafgemach nicht die Büste des übermüthigen Franzosenkönigs zu erblicken, sondern eine jener verderblichen Phantasiegestalten des Wahns, einen jener bösen Dämonen, welche als unzertrennliche Begleiter des Einsamen an dem Untergang eines so groß und edel angelegten Geistes rastlos arbeiteten.

(Schluß folgt.)

  1. * Wir verdanken unsere Illustrationen der besonderen gütigen Erlaubniß, welche der Chef der Kabinetskasse, Herr Hofrath L. Klug, unserm Zeichner ertheilt hat.

[563]

Max Schneckenburger,

der Dichter der „Wacht am Rhein“.

Geburtszimmer Max Schneckenburger’s.

Der Schlachtendonner der Kriegsjahre 1870 und 1871 ist längst verhallt, und vernarbt sind die Wunden, welche in jenen Kampfesjahren so mancher deutschen Familie geschlagen worden. Unvergessen aber ist die Begeisterung, welche damals die deutschen Bruderstämme in Nord und Süd einmüthig sich erheben ließ, gemeinsam den drohenden Feind zu bekämpfen und des Vaterlandes Grenzen zu schützen. In treuer Erinnerung leben die Thaten Aller, die mit Gut und Blut für die geheiligte Sache eingetreten sind: das bezeugen die Namen auf den glänzenden Siegesdenkmälern und auf den umkränzten Gedächtnißtafeln in den Kirchen. Auf keinem Denkmal und an keiner geweihten Stätte im deutschen Vaterlande war aber bisher der Name Dessen zu lesen, der an der Begeisterung und den ruhmvollen Thaten der unvergeßlichen Jahre Antheil hat, den Besten und Edelsten gleich, und der die deutschen Truppen von Sieg zu Sieg geführt hat, ob auch sein Gebein längst in kühler Erde ruhte. Nicht einmal sein Name war bekannt, als doch sein Lied auf französischem Boden als deutscher Schlachtruf erscholl und beim Eintreffen froher Siegesbotschaften in allen deutschen Gauen dem Jubel erhebenden Ausdruck verlieh. Man mußte den Dichter der „Wacht am Rhein“ erst erfragen, und was man dann von ihm erfuhr und für ihn that, war wenig genug. Dem Komponisten des Liedes Karl Wilhelm wurde in seiner Vaterstadt Schmalkalden ein wohlverdientes und würdiges Denkmal errichtet, Max Schneckenburger aber ruhte fern von dem geliebten Vaterlande in fremder Erde, und selbst seine rührend schöne Bitte, die er kurz vor seinem Tode niedergeschrieben:

Geburtshaus Max Schneckenburger’s in Thalheim.

„Wenn ich einmal sterben werde
Weit von meinem Vaterland,
Legt mich nicht in fremde Erde,
Bringt mich nach dem heim’schen Strand.
Meines Herzens Flamme lodert
Einzig dir, Germania,
Drum, wenn einst mein Leib vermodert,
Sei mein Stand den Vätern nah.

Wenn die Nebel dann zergehen
Ob dem heil’gen deutschen Reich,
Laß, o Gott, ihn auferstehen,
Meinen Schatten still und bleich:
Daß er seinen Blick erlabe
An dem herrlichen Gesicht,
Ruhig Wiederkehr’ zu Grabe,
Harrend auf das Weltgericht!“

blieb noch lange ungehört. Jetzt endlich ist der Wunsch des Dichters, der schon im Jahre 1840 prophetisch ausgerufen hat, was sich dreißig Jahre nachher so glänzend bestätigte: „Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein!“ in Erfüllung gegangen, und seine Gebeine sind aus der fremden Erde heimgeholt ins deutsche Vaterland.

Max Schneckenburger ist nach seinen eigenen Aufzeichnungen am 17. Februar 1810 (nicht am 27. Febrnar, wie mehrere Biographen melden) zu Thalheim bei Tuttlingen (in Württemberg) als der Sohn eines geachteten Kaufmanns geboren. Das Geburtshaus – vergleiche untenstehende Illustration – ist noch heute erhalten. Unten zu ebener Erde befindet sich der Laden von Max Schneckenburger, dem Sohne des Dichters, der, gleich seinem verstorbenen Vater, den Beruf des Kaufmannes erwählt hat. Das in unserer Anfangsvignette abgebildete Geburtszimmer zeigt neben der alten Bettstelle und einigen Bildern auch noch die trauliche Schwarzwälder Uhr, deren Schneckenburger in seinen Aufzeichnungen öfter gedenkt. Im obersten niederen Dachraume des Hauses saß oftmals der junge Dichter und sah hinauf zu den zwitschernden Schwalben und dem lichtblauen Frühlingshimmel. Hier entstanden seine ersten Lieder, von dem Dachgiebel aus ging der erste Flügelschlag des jungen Sängers, dessen Schlachtlied mit seinen rauschenden Klängen dereinst alle deutschen Stämme versammeln sollte.

Im fünfzehnten Lebensjahre kam Schneckenburger in eine kaufmännische Lehre nach Bern, besuchte hernach auf Geschäftsreisen Frankreich und England und siedelte sich im Jahre 1841 in Burgdorf, Kanton Bern, an, um dort eine (gegenwärtig noch bestehende) Eisengießerei zu gründen. Hier in dem freundlichcn Schweizerstädtchen, in welchem zu Anfang dieses Jahrhunderts der große Kinderfreund und Volkserzieher Johann Heinrich Pestalozzi gelebt und gewirkt hatte, begründete Schneckenburger auch einen eigenen Hausstand, indem er die Tochter des Pfarrers von Thalheim als Gattin heimführte. Sein Herz hing indeß mit unverlöschlicher Liebe an der deutschen Heimat, und er dachte eben daran, bleibend dorthin zurückzukehren, als der Tod ihn in der Blüthe des Mannesalters hinwegraffte. Er starb, 30 Jahre alt, am 3. Mai 1849 zu Burgdorf, wo ein schlichtes eisernes Kreuz, von den Freunden errichtet – mit den Jahren von dichtem Epheu umrankt – seinen Grabhügel schmückte.

Nach 37jähriger Ruhezeit wurden am 16. Juli d. J. in der Morgenfrühe die irdischen Reste Schneckenburger’s von Burgdorf nach Thalheim übergeführt. In der Nähe des alten Grabes saß auf einer Bauk, den Stab in der Hand, des Dichters ergebenster Freund, der greise Oberförster Manuel, von allen Seiten Gegenstand aufrichtiger Verehrung und selbst tief bewegt von dem letzten schweren Abschied. Auch ein Sohn [564] Schneckenburger’s war zugegen, dem Vater das Geleit nach Thalheim zu geben, wo fortan die Geburtsstätte und das Grab des Dichters zu freundlichem Besuche einladen werden. – Die Feier auf dem Friedhof zu Burgdorf war eine ergreifende. Viele Bewohner aus der Umgegend, die Deutschen von Burgdorf, sowie zahlreiche Deutsche aus Bern hatten sich an der unweit der Kirche unter grünen Tannen belegenen Grabstätte eingefunden. Nachdem der neue Metallsarg die irdischen Reste des Dichters aufgenommen hatte und der warme patriotische Geist des frühverblichenen Sängers in weihevollen Ansprachen gefeiert war, setzte sich der ernste Zug nach dem Bahnhof in Bewegung. Deutsche waren es, welche den reich mit Kränzen und Blumen bedeckten Sarg trugen, und an der Spitze des Zuges wehte freundlich und feierlich die Fahne des deutschen Vereines von Burgdorf.

Die Grabstätte in Thalheim soll nun mit einem würdigen Schmucke bedacht, in Tuttlingen aber, der an der Bahnlinie Stuttgart–Zürich und der Donau so freundlich gelegenen Oberamtsstadt, wo Schneckenburger einen schönen Theil seiner Jugend verlebte und durch Besuch der Lateinschule den Grund seiner Bildung legte, soll ihm ein Denkmal errichtet werden zur Erinnerung an ihn und jene große Zeit, mit welcher sein Lied in so inniger Verbindung steht. Auf die Kunde hiervon sind schon manche Gaben eingelaufen, besonders auch von Deutschen im Auslande, welche ihrer Begeisterung für dieses Unternehmen oft in ergreifenden Worten Ausdruck geben. So kam z. B. eine Gabe von 374 Mark aus Odessa, welcher folgende Worte beigefügt waren:

„Ja möge das deutsche Volk niemals vergessen die edle Pflicht der Dankbarkeit den Männern gegenüber, welche ihm die Wege gewiesen zu der mit so furchtbar schweren Opfern erkauften Wiedergeburt unseres heißgeliebten deutschen Vaterlandes! Dieses ist ein Herzenswunsch der Deutschen, welche durch des Schicksals Führung an des schwarzen Meeres Strand verschlagen worden sind.“

Möge dieser Herzenswunsch unserer Brüder in Odessa allüberall im großen deutschen Vaterlande freudigen Widerhall finden, um ein Denkmal herstellen zu können, welches der großen Zeit würdig ist, an die es erinnern soll. Dann soll dieses Denkmal eine bleibende Erinnerung sein an unsern Max Schneckenburger und an sein Lied, zugleich aber auch ein Sporn, insbesondere für die deutsche Jugend, das schwer Errungene hoch zu halten und, wenn es sein soll, eben so treu zu schützen, als es ihre Väter gethan haben, damit zu allen Zeiten in Wahrheit gesagt werden kann: Fest steht und treu die Wacht am Rhein.“

Max Schneckenburger’s Ruhestätte in Burgdorf.


Standesgemäß.
Von Hermann Ferschke.

Wie gern wollte ich die morgige Partie mitmachen, aber ich habe ja nichts zum Anziehen!“ Wie oft, verehrte Leserin, hast du solchen oder ähnlichen Seufzer schon ausgestoßen. Und dabei hängt der Kleiderschrank voll schöner, noch recht brauchbarer Kleider, und deine Hüte sind noch so gut wie neu – und doch hast du nichts zum Anziehen. Der schöne, theure, so geschmackvoll garnirte Strohhut, er ist im vorigen Sommer kaum ein dutzendmal getragen worden, wie hübsch hat er dir gestanden und wie lange könntest du ihn noch tragen! Aber er ist vom vorigen Jahre, die Mode hat sich geändert, der Thurm von Babel, der heute Mode ist und den du im vorigen Jahre verlacht hättest, macht deinen vorjährigen, hübschen, aber niedrigen Hut heute lächerlich. Der theure Umhang vom vorigen Jahre, an welchem – erinnere dich nur – ein recht herbe gewesener Seufzer deines lieben Mannes hängt, ist in diesem Jahre nicht mehr modern, die stille Hoffnung des armen Gatten, das theure, leichte und unnütze Ding werde nun hoffentlich mehrere Jahre vorhalten, erfüllt sich nicht – du „kannst nicht als Vogelscheuche einhergehen“, sondern hast die Verpflichtung, dich standesgemäß zu kleiden. Dieser Ansicht kann und darf sich der liebe Ehemann nicht verschließen, und mit Seufzen greift er in die Tasche und zahlt – um des lieben Friedens willen.

Standesgemäß! Du Götze unserer heutigen Zeit, wie oft wird dir Frieden, Glück und Wohlstand ganzer Familien geopfert!

Da habe ich einen guten Freund, einen braven, ehrenwerthen Mann, der an der bekannten scharfen Majorsecke umwarf und in seinen besten Jahren mit Pension zur Disposition gestellt wurde, der sitzt nun da mit einer, ich bedaure es sagen zu müssen, anspruchsvollen Frau und sechs schulpflichtigen Kindern. „Die Alle soll ich nun standesgemäß erhalten und erziehen,“ klagte er mir einst, „und da die Pension selbstverständlich nicht zulangt, so schreibe ich Tag und Nacht und zittere bei jeder fertigen Arbeit bei dem Gedanken, die Redaktion könnte sie zurückweisen. Es ist ein Hundeleben! Die beiden Jungens habe ich zwar glücklich im Kadettenkorps untergebracht, aber die vier Mädchen kosten ein Heidengeld.“

Seine Frau nannte er nicht; er wußte, das hatte er nicht nöthig, ich verstand ihn auch so.

Er mußte natürlich in der großen Stadt standesgemäß wohnen, und da seine Frau, welche nicht vergessen konnte, daß sie einst auf großem Fuß gelebt hatte, auch, um standesgemäß aufzutreten, nach wie vor ein größeres Dienstpersonal halten zu müssen glaubte, so ging die Hälfte der Pension allein für Miethe und Dienstbotenlöhne darauf. Daß sie mit ihrem standesgemäßen früheren noblen Leben ihr eingebrachtes Privatvermögen verpulvert hatte, vergaß die gute Frau.

Im Sommer trafen wir in einem kleinen Badeorte zusammen. Nun, warum denn nicht? Der abgearbeitete Mann und die von der Großstadt angekränkelten Kinder bedurften dringend der Erholung, und das kleine, meist von einfachen Leuten besuchte Bad machte in Beziehung auf Aufwand und Luxus keine Ansprüche an seine Besucher. Die gnädige Frau aber dachte darüber anders, und sie hatte bereits zu Hause dafür gesorgt, daß man standesgemäß auftreten konnte. Zum Transport der Koffer, Schachteln, Kisten und Reisekörbe mußte an der Eisenbahnstation, von welcher man nach dem Badeorte abbog, ein besonderer Gepäckwagen genommen werden. So hielten sie dann mit zwei Wagen ihren Einzug und konnten sicher sein, von vornherein sich standesgemäß eingeführt zu haben. Das Auftreten der Gnädigen mit ihren hübschen kleinen Mädchen ließ denn auch in der That nichts zu wünschen übrig – aber, merkwürdig! obwohl sie an Putz und Aufwand das Menschenmöglichste leistete, an der Magenfrage brach sich ihr Standesgefühl. Statt einen anständigen, standesgemäßen Mittagstisch zu führen, ließ sie für die sechs Personen ihrer Familie drei Portionen Essen aus einer Garküche holen und bemühte sich noch, davon etwas für das Abendbrot zu ersparen. Das war nun eben nicht standesgemäß – aber es sah es ja auch Niemand.

Mein lieber, braver Freund wird daran zu Grunde gehen, aber er mag sich beruhigen, seine treue Lebensgefährtin wird nicht ermangeln, ihn standesgemäß begraben zu lassen.

Standesgemäß! Es hängt ein Fluch an dem Begriff dieses Wortes! Wie oft kommt es vor, daß ein geachteter und tüchtiger Mann Schiffbruch leidet in seiner Stellung. Ein Officier wird pensionirt, er weiß nicht warum, ein Gutsbesitzer geht in Folge zu geringer Mittel und wiederholter schlechter Ernten zu Grunde, ein Beamter verliert, vielleicht eines zu freien Wortes wegen, seinen Dienst – sie Alle haben Weib und Kinder und möchten arbeiten und wirken, es findet sich auch da und dort die Gelegenheit dazu, aber sie dürfen nicht zugreifen, wollen sie nicht mit ihrer ganzen Vergangenheit und vor allen Dingen mit ihren ehemaligen Standesgenossen für immer brechen – es ist nicht standesgemäß!

Ganz dasselbe gilt vom weiblichen Geschlecht. Hast du wohl eine Ahnung, lieber Leser, welche bittere Armuth, welches Uebermaß von Entbehrungen, welche Noth und Sorge unter den Wittwen und Waisen ehemaliger Beamten herrscht, welche den Ihrigen nichts weiter hinterlassen haben, als eine kleine Wittwenpension, die kaum zulangt, die Wohnungsmiethe zu decken? Sie Alle sind, wollen sie nicht verhungern, auf ihrer Hände Arbeit angewieseen – und sie arbeiten auch, aber fragt mich nur nicht: wie? Heimlich, ganz heimlich, daß ja Niemand es merke, holen sie sich Handarbeit aus den Geschäften; heimlich, ganz heimlich tragen sie das Fertige wieder hin – Niemand soll und darf es wissen: „Registrators arbeiten für ein Geschäft,“ – denn das ist nicht standesgemäß! Lieber also hungert eine ganze Familie, als daß sie die Vorurtheile unserer tonangebenden Gesellschaft von sich wirft. Und nun gar dienen gehen! Das hieße sich ja geradezu wegwerfen. Und wie wird nun das heimlich und sauer verdiente Geld angewendet? Wird es zur Beschaffung kräftiger Nahrung verwendet? Gott bewahre! Man glaubt sich verpflichtet, standesgemäß, das heißt so modern wie möglich gekleidet zu gehen, und wirft Alles für schnöden Tand hin, um den Leuten Sand in die Augen zu streuen – und das ist doch nichts weiter, als glänzendes Bettelelend bei hungerigem Magen; aber es wird ertragen in dem Bewußtsein, daß man verpflichtet ist, nach außen hin seinem Stande nichts zu vergeben.

Nun möge man mich nicht mißverstehen. Ich bin weit entfernt, das sogenannte Standesbewußtsein anfechten zu wollen. Möge Jedermann sich bestreben, das Beste zu leisten, so wird er der Ehre seines Standes genug gethan haben. Niemand aber soll sich einbilden, daß sein Stand [565] dadurch in den Augen der Welt gehoben werde, wenn er um deßwillen Schulden macht und seine Verhältnisse zerrüttet. Standesgemäß lebt nur der wirklich, welcher seine eigene Ehre und damit die seines Standes rein erhält; wer dagegen, um der glänzenden Außenseite willen, bei allen Kaufleuten und Handwerkern Schulden macht, der setzt sich und seinen Stand herab, und sein sogenanntes standesgemäßes Auftreten und Gebahren wird verlacht und verachtet.

An unseren socialen Verhältnissen wird jetzt sehr viel herumkurirt, und die Menschheit soll durchaus glücklich und zufrieden gemacht werden. Nun, wir wünschen von Herzen besten Erfolg. Vieles aber könnte auch dann schon besser werden, wenn der Mensch seine Standesvorurtheile über Bord werfen und jede ehrliche Arbeit achten lernte. Die ganze Lebensweisheit kann mit wenigen Worten ausgesprochen werden: Strebe nach dem Höchsten, sei zufrieden mit dem, was du erreichtest, und komme aus mit dem, was du hast! Darin liegt Alles. In dem Gegentheil davon liegt die hauptsächlichste Ursache unserer heutigen gesellschaftlichen Misère und der Urquell alles socialen Elends, wozu ich Familienzwist und zerrüttete Familienverhältnisse zu allererst rechne, denn die Familie ist das Fundament des modernen Staates.

Kannst du zu Hause nicht standesgemäß leben, so nutzt dir auch die Komödie außerhalb desselben nichts, so sehr du dich auch bemühst, deine Aermlichkeit durch sogenannte standesgemäße Auftakelung zu verdecken und zu vertuschen – es glaubt dir doch Niemand. Halte deine Ehre rein, dann lebst du standesgemäß!


Karl von Piloty.

Karl von Piloty.
Nach einer Photographie im Verlag von Franz Hanfstängl in München.

Das Jahr 1886 ist für München ein wahres Unglücksjahr. Schon vor dem schrecklichen Pfingstsonntag gab es harte Verluste in wissenschaftlichen und künstlerischen Kreisen, und kaum beginnen sich die Wellenkreise der Aufregung über jener entsetzlichen Katastrophe etwas zu legen, so erfüllt eine neue Trauernachricht unzählige Herzen mit herbem Schmerz. Karl von Piloty ist nicht mehr! Der warmherzige, geniale Mann, der den Mittelpunkt des künstlerischen Lebens in München bildete und an dessen aufmunternden Blicken die Schüler mit Begeisterung hingen, er ist endlich den Leiden erlegen, die er jahrelang mit so unbegreiflicher Standhaftigkeit ertrug, daß man sich über ihre Schwere vollkommen täuschen konnte. Man wollte die Möglichkeit seines Verlustes nicht glauben, Jeder fühlte, daß er ein zu schmerzlicher wäre, daß mit Piloty wieder einer jener Großen sterben würde, für die es nur Nachfolger, keinen Ersatz giebt! Und nun ist der Schlag plötzlich gefallen, der ganz München in Trauer versetzt.

Karl Piloty gehörte zu den Glücklichen, die vermöge ihrer innersten Eigenart mit einem Bedürfniß der Zeit zusammentreffen und deßhalb zum Ausgangspunkt einer neuen Entwickelung werden. Die klassische Schule in München hatte sich überlebt, oder vielmehr, ihre noch lebenden Vertreter vermochten nicht, Schule zu machen, weil ihre eigentliche Technik auf schwachen Füßen stand, Genie aber bekanntlich sich nicht mittheilen läßt. Da kam Anfangs der fünfziger Jahre der junge Piloty, den die Unerfrenlichkeit des heimischen Kunstlebens in die Fremde getrieben, von Paris und Antwerpen zurück, und mit ihm kam eine neue Zeit für die Münchener Malerei. Der unerhörte „Realismus“ seiner ersten Bilder brachte die Alten in Harnisch, die Jungen aber in Entzücken, und binnen unglaublich kurzer Zeit war der Name Piloty, bisher nur durch die väterliche lithographische Anstalt bekannt, in Aller Munde.

Damals hatte er ein bescheidenes Atelier in den Gärten der Barerstraße inne, welches im Jahre 1855 seinen „Seni vor Wallenstein’s Leiche“ entstehen sah.

Das Bild machte auf alle Betrachter einen mächtigen Eindruck (es giebt heute noch Leute, die es für sein bestes überhaupt erklären), man kam nicht los von den beiden ergreifenden Figuren, von der düstern Stimmung in dem Todtengemach, die mit einer bis dahin unerhörten Technik hervorgebracht war. Das lebhafteste Interesse wandte sich aber dem Künstler selbst zu, dem schlanken jungen Mann mit den merkwürdig eindringenden dunklen Augen, zwischen denen eine tiefe Furche sich zeigte, die dem Gesicht einen Ausdruck leidenschaftlicher Willensenergie verlieh. Vielleicht gerade darum hatte sein Lächeln etwas Bezauberndes, er war jedenfalls eine Persönlichkeit, die den Reiz des Ungewöhnlichen in hohem Maße besaß.

Sein rascher und glänzender Emporweg ist bekannt; ein Artikel F. Pecht’s in der „Gartenlaube“ (1880, Nr. 40) legt ihn ausführlich dar. Es war ein reiches Künstlerleben, das sich nun entfaltete – die Professur an der Akademie brachte ihm der Erfolg des Gemäldes „Seni vor Wallenstein’s Leiche“ sofort, ein Aufenthalt in Rom gab ihm dann die Liebe zu antiken Stoffen, welcher eine Anzahl seiner Bilder entstammt; Piloty war selbst eine pathetische Natur, und der große Zug der alten Geschichte begeisterte ihn. Außer ihr war es die Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Krieges, in die er sich mit Vorliebe versenkte, und hier ergänzt oft der frei schaffende Künstler sehr glücklich die historische Erzählung. Der „Zug Wallenstein’s nach Eger“ z.B. ist so aus der schicksalsschweren Atmosphäre jener Tage heraus gemalt, daß er den Eindruck vollster geschichtlicher Wirklichkeit macht.

So bedeutend nun Piloty’s Erfolge sind, unbestritten blieben sie nicht, und man könnte nicht mit Wahrheit sagen, daß er als Maler sein Zeitalter beherrschte. Die ungeheure Wirkung seiner Person, die ihn vor allen Anderen auszeichnet, liegt auf einem andern Gebiet: er war ein Lehrer, wie es keinen zweiten giebt und in dem Verlauf der Kunstgeschichte nur sehr wenige gegeben hat. Die Thatsache allein, daß so ganz verschiedenartige Künstler wie Lenbach, Max, Grützner, Defregger, Makart, Hellquist, Lossow u. A. aus seiner Schule hervorgingen, spricht für seine außerordentliche Begabung, Jeden nach seiner Art zu erkennen und ihm vollste Freiheit der Entwickelung zu lassen. Der hohe Enthusiasmus, mit dem er den Künstlerberuf auffaßte, theilte sich den Schülern mit und machte sie, wenn auch ihre spätere künstlerische Ueberzeugung von der seinen abwich, auf Lebenszeit ihm eigen. Man muß berühmte Männer wie Lenbach, Defregger, Makart vor ihrem alten Lehrer in Ehrfurcht und Liebe haben stehen sehen, um das Band zu begreifen, das unzerreißbar zwischen ihnen bestand. Die Jungen aber vollends hingen enthusiastisch an ihrem Direktor und sahen zu ihm als zu einem höheren Wesen empor.

[566] Seit dreißig Jahren war seine Persönlichkeit die bestimmende an der Münchener Akademie, erst als Professor, zu dem sich Alle drängten, dann nach Kaulbach’s Tod 1874 als Direktor. Jener erkannte sehr wohl, welchen neuen Lebensstrom diese junge Kraft in die stark ausgetrocknete Anstalt leitete. Er selbst erhob zwar Bedenken gegen die Kunstrichtung der „Naturalisten“, aber seinen eigenen Sohn Hermann wußte er doch nirgends besser unterzubringen, als in Piloty’s Schule, und die damit entstandene vollkommene Verständigung und Ausgleichung zwischen beiden Gegnern verschönerte Kaulbach’s letzte Jahre und war eine Wohlthat für Piloty’s nervös erregbare Natur.

Mit den Jahren wuchs die Zahl der Bilder und Schüler, wuchs auch das Familienglück in dem reizenden Hause der Briennerstraße, welches versteckt in Gärten hinter der Schack’schen Gemäldegalerie steht. Was so oft im Leben großer Männer fehlt, das ist Piloty zu Theil geworden: eine Frau, die nicht nur mit seltenen Charakter- und Herzenseigenschaften den Mann beglückte und Anmuth über sein Leben ergoß, sondern auch die treueste und theilnehmendste Gefährtin seines künstlerischen Strebens war. Sie hatte hierin keine leichte Aufgabe, denn Piloty war eine tiefleidenschaftliche, vielfordernde Natur, nie zufrieden mit den errungenen Standpunkten, in hohem Grade reizbar und oft genug gequält von dem Leiden, welches den einzigen Schatten in das sonst so glückliche Familienleben warf. Jedem, der einmal an diesem theilnehmen durfte, werden die Abende unvergeßlich sein, wo in dem prächtigen Saal des oberen Stockwerks ein Dilettantenquartett, darunter zwei Söhne des Hauses, Mozart und Beethoven spielte, während ein kleiner Kreis von Freunden die Wonne solcher Musik in solcher Umgebung genoß. Wohin das Auge fiel in dem dunkelgetäfelten Raum, überall traf es auf die Spuren der feinen Künstlerhand, die venetianisches Krystall, schwere einfache Möbel, Bronzen, Majoliken und alte Teppiche zu einem so behaglichen, so völlig unaufdringlichen Ganzen gestaltet hatte. Von den Wänden herunter leuchteten die von Lenbach und Makart gemalten Familienbilder, sechs schöne und kräftige Knaben und Mädchen mit blonden und braunen Köpfen die Eltern umgebend, und bis zur Decke hinauf stiegen die vielen Andenken von dankbaren Schülern; der schöne Salon war zugleich ein Erinnerungsmuseum für den Meister, der an solchen Abenden still im Lehnstuhl im Schatten saß und die Musik halbgeschlossenen Auges genoß, die seiner Seele ein tiefes Bedürfniß war.

Später ging es dann ins Speisezimmer hinunter zum Abendessen, und hier, unter vertrauten Freunden, entfaltete der seltene Mann die Heiterkeit, die bei ihm trotz seines schmerzlichen Magenleidens immer wieder hervorbrach, sobald er erträgliche Zeiten hatte. Er schien der Lebenslustigste von Allen, wenn er, die Cigarre in der Hand, lebhaft angeregt mit der Wärme sprach, welche der eigenthümlichste Zug seines Wesens war. Gleichgültig konnte ihn kaum Etwas lassen: er nahm sofort Stellung zu jeder Frage in Neigung oder Abneigung, und in Aeußerung der letzteren konnte er leidenschaftlich genug werden. Was ihm künstlerisch oder moralisch verwerflich schien, das verneinte er mit einer Rücksichtslosigkeit, vor welcher alle Diskussion sofort verstummte. Aber in dieser inneren Sicherheit lag seine Macht, da sie bei ihm mit großer Herzensgüte, wahrhaft idealem Sinn und hinreißender Liebenswürdigkeit gepaart war. Er konnte begeistern, weil er begeistert war; objektiv nüchternes Urtheil durfte man bei ihm nicht suchen, aber Alles, was der bedeutende subjektive Mensch einzusetzen hat: die Gewalt und Gluth der Ueberzeugung, die starke Wirkung auf Andere, das war ihm in seltenem Maße eigen. Er würde in Zeiten der Gefahr freudig sein Leben für das von ihm heißgeliebte Reich und seinen Kaiser hingegeben haben, denn der Patriot in ihm war eben so stark wie der Künstler.

Das Schicksal aber theilt seine Lose ohne Rücksicht auf Anlagen aus – dem kühnen kampffreudigen Manne fiel das Los des Dulders zu, und er konnte heroische Seelenstärke nur im Ertragen von Leiden bewähren, die Andere zur Verzweiflung getrieben hätten. Und dabei arbeitete er unablässig; wenn die Nacht in Schmerzen verwacht war, sah ihn der Morgen im Atelier. Die Bilder wuchsen rasch, trotz aller nothgedrungenen Pausen; er hat im letzten Halbjahr einen „sterbenden Alexander“ begonnen und das große Bild so erstaunlich weit gebracht, daß es in kurzer Frist vollendet gewesen wäre.

Da sank die unermüdliche Hand plötzlich im Tode herab. Am Vorabend des Tages, wo er mit seiner Frau, den jungverheiratheten Töchtern und ihren kleinen Kindern in das reizende Haus am Starnberger See übersiedeln wollte, in dem er seit Jahren seine besten Zeiten zubrachte, trat eine plötzliche schlimme Wendung ein, und am 21. Juli Abends endete ein sanftes Einschlafen den harten Kampf.

In dem schönen Saal, wo er so oft fröhlich unter den Freunden saß, lag er dann unter Palmen und Rosen gebettet. Das Gesicht trug den Ausdruck tiefen Friedens, der beinahe Sechzigjährige sah unbegreiflich jung aus mit den dichten braunen Haaren, die noch kein weißer Schimmer durchzog. Ueber dem stillen Todten aber erhob sich in voller Kraft und Energie mit flammenden Augen sein von Lenbach gemaltes Bildniß[1], wie ein Protest gegen die Macht des Todes und wie eine Verheißung, daß das beste Theil eines großen und guten Menschen nicht mit seinem irdischen Leben untergeht.

München. Carl Robert.     


  1. Eine Holzschnittnachbildung desselben haben wir in Nummer 40 des Jahrgangs 1880 der „Gartenlaube“ gebracht. D. Red.     


Was will das werden?
Roman von Friedrich Spielhagen.
(Fortsetzung.)
15.

Es schien, die folgenden Tage waren dazu ausersehen, in mir abzutödten, was etwa noch von der Welt Eitelkeit in meinem Herzen sich regte: rauheste Tage, deren Erinnerung mir bis auf den heutigen Tag qualvoll geblieben ist. Draußen wirbelte der Wintersturm eisigen Schnee durch die trübe Luft und heulte wie ein Wolf um unser baufälliges Haus, als wollte er dem Unglück, damit es eindringen könne, alle Fugen und Spalten öffnen. Und das Unglück hatte nicht gezögert und war hereingebrochen und wüthete nach seiner bösen Lust. Die Krankheit der Kinder, die sich anfänglich so gutartig zeigte, hatte eine schlimmste Wendung genommen: zu dem Scharlach hatte sich der Würgengel Diphtherie gesellt; schon war ihm das Kleinste erlegen, das arme Hänschen! Es war in seinem übergroßen Kopfe nie ganz richtig gewesen und hatte nun doch so viel Verstand gezeigt und die erste Gelegenheit ergriffen, sich aus einer Welt zu machen, in welcher für ihn nur Dornen und Disteln wuchsen! Die unglückliche Mutter hatte keine Zeit zu weinen. Sie mußte sich für ihr Jüngstes erhalten, das sie noch stillte, und für das zweite kranke Kind, an dessen Bettchen sie nun thränenlos saß, dem Würger zu wehren. Vergebens. Der Doktor hatte mir gesagt, daß es sterben müsse, und vierundzwanzig Stunden später war es gestorben, mein gutes Rudolfchen, mein braver Spielgesell, dessen krumme Beinchen meinen Rücken so oft umklammert hatten, wenn ich auf allen Vieren mit ihm durch das Zimmer galoppirte! Und hatte sich so mannhaft gegen den Tod gewehrt, der tapfere kleine Kerl! Und nimmer werde ich den letzten Blick vergessen, mit dem er zu Onkel Lothar aufschaute, traurig verwundert, daß der ihm in dieser Noth nicht helfen wolle, wie in jeder anderen. Liebes Kerlchen, ich kann’s Dir nachschwören in Dein stilles Grab: hätte Onkel Lothar an jenem Tage mit Dir tauschen dürfen, er hätt’s gethan ohne Zaudern. Ihm hätte der Tod keine Schrecken gehabt vor den Schrecken, mit denen ihn das Leben von allen Seiten anstarrte.

Wir waren bankerott. Der Tag der Ablieferung der letzten Stücke für den Neubau des Herrn Kunze in der Königsstadt, der Tag, dem ich entgegengeharrt, auf welchen hin ich mich krank gearbeitet, weil ich von ihm hoffte, daß er uns für eine Weile wieder flott machen sollte, er hatte uns aufs Trockene gesetzt, [567] so gründlich, wie es die Weise des vorsichtigen Trau-scha-wem-Mannes, zumal Wenns es sich um ein so angenehmes Geschäft handelte, wie das der Rache in seinem Schielauge jedenfalls war Die Rache für meine Haltung in der Angelegenheit seiner Werbung um Christine Hopp. Er Hatte kein Wort der Unzufriedenheit geäußert, keine Drohung ausgestoßen; hatte die Dinge scheinbar ruhig ihren Weg gehen lassen, um ebenfalls in aller Ruhe seinen Weg zu gehen, der ihn denn auch zu dem erwünschten Ziele führte. Ich hatte mich leider dieser Vorsicht nicht befleißigt. ihm aufs Wort geglaubt, daß er uns die neuen Hölzer zu demselben, billigen Preise liefern wolle, wie die früheren: uns den Barvorschuß nicht auf einmal in Abrechnung bringen wolle. Und als ich ihm diesesn Wort- und Treubruch empört in sein schieläugiges Gesicht schleuderte, nahm er gelassen aus seiner Mappe eine Anzahl schmutziger Papiere, von deren Vorhandensein ich keine Ahnung hatte und haben konnte, da Otto mir dieselbe, trotz meiner eindringlichen Bitten, beharrlich verschwiegen, – entsetzliche, zum Theil: prolongirte Kellerwechsel, – Ueberbleibsel der früheren unseligen Mißwirtschaft – welche der Trau-schau-wem-Mann aus ihren Höhlen alle aufzustöbern und an sich zu bringen gewußt hatte. Ob ich jetzt zufrieden sei? Ob ich jetzt begreife, was das, in seinem Munde heiße: „Wurst wider Wurst“ ? Ob er mir jetzt „reinen Wein“ eingeschenkt habe?

Ich eilte zu dem Rechtsanwalt, bei dem Adalbert arbeitete. Der Rechtsanwalt war nicht auf dem Bureau, aber ich durfte mich auf Adalbert’s Gutachten verlassen. Es war nichts zu machen. In der Lieferungssache könne ich es auf einen Proceß ankommen lassen, der aber in erster Instanz zweifellös gegen, uns ausfallen werde und dessen Ausgang in der zweiten mindestens fraglich sei, da er Herrn Kunze in Verdacht habe, er werde es mit dem ihm dann eventuell zugeschobenen Eide so genau nicht, nehmen. - -

Es war am dritten Tage, nachdem die Kinder begraben waren. Der Sturm hatte sich vorläufig ausgetöbt, der Schnees fiel gleichmäßig in dichten großen Flocken, die nur zeitweilig lebhafter durch einander tanzten. Ich war in der Werkstatt, obgleich es dort nichts mehr zu arbeiten gab. Otto war ab und zu gegangen; sicher ohne so wenig zu wissen, weßhalb er kam als warum er ging; Er war von Allem, was geschehen, so niedergedrückt, daß er nicht einmal mehr den Muth hatte, zu seufzen. Der neue Gesell war in der Stadt, um sich nach anderer Arbeit umzuthun, und so saß ich, den Müden Arm aufgestützt, den kranken auf den Rath des Arztes einer Binde, und sah mechanisch Weißfisch zu, der, fast geräuschlos in dem Raume sich hin- und herbewegend, seinen künstlerischen Instinkten zu folgest schien, indem er hier die ungebrauchten Werkzeuge auf dem Tisch zu einem „Handwerker-Stillleben“ gruppirte, dort einen Rest Bretter und Leisten zu ein paar großen Vorlegeblättern an der Wand dergestalt ordnete, daß dabei etwas wie eine dekorative Wirkung Herauskam. Er hatte, sich während der letzten schlimmen Tage in seiner Weise nützlich zu machen gesucht und, da es an Gelegenheit wahrlich nicht fehlte, nützlich gemacht. Ich war ihm dafür dankbar und würde, ihm noch dankbarer gewesen sein, wenn er mich heute, wo es weder im guten noch im schlechten Sinne etwas zu zhun gab, allein gelassen hätte; aber wegweisen mochte ich ihn nicht. So ließ ich ihn gewähren und versank wieder in meine trostlosen Grübeleien, die, wie ich so still dasaß und durch die gardinenlosen Fenster in den lautlosen Tanz der Schneeflocken blickte, sich zu allerlei phantastischen Gebilden verdichteten: Dekorationen von Stücken, in denen ich gespielt; blaue Berge, die mir aus der Ferne winkten, als ich oben „auf dem Walde“ einsam wanderte; das vom Abendlicht umfluthete Schloß, von dessen Zinnen die seidene Fahne wehte über dem Marmorsaal, in welchem meine letzte Unterredung mit dem Herzog stattfand, und das, ich weiß nicht wie, zu dem hoch gegiebelten Israel’schen Hause in der Hafengasse wurde, mit der Luke auf dem „dritten Boden“, in der zwei Knaben saßen und Seifenblasen in die blaue Luft hinaussandten, hinüber nach der Insel mit ihren sonnigen Kornbreiten und schattigen Wäldern, aus denen das alte Herrenhaus von Nonnendorf auftauchte und die Kapelle im Park, wo ich den Major im Gebet fand, der mich in seinen Armen emporhob und küßte, als er zum Vater in die Werkstatt kam, den Sarg zu bestellen für sein todtes Kind.

Das letzte Bild war so seltsam deutlich gewesen, ich schrak zusammen und starrte Weißfisch an, der mir eine alte Möbeldecke, welche in der Werkstatt lag, über die Kniee breiten wollte.

„Sie waren eingeschlafen,“ sagte Weißfisch, „und es ist hier nichts weniger als warm. Ich fürchtete, Sie möchten sich erkälten, noch dazu in der dünnen Blouse, krank, wie Sie sind.“

„Ich bin nicht krank,“ sagte ich, indem ich mir doch die Decke unwillkürlich höher auf die Kniee zog.

„Das werden Sie so lange sagen, bis es zu spät ist,“ erwiderte Weißfisch. „Für die Sache hier zu sterben, damit ist doch schließlich auch Keinem geholfen.“

„Ich werde schon nicht sterben,“ murmelte ich, „und wenn, so ist mir sicher geholfen.“

Weißfisch zuckte die Achseln und sagte:

„Mit dem ,Thomas Münzer' wird es am Ende auch nichts. Herr Lamarque findet neuerdings in dem dritten Akte ,unüberwindliche Schwierigkeiten’. So sagen’ sie immer, wenn sie etwas fallen lassen wollen. Auf die Theaterleute ist eben kein Verlaß.“

„Hole sie und das Theater der Teufel!“ murmelte ich.

„Bravo!“ sagte Weißfisch. „Aber wenn er uns – ich meine Sie, denn, wenn er mich holen wollte, Gelegenheit dazu hat er genug gehabt; – aber wenn er Sie: gnädiger Herr, nicht auch holen soll, um den es doch Jammer und Schade wäre – ein bischen Koncessionen muß der Mensch ans Leben machen, wenn er am Lehen bleiben will.“

„Wer sagt denn, daß ich es will?“

Weißfisch ging mit seinen langen leisen Schritten ein paar Mal vor mir auf und ab. Dann blieb er wieder stehen und sagte:

„Wie wäre es denn jetzt, gnädiger Herr?“

„Wie „wäre was?“

„Mit ihm – Sie wissen ja, was und wen ich meine.“

Der Mann hatte den Augenblick nicht übel gewählt; wenigstens war er vor einem Ausbruche meinerseits, wie er ihn sonst hätte erwarten müssen, sicher. Er machte sich denn auch mein verwirrtes Schweigen zu Nutz und fuhr fort:

„Wir würden es diesmal klüger anfangen und uns mit ihm von vornherein gleich auf den Fuß stellen, auf dem sich mit ihm weiter leben läßt. Wir müßten zu dem Zweck unsere Bedingungen Machen; daß sie sämmtlich acceptirt werden – ich verbürge mich dafür, wenn sie mich mit der Führung der Unterhandlungen betrauen wollen. Zuerst nichts von permanentem Aufenthalt bei ihm im Schloß, höchstens besuchsweise; sonst ein Leben aparte mit dem nöthigen Haushalt, Dienerschaft und Allem, was dazu gehört; Alles fest stipulirt für alle Zukunft. Officiöse Anerkennung des Verhältnisses, versteht sich – gerade so wie damals bei Frau von Trümmnau – mit dem officiellen Titel eines Kammerherrn, wie, Frau von Trümmnau Hofdame war, um dem Dinge doch einen Schick zu geben; im Uebrigen völlige Freiheit, zu gehen und zu kommen. Gnädiger Herr, glauben Sie mir, was die Sache damals verschüttet hat, war einzig und allein die Unbestimmtheit des Verhältnisses, in welchem Sie zu ihm standen. Um dergleichen durchzuführen, dazu gehört eine Konsequenz und ein Takt, die er nun einmal nicht hat. Macht er jetzt Uebergriffe, so ziehen Sie sich einfach mit höflicher Verbeugung auf Ihr eigenes Terrain, zurück. Er kommt schon wieder, darauf können Sie sich verlassen. Geben Sie mir Vollmacht – nur einen Brief, den ich vorzeigen kann – und die Sache ist binnen acht Tagen, was sage ich? binnen vierundzwanzig Stunden in Ordnung.“

Was der Mann da vorbrachte, war Alles so logisch und verständig, so aus der genauesten Kenntniß und klarsten Beurtheilüng der einschlägigen Verhältnisse geschöpft – ich hätte mich nicht so elend, und hilflos fühlen müssen, sollte es spurlos an mir vorübergehen und sollte nicht meine Phantasie unbewußt in der angegebenen Richtung weiter arbeiten. Der Versucher mochte es meinen Mienen ablesen; er fuhr in demselben leisen eindringlichen Tone fort:

„Bedenken Sie, Sie können sich jetzt auf keine Weise selbst mehr helfen und von außen haben Sie keinerlei Hilfe zu erwarten. Was soll nun daraus werden? Es ist ja das bare nackte Elend, dem Sie entgegengehen, und nicht bloß Sie, auch die da unten. Denken Sie an die Hamburger Erlebnisse, von denen Sie mir erzählt haben! Glauben Sie mir: unter dem Gewürm, was sich da verkroch, waren Menschen, die sich einstmals sehen lassen konnten und den Kopf hoch trugen, just wie andere Leute. Aber das ist

[568]

Das Prachtbett König Ludwig’s II. von Bayern in Herrenwörth.

[569]

Das Marmor-Schwimmbad König Ludwig’s II. von Bayern in Herrenwörth.

[570] das Ende, kann es wenigstens sein und muß es sein, wenn Jemand durchaus mit dem Kopfe durch die Wand will. Ueberzeugungen hin, Ueberzeugungen her – Sie haben Ihren Ueberzeugungen nur schon zu viele Opfer gebracht. Und wem nützen Sie damit? Die Welt geht drum doch ihren Gang. Ja, wenn Alle so dächten, wie Sie! Aber ich will meinen Kopf fressen, wenn unter all den Menschen da neulich in der Versammlung, wenn unter allen Socialdemokraten auf der Welt auch nur Einer ist, der nicht mit beiden Händen zugriffe, würde ihm geboten, was Ihnen geboten wird!“

„Von Ihnen!“ stieß ich hervor.

„Ah!“ sagte er langsam; „also das ist es! Nun denn, diese Handschrift werden Sie ja wohl noch kennen!“

Er hatte ein Blatt vor mich hingelegt, auf dem nichts weiter stand, als: „Ich gebe Ihnen plein pouvoir. Sie können ihm im äußersten Falle dies zeigen.“

Weißfisch deutete auf die letzten Worte. In seinen hellen Augen, als ich jetzt, sprachlos vor Staunen und Schrecken, zu ihm aufblickte, glitzerte ein triumphirendes Lächeln.

Das Lächeln gab mir die Besinnung wieder.

„Sie haben mich verrathen!“ rief ich.

„Das ist ein hartes Wort,“ sagte er, während er mit jetzt auch lächelndem Munde das Papier wieder faltete und in die Taschen gleiten ließ.

„Nicht zu hart für Sie! Ich hatte Sie gebeten, ich hatte Ihnen befohlen, daß Sie mein Geheimniß bewahren wollen, und Sie haben es mir versprochen. Gehen Sie!“

„Wann darf ich morgen wiederkommen?“

„Nicht morgen und nie: ich will Sie nicht wiedersehen.“

„Das ist Ihr letztes Wort?“

„Es ist mein letztes, so wahr Sie ein –“

„So wahr ich was bin?“

Das noch eben lächelnde Gesicht hatte sich zu einer gräulichen Fratze verzerrt, aus der ein paar giftige Augen stierten. Er knirschte durch die starken Weißen Zähne: „Hüten Sie sich! Wie ich Ihnen nützen kann, so kann ich Ihnen schaden. Hoch oder niedrig, mich hat noch Niemand ungestraft beleidigt. Und zwischen uns Beiden ist noch nicht aller Tage Abend. Merken Sie sich das!“

Er stand vor mir, die beiden starken Fäuste krampfhaft geballt, daß die Knöchel zu weißen Flecken wurden, wie sie auch auf seinem zornglühenden Gesicht hervortraten. Ich fürchtete mich nicht; aber es ekelte mich; ich wies schweigend nach der Treppe, welche von dem Werkstattboden nach unten führte, wo sie mit einer Thür verschlossen war.

„Sie jagen mich fort!“ schrie er, „wie Ihr sauberer Herr Vater und wie der Lump von Kammerherr, der übrigens ebenso gut Ihr Vater sein kann, Sie –“

„Hinaus!“ schrie ich aufspringend.

Er prallte zurück, feig wie er war, vielleicht in Erinnerung meiner Körperkraft, von der ich ihm früher manche Proben gegeben hatte. Und dann war sein Blick auf meinen kranken Arm gefallen. Er lachte höhnisch: „Wie die Natterbrut zischt! Ich will ihr einen Denkzettel auf das glatte Fell geben!“

Und er griff seitwärts auf dem Tische nach dem schweren Hammer, mit dem er vorhin gespielt hatte, zog aber blitzschell die Hand zurück mit einem erschrockenen Blick nach der Treppe, der ich gerade jetzt den Rücken zugewandt hatte, um nun auch dahin zu blicken und kaum minder zu erschrecken als der Rasende.

Auf der letzten Stufe der Treppe stand der Oberst von Vogtriz, vielmehr hatte gestanden; denn schon war er mit ein paar raschen Schritten zwischen mir und Jenem, der nun den Kopf hängenließ und scheu zurückwich, wie eine Bestie vor der Peitsche des Bändigers, nach der Treppe zu, in die ich hinabtauchte.

Der Oberst war ihm bis zu dem Treppenansatz gefolgt, wohl um sich zu überzeugen, daß der Mensch wirklich fort und die Thür unten geschlossen war.

Jetzt kam er wieder zu mir zurück und blieb vor mir stehen, während die schönen dunklen Augen mit dem Ausdruck unsäglichen Mitleids auf mir verweilten, der ich mich kaum auf den schwankenden Knieen hielt und von Fieberschauern der Erregung geschüttelt wurde.

„Armer Junge,“ sagte er leise, „armer Junge! Ich weiß Alles von Deiner Schwester – seit einer Stunde. Wäre ich doch schon an jenem Tage meiner Ahnung und meinem Herzen gefolgt!“

Er hatte mich an seine Brust gezogen, wie damals, als er das Kind in seinen Armen emporhob, und ich es nur noch eben wieder geträumt hatte.

War es abermals ein Traum, so mochte mich ein gütiger Gott vor dem Erwachen bewahren!

Siebentes Buch.
1.

Man rühmt den Hellblick der Liebe, welcher ein Augenblick genügt, um unter so vielen, die scheinbar alle dieselben Ansprüche an sie erheben können, mit untrüglicher Sicherheit das eine, unvergleichliche Wesen zu entdecken und eine Entscheidung für das Leben zu treffen. Aber auch in der Freundschaft müssen ähnliche geheimnißvolle Kräfte walten, oder die tiefe Innigkeit des Verhältnisses zwischen dem Oberst und mir von dem ersten Tage an, daß sein Auge mich, mein Auge ihn erblickt, wäre ein unerklärliches Phänomen. Hatte auf das empfängliche Gemüth des Knaben die ritterliche Erscheinung des Mannes in jener Stunde, als er zu dem Vater in die Werkstatt trat, einen unauslöschbaren Eindruck gemacht, war umgekehrt wieder das Kind, das er dort hatte sitzen und mit wundernden Augen zu ihm aufblicken sehen, dem Manne sofort und für immer ans Herz gewachsen. An ein Herz, das zu jener Stunde von dem jähen Verlust des einzigen heißgeliebten Sohnes zerrissen war. Wie gern hätte er das fremde Kind, das dem verlorenen so ähnlich sah, nie wieder von sich gelassen! Und hatte es nun doch lassen müssen, um ein anderes vereinsamtes, liebebedürstiges Herz nicht zu zerreißen.

So war er still bescheiden in seine Einsamkeit zurückgekehrt, aber das Bild des fremden Kindes, welches ihm doch wie sein eigenes war, hatte ihn begleitet. Oft und oft hatte er sich gefragt: wie mag es sich entwickelt haben? was mag aus ihm geworden sein? aber er hatte sich nicht, was er ja leicht gekonnt, selbst davon überzeugen mögen: er hatte seinem Herzen nicht getraut.

Und dann der Schmerz, wenn es nicht gehalten hätte, was es versprach, dem Suchenden ein roher ungefüger Knabe entgegengetreten, und die schöne Illusion, die er schon nicht mehr entbehren mochte, für immer verloren gewesen wäre! Da sollte ich ihm nun doch wieder begegnen, ganz der, wie ihn seine Phantasie ausgebildet hatte: das Ebenbild der erhöhten Traumgestalt seines verstorbenen Sohnes. Und abermals hatte er den Kampf durchkämpfen müssen zwischen seiner Sehnsucht nach Kindesliebe und der Achtung fremden Herzensbesitzes und hatte sich abermals überwunden, diesmal in so fern leichter, als er in einen Krieg zog, aus dem er nicht wieder zurückzukehren glaubte. War doch sein ganzes Soldatenthum eine einzige lange Vorbereitung für diesen Krieg, und wäre doch der Tod in dem Entscheidungskampfe für ihn die Erfüllung seines Lebens gewesen! Es hatte nicht sein sollen; es hatten ihm die Bitternisse nicht erspart werden sollen, die ihm jetzt von denen zu kosten gegeben wurden, welche in ihm einen Abtrünnigen sahen, weil er die Aufgaben des Staates anders auffaßte, als sie.

Nun war er wieder in der Heimat, in seiner alten Garnison, und seine ersten Erkundigungen hatten mir gegolten. Aber ich war verschollen und blieb für ihn verschollen. Von meinem kurzen Aufenthalte am herzoglichen Hofe hatte er erst viel später, als er nach Berlin und in das Kriegsministerium versetzt wurde, durch den Kammerherrn gehört, auch bei der Gelegenheit gewisse Andeutungen, denen er nur ein halbes Ohr geschenkt, da er die böse Zunge des Mannes kannte und wußte, daß dieselbe nie böser war, als wenn sie auf den Herzog zu sprechen kam. Und endlich, nachdem er die Hoffnung, mich je wieder zu sehen, vernünftiger Weise längst hätte aufgeben müssen und sie trotzdem im stillen Herzen weiter und weiter gehegt hatte, die Erfüllung seiner Sehnsucht über das denkbare Maß hinaus. Wie hätte er auch denken können, daß die Aehnlichkeit des fremden Kindes mit seinem verstorbenen Kinde mehr sei, als ein Spiel des Zufalls? daß es kein fremdes, daß es von seinem Stamme war und der Gleichklang der Seelen aus den innersten geheimnißvollen Tiefen der Natur herauszutönen schien?

„Ob ich Dich freilich ohne das minder lieb haben würde, ist mir sehr zweifelhaft,“ sagte er. „Du würdest darum doch [571] nicht weniger mein Sohn sein. Aber es ist mir ganz recht so.

Wenn es dem Sohn – was Gott verhüten wolle – einmal einfallen sollte, dem Vater die Liebe zu kündigen, den Onkel wird der Neffe immer respektiren müssen.“

Ach, er hatte leicht dazu zu lächeln! Er Wußte, daß ich ihm die Liebe niemals kündigen würde!

Wir waren übereingekommen, daß unser verwandtschaftliches Verhältniß der übrigen Familie gegenüber Geheimniß bleiben solle. Hatte sich meine Mutter von mir losgesagt, so, meinte auch er, würde es mir nicht anstehen, eine Verwandtschaft geltend zu machen, zu der ich mich nicht bekennen konnte, ohne die Mutter bloßzustellen. Hier wäre nur der eine Ausweg gewesen – eben der, welchen Adele im Auge hatte – daß meine Mutter sich zu mir bekannte.

„Und ich weiß nicht,“ sagte der Oberst, – „ganz abgesehen davon, daß ich es für unmöglich halte, da es ja nicht geschehen könnte, ohne daß in Deiner Mutter eine völlige Umwandlung vor sich ginge – ob wir es auch in Deinem Interesse wünschen dürfen. Wäre es denkbar, daß Dir Deine Mutter ihr Herz zurückbrächte, nun, wie eifersüchtig ich auch auf Deine Liebe bin, ich würde es ja mit Freuden begrüßen, denn die Natur wäre dann wieder zu ihrem heiligen Rechte gekommen und ein unauslöschbares Sehnen Deines Herzens gestillt. Aber ein Schritt weiter – der Schritt in die Oeffentlichkeit – würde sie und Dich in ein unabsehbares Wirrsal stürzen. Dann müßte Alles zur Sprache kommen, wofür die Welt keine andere hat, als eine, die für den Besprochenen peinlich, kränkend und beleidigend ist. Ich weiß, Deine Schwester denkt darüber anders; nur fürchte ich, durch die Publicität, welche ihr Verhältniß zu dem Herzog bereits erlangt hatte, ist ihre sonst so zarte Empfindung gerade in diesem Punkte etwas beeinträchtigt. Ich wünsche, daß Du bleibst, was Du bist: der einfache Lothar Lorenz, des obskuren Handwerkers Adoptivsohn, der über das Gemunkel seiner wahren Abstammung väterlicherseits ruhig sein Haupt erheben kann, da Keiner wagen wird, ihm ins Gesicht zu sagen, wozu er sich selbst weder direkt noch indirekt bekennt. In einer Zeit, wie die unsere, in der sich alle Bande lockern, die sonst die Welt zusammenhielten, Alles nach Umformung und Neugestaltung drängt, hat auch die Blutsverwandtschaft einen guten Theil des Werthes, den sie früher hatte, an die Wahlverwandtschaft abtreten müssen. Das Gewicht meiner ganzen anderen Verwandtschaft schnellt in die Luft, wenn ich in die andere Wagschale meine Liebe zu Dir lege, den ich liebe, nicht weil er, sondern, ich möchte fast sagen: trotzdem er mein Verwandter ist.“

Das war und klang herber, als es wohl sonst aus diesem wohlwollenden Herzen, von diesen milden Lippen kam, und deutete auf eine Tiefe in seiner Seele, in die er selbst mich noch nicht hatte blicken lassen, und auf die Quelle des Kummers, die da sickerte, Tropfen um Tropfen, wie das Blut aus einer tiefen, tödlichen Wunde rinnt.

Und ich glaubte, die Kummerquelle doch zu kennen; vielmehr ich kannte sie. Es konnte kein Zufall, es konnte nur das Siegel auf dem Grabe einer Hoffnung sein, die einst wunderreich für ihn geblüht und geduftet hatte und jetzt verwelkt und gestorben war: daß er nie von seiner Tochter, daß er nie von Ellinor sprach.

Da mag es denn nicht Wunder nehmen, wenn ich selbst noch nicht wieder von ihr gesprochen habe, trotzdem das Gedenken an sie mich nie verließ, ihr Bild mich immer umschwebte, wie ich es auch zu bannen suchte, indem ich eifrig meinen neuen Pflichten oblag und ebenso die Freundschaft der lieben Menschen pflegte, welche auf so wunderbare Weise nun wieder in den Kreis meines Lebens getreten waren: Adele’s und ihres Gatten, Adalbert’s, Maria’s. Ich sah sie alle jetzt oft und – wenigstens die ersten drei – meistens in dem Hause des Oberst, wo sie sich an Abenden versammelten, zu denen ein Anderer keinen Zutritt hatte. Natürlich kannte der Oberst die Geschichte des Grafen (der übrigens für die Dienerschaft Kapitän Smith blieb) und ebenso Adalbert’s politische Stellung. Er war sich der Verantwortung, die er mit einem für ihn verpönten Umgänge auf sich nahm, voll bewußt; aber das tiefe, fast leidenschaftliche Interesse, welches ihm die beiden, jeder in seiner Weise merkwürdigen Männer einflößten, die persönliche Theilnahme an dem Gatten meiner Schwester, die Erinnerung der innigen Freundschaft, welche ihn einst mit Adalbert’s Vater verbunden hatte, überwogen jede andere Rücksicht, von derer ohnehin überzeugt war, daß er sie nicht lange mehr werde zu nehmen brauchen. Auch machten ihm der Graf und Adalbert seine militärische Pflichtverletzung leicht, indem sie das Eingehen auf gewisse noch bestehende Differenzen mit einer Geflissentlichkeit vermieden, die mir oft zu weit getrieben, ja als reine Heuchelei erschien und als ein Spiel, in welchem zwar der Oberst mit offenen, sie aber mit verdeckten Karten spielten. Ich sagte es Adalbert auf den Kopf zu und daß ich dem Oberst meine Entdeckung hinsichtlich der Autorschaft jener famosen Broschüre mittheilen würde.– „Beruhige Dich,“ sagte Adalbert. „Einmal sollte es mich wundern, wenn ein so kluger Mann nicht schon von selbst dahinter kommen sollte, und zweitens gebe ich Dir mein Wort, daß ich ihm binnen Kurzem das durchsichtige Geheimniß selbst enthüllen werde. Uebrigens, lieber Freund, verzeihe mir die Bemerkung, daß ich Deine Haltung in der Sache nicht verstehe oder doch nur verstehen würde, wenn Du gegen uns wärst. Bist Du aber für uns, wie ich doch annehmen muß, nun: für die gute Sache ist das Beste eben grade gut genug, unter Anderem der Oberst, der allerdings der Besten einer ist. Auch ist das Opfer, das er uns jetzt bringt, nicht groß: sein Fall ist besiegelt; wir schöpfen aus durchaus sicheren Quellen. Restirte also nur noch das Dritte, daß Du für und gegen uns wärest – zu gleicher Zeit! Aber ich denke, dergleichen überlassen wir den Frauen mit ihren auf Schaukelbewegungen eingerichteten Köpfen und Herzen. Deiner Schwester, und ich glaube, beim Himmel, auch Maria’s Segen hast Du, wenn Du ein Revolutionär und ein Vogtriz in einer Person sein willst, meinen nicht. Und, was ich sagen wollte: hast Du etwas an Deinen Bruder auszurichten? ich komme heute in seine Gegend.“

Ich hatte nichts an Otto auszurichten. Seine Verhältnisse waren schon längst durch die Freigebigkeit des Oberst und mit Adalbert’s Hilfe, der die verwickelte Sache in seine feste Hand genommen, völlig geordnet, und es war Fürsorge getroffen, daß sie so leicht nicht wieder in Unordnung kamen. Der gefährlichen Nachbarschaft des Tran-schau-wem-Mannes entrückt, wohnte er jetzt im Osten der Stadt in gesunder und auch für sein Geschäft viel günstigerer Gegend. Er hatte hinreichend zu thun für sich und für einen neuen Gesellen. Die Kinder gediehen; seine Frau hatte in der neuen Thätigkeit die letzten harten Schicksalsschläge schneller überwunden, als ich es für möglich gehalten, und legte auch im Uebrigen eine ihr sonst völlig fremde freudige Zuversicht an den Tag, von der sie behauptete, daß sie dieselbe einzig und allein mir verdanke. – Ich durfte mit einem Worte mit den Zuständen dort völlig zufrieden sein, und wenn Otto es nicht war und zu seufzen fortfuhr, so konnte dem Aermsten, der sich selbst nicht zu helfen wußte, eben kein Gott helfen, geschweige denn ein Mensch.

Ich aber suchte mir zu helfen von der Noth, in die mein Herz verstrickt war und sich immer tiefer zu verstricken schien trotz der verzweifelten Anstrengungen, die ich machte, es zu lösen. Mit einer Art von Wuth warf ich mich in Studien, die mir sonst recht fern gelegen hatten, und deren Resultat auch nur dem Oberst zu Gute kommen sollte. „Ich muß mich auf die Zukunft eines alten a. D. vorbereiten,“ sagte er; und so hatte er eine Arbeit, die er bereits vor Jahren begonnen, wieder aufgenommen: eine militärisch-kritische Darstellung der Feldzüge Hannibal’s, den er für den größten aller Strategen erklärte, welche jemals gelebt hätten – den ersten Napoleon nicht ausgenommen. Da galt es nun, in alten und neuen Quellen nachzuforschen, Auszüge zu machen, die verschiedenen bereits vorhandenen Darstellungen auf ihre Brauchbarkeit hin zu prüfen, zu vergleichen; und ich war stolz, mein Latein und Griechisch nicht vergessen zu haben, und überglücklich, als mich mein Lehrer und Meister versicherte, daß ich, wenn es mit der Poesie, wie ich behaupte, nimmer gehen wollte, das Zeug zu einem leidlichen Gelehrten in mir habe. Er war ein wirklicher Gelehrter; und indem ich die unendliche Fülle seines Wissens in den verschiedensten Disciplinen, seinen Scharf- und Tiefblick, die plastische Kraft seiner Phantasie, seine geniale Kombinationsgabe von Tag zu Tag mehr bewundern lernte, wurde es mir immer klarer, wie dieser scheinbar so konservative Geist sich auf die Dauer in dem engen Kreis der militärischen Fachwissenschaft nicht hatte bannen lassen und die Schranke des Autoritätsglaubens überspringen mußte.

(Fortsetzung folgt.)
[572]

Blätter und Blüthen.

Emil Scaria †. Ein denkwürdiges Künstlerleben hat am 22. Juli durch den Tod seinen Abschluß gefunden: Emil Scaria, der berühmte Bassist, zuletzt Mitglied der Wiener Hofoper, ist in seiner Villa zu Blasewitz bei Dresden einem Schlaganfalle erlegen. Dreißig Jahre sind verflossen, seit er zum ersten Male nach Wien kam, um dort die Rechte zu studiren. Im Jahre 1860 beendete er seine juristischen Studien und damit zugleich seine juristische Laufbahn, da er sich fortan der Musik widmete, welche er bereits seit Jahren mit Vorliebe gepflegt hatte. Noch im selben Jahre betrat er in Pest als St. Bris in den „Hugenotten“ die Bühne, ohne dort oder später in Brünn und Frankfurt am Main einen Erfolg erringen zu können. Nachdem er sich jedoch in London unter Garcia weiter ausgebildet hatte, erlangte er bald einen ausgezeichneten Ruf, der ihn von Dessau nach Leipzig, von dort an die Hofbühne nach Dresden und endlich Anfang der siebziger Jahre an die Hofoper nach Wien führte, wo er, besonders auch in Wagner-Partien, seinen hohen künstlerischen Ruf auf das Glänzendste bethätigte. Vom letzten Winter an war der Geist des Künstlers leider umnachtet. * *      

Der Federbusch der Marie Antoinette. Wie hoch werden unsere Damenhüte noch wachsen? Man muß sich diese Frage vorlegen, wenn man sich daran erinnert, bis zu welcher Höhe es dieselben im vorigen Jahrhundert, in den Jahren von 1770 bis 1790 gebracht haben. Ein französischer Journalist ruft in einer Pariser Zeitung, dem „Siècle“, diese Erinnerung wach, indem er nachweist, wie auch damals die Presse lange Zeit vergeblich gegen diese Thorheiten der Mode angekämpft hat. Freilich, die tonangebenden Damen des Hofes gingen mit diesen Haartrachten, die aus einem hohen wunderbaren Aufbau aus Locken, Zöpfen, Bändern, Nadeln und Federn bestanden, voran. Die Damen mußten in den Karossen auf den Knieen niederkauern, nur um ihren Kopfputz nicht zu beschädigen. Die Königin Marie Antoinette trug unglaubliche Federbüsche, von denen ein Berichterstatter am 9. Jannar 1775 meldet: „Die Königin hat für ihre Schlittenfahrten eine Haartracht ersonnen, welche in Verbindung mit dem Federbüschel den Kopfputz zu einer unglaublichen Höhe steigert. Einige dieser Haartrachten stellen vollständige Landschaftsbilder wie in mechanischen Puppentheatern dar: hohe und niedrige Berge, blumenbedeckte Felder, silberne Waldquellen und nach englischem Geschmack angelegte Gartendekorationen. Ein mächtiger Federbusch hält das ganze Gebäude von der Rückseite zusammen. Als die Königin ihrer Mutter, der Kaiserin Maria Theresia, ein Portrait schickte, auf dem sie mit diesem Federbusch abgemalt war, erwiderte diese, es müsse wohl bei der Absendung des Bildes ein Versehen stattgefunden haben; dies könne nicht das Bild einer Königin, sondern nur das einer Komödiantin sein.“ In jener Zeit empfahl Mademoiselle Frédin ihre Admiralshüte, ein Kriegsschiff mit allem Zubehör, Takelagen und Batterien darstellend, während Mademoiselle Quirin Hüte anpries, die nach dem Vorbilde von militärischen Trophäen mit Wimpeln, Bannern, Fahnen und Kesselpauken geschmückt waren.

Unsere Hutmoden haben also noch gewaltige Schritte vorwärts zu thun, wenn sie mit jenen hochaufgethürmten Prachtstücken des vorigen Jahrhunderts wetteifern wollen. †      

Schach dem König. (Mit Illustration S. 557.) Das ist jedenfalls eine bedenkliche Situation, in welcher sich der würdige Pater befindet, der es gewagt hat, sich mit dem schönen jungen Edelfräulein in den Kampf auf dem Schachbrette einzulassen. Man braucht bloß die triumphirenden Mienen der Siegerin zu betrachten, welche die Hände in den Schoß legt, als brauche sie keinen Zug mehr zu thun, oder das spöttische Lächeln des Hofnarren, der sich an der Niederlage des Paters erfreut, nin die ganze Bedenklichkeit der Lage zu erkennen, in welcher sich der schwarze Mann mit seinem schwarzen Kriegsvolk auf dem Brette befindet. Er ist in tiefes Brüten versenkt; aber es ist ein hoffnungsloses Nachsinnen, mag er nun durch ein Versehen der Gegnerin Gelegenheit gegeben haben, seinem König und seiner Dame zugleich Schach zu bieten, oder mögen gewandte und kühne Entwürfe seinen König in ein Netz verstrickt haben, aus welchem derselbe keinen Ausweg mehr weiß. Das aber sieht man, aus Galanterie hat sich der Pater von seiner liebenswürdigen Gegnerin nicht besiegen lassen; er hat die Sache ernst genommen, und diese Niederlage ist ihm empfindlich. †      

Die Frauen auf den Marschall-Inseln. Diese Inseln des Stillen Meeres, welche jetzt der deutsche Reichsadler unter seine Fittiche genommen hat, sind schon von dem Dichter Chamisso, welcher den russischen Seeofficier Kotzebue auf seiner Reise um die Welt begleitete, geschildert worden, und zwar besonders der Osttheil dieser Inselgruppe, welcher den Namen „Natak“ trägt. Die Bewohner dieser Eilande erschienen dem dichterischen Gemüth Chamisso’s so friedlich, freundlich und anziehend, daß sie fast dem Ideal eines paradiesischen Lebens, wie es seiner Phantasie vorschwebte, entsprachen. Neuere Forschungen, wie sie Karl Hager in seinem Werke „Die Marschall-Inseln in Erd- und Völkerkunde, Mission und Handel“ (Leipzig, Lingke) zusammengestellt hat, geben uns indeß ein anderes Bild von den Eingeborenen; sie sind durchaus nicht so unkriegerisch, wie sie dem liebenswürdigen Dichter erscheinen; ja, sie unterscheiden sich von anderen wilden und auch zahmen Völkerschaften dadurch, daß die Weiber sogar an dem Kriege Antheil nehmen, nicht nur wo es dem Feinde auf eigenem Boden zu wehren gilt, sondern auch beim Angriffe. Sie bilden unbewaffnet ein zweites Treffen: einige rühren auf Geheiß ihres Führers die Trommeln, erst in langsamen, abgemessenem Takte, wenn von fern die Streiter Wurf auf Wurf wechseln, dann in verdoppelten raschen Schlägen, wenn Mann gegen Mann im Handgemenge steht. Sie werfen Steine mit der bloßen Hand, stehen den Ihrigen im Kampfe bei und werfen sich sühnend und rettend zwischen diese und den siegenden Feind. Gefangene Weiber werden verschont, Männer werden nicht zu Gefangenen gemacht. Seltsam ist’s, daß der Mann den Namen des Feindes annimmt, den er in der Schlacht erlegt hat. Die Frauen nehmen eine geachtete Stellung ein und haben Antheil an allen Vortheilen und Vergnügungen. Ihre Hauptarbeit besteht im Flechten der Matten und Segel, worin sie große Geschicklichkeit und viel Geschmack entwickeln, in Zubereitung von Speisen und in leichteren Arbeiten beim Fischen; alle schwereren Arbeitsleistungen fallen den Männern zu. Die Ehen beruhen auf freier Uebereinkunft und können durch dieselbe auch wieder aufgelöst werden; doch herrscht Vielweiberei. Wenn der Jüngling die Jungfrau zärtlich liebkost durch Berührung der Nase – eine auch auf den Karolinen übliche Sitte – so sucht er dafür, um nicht Anstoß zu erregen, den Schatten auf. Jede Mutter darf nur drei Kinder erziehen: das vierte und jedes darauf folgende muß sie selbst lebendig begraben; nur die Familien der Häuptlinge sind so schrecklichem Gesetze nicht unterworfen. Noch manche andere interessante Kunde wird uns von den Marschall-Inseln, welche jetzt unserer Kultur erschlossen sind, und wie drunten die weitgedehnten Korallenbänke, die Träger der Inselgruppen, in hundert Farben und Formen schimmern, wenn der Strahl der Tropensonne hinunterdringt, so wird sich auch droben bald ein geistiges Leben erschließen, das in allen Formen und Farben deutsche Bildung widerspiegelt. †      

Einfluß der geistigen Thätigkeit auf die Vertheilung des Blutes im Körper. Es ist seit jeher bekannt, daß starke Eindrücke, die wir empfangen, auf unser Gefäßsystem besonders einzuwirken vermögen. Wir erblassen vor Schreck und erröthen vor Scham. Man hat sogar beobachtet, daß große unverhoffte Freude oder plötzlicher Schreck das Herz lähmten und den sofortigen Tod zur Folge hatten. In neuester Zeit versuchte man auch den Einfluß normaler Geistesthätigkeit auf den Blutumlauf festzustellen. Professor Mosso gelangte in dieser Hinsicht zu recht interessanten Resultaten. Mit Hilfe sinnreich konstruirter Apparate stellte er fest, daß bei der geringsten geistigen Erregung eine gewisse Menge Blut aus dem Körper nach dem Gehirn strömt, daß z. B. schon die Wahrnehmung eines geringfügigen Geräusches eine Blutwelle aus den Armen und Beinen nach dem Kopfe jagt. Er fand, daß der Puls seines Freundes sich sofort veränderte, als derselbe vom Lesen eines Buches in seiner Muttersprache zur Lektüre eines griechischen Werkes überging. Mosso gelangte in seinen Beobachtungen schließlich zu einer so großen Sicherheit, daß er aus den mit Hilfe seines Apparates gewonnenen Aufzeichnungen genau bestimmen konnte, ob der Untersuchte nüchtern oder satt war, ob er während der Untersuchung schlief oder wachte, ob er erregt oder ruhig war, ob ihn fror oder er über Hitze zu klagen hatte, ja selbst das Vorhandensein der Träume im Schlafe gab der Puls des Untersuchten mit Bestimmtheit wieder. *      

Glühlampenschießsport. England ist die Wiege des Sports, und von diesem Jnselreiche gelangt nach Europa auch die Kunde von einer eigenthümlichen Verwendung der Elektricität für den Schießsport. In einer der südlichen Grafschaften Englands hat, wie elektrotechnische Fachblätter berichten, ein Herzog von Soundso einige Bäume seines Parkes mit Glühlichtlampen besetzen lassen, welche in den Zweigen passend vertheilt sind. Durch Anbringung geeigneter Leitungen kann von einem bestimmten Orte aus ein Mann die einzelnen Lampen sekundenlang aufleuchten lassen. Nach diesen mitten in der finsteren Nacht aufblitzenden Lichtpunkten pflegt nun der edle Lord mit dem sogenannten elektrischen Jagdgewehr, dessen Visir mit einem kleinen elektrischen Beleuchtungsapparat versehen ist, zu schießen. Für die meisten Sterblichen dürfte dieser Sport ein wenig zu theuer sein, und ob die Anekdote überhaupt wahr ist, läßt sich nicht ermitteln. Ihr Grundgedanke ist jedoch in einer Beziehung sehr lobenswerth; dieser Sport wäre Allen zur Nachahmung zu empfehlen, welche sich mit dem unmenschlichen Taubenschießen befassen. Auch dürfte er eines Schützen würdiger sein, als eine andere sportliche Verwendung des elektrischen Lichtes, bei welcher man an hohen Gerüsten starke Bogenlichtlampen befestigt, dieselben in der Nacht entzündet, um dann die in Scharen herangelockten Vögel aus nächster Nähe niederzuschießen. *      


Kleiner Briefkasten.

Georg H ... in B. Im Alt und Diskant der Klaviere sind die Saiten sehr kurz, deßhalb suchte man den hinter dem Resonanzbodensteg liegenden Theil dieser Saiten, welcher in älteren Klavieren durch dazwischen gelegten Stoff abgedämpft war, in harmonischen Tönen erklingen zu machen. Hierin lag für den Klavierfabrikanten eine große Schwierigkeit. Neuerdings hat jedoch der Hof-Pianofabrikant Ernst Kaps in Dresden ein Mittel gefunden, in seinen Flügeln für jeden Ton der Alt- und Diskantsaiten jenen zweiten Theil dieser Saiten ganz rein abzustimmen und so denselben nach Befürfniß höher oder tiefer erklingen zu lassen. Auch die in neuerer Zeit häufig aufgeworfene Frage einer besseren „Stimmunghaltung des Pianinos“ hat Kaps durch Vereinfachung der Stimmstockkonstruktion gelöst und sich dadurch gleichfalls ein nicht unwesentliches Verdienst bezüglich der Vervollkommnung der in Deutschland hergestellten Klaviere erworben.


Inhalt: Sankt Michael. Roman von E. Werner (Fortsetzung). S. 557. – Aus den Schlössern König Ludwig’s II. I. Das Jnselschloß zu Herrenchiemsee. S. 560. Mit Jllustrationen S. 560, 561, 568 und 569. – Max Schneckenburger, der Dichter der „Wacht am Rhein“. S. 563. Mit Illustrationen S. 563 und 564. – Standesgemäß. Von Hermann Ferschke. S. 564. – Karl von Piloty. Von Carl Robert. Mit Portrait S. 565. – Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 566. – Blätter und Blüthen: Emil Scaria †. – Der Federbusch der Marie Antoinette. S. S72. – Schach dem König. S. 572. Mit Illustration S. 557. – Die Frauen auf den Marshall-Jnseln. – Einfluß der geistigen Thätigkeit auf die Vertheilung des Blutes im Körper. – Glühlampenschießsport. – Kleiner Briefkasten. S. S72.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.