Die Gartenlaube (1887)/Heft 30
[485]
No. 30. | 1887. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Wöchentlich 2 bis 2½ Bogen. – In Wochennummern vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig oder jährlich in 14 Heften à 50 Pf. oder 28 Halbheften à 25 Pf.
Der lange Holländer.
Einen Monat lang schien es, als ob Alles gut werden wollte.
Büchner’s Freunde wetteiferten während dieser Zeit mit
einander, ihm zu zeigen, daß er ihr Vertrauen nicht verloren
habe. Er empfing zahlreiche
Einladungen von ihnen, bis
bekannt wurde, er fühle sich
noch angegriffen von der Aufregung
der letzten Wochen und
wünsche bis zu seiner Verheirathung
zurückgezogen zu leben
und nur mit seiner Braut und
Frau Onslow zu verkehren. Das
fand man in Ordnung und ließ
ihn unbehelligt. Der Einzige,
der sich nicht aus seiner Nähe
vertreiben lassen wollte, war
Prati, der sich auch mit Frau
Onslow befreundet hatte und
der keinen Tag vorübergehen
ließ, ohne mit Büchner in dessen
oder in Frau Onslow's Wohnung
zusammenzutreffen.
Prati zeigte sich eifrig bemüht, eine Versöhnung zwischen Rawlston und Büchner herbeizuführen. Aber in dieser Beziehung scheiterte alle Beredtsamkeit an Büchner’s entschieden ablehnender Haltung. Hätte sich Edith mit ihm verbunden, so wäre es den Beiden vielleicht gelungen, Büchner’s Starrsinn zu beugen, aber das junge Mädchen stand auf Seiten ihres Verlobten. „James hat sich zu schlecht benommen,“ sagte sie. „Es ist unmöglich, daß Georg ihm jetzt schon verzeihe. Heute könnte es sich doch nur um eine Scheinversöhnung handeln. Ich selbst möchte meinem Bruder noch nicht wieder gegenübertreten. Später vielleicht, aber heute nicht.“
„Aber mein liebes, gnädiges Fräulein, seien Sie doch nicht so hart,“ entgegnete Prati. „Dem reuigen Sünder gegenüber soll man Barmherzigkeit üben. Und wenn Sie wüßten, wie reumüthig Ihr armer Bruder ist! Sie sind doch eine gute Schwester! Sehen Sie denn nicht, daß Sie ihn unglücklich machen, daß Sie ihm seine Stellung hier verderben? Denn keiner von Büchner’s Freunden will mit ihm umgehen, so lange Sie nicht mit ihm verkehren.“
„Das thut mir leid,“ antwortete Edith, „aber er hat sich zu schlecht benommen. Bedenken Sie doch, daß er mich gewaltsam von Georg losreißen wollte. Wie konnte er ihn je eines Diebstahls für fähig halten! – Nein, es geht wirklich nicht! Wir können vorläufig nicht zusammentreffen.“
„Und der Brief, den er an den Untersuchungsrichter geschrieben hat? Zeigt der nicht deutlich, was er von Büchner stets gehalten?"
„Lieber Herr Prati, lassen wir das! Sie haben die besten Absichten. Ich bin Ihnen dankbar für alle Freundschaft, die Sie uns in dieser schweren Zeit erwiesen haben und noch erweisen möchten. Ich bin Ihnen auch für Ihre Freundschaft zu meinem Bruder dankbar. Aber Alles, was Sie sagen und sagen konnten, macht nicht ungeschehen, daß James mir ins Gesicht gesagt hat, Georg sei ein Dieb. Ich wünsche, der Tag möge bald kommen, wo ich das vergessen habe; heute
[486] wäre es mir unmöglich, nicht daran zu denken, wenn ich ihn sähe; und so lange ich dies fühle, ist es besser, wir gehen ein Jeder unsere eigenen Wege.“
Rawlston fühlte sich so unglücklich über die Wendung, welche die Dinge genommen hatten, daß er eines Tages den Entschluß faßte, China auf längere Zeit zu verlassen. Es schmerzte ihn, daß er an dem Tage der Verheirathung seiner Schwester in Shanghai sein sollte, ohne der Vermählung beizuwohnen, und er bereitete sich darauf vor, nach Amerika abzusegeln. Dort und in Europa wollte er ein Jahr oder länger verweilen. Während seiner Abwesenheit überließ er seinen Vertrauensmännern, den Herrn Wallice und Prati, die Leitung des Geschäfts. Er wußte, daß er sich auf die Sachkenntniß, Vorsicht und Ehrlichkeit dieser bewährten Diener seines Hauses vollständig verlassen konnte. Zwei Tage vor der Abreise schrieb er einen herzlichen Brief an Edith. Er sagte darin: er wäre sich nicht bewußt, ihr ein Unrecht zugefügt zu haben. Was er gethan, das sei aus Liebe für sie, aus Furcht, sie könne unglücklich werden, geschehen. Wenn er sie dadurch beleidigt habe, so betrübe ihn das in tiefster Seele, denn es lebe Niemand auf der Welt, der ihm seine Schwester je ersetzen könnte; sie werde in ihm stets einen treuen Bruder finden, und er bäte sie, ihm eine gute Schwester zu bleiben.
In der Dunkelheit ließ sich Edith durch Frau Onslow zu ihrem Bruder begleiten. Tief verschleiert, so daß sie von den Dienern nicht erkannt wurde, betrat sie sein Zimmer, während Frau Onslow in einem Nebengemach auf sie wartete. Sie fiel ihm um den Hals und sagte:
„Nur wenige Worte, James. Zwischen uns Beiden kann kein Haß leben. Ich bin und bleibe Deine treue Schwester. Aber das darf heute Niemand wissen als Du und ich und Frau Onslow. Lebe wohl! Auf Wiedersehen! Möge es Dir nur gut gehen!“
„Ein Wort, Edith,“ sagte Rawlston.
„Nein, James, laß mir meinen Frieden! Es ist unrecht von mir, daß ich ohne Georg’s Erlaubniiß zu Dir gekommen bin. Aber ich konnte nicht anders; es war mir unmöglich, Dich scheiden zu sehen, ohne mich mit Dir versöhnt zu haben. Aber weiteres Unrecht will ich nicht thun. Also lebe wohl, mein lieber, lieber Bruder!“ – Sie umarmte ihn noch einmal. „Schreibe an Georg, aber sprich nicht von unserer Zusammenkunft!“ Und gleich darauf war sie verschwunden. – Der Auftritt hatte kaum zwei Minuten gedauert.
Zwei Tage später brachte Prati dem langen Holländer einen Brief. Dieser erkannte auf der Adresse die Handschrift Rawlston’s und behielt das Schriftstück unentschlossen in der Hand, die leise zitterte.
„Nun, lesen Sie nur! Unangenehmes enthält das Schreiben nicht. so viel ist gewiß. Rawlston ist heute früh nach Kalifornien abgesegelt.“
Darauf erbrach Büchner den Brief. Derselbe enthielt folgende Zeilen:
„Geehrter Herr! Ich will Shanghai nicht verlassen, ohne Ihnen zu Ihrer bevorstehenden Vermählung mit meiner Schwester meine Glückwünsche darzubringen. Das Schicksal hat Sie in letzter Zeit hart angegriffen; aber indem es Ihnen die Liebe Edith Rawlston’s gab, war es gütig für Sie, und dessen freue ich mich. Glauben Sie an meine unveränderliche freundschaftliche Gesinnung. – Aufrichtig der Ihrige J. R.“
In Büchner’s Gesichte bewegte sich während des Lesens dieses Briefes keine Muskel. Prati, der ihn aufmerksam beobachtet hatte, schien etwas Anderes erwartet zu haben und sagte verdrießlich:
„Es ist wirklich nicht leicht, Sie zufrieden zu stellen.“
Büchner sah seinen Freund eine Weile groß und stumm, abwesenden Blickes an, dann erwiederte er leise: „Es kann nie wieder gut werden.“ Daraus fuhr er, wie im Selbstgespräch, fort: „Heute Nacht träumte mir, ich sei verurtheilt worden und säße im Gefängniß. Das war auch nicht schlimmer, als was da ist. – Am liebsten wäre ich ganz allein, weit von hier, und sähe Niemand, der mich kennt.“
„Wie können Sie so undankbar und ungerecht sein! Auch Edith Rawlston möchten Sie nicht mehr sehen?“
„Es wäre besser für sie, ich sähe auch sie nicht wieder,“ sprach er finster.
Er erhob sich langsam, strich sich mit der Hand über die heiße Stirn und näherte sich dem Buffet, auf dem die Flasche stand. Prati folgte seinen Bewegungen mit aufmerksamen Blicken. Der lange Holländer nahm wieder einmal eine starke Dosis der von ihm beliebten Medicin gegen Unruhe und Traurigkeit.
„Sie trinken reinen Brandy bei dem heißen Wetter?“ bemerkte Prati. „Thun Sie das nicht, Sie schaden Ihrer Gesundheit. Ich trinke nie etwas Aufregenderes als Rothwein und Wasser.“
Büchner hatte das Glas bedächtig geleert und athmete befriedigt auf. „Ich trinke auch nichts Aufregendes, lieber Freund,“ sagte er in einem ganz anderen, in einem freundlichen Tone – „Beruhigendes!“
„Aber Brandy kann Sie doch nicht beruhigen!“ Der Andere nickte verschiedene Male und blinzelte dabei verständnißvoll mit den Augen, worauf Prati sich mit sorgenschwerem Gesicht entfernte. Die Zuneigung, die der Italiener zu dem langen Holländer gefaßt hatte, war geradezu rührend, und dabei war Prati nicht etwa ein Mensch, der sein Herz auf der Hand Jedermann entgegentrug; er war im Gegentheil ein recht zurückhaltender kleiner Mann, der wohl wegen seiner Höflichkeit und Gefälligkeit beliebt, aber eigentlich, ehe seine Zuneigung zu Büchner so zu Tage getreten war, keinen intimen Freund im ganzen „Settlement“ gehabt hatte.
Wenige Tage später fand die Vermählung zwischen Edith Rawlston und Georg Büchner in Frau Onslow’s Hause statt. Auf Büchner’s Wunsch waren nur wenige Einladungen zu der Feier ausgesandt worden, aber Prati hatte dabei natürlich nicht gefehlt. – Das junge Paar machte eine Hochzeitsreise von vier Wochen nach Nagasaki und kehrte sodann nach Shanghai zurück. Prati und Frau Onslow benutzten diese Zeit, um die neue Wohnung einzurichten, die Büchner in einem stillen Viertel der fremden Niederlassung gemiethet hatte. Es war ein hübsches, neues, kleines Haus, das Prati vor etwa sechs Monaten gekauft und das er seinem Freunde zu einer verhältnißmäßig billigen Miethe überlassen konnte. Er hatte nämlich mit dem Ankauf des Hauses ein gutes Geschäft gemacht, und es lag ihm besonders daran, einen ordentlichen Miether dafür zu finden. Er konnte sich deßhalb mit einem bescheidenen Zins begnügen. Büchner war mit dieser Anordnung wohl zufrieden, denn er mußte sich zunächst einfach einrichten. Das kleine Vermögen von achttausend Dollars, das er sich erspart hatte, lag auf dem amerikanischen Konsulat „zur freien Verfügung der Herren Rawlston & Co.“, und er hatte, seitdem er seine alte Stelle verlassen, noch keine Beschäftigung gefunden. Das machte ihm jedoch wenig Sorge. denn er hatte nur zu wählen zwischen einem halben Dutzend guter Anstellungen, die ihm angeboten waren, und wußte, daß er jeden Tag mit Leichtigkeit so viel verdienen könnte, wie er gebrauchte, um mit Edith ohne Geldsorgen zu leben. Einstweilen machte er ruhig von dem Kredit Gebrauch, den Prati ihm als etwas ganz Selbstverständliches eröffnet hatte. Alle diejenigen seiner Bekannten, die wohlhabend genug dazu waren, hätten dasselbe gethan, denn man war damals in Geldsachen nicht kleinlich in Shanghai, wo das Geschäft blühte und das Geld sozuagen auf der Straße lag.
Edith’s Mitgift betrug fünfzigtausend Dollars. Sie hatte darüber freie Verfügung, denn dies Geld war ihr Antheil aus der Hinterlassenschaft der verstorbenen Eltern. Büchner hatte mit seiner Braut nie ein Wort über deren Vermögensverhältnisse gewechselt. Erst als es sich darum handelte, den Heirathskontrakt aufzusetzen, kam die Sache zur Sprache. Der amerikanische Konsul, ein scharfer Geschäftsmann, stellte nach kurzer Unterredung mit Büchner und dessen Braut fest, wie die Sachen lagen: Edith besaß, wie gesagt, bare fünzigtausend Dollars – Büchner schuldete an Prati etwa dreitausend. Das Mißverhältniß war so groß, daß Büchner darüber eine gewisse Beschämung empfand und dem Konsul, der den Heirathskontrakt aufsetzen wollte, erröthend sagte, selbstverständlich werde das Vermögen seiner Frau deren Privateigenthum bleiben.
„Also keine Gütergemeinschaft?“ fragte der Konsul schnell.
„Nein, sicherlich nicht!“
Edith erhob dagegen zunächst lebhaften Einspruch. Der Konsul schwieg dazu und saß, die Augen geschlossen, anscheinend theilnahmlos da, während das junge Mädchen mit Entrüstung den Gedanken zurückwies, daß zwischen ihr und Büchner in Zukunft nicht Alles gemeinschaftlich sein sollte. Aber Frau Onslow hatte richtiges Verständniß für die Empfindungen ihres Günstlings und sagte ruhig und ernst: „Edith, Du mußt nachgeben. Was Herr Büchner vorschlägt, gereicht ihm zur Ehre und ist recht. Erschwere ihm nicht, seine Pflicht zu thun.“ Darauf wurde die Angelegenheit so geregelt, wie Büchner es gewünscht hatte.
[487] Das junge Ehepaar hätte nun mit den Zinsen der fünfzigtausend Dollars, wenn auch einfach, so doch bequem leben können; denn Edith, die als Mädchen sehr anspruchsvoll gewesen war, schien die bescheidenste Frau werden zu wollen; aber es erhob sich eine neue Schwierigkeit. Das Geld war bei Edith’s Bruder, im Hause Rawlston & Co. niedergelegt, und Büchner weigerte sich, auch nur einen Cent von dem Kapital oder von den Zinsen darauf zu entnehmen. Prati, Herr und Frau Onslow und Edith erklärten das für thöricht und redeten sich müde, um Büchner zur Vernunft zu bringen. Aber es zeigte sich bei dieser Gelegenheit zum ersten Male, daß Büchner außerordentlich eigensinnig sein konnte.
„Unter keiner Bedingung darfst Du einen Heller von dem Gelde nehmen,“ sagte er. „Es ist dies mein ausdrücklicher Wille.“
Und davon war er nicht abzubringen. Ja, er zeigte sich bald so erregt, daß die Vier, die auf ihn einredeten, eingeschüchtert wurden und das Gespräch abbrachen.
„Das fehlte gerade noch!“ murmelte Büchner ergrimmt vor sich hin. „Ich hoffe im Stande zu sein, meine Frau auch ohne das Rawlston’sche Vermögen zu ernähren. Jedenfalls will ich es versuchen und für meine Person lieber Hungers sterben, als das Geld anrühren.“
Edith war einen ganzen Tag über diesen Auftritt unglücklich. Wie konnte Georg nur so heftig sein! Er hatte im Zorn gesprochen, und die Blicke, die er auf sie geworfen, waren feindlich gewesen. Aber die Liebe verzeiht Altes! Ja, Georg hatte ganz Recht. Edle, männliche Gesinnung machte ihm den Gedanken verhaßt, daß es scheinen könne, er lebe auf Kosten seiner Frau. Es war Unrecht gewesen, ihm dies nur einen Augenblick zuzumuthen.
Frau Onslow war zu gut, um sich über diese Sinnesänderung von Edith nicht zu freuen. Sie streichelte der schönen jungen Frau sanft die Wangen und sagte: „Du hast ganz Recht; thue oder verlange nie etwas, was Deines Mannes Stolz verletzen könnte. Er ist in dieser Beziehung krankhaft empfindlich. Das ist aber kein Unglück, und mit der Zeit wird sich das wieder ändern. Du bist jung und kannst es abwarten.“
Der Auftritt schien bald aus Aller Gedächtniß geschwunden zu sein; jedenfalls sprach Niemand mehr davon. Einstweilen lebte Büchner von dem Gelde, das Prati unaufgefordert zu seiner Verfügung stellte.
In dem neuen kleinen Büchner’schen Hause sah es, Dank Frau Onslow’s und Prati’s Bemühungen, wohnlich und hübsch aus. Büchner besaß von Alters her eine gute Einrichtung für zwei Zimmer. Weder er noch Edith waren während der Verlobungszeit in der Stimmung gewesen, die Einkäufe zu machen, welche zur Umwandlung der Junggesellenwirthschaft ist eine häusliche Einrichtung für Mann und Frau nothwendig waren. Man hatte übrigens damals in Shanghai keine große Wahl. Alle Welt besaß dieselben schwarzen, schweren Kanton-Möbel im Salon, dieselben hellbraunen Ringpo-Betten, Tische und Stühle im Schlafzimmer, und dieselben Pinang-Sessel auf der Veranda. Es handelte sich nur darum, ob man das Allerbeste oder weniger Gutes nehmen wollte. Darüber entschied der Geldbeutel allein, und Büchner hatte sich deßhalb damit begnügen können, Prati und Frau Onslow die Summe zu nennen, die er zu deren Verfügung stellen konnte, um Alles anzuschaffen, was noch an Möbeln und Wäsche zur Vervollständigung der Einrichtung gebraucht wurde.
Es war erstaunlich, wie gut Frau Onslow und Prati eine verhältnißmäßig geringfügige Summe angewandt hatten, denn es fehlte in der neuen Einrichtung an nichts Nothwendigem – und alles Vorhandene war vom Besten. Die Möbel für den Salon, die Prati besorgt hatte, waren zu einem Spottpreise erstanden worden. Im gewöhnlichen Handel wären sie das Doppelte und Dreifache des von Prati dafür gezahlten Preises werth gewesen. Dieser hatte Frau Onslow mitgetheilt, als sie sich bei Ankunft der prächtigen Tische, Schränke und Stühle etwas beunruhigt gezeigt, er habe einen Gelegenheitskauf machen können, bei einem ruinirten Möbelhändler. Frau Onslow war darüber höchlich erfreut und machte dabei die philosophische Bemerkung, daß des Einen Unglück oftmals des Anderen Glück sei. Als es schließlich an die Ausschmückung der Wohnung kam, leisteten die hübschen Hochzeitsgeschenke: alte Vasen, Pariser Uhren, japanische und chinesische Kabinette, französische Lampen und silberne Leuchter und Pokale aus Kanton – vortreffliche Dienste, und Frau Onslow und Prati konnten sich rühmen, gute Arbeit gethan zu haben, als sie am Tage vor Büchner’s Rückkehr den letzten Rundgang durch die niedliche Wohnung machten und Alles daselbst in schönster Ordnung fanden.
Die „Costarica“ aus Nagasaki langte rechtzeitig im Hafen von Shanghai an. Prati hatte sich an Bord begeben, um Büchners abzuholen, während Frau Onslow die Heimkehrenden in der neuen Wohnung erwarten wollte. Die Freude des Wiedersehens war jedoch nicht groß. Büchner schien wenig verändert, aber er hatte eben vor seiner Hochzeit schlecht genug ausgesehen, und seine Freunde hatten erwartet, er werde während der Reise sein altes gutes, offenes Gesicht wieder bekommen, das überall, wo es sich gezeigt, Wohlwollen und Vertrauen erweckt hatte. – Nein. Das alte Gesicht war nicht wiedergekommen. Büchner drückte Prati herzlich die Hand, als dieser ihn bewillkommte, aber seine Züge blieben ernst und starr, und sein ganzes Aussehen war das eines Mannes, der eine schwere Krankheit überstanden und sich noch lange nicht von derselben erholt hat. Noch trauriger fühlten sich Büchner’s Freunde durch Edith’s Anblick berührt. Aus dem heiteren frischen Mädchen mit den lachenden Augen und dem lachenden Munde war eine stille Frau geworden, der die Thränen in die Augen traten, als Frau Onslow sie umarmte und sie „meine liebe Tochter“ nannte.
Prati und Frau Onslow sahen sich betroffen an, und die Freude, die sie sich davon versprochen hatten, den Neuvermählten die Einrichtung der Wohnung in allen Einzelheiten zu zeigen, war ihnen gründlich verdorben.
„Was mag vorgegangen sein?“ fragte Prati Frau Onslow.
Die gute Dame zuckte die Achseln; sie stand vor einem Räthsel: zwei junge Leute, die sich aus reiner Liebe geheirathet hatten und die einen kurzen Monat nach der Hochzeit so gemessen und ernst dreinschauten, wie Georg und Edith! – Es war unerklärlich. Sie beschloß, Edith in die Beichte zu nehmen, und that dies auch schon am nächsten Tage, als die junge Frau ihrer alten Freundin einen Besuch abstattete. Aber das diplomatische Verhör brachte keine vollkommene Aufklärung.
„Nun, mein Kind, wie war es in Nagasaki?“
„Es ist das lieblichste Land der Erde. die schöne Bai, die freundliche, helle Stadt, die herrliche Umgegend, die artigen Leute! Ich hätte immer dort bleiben mögen.“
„Und wie hat es Georg gefallen?“
„Ausgezeichnet.“
„Ich finde, er sieht noch immer etwas niedergeschlagen aus.“
„Ach ja, leider …“
„Er war doch freundlich gegen Dich?“
„Freundlich? – Ein Engel ist er an Herzensgüte; der beste Mann der Welt!“
„Es freut mich und beruhigt mich, Dich so sprechen zu hören; denn offen gesagt, ich finde, daß auch Du nicht ganz wohl aussiehst.“
Darauf antwortete Edith nicht.
„Fehlt Dir etwas, mein Kind?“
Nein, mir fehlt gar nichts … nur … nur … es macht mich natürlich traurig, Georg noch immer so still und ernst zu sehen. Aber nicht wahr? Das muß sich doch mit der Zeit ändern, und er wird wieder der Alte werden?“
„Natürlich,“ beruhigte Frau Onslow. „… Also sicher, meine liebe Edith, Du verheimlichst mir nichts? Er ist gut gegen Dich? Du bist glücklich?“
„Er ist der beste Mann der Welt.“
Das war soweit ganz befriedigend – aber Frau Onslow hatte doch das Gefühl, daß ihr irgend etwas verschwiegen wurde. Sie tröstete sich damit, daß dies ihrem Scharfsinn nicht lange verborgen bleiben könnte.
Bald nach seiner Rückkehr in Shanghai hatte Büchner sich um die gut bezahlte Stelle eines ersten Buchhalters in dem Hause des Herrn Francis Morrisson beworben und diese bekommen.
Er war infolge dessen täglich von Morgens neun bis Nachmittags fünf Uhr von seiner jungen Frau getrennt, denn er nahm sein zweites Frühstück in einem kleinen Zimmer ein, das ihm sein neuer Prinzipal in dem geräumigen Geschästshause zur Verfügung gestellt hatte. Seine Kollegen frühstückten gemeinschaftlich in der [488] „Junior mess“ (Tisch für die jüngeren Mitglieder des Hauses) oder gingen nach dem nahegelegenen Klub, wo sie Freunde und Bekannte antrafen. Die einsamen Mahlzeiten Büchner’s wurden bald vielfach besprochen. „Er trinkt,“ so hieß es. – Man bedauerte seine arme Frau, die natürlich darunter zu leiden haben mußte, und im Verhältniß, wie die Sympathie der Gemeinde für diese wuchs, verminderte sich das Wohlwollen für Büchner. Dazu kam, daß dieser in schroffer Weise gegen die ersten Regeln der Höflichkeit, die in der kleinen Kolonie streng beobachtet wurden, verstoßen hatte. Die verheiratheten Frauen und Männer warteten noch immer vergeblich auf den Antrittsbesuch der Neuvermählten. Diese ließen sich nirgends blicken. Frau Onslow, die überall umher kam und sich angelegen sein ließ, freundliche Gesinnungen für das junge Paar zu erwecken, bemühte sich vergebens, den groben Etiquettefehler damit zu entschuldigen, daß Büchner noch nicht wohl genug sei, um in Gesellschaft gehen zu können. Man bezeichnete das als eine leere Ausrede. Ein Mann, der täglich seinen Geschäften obliegen könne, wäre auch in der Lage, seinen gesellschaftlichen Pflichten nachzukommen. Er wäre das schon seiner Frau schuldig! Aber es sei klar, daß er sich nicht sonderlich um deren Wohlergehen kümmere. Früher wäre es eine Freude gewesen, sie anzutreffen, Alles an ihr hätte damals gelacht und gelebt, jetzt thäte es Einem weh, wenn man ihr vergrämtes Gesichtchen sähe.
Büchner bekam dies und manches Aehnliche durch Frau Onslow wieder zu hören, denn wenn seine Freundin ihn auch den anderen Mitgliedern der Kolonie gegenüber entschuldigte, so theilte sie in ihrem Herzen vollkommen die Ansicht von Büchner’s Anklägern und bemühte sich, diesen zu veranlassen, das Versäumte nachzuholen.
„Ich begreife nicht,“ sagte sie, „daß Sie den Leuten die kleine Genugthuung nicht geben wollen. Setzen Sie sich einen Nachmittag in meinen Wagen und machen Sie die Runde von Shanghai: in drei Stunden und mit einem oder zwei Dutzend Visitenkarten haben Sie Alles gethan, was man von Ihnen verlangt.“
„Später!“ antwortete Büchner kurz.
Frau Onslow besaß die Ausdaner großer Redner. Sie wurde nicht müde, wiederholt auf denselben Gegenstand zurückzukommen, bis Büchner eines Tages ungeduldig wurde.
„Ich weiß nicht, weßhalb Sie mich zwingen wollen, zu den Leuten zu gehen, die mich doch nur aus Gnade und Barmherzigkeit empfangen. Verwünscht sei ihr Mitleiden! Oder verlangt Edith etwa danach.“
Edith äußerte überhaupt nur noch selten einen Wunsch. Sie war eine zurückhaltende, stille Frau geworden, die über nichts klagte, die auf Frau Onslow’s Frage über die Ursachen ihrer Traurigkeit ausweichende Antworten gab, aber die schon bei verschiedenen Gelegenheiten von ihrer alten Freundin mit rothgeweinten Augen angetroffen worden war.
„Was fehlt Dir?“ fragte Frau Onslow. „Habe doch Vertrauen und sage mir, was vorgeht. Ich bin eine alte erfahrene Frau, vielleicht kann ich helfen.“
„Es fehlt mir nichts,“ antwortete Edith. „Ich bin nur traurig, weil ich glaube, daß Georg kränkelt. Der große Mann ißt nicht mehr als ein kleines Kind, und dann kann er des Abends nie zur Ruhe kommen, und des Morgens, wenn er aufsteht, ist er todtmüde und niedergeschlagen. Ich weiß nicht, wie das enden soll. Ich thue ihm zu Liebe, was ich ihm an den Augen absehen kann, und er ist so dankbar dafür, so dankbar, liebe Frau Onslow! Aber ich sehe wohl, daß ich ihn nicht glücklich mache. Ist das nicht Grund genug, um traurig zu sein?“
Die Kolonie von Shanghai lernte bald, sich ohne Herrn Büchner und seine Frau behelfen. Hier und da fiel noch ein unfreundliches Wort über ihn, ein Ausdruck des Bedauerns über sie, aber im Allgemeinen hörte man auf, sich um die Beiden zu kümmern. Langsam jedoch, einer schleichenden bösen Krankheit gleich, trat der alte Verdacht gegen Büchner wieder hervor. Die Gesellschaft suchte nach einem Grund, um den verschmähen zu können, der sich so wenig aus ihr machte, und so war es wohl zu erklären, daß manchmal eine entfernte Andeutung laut wurde: ob Büchner nicht vielleicht ein schlechtes Gewissen habe, da er sich in der Gesellschaft anständiger Leute nicht mehr wohl fühle. Es waren die Böswilligen allein, die so sprachen, aber es fand sich auch unter den Gutmüthigen Niemand, um den Abwesenden zu vertheidigen. Er hatte eben nach und nach die Sympathien seiner Mitbürger verloren.
Frau Onslow und Prati machten sich deßwegen große Sorge und unterhielten sich häufig und lange über das Los ihrer jungen Freunde. Als die Beiden eines Abends zusammensaßen und das für sie unerschöpfliche Thema wieder aufgenommen hatten, sagte Frau Onslow nach längerem Nachdenken:
„Wissen Sie, Herr Prati, was Büchner fehlt?“
Dieser blickte die Sprecherin etwas verwundert an, denn seit einer Stunde hatten sich Beide den Kopf über diese Frage zerbrochen.
„Ich will es Ihnen sagen,“ fuhr Frau Onslow mit großer Bestimmtheit fort, „es ist mir jetzt klar geworden: Büchner fühlt, daß er in den Augen Mancher doch noch nicht wieder so rein dasteht, wie vor dem unglücklichen Diebstahl. Er wird erst wieder ruhig und froh werden, wenn man den Uebelthäter entdeckt hat. Leider wird das mit jedem Tage unwahrscheinlicher. Die Polizei hat längst aufgehört, auf ihn zu fahnden; selbst melden wird sich der Elende natürlich nicht; daß ein Zufall die Wahrheit ans Licht bringen sollte, ist in hohem Grade unwahrscheinlich – und so fürchte ich denn, daß Büchner sich hier nie wohl fühlen wird. Wir sollten deßhalb darüber berathen, ob es nicht besser wäre, ihn aus einer Umgebung zu schaffen, wo jeder Stein ihn an die dunkle Sache erinnert, und wo er in jedem Gesichte eine stumme Anklage liest. Glauben Sie mir, er traut in dieser Beziehung Niemand: weder Ihnen, noch mir, noch meinem Mann; er traut nicht einmal seiner Frau. Erinnern Sie sich, daß er wiederholentlich Anspielungen auf deren Ohnmacht gemacht hat, als sie einen Augenblick fürchtete, er sei verurtheilt worden. Er hat einmal mit mir darüber gesprochen – nicht etwa ausführlich – das ist ja überhaupt nicht mehr seine Art. Er warf ein paar bittere Worte hin, die ich aber aufnahm, um sie ihm als eine grausame Ungerechtigkeit gegen seinen Engel von Frau vorzuhalten. Ich sagte ihm, Edith sei an jenem Tage ohnmächtig geworden, weil sie gefürchtet hätte, es sei eine Art Justizmord an ihm begangen worden. An seiner Unschuld hätte sie nie eine Sekunde gezweifelt, und sie würde ihren Glauben an ihn bewahrt haben, auch wenn die Richter ihn zehnmal verurtheilt hätten. Er antwortete nicht, aber in seinem Gesicht las ich deutlich die alten Zweifel. Er ist ein halsstarriger Mensch in Allem, was er thut und will, aber nirgends ist sein Trotz unglücklicher für ihn und für die arme Edith, als in seinem Unglauben an das Vertrauen der Menschen zu ihm. Das ist seine ganze Krankheit. Glauben Sie mir: an dem Tage, an dem der Dieb entdeckt sein wird – ein Tag, den wir aber wohl leider nicht erleben werden – erst an dem Tage wird Büchner wieder gesunden.“
Prati hatte still zugehört und schwieg. Der berühmte Onslow’sche Redefluß ergoß sich breit und ruhig. Der Italiener aber schien nicht mehr darauf zu achten. Er blickte sinnend vor sich hin. Nach einer Weile – Frau Onslow hatte den besondern Fall Büchner längst verlassen und sprach gerade von der Liebe im Allgemeinen, nachdem sie sich in einer Reihe sinnreicher Betrachtungen über den Trotz der Männer und die Milde edler Frauen ergangen hatte – nach einer langen Weile unterbrach Prati sie plötzlich.
„Sie irren sich!“
Frau Onslow hatte soeben mit vielem Gefühle ein schönes Gedicht hergesagt, in dem die Allgewalt der Liebe besungen wird, und der unerwartete Widerspruch des Italieners erfüllte sie mit Entrüstung. Sie hatte für eine gute Sache zu kämpfen und sie kämpfte mit Feuereifer. Ihre leidenschaftlichen Worte, die den kleinen Italiener niederschmettern sollten, erfüllten ihn aber nur mit großem Erstaunen, und diese Verwunderung war auf seinem beweglichen Gesicht so deutlich zu lesen, daß Frau Onslow plötzlich unaufgefordert innehielt.
„Verzeihung,“ sagte Prati, die Pause schnell benutzend, „wir verstehen uns nicht mehr. Ich dachte darüber nach, daß Sie gesagt hatten, die Entdeckung des Diebes würde Büchner retten, und da erlaubte ich mir die Bemerkung, Sie irrten sich vielleicht.“
Frau Onslow war schnell wieder besänftigt. „So,“ sagte sie, „das ist in der That etwas Anderes. Aber wie konnte ich glauben, daß Sie jetzt auf etwas antworteten, was ich vor einer halben Stunde gesagt hatte.“
„Ihre Worte hatten tiefen Eindruck auf mich gemacht und mich während der ganzen Zeit beschäftigt,“ erklärte Prati.
Das schmeichelte Frau Onslow. Sie war vollständig versöhnt, und Prati konnte auf geneigtes Gehör bei ihr rechnen.
[489][490] „Weßhalb glauben Sie, daß ich mich irre?“ fuhr sie fort. „Ich bin begierig, Ihre Gründe zu hören.“
Der kleine Italiener blickte an Frau Onslow vorbei zum Fenster hinaus, wie Einer. der seine Gedanken sammeln und gut beisammen behalten will, und sagte mit einem Ausdruck tiefen Nachsinnens: „Um diese Frage zu beantworten, muß ich Ihnen eine kleine Geschichte aus meiner eigenen Erfahrung erzählen. Es ist eine alte Geschichte. Sie ereignete sich vor … vor zwanzig Jahren etwa, als ich noch ein Kind war, und Sie müssen entschuldigen, wenn ich sie vielleicht etwas unklar vortrage. Sie ist mir nicht mehr ganz deutlich im Gedächtniß, aber sie paßt auf den vorliegendett Fall. – Urtheilen Sie selbst.“
Prati sprach langsam, wie Einer, der in seinem Gedächtniß nach etwas sucht, das Jahre lang daraus verschwunden war.
„Es war in Bergamo – ich selbst bin nicht aus Bergamo, ich bin ein Mailänder, aber ich hatte Verwandte in Bergamo, die seitdem gestorben sind und die ich während der Schulferien manchmal besuchte. Was ich Ihnen erzähle, ereignete sich also in Bergamo. Dort lebten zwei Brüder, deren Familiennamen ich vergessen habe. Der älteste hieß Joseph, glaube ich, der jüngste Anselm. Diese Beiden liebten sich zärtlich und waren immer beisammen. Sonst hatten sie nicht viel Freunde, weil sie sich eben um Niemand als um sich selbst kümmerten Da wurde eines Nachts ein großer Diebstahl verübt in dem Erdgeschoß des Hauses, das die Beiden bewohnten. Der Verdacht, das Verbrechen begangen zu haben, lenkte sich auf sie. Weßhalb? Das weiß ich nicht mehr genau – aber es war ein schwerer Verdacht. Der ältere Bruder wurde nur wenig behelligt. Er konnte irgend etwas anführen, was seine Unschuld klar bewies – ein Alibi vielleicht – aber das thut nichts zur Sache. Kurz und gut, der jüngere Bruder allein wurde verhaftet und zur Untersuchung gezogen. Dabei stellte sich nun zwar heraus, daß dieser den Diebstahl wohl habe verüben können, aber weiter nichts, und da seine Vergangenheit rein war, so wollte man ihn auf einen bloßen Verdacht hin nicht verurtheilen und sprach ihn frei. Die beiden Brüder waren, wie gesagt, nicht eben beliebte gesellige Menschen, aber es waren angesehene junge Männer. Sie stammten aus guter Familie, sie waren nicht unbemittelt und hatten vornehme und reiche Verwandte. Diese nun waren stolze Leute und fühlten sich so gekränkt dadurch, daß man ihren Namen in den Zeitungen mit einem Diebstahl in Verbindung gebracht hatte, daß sie ihre Beziehungen zu den beiden Brüdern abbrachen. Am meisten litt natürlich der beargwohnte jüngere Bruder Anselm darunter, dem auch trotz des freisprechenden Urtheils persönliche Kränkungen nicht ganz erspart blieben. Er nahm sich das sehr zu Herzen und wurde schwermüthig. Da war es denn nun rührend, wie Joseph seinen kranken Bruder pflegte. Er hütete ihn wie eine Mutter ihr Kind und wich Tag und Nacht nicht von seiner Seite. Aber alle Sorgen halfen nichts. Anselm wurde kränker und kränker, und der Arzt, der ihn behandelte, fing an, für den Verstand seines Patienten zu fürchten, und sprach dies dem älteren Bruder gegenüber aus.
,Was kann ich thun?‘ fragte Joseph. – ‚Würden Sie eine Luftveränderung anempfehlen?‘
‚Das würde sicherlich nichts schaden, aber ob es viel helfen würde, das bezweifle ich. In dem Zustande, an dem sich Ihr Bruder augenblicklich befindet, wird er sein Leiden überall mit sich schleppen. Es stellen sich schon Wahnvorstellungen bei ihm ein, er glaubt sich wegen des Diebstahls verfolgt. Er bedarf der sorgfältigsten Behandlung, und seine Genesung wird auch unter den günstigsten Umständen eine sehr langsame sein, es sei denn, daß der Dieb entdeckt und Ihr Bruder dadurch vollständig zu Ehren gebracht werde.‘
,Sie meinen, das würde ihn retten?‘
,Ich bin fest davon überzeugt.‘
Darauf ereignete sich nun Folgendes: Am Abend nach dem Essen, als die beiden Brüder wie gewöhnlich allein beisammen waren, begann Joseph eine lange und verwickelte Geschichte, die mit dem Bekenntniß endete, er habe den Einbruch verübt und sei bereit, dies öffentlich zu bekennen, so daß Anselm von jedem Verdacht frei sein werde.“
„Ist es möglich!“ unterbrach Frau Onslow.
„Und wissen Sie, was Anselm darauf that?“ fuhr Prati fort. „Er fiel dem Anderen um den Hals und brach in Thränen aus und rief: ‚Mein armer Joseph, was mußt Du gelitten haben!‘ – ,Das sei Gott geklagt,‘ antwortete Joseph; ‚aber was bleibt nun zu thun?‘ – Da waren sie Beide rathlos. Endlich beschlossen sie, das gestohlene Geld heimlich zurückzuerstatten und sodann auszuwandern. Das Erstere thaten sie auch, zum Anderen kam es aber nicht, wenigstens nicht für Beide. Anselm hatte nicht zugeben wollen, daß sein Bruder sich öffentlich als Schuldigen bekenne. Was ihn gekränkt hatte, sagte er, könne doch nicht wieder gut gemacht werden – bemerken Sie dies wohl, Frau Onslow. Daß er kein Verbrecher sei, dafür zeuge seine Freisprechung, aber daß man ihn unter seinen nächsten Verwandten eines Diebstahls für fähig gehalten, das habe seine Ruhe für alle Zeiten zerstört. Morgen werde er vielleicht eines Mordes angeklagt werden. Warum nicht? Mit demselben Rechte konnte man es jedenfalls thun, mit dem man ihn des Diebstahls verdächtigt hatte. Seine Furcht, man werde ihn eines Tages unschuldiger Weise einer Missethat zeihen, wuchs immer mehr, und zuletzt wurde er geisteskrank und mußte in ein Irrenhaus gebracht werden, wo er bald darauf seinen Leiden erlag. Joseph, der sein kleines Vermögen der Pflege seines Bruders geopfert, und den die Aufregung jener bösen Zeit arbeitsunfähig gemacht hatte, verarmte. Er wanderte nach dem Tode seines Bruders aus – und seitdem hat man nichts wieder von ihm gehört.“
„Das ist eine merkwürdige Geschichte,“ sagte Frau Onslow nachdenklich. „Aber wie ist es bekannt geworden, daß der ältere Bruder der Dieb war, wenn Anselm das Geheimniß mit sich ins Grab genommen hatte?“
„Das weiß ich nicht mehr genau,“ antwortete Prati. Und nach einer kleinen Pause setzte er hinzu: „Ich glaube, Joseph hatte von einem fernen Welttheile her an einen seiner Verwandten geschrieben und den Sachverhalt aufgeklärt. Sein Gewissen trieb ihn, das Andenken seines verstorbenen Bruders von jedem Makel zu befreien. Sie sehen, er war kein schlechter Mensch.“
„Erlauben Sie!“ sagte Frau Onslow, deren unverfälschte Moral nicht leicht Zugeständnisse machte. „Er mag seinem Bruder gegenüber treu gewesen sein – aber er war ein Dieb. Und ein Dieb ist und bleibt ein schlechter Mensch.“
„Sie haben ganz Recht, Frau Onslow. Aber nicht wahr? Dem reuigen Sünder gegenüber soll man Barmherzigkeit üben. – Und Joseph hatte sein Verbrechen bitter bereut und es zu sühnen versucht. Er hatte das gestohlene Gut wieder herausgegeben, und schließlich war Niemand geschädigt als er selbst.“
„Und sein armer unschuldiger Bruder,“ unterbrach Frau Onslow.
„Ja, das ist wahr,“ sagte Prati mit einem Ton tiefer Entmuthigung. „Aber das war Joseph’s Unglück, nicht seine Schuld. Hätte er geahnt, sein Bruder könne für das von ihm begangene Verbrechen verantwortlich gemacht werden, so wäre es unterblieben. Sie werden mich vielleicht leichtfertig finden, wenn ich bekenne, daß ich eine gewisse Sympathie für den älteren Bruder fühle. Ich denke mir so, daß er kein schlechtes Herz hatte. Er war vermuthlich leichtsinnig, seine moralischen Grundsätze waren nicht von den festesten, und dann trat eine große Versuchung an ihn heran und er unterlag derselben, er strauchelte und fiel. Liebe Frau Onslow! Fallen ist traurig, ist jammervoll – aber es ist verzeihlich. Liegen bleiben ist schlimm! Und wenn Joseph sich nicht wieder ganz erheben konnte, so möchte ich ihn beinahe bemitleiden, denn er machte verzweifelte Anstrengungen, sich wieder emporzurichten.“
Prati’s sanfte Stimme war noch weicher als gewöhnlich geworden, und seine dunklen Augen schimmerten in feuchtem Glanze. Er nahm augenscheinlich lebhaften Antheil an dem Schicksale seines Joseph.
„Kannten Sie den Menschen,“ fragte Frau Onslow, „da Sie ihn so warm vertheidigen?“
„Ich vertheidige ihn nicht, ich versuche es, ihn zu erklären,“ antwortete Prati. „Ich habe ihn niemals gesehen, ich war ein Kind, als die Geschichte sich ereignete. Aber ich erinnere mich noch, daß man ihn als einen wohlthätigen, freundlichen Mann darstellte. Wenn ich vorher sagte, man solle einen gefallenen Menschen nicht unwiderruflich verurtheilen, so sprach ich im Allgemeinen.“
„Nun,“ meinte Frau Onslow, „was mich angeht, so würde ich dem Schuldigen wohl verzeihen können; aber näher treten möchte ich ihm nicht. Es giebt ehrliche Menschen, die unglücklich sind, und die stehen meinem Herzen doch näher als unglückliche Diebe. – Ein Dieb ist ein Dieb – etwas Häßliches. Davon halte ich mich lieber fern.“
[491] Prati und Frau Onslow unterhielten sich fast täglich über Büchner’s Schicksal, und es wurden bei der Gelegenheit oftmals entfernte Gegenstände berührt. Auf manche dieser Themata kamen die Beiden gelegentlich zurück, und so sprachen sie auch noch verschiedene Male von den beiden Helden der Prati’schen Erzählung, Anselm und Joseph. Aber Prati hatte seine Freundin nicht überzeugen können, daß die Entdeckung des Diebes nichts an Büchner’s Gemüthszustand ändern würde. Diese blieb bei ihrer entgegengesetzten Meinung, und Prati gab es schließlich auf, sie zu der seinigen zu bekehren.
„Wir wollen nicht mehr darüber sprechen,“ sagte er; „ich sehe, wir können uns doch nicht verständigen.“
„Ich möchte nur, daß wir den Dieb hätten,“ bemerkte dazu Frau Onslow; „dann wollte ich Ihnen thatsächlich beweisen, daß ich Recht habe.“
Darauf antwortete Prati nicht und kam auch später nicht wieder auf die Sache zurück.
Die nächsten Monate verliefen für Büchner und Edith ohne bemerkenswerthe Ereignisse. Erst nach Verlauf längerer Zeit, fast eines Jahres, konnten Prati und Frau Onslow sich Rechenschaft davon ablegen, daß die Lage ihrer Freunde langsam, aber stätig, eine immer schlechtere geworden war.
Es ließ sich nicht mehr verbergen, daß Büchner trank. Zwar hatte ihn noch keiner seiner Bekannten trunken gesehen, aber an seinem ganzen Aussehen und Wesen erkannten die zahlreichen Sachverständigen der Kolonie, daß Büchner Gewohnheitstrinker der schlimmsten Art, einsamer Trinker sei. Seine geistigen Fähigkeiten nahmen ab, seine Arbeitskraft verringerte sich. Zu verschiedenen Malen schon hatte er als Buchhalter Irrthümer begangen, die Herrn Morrisson zwar keinen wirklichen Schaden zugefügt, wohl aber ihn in seinem kaufmännischen Stolze verletzt hatten.
„In meinen Büchern dürfen keine Fehler gefunden werden,“ hatte er eines Tages verdrießlich bemerkt. „Es ist früher niemals vorgekommen und es darf auch in Zukunft nicht wieder geschehen. Sie müssen sich mehr in Acht nehmen, Herr Büchner.“
Büchner hatte sich so sehr wie möglich in Acht genommen – aber ohne Erfolg. Die Fehler häuften sich mehr und mehr – und eines Tages, angesichts eines neuen von ihm begangenen Irrthums, stand er zunächst eine Weile rathlos da und dann trat er in Herrn Morrisson’s Arbeitszimmer und erklärte diesem, er sei krank, fühle sich unfähig, den berechtigten Ansprüchen, die man an ihn stelle, zu genügen, und bitte deßhalb um seine Entlassung.
Büchner war nicht mehr beliebt in Shanghai. Herr Morrisson, der seine Angestellten gut bezahlte, aber dafür tüchtige Arbeit verlangte, war froh, einen unzuverlässigen Buchhalter los zu werden, und begnügte sich damit zu sagen, er hoffe, Herr Büchner werde bald wieder hergestellt sein. Dann würde sich auch vielleicht wieder ein Platz für ihn im Hause finden. Einstweilen stehe ihm frei, dasselbe sofort zu verlassen, um sich zu pflegen. Selbstverständlich werde ihm sein Gehalt noch für die nächsten drei Monate ausgezahlt werden.
Am Abend dieses Tages wartete Edith schon lange Zeit vergeblich auf ihren Mann, der zwischen fünf und halb sechs Uhr nach Hause zu kommen pflegte. Es war sieben Uhr geworden, und noch immer hatte er sich nicht blicken lassen. Man befand sich im Monat November. Die Nacht war längst eingebrochen und das Wetter stürmisch. Es regnete und der Himmel war mit finsterem, niedrigem Gewölk dicht bedeckt. Frau Edith wurde unruhig. Sie sandte einen Diener zu Herrn Morrisson und ließ sich erkundigen, ob ihr Mann bald heimkehren werde. Ihr ahnte sofort Schlimmes, als nach Verlauf einer kleinen Stunde Herr Morrisson selbst, den sie seit ihrer Verheirathung nicht wieder gesehen hatte, sich bei ihr anmelden ließ.
Spiritisten und Taschenspieler.
Es ist nicht immer so leicht, wie man glaubt, von einer Sache festzustellen: sie ist, oder: sie ist nicht. Wer nur einen Blick in die spiritistische Litteratur wirft, vor Allem in die von gebildeten, ja gelehrten Männern redigirte Zeitschrift „Sphinx“, der muß zu seinem Erstaunen erfahren, daß überall in Deutschland Geister klopfen, schreiben und sichtbar erscheinen, daß es eine höchst gewöhnliche Thatsache ist, an einem Ort gesehen zu werden, während man sich gleichzeitig an einem ganz andern befindet, ja daß auch die Kunst, das menschliche Leben um Jahrhunderte zu verlängern, erlernt werden kann wie jede andere, und daß es in Indien Leute giebt, die es zu bemerkenswerther Dauerhaftigkeit dadurch gebracht haben. Unwillkürlich greift der Laie an seinen Kopf und fragt sich, ob er wache oder träume; aber da steht es gedruckt, der Gegenbeweis ist nicht zu führen, und der gewöhnliche Mensch, der niemals den „kalten Hauch“ oder das „Streicheln der unsichtbaren Hände“ gefühlt, möchte doch gar zu gern dasselbe erleben wie die glaubhaften Leute, die davon erzählen. Aber dazu giebt es für gewöhnlich wenig Aussicht; nur durch die stets reisenden berühmten Medien Eglinton, Slade[WS 1] u. A. ist es möglich, in direkte Berührung mit der Geisterwelt zu kommen; freilich stört dabei einigermaßen der Gedanke, daß jeder dieser Herren schon einmal irgendwo entlarvt wurde, und man sagt sich unwillkürlich: Wenn die ganze Geschichte doch nur ein großer Schwindel wäre! Der Preis von 40 Mark pro Person und Sitzung giebt zu denken, nicht minder der Umstand, daß die Geister so sehr den Aufenthalt im Dunklen, unter dem Tisch und hinter Vorhängen lieben, dagegen nur ungern in Person erscheinen, obwohl sie das können, wie uns die Spiritisten ausdrücklich versichern und ja auch die altehrwürdige Ammen- und Gespensterlitteratur hinlänglich bezeugt.
Im Zweifelfall fragt der Laie einen Sachverständigen, und da es noch keinen Lehrstuhl für Geisterkunde giebt, so wandte ich mich beim diesjährigen Herannahen Eglinton’s nach München an einen sicheren Experten für Alles, was ins Gebiet der „angenehmen Täuschung“ gehört, an Herrn G., einen als durchaus ehrenhaft bekannten Mann, der früher selbst als geschickter Taschenspieler weite Reisen gemacht, dann das leider seitdem eingegangene Münchener Aquarium begründete, dort große elektrische Zauberproduktionen gab und somit als ein mit allen einschlagenden Verhältnissen wohlvertrauter Mann gelten darf.
Herr G. nahm mich sehr zuvorkommend auf und erwiederte auf meine Frage lächelnd: „Ja, diese Herren haben es sehr gut; sie experimentiren vor einem gläubigen Publikum, während wir armen Taschenspieler heute schon mit dem Skepticismus der lieben Schuljugend rechnen müssen, die, wenn sie nur mit der Nase über den Tisch sieht, bereits schreit: ‚Das ist ja der reine Schwindel!‘“
„Also glauben Sie, daß die berühmten ‚Tafelschriften‘ wirklich von dem Medium selbst hergestellt werden?“
„Nicht anders, und ich gestehe Ihnen, daß ich diesen Sachen weniger Interesse entgegenbringe als dem geringsten neuen Taschenspielkunststück, weil sie mir, gerade heraus gesagt, zu einfältig sind und ich immer nur die Menschen anstaune, die sich für ihr schweres Geld solche Dinge vormachen lassen. Sie glauben nicht, wie leicht es ist, ein im Voraus gläubiges, sonst ganz gebildetes Publikum zu täuschen. Ich habe in dieser Beziehung Dinge erlebt, die über jede Vorstellung hinausgehen.“
„Haben Sie denn jemals einer spiritistischen Sitzung beigewohnt?“
„Ja wohl, in Petersburg, als Slade dort war. Ich zahlte meine zwanzig Rubel und wurde, als der große Meister erschien, von ihm nach kurzer Prüfung als ein vorzüglich geeignetes Individuum befunden, eben so mein Begleiter. Wir nahmen im schwach beleuchteten Zimmer an einem nicht von uns gewählten Tische Platz und Slade ergriff unsere Hände. Da er aber an meinen scharf beobachtenden Blicken sofort die Gefahr merkte, ließ er den Andern los und faßte mich an beiden Händen, indem er mich, scheinbar in Konvulsionen sich hin- und herbewegend (die bekannte „Trance“[1] der Spiritisten), über den Tisch mit Gewalt an [492] sich zog, so daß ich an jeder ferneren Beobachtung seiner Anstalten verhindert war. Allmählich nahm die Heftigkeit seiner Trance ab; wir schlossen wieder die Kette, und plötzlich fühlte ich meinen rechten Schenkel unter dem Tische klopfend berührt. Mich ließ dies völlig kalt; denn ich wußte, daß Slade im gleichen Moment drüben mit seinem Bein einen Hebel auslöste und daß der ‚Geisterfinger‘ auf meiner Seite sofort in den Tisch zurückschnappen würde, so daß seine Spur nicht mehr zu finden wäre. Dies verhielt sich auch in der That so, wie ich mich gleich überzeugte. Mein Nebenmann war von einer ähnlichen Berührung vor Schrecken erstarrt und bereits vollkommen gläubig. Deßhalb erschien ihm auch das nunmehr unter dem Tisch erklingende Harmonikaspiel höchst geisterhaft, welches mich wieder nicht rührte, in Anbetracht meiner langen Erfahrung über elektrische und mechanische Veranstaltungen. Ich hatte bedeutend Schwereres schon selbst gemacht und unter schwierigeren Umständen.“
„Schrieben in jener Sitzung die Geister denn auch auf Schiefertafeln?“
„Sie schrieben, ja, aber nur unter dem Tisch, und leider paßte ihre Antwort gar nicht auf meine Frage. Dagegen glaubte ich deutlich zu sehen, wie die Sache gemacht wurde, und beschloß, noch ein zweites Mal hinzugehen und mich vollständig passiv zu verhalten, um noch genauer beobachten zu können. Allein ich wurde nicht vorgelassen, weil eine größere Sitzung war, und als ich zum dritten Male erschien, hieß es, Slade sei abgereist. Nun machte ich mich in meinen Mußestunden daran, die Sache nachzuahmen, und schon nach wenigen Wochen gab ich im Freundeskreis eine Sitzung zum allgemeinen Erstaunen genau wie Slade zum Besten. Allerdings hatte ich nicht seine enorme, durch so fortgesetzte Uebung erworbene Fingerfertigkeit; allein es gelang mir doch stets, mein Publikum vollkommen zu täuschen. Außerdem habe ich diese Produktion stets nur zum Vergnügen, nie für Geld gemacht. Sie können nun wohl denken, daß meine Spannung auf Eglinton nur eine sehr geringe ist; immerhin wird es mich interessiren, ihn zu sehen. Niemand wird bereiter sein als ich, anzuerkennen, wenn Etwas vorgeht, was ich mit meinen Mitteln nicht zu erklären vermag.“
Es sollte nicht so kommen. Zu Eglinton’s ersten Sitzungen konnte Herr G. der beschränkten Personenzahl wegen keinen Zutritt mehr erhalten; mehrere derselben verliefen übrigens unter der sehr scharfen Kontrolle kritischer Geister, welche noch in irdischer Hülle steckten, völlig resultatlos, und darüber offenbar verstimmt, reiste Herr Eglinton bald ab, nicht ohne, wie man später hörte, in den „eingeweihten“ Kreisen noch „überraschende Resultate“ erzielt zu haben. Was aber die Uneingeweihten nachträglich aussagten, war Folgendes:
Die vor einem Jahr in der „Sphinx“ angekündigte Geisterschrift zwischen zwei leeren Tafeln, die vor Aller Augen auf dem Tisch, im vollen Licht der Lampe, zusammengebunden werden, wurde überhaupt gar nicht versucht, sondern das Medium kam auch hier der bekannten Liebhaberei der Geister für Dunkelheit nach und hielt eine Tafel unter den Tisch. Lange blieb dies erfolglos; endlich aber kam doch die ersehnte Schrift und zwar, nach den Vermuthungen objektiver und aufmerksamer Beobachter, auf folgende Weise zu Stande: Herr Eglinton ließ auf verschiedene der von ihm mitgebrachten, auf dem Tisch ausgebreiteten Schiefertafeln eine Frage schreiben, englisch, weil, wie er sagte, „seine Geister nicht deutsch verstehen“. Eine dieser Fragen lautete: „Where is my mother-in-law?“ („Wo ist meine Schwiegermutter?“)
Nun hielt er die Tafel unter den Tisch, verfiel in die bekannten Zuckungen, bog sich hin und her und gewann dadurch Zeit, stets starr vor sich nieder blickend, durch gelegentliches Drehen der Tafel sowohl die Frage zu lesen, als auch mit einem bereit gehaltenen und bisher verborgenen Schieferstiftchen die Antwort auf die andere Seite zu schreiben. Nach einigem weitern Hin- und Herbewegen erklärte er plötzlich: nein, es gehe nicht! und legte die Tafel mit der Frageseite neben sich auf den Tisch, sprach dann noch einige Zeit und sagte plötzlich, wie von einem Entschlusse erfaßt: „Probiren wir es doch!“ nahm die Tafel und legte sie geschickt über eine andere, ohne sie zu wenden, einen Schieferstift dazwischen, befestigte beide und legte seine Hand darauf, oder hielt auch die beiden verbundenen Tafeln von Neuem unter den Tisch, manchmal auch zur Seite hoch in die Höhe. Nun hörten die Anwesenden das bekannte, möglicherweise durch seine Fingernägel oder sonst eine kleine mechanische Veranstaltung hervorgerufene kritzelnde Geräusch; man nahm nach einigen Minuten die Tafeln aus einander und siehe da! auf der Rückseite stand: „In her room“. („In ihrem Zimmer.“) Freilich stand noch Einiges darunter, nämlich deutliche Spuren von Fingernägeln mit feinen Kritzen auf der Platte. Diese, sowie die Geisterschrift, hat Einsender dieses selbst gesehen; die Letztere ist krumm, sehr undeutlich und macht den Eindruck, unter schwierigen Umständen zu Stande gekommen zu sein. Die Antworten auf die Fragen nach dem Jenseits etc. sind sämmtlich von gründlichster Unbedeutendheit. Auch die Angabe hinsichtlich der Schwiegermutter beruhte auf einem kleinen Irrthum der Geister; denn die betreffende Dame befand sich in jenem Moment nicht in ihrem Zimmer; aber das thut nichts; denn allwissend brauchen die merkwürdigen Wesen ja nicht zu sein, die nach dem Glauben der Spiritisten in einer wahrhaft jämmerlichen Existenz auf dieser Erde festkleben und allein durch Mitwirkung eines Mediums schreibend oder klopfend ihre Existenz kund thun können. Und was fördern sie dann nach jahrhundertlangem Schweigen erst noch für Dinge zu Tage! Wenn man die Berichte in der „Sphinx“ durchblättert und findet, daß diese Geister nichts, aber absolut nichts über ihre eigene Existenz zu sagen wissen, wozu sie doch unbedingt, auch ohne Allwissenheit im Stande sein müßten, wenn man ferner sieht, daß ihre Aeußerungen viel unbedeutender sind als die nur ein wenig geistreicher Menschen, so kann man nur voll und ganz der Aeußerung eines unserer hervorragendsten Dichter beistimmen, der da sagte: „Mir ist meine Zeit zu kostbar, um sie auf den Umgang mit verklärten Packträgern zu verwenden!“
Andere sind anderer Ansicht, und thatsächlich sehen wir heute eine große Anzahl ernsthafter und gebildeter Menschen mit dem Versuch beschäftigt, den bekannten großen Vorhang zu lüften und aus dem Verkehr mit der Geisterwelt den Beweis der individuellen Fortdauer zu erhalten. Sie Alle geben zu, daß sich unter den bezahlten Medien Betrüger befinden, aber ihr Glaube an die Sache ist dennoch unerschütterlich. Da man nun, obgleich noch immer leichter Menschen lügen, als Geister erscheinen, doch unmöglich alle diese Männer der bewußten Unwahrheit und des öffentlichen Betrugs zeihen kann, so bleibt uns Andern nur übrig, bis auf unwiderlegliche Belehrung durch eigenen Augenschein, an der alten Gewohnheit festzuhalten, nichts für wahr anzusehen, was nicht bewiesen werden kann. Bekanntlich genügt die bloße Anwesenheit eines Uebelwollenden, um die Geistermanifestationen unmöglich zu machen, die doch mit dem Anspruch wissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit verkündet werden. Nun ist aber kein anderes Naturgesetz solchen Schwankungen unterworfen: Elektricität und Magnetismus z. B. wirken unter den gegebenen Bedingungen, unbekümmert um danebenstehende Zweifler, sie brauchen keinen Glauben.
Wohl wird Niemand heut zu Tage so beschränkt sein, zu meinen, daß wir am Ende aller Entdeckungen stehen, und sehr wahrscheinlicherweise geben die durch den Spiritismus angeregten Fragen den Anstoß zu neuen Untersuchungen über Nervenleben und unbewußte Seelenthätigkeit. (Man braucht in dieser Hinsicht nur an die von der Wissenschaft anerkannken hypnotischen Experimente, nota bene ausgeschlossen den auch damit getriebenen Schwindel, zu erinnern.) Allein so lange die angerufenen Geister nichts wissen, als das, was den um den Tisch Sitzenden auch bekannt ist, so lange sie auf Befragen nichts über das Jenseits zu sagen wissen als: „Das Himmelreich ist ein Großes!“ oder gar noch Plagiate an irdischen Dichtern begehen und z. B. ein schönes Gedicht von Rückert:
„Der Himmel ist, von Gottes Hand gehalten,
Ein großer Brief auf azurblauem Grunde etc.“
als Offenbarung aus dem Jenseits veröffentlichen, ohne daß Einsender und Redaktion es merkt, so lange ist es Niemand zu verdenken, wenn er ihnen gegenüber im Unglauben verharrt. Mögen sie uns einmal leibhaftig erscheinen, wie es für ordentliche Geister gehört, frei mitten im Zimmer stehend, durchsichtig bis zum hintern Rockknopf, wie der aus dem Fegefeuer auf Urlaub gegangene Marley, nicht aber nur in verdächtiger Aehnlichkeit mit dem Medium hinter Vorhängen hervorlugen oder unsichtbar Harmonika spielen! Aber ach, das wird nie geschehen; denn für das „Hereinragen der Geisterwelt“ gilt hinsichtlich kritischer Beobachter auch heute das alte, sehr wahre und beherzigenswerthe Wort:
In Gegenwart der Polizei erscheinen weder Geister noch Teufel!
Tölz und sein „goldener Ritter“.
Wo der Isarstrom, mit weißgrünen Wellen durch ein breites Kiesbett schäumend, aus seiner Alpenheimath in die bayerische Hochebene heraustritt, liegt reizend und sonnig der Marktflecken Tölz. Wenn auch der kundige Blick des Geologen hier noch deutliche Spuren entdeckt, daß einst meilenbreite Eisfelder sich über diese prächtige Landschaft hingewälzt: jetzt zeigt sie nur noch üppige Matten, Hügel mit dunklen Forsten und fern gegen Süden zu ein heiteres Thal, das nur in seinem Hintergrunde von gigantischen Felsbergen vermauert ist.
Es ist eine gesegnete Landschaft hier, vom Volksmunde und von den Geschichtsschreibern als „Isarwinkel" bezeichnet. Auf den grasreichen Triften und zwischen den hochstämmigen Wäldern erwuchs seit undenklichen Zeiten ein kraftvolles, löwenmuthiges Völkchen, recht eigentlich der Kern des oberbayerischen Stammes. In den Tagen der Karolinger, als die Bayernherzoge mit ihren Heeren siegreich nach Kärnten und Krain vordrangen, als die slawischen Länder des Ostens bis zum Karst und den Karpathen germanisirt wurden: damals wurden kriegsgefangene Tolenzer, einem südslawischen Volksstamme angehörig, hier angesiedelt. Von ihnen erhielt Tolenz, später Tölz, seinen Namen. Er ist das Einzige, was von slawischem Wesen hier erhalten blieb, das Häuflein der Kriegsgefangenen selbst wurde vom bayerischen ansässigen Volke aufgesogen. Die Leute aus dem Isarwinkel aber mit ihrem Hauptorte Tölz blieben seit der Karolingerzeit der Kern des wehrhaften bayerischen Volkes. ihren ritterlichsten Vertreter fanden sie in dem treuen Helden, dessen Standbild jetzt die Hauptstraße zu Tölz beherrscht: in dem Feldhauptmann Kaspar von Winzer.
Der Ritter von Winzer war einem alten bayerischen Adelsgeschlecht entstammt; seine Ahnen saßen wie er als Pfleger auf der herzoglichen Burg zu Tölz, wo Ritter Kaspar im Jahre 1465 geboren ward. Als Kind einer wohlhabenden Familie erhielt er eine vortreffliche Erziehung, so daß er späterhin ein ordentliches Latein mit ins Kriegslager bringen konnte. Seine ersten Sporen verdiente er sich, als er im Jahre 1490 im Gefolge der Bayernherzoge Georg und Christoph dem ritterlichen Fürsten Max I., dem späteren Kaiser, gegen die Ungarn zu Hilfe zog. Damals ward das Fußvolk und der Proviant von Tölz auf Flößen thalab transportirt, in die Donau und nach Ungarn hinab. Siegreich drangen die Bayern bis nach Ofen vor, dem Habsburger seine Erblande zu retten.
Acht Jahre später finden wir den Ritter von Winzer auf einer Pilgerfahrt nach Jerusalem im Gefolge des Herzogs Heinrich von Sachsen. Zu Jerusalem erhält der Tölzer Junker den Ritterschlag mit dem Schwerte Gottfried’s von Bouillon. Sein nächster Feldzug führte ihn, im Dienste seines Herzogs, als Vertheidiger in die Veste Braunau am Inn. Das war aber nur ein Vorspiel für die grimmige Schlacht auf dem Hasenreuter Felde gegen böhmische Heerhaufen. Hier führte Kaspar von Winzer die Landsknechte, welche den Kaiser Max und den verwundeten Herzog Erich von Braunschweig aus den Händen der Böhmen retteten und die böhmische Wagenburg erstürmten. Zum Dank dafür ward dem tapfern Tölzer von des Kaisers eigener Hand noch auf dem Schlachtfelde die höchste ritterliche Ehre zu Theil: mit einigen andern Edlen ward er zum „goldenen Ritter“ geschlagen. Jörg von Frundsberg war damals sein Kampfgenoß. Der Kaiser verlieh ihm überdies die Burggrafschaft zu Dürrenstein, glänzender noch war der Dank, den er ihm dadurch erwies, daß er auf einem Turnier zu Wien im Jahre 1516 selber mit Winzer in die Schranken ritt. Beider Lanzen zersplitterten zu Spähnen, ohne daß einer der Kämpfer bügellos ward.
Einem kurzen Feldzug gegen Herzog Ulrich von Württemberg, wobei Winzer als kaiserlicher Oberst eine Schar von Landsknechten führte, folgten einige Jahre des Friedens für den ritterlichen Tölzer, dann zog er mit Georg von Frundsberg nach Italien zur Entsetzung von Pavia. Hier ward am 24. Februar 1525 die denkwürdige Landsknechtschlacht geschlagen, wo die Blüthe der französischen Ritterschaft kämpfte und fiel oder mit König Franz gefangen ward. Die Ehre jenes Tages hat die Geschichte dem tapferen Frundsberg zugeschrieben; unter seinen Feldhauptleuten aber war Winzer der ersten einer, wie Frundsberg selbst in seinem Schlachtbericht an den Kaiser bestätigt.
[494] Es war eine der größten geschichtlichen Thaten, in welche der Tölzer Ritter hier mit eingegriffen hatte. Vom Schlachtfelde zu Pavia heimgekehrt, durfte er sich nicht lange Rast gönnen; schon im folgenden Jahre finden wir ihn als Anführer eines auserlesenen Heeres, das der bayerische Herzog Wilhelm dem Könige der Ungarn, Ludwig, wider Sultan Soliman zu Hilfe sandte. Doch war die Tapferkeit der Bayern nicht im Stande, den König zu retten, der in der Schlacht von Mohacs Thron und Leben verlor.
Dem braven Tölzer ward wenig Dank für seine treuen Dienste. Lieber wär’s ihm gewesen, in offener Feldschlacht wider den Erbfeind der Christenheit zu streiten; statt dessen ward er fortan ein verlorener Posten der bayerischen Diplomatie. Fünfmal ward er in den folgenden Jahren seines Lebens als Gesandter nach Ungarn geschickt; aber zwischen seinem Herzoge und dessen Kanzler einerseits und den Intrigen fremder Diplomaten stehend, ward der treuherzige Kriegsheld des diplomatischen Lügenspiels bald herzlich müde. Vergeblich, denn immer und immer wieder muß er nach Ungarn, an den Hof und unter die Gesandten, während er doch weit lieber an der Seite seiner alten Waffengefährten, des Frundsberg oder Götz von Berlichingens, gestritten hätte.
Da wird dem Siebenundsiebzigjährigen noch ein unvermutheter Rittertod. Auf seiner Burg zu Brannenburg, das er als Lehen besaß, feiert der greise Held einen Besuch, den ihm ein Enkel des großen Frundsberg abstattet, durch ein Turnier. Im fröhlichen Waffenspiel will es ein unglücklicher Zufall, daß der Speer des jüngeren Frundsberg eine schlecht schließende Stelle der Rüstung Winzer’s trifft – und tödlich in die Schlagader des Halses getroffen, sinkt der edle Ritter vom Roß. In der Liebfrauenkirche zu Tölz hat er die ewige Ruhe gefunden.
So war der Lebenslauf des ritterlichen Kaspar von Winzer. Kaiser Max, Frundsberg, Götz von Berlichingen, Franz von Sickingen waren seine Kampfgenossen, das letzte Aufflackern des Ritterthumes bezeichnet seine Zeit. Jahrhunderte vergingen, bis man in seiner Heimath des Helden wieder gedachte. Als es aber galt, den im letzten großen Kriege gefallenen Tölzern ein Denkmal zu errichten, da wies ein geschichtskundiger Mann auf den Ritter von Winzer hin. (Vergl. „Leben und Thaten des Feldhauptmanns Caspar von Winzer“, Tölz 1887.) Und man sah ein, daß dieser treue vaterländische Held eine zum mindesten eben so geeignete Zierde für ein Kriegerdenkmal sei, wie irgend eine allegorische Viktoria. So ging man rüstig ans Werk, und nachdem die Kosten in hochherziger Weise aufgebracht worden, wurde das Denkmal modellirt und in der Münchener Erzgießerei gegossen.
Eine höchst eigenartige und glänzende Feierlichkeit war’s, als am 26. Juni 1887 dieses Denkmal enthüllt ward. Ein prachtvoller Frühlingstag
lag über dem Isarthal und über dem freundlichen Tölz. Zu Fuß und zu Wagen, mit langen Bahnzügen und sogar auf dem Floße, den
schäumenden Bergstrom herab, waren die Gäste zu Tausenden gekommen. Von allen Häusern wehten die Banner; von allen Seiten zogen Schützen-
und Kriegervereine mit klingendem Spiel und fliegenden Fahnen herbei, zum Theile in der althergebrachten oberländischen Tracht. Als der
Prinzregent selbst mit seinem glänzenden Gefolge eintraf, durch die donnernden Hochrufe des versammelten Volkes begrüßt, folgte der eigentliche
Festakt. Er begann mit einer Feldmesse; hierauf zog ein ganz in Eisen gekleideter Ritter als Feldhauptmann Winzer einem Fähnlein Landsknechte
voraus und bildete eine Ehrenwache um das Denkmal und um die Festtribüne. Während der nun folgenden Festrede ward unter Kanonendonner
und Glockengeläute das Denkmal enthüllt. Mitten in der sanft zur Isar abfallenden Hauptstraße von Tölz leuchtet jetzt das schimmernde Standbild
des wackeren Helden, die Hand am Speer, die scharfen Augen ins Isarthal hinabgerichtet, als gält’ es, einen herannahenden Feind zu erspähen.
Auf dem Granitsockel des Standbildes aber prangen auch die Namen der braven Söhne von Tölz, die im Jahre 1870 bis 1871 im Kampfe den Heldentod fanden. M. H.
Magdalena.
Früh am andern Morgen trabten drei flinke Pferde im herrlichsten Sonnenschein die Landstraße entlang und von ihrem Rücken herunter klang lustiges Scherzen und Gelächter der jungen Reiter. Komtesse Gabriele wußte sich vor Glück nicht zu fassen, schwang die Reitpeitsche in die Luft, freute sich jubelnd über die Blüthenbäume am Wege und versicherte ihrem Lehrer lachend, ein solcher Morgen sei ihr lieber als die ganze Völkerwanderung sammt Ost- und Westgothen und dem großen König Theodorich. „Heissa, Othello! so gut ist es uns lange nicht geworden!“ Sie klopfte, sich vorbeugend, dem schönen Thiere liebkosend den Hals und wandte sich dann wieder glückselig lächelnd dem jungen Lehrer zu, der große Anstrengungen nöthig hatte, um manchmal auch anderswohin zu sehen, als in ihre strahlenden Augen.
Wie bald schon sollte dies Alles vorüber sein! Um so unwiderstehlicher war das Verlangen, diesen letzten Tag zu genießen, der so schön zu werden versprach!
Sogar Hans hatte seine gewöhnlichen Ungezogenheiten heute zu Hause gelassen und horchte, nahe an Richard’s anderer Seite reitend, den gelegentlichen Bemerkungen desselben über Wald und Wild. Man ließ die Thiere, da es jetzt bergan ging, im Schritte gehen, und an das Nächste anknüpfend, gab Richard eine Menge eigener Erinnerungen und Jugenderlebnisse zum Besten, so daß allgemach das verwöhnte Grafensöhnchen ordentlich ein Neid ankam über das Leben, das diese Oberhauser Pfarrersjungen auf ihrem Dorfe geführt hatten! Ottern fangen, junge Füchse aufziehen und beim Eisgang ums Haar ertrinken: das war doch etwas Anderes, als auf Kinderbällen tanzen oder mit dem einfältigen Bodo Helmstatt im Garten Velocipede fahren! Da hätte er auch dabei sein mögen!
Seine Schwester betrachtete inzwischen mit raschen Seitenblicken, wie ritterlich der schlanke Doktor im Sattel saß. Endlich hatte sie doch einmal ihren Willen durchgesetzt, und wirklich, er sah doch heute ganz anders aus! Wo hatte er nur die hohen Reitstiefel her und den kecken, kleinen Filzhut, der so gut zu seinem dunklen Haar stand? Keiner der aristokratischen Bekannten hätte über sein Aussehen die Achseln zucken können – und im Uebrigen: welcher Unterschied zwischen ihm und dem jungen Baron Rothenburg oder dem Grafen Rattwitz, die manchmal sie und den Papa beim Spazierritt begleiteten! Deren Redensarten kannte sie alle auswendig, aber Alles, was Er sagte, kam ihr so interessant, so bedeutend vor, wie sie noch nie einen Menschen hatte reden hören. Ihr junges Herz fühlte sich unbeschreiblich glücklich in seiner Nähe, und sie gab sich diesem süßen Gefühle völlig hin, ohne Skrupel und Bedenken, mit der ganzen Unmittelbarkeit ihrer lebhaften Natur. Die Welt war ja so schön und es war ein so köstliches Gefühl, an seiner Seite in diese schöne Welt hineinzureiten.
So ging eine Stunde in Glück und Fröhlichkeit dahin. Der Weg hob sich mehr und mehr, der Hochwald schloß die Straße ein, endlich erschien in der Lichtung das Schlößchen Taxenbach, ein zur Sommerszeit sehr beliebter Vergnügungsort. Die Pferde trabten schneller dem wohlbekannten Ziele zu; nur noch zehn Minuten brauchte es jetzt, erst den Berg hinab, dann über die Brücke und jenseits wieder hinauf.
„Reiten wir zur Wette!“ rief Gabriele übermüthig und versetzte ihrem Othello einen Schlag mit der Peitsche. „Hopp, allez!“ und dahin ging es, den langen Straßenkurven nach. Doktor Reiter gab seinem Pferde die Sporen, und das feurige Thier nahm sofort die tête und flog voraus, zur Brücke hinunter, wo er zuerst anlangen wollte, um dem Wettrennen ein Ziel zu setzen. In wenigen Sekunden schoß Ali um die letzte Biegung – aber wo war die Brücke hingekommen? Das vom Regen geschwellte, breiter und lebhafter strudelnde Bächlein gab die Antwort, seine geringe Tiefe aber machte es leicht, zu Pferde hinüber zu kommen. Richard lenkte das seinige durch und rief den beiden eben Heranbrausenden zu: „Hier herüber, das Wasser ist nur ein paar Zoll tief!“
Hans war im nächsten Augenblick an seiner Seite, Gabriele aber rief lachend. „Nun sollen Sie einmal sehen, was mein Othello kann!“
Sie zwang das Pferd ein paar Schritte zurück – Richard wollte rufen, warnen, in demselben Augenblick hatte er nur noch einen blitzschnellen Eindruck von den gehobenen Vorderhufen des Pferdes, darüber die lachenden Augen und das fliegende Haar, dann – ein Dröhnen im Grunde, ein Klatschen im Wasser: Othello sprang los und ledig den Uferabhang hinauf. Blitzschnell war der Doktor abgestiegen, war auf die regungslos zwischen den Ufersteinen liegende Gabriele zugeeilt und hatte sie mit seinen Armen umfaßt, während ihr langes Kleid mit den Wellen strömte. Aber nur einen Augenblick blieb sie regungslos, während er sich ängstlich über sie beugte und sie mit Fragen bestürmte, ob sie sich wehe gethan habe? Dann raffte sie sich lebhaft empor und [495] rief zwischen Lachen und Zorn, indem sie die losgegangenen Haare wieder zur Krone schlang und feststeckte:
„Wie dumm! So herunterzufallen! Das ist mir doch noch niemals passirt!“
„Renommire doch nicht so, Gabi,“ versetzte Hans, der inzwischen das Pferd des Doktors gehalten, mit vielem Genuß. „Voriges Jahr lagst Du auch recht schön mit der Nase an der Erde.“
„Nun ja – als ich noch lernte. Uebrigens, Hans, statt hier zu stehen und einfältiges Zeug zu schwatzen, reite hinüber und hole mir meinen Hut – dort hängt er. Und Sie, Herr Doktor, dürfen nicht schelten, Sie sehen, es ist Alles glücklich abgelaufen.“
„Das Schelten hilft nicht mehr, wenn die Dinge geschehen sind,“ sagte er, indem er ihr auf die Füße half und sie voll Besorgniß betrachtete. „Fühlen Sie wirklich keinen Schmerz?“
„Nein, nein, wirklich nicht, und ich glaube, ich bin nicht halb so erschrocken wie Sie.“
Der junge Mann wandte sich ab und hob mechanisch die Reitpeitsche von den nassen Kieseln auf. Das Herz schlug ihm gewaltig, seine Schläfen pochten – war das der Schrecken oder war es der plötzliche Eindruck des weichen jungen Körpers in seinen Armen, der duftigen Haare, die ihm Wangen und Mund gestreift hatten? Er stand wie verzaubert und starrte in die Weidenbüsche am Bachrand, ohne irgend etwas deutlich zu sehen. Hans aber, der glaubte, der Herr Doktor beobachte sein Herüberkommen, lenkte seine Bella säuberlich durch das Wasser und reichte im nächsten Augenblick der Schwester den verlorenen Hut vom Pferde herunter.
Sie stand bereits und wand ihre schwere Schleppe in den Bach aus:
„Wie das trieft,“ rief sie lustig, „das reine Nixengewand! Nun können mich die Leute im Waldschlößchen für eine verkleidete Wasserfrau ansehen!“
Diese Worte riefen den jungen Doktor aus seinem Traumzustande wach; die Besorgniß vor einer möglichen Erkältung erfüllte ihn, er trieb zum Aufsitzen – Gabrielens Pferd war ruhig oben an der Böschung stehen geblieben – und hielt ihr den Steigbügel.
„Ihr nasses Kleid und die Stiefelchen dort zu trocknen ist wohl keine Möglichkeit?“ fragte er mit einiger Bekümmerniß.
„Doch,“ erwiederte sie schon wieder übermüthig, „ich gedenke mir keinen Schnupfen zu holen, um dann die schrecklichen Folgen dieses Morgens noch ein halbes Jahr lang bei jeder Gelegenheit hören zu müssen. Die Wirthin im Waldschlößchen ist eine ehemalige Köchin von Mama, die giebt mir schon so viel trockenes Zeug, als ich brauche, und hängt meine Sachen ans Feuer.
„Also vorwärts!“ rief Doktor Reiter erleichtert, und in scharfem Trabe ging es die letzten Minuten bergan, bis eine weiße Mauer sichtbar wurde und ein eisernes Thor, von einem stattlichen Hirschgeweih überragt, das Ziel der Fahrt anzeigte.
* | * | |||
* |
Das Schlößchen von Taxenbach genießt nicht umsonst seines Rufes bei den Residenzbewohnern; es ist der anziehendste Punkt des Waldgebirges, welches die Stadt in weitem Bogen umzieht.
Früher ein Lieblingsort des Hofes, seit fünfzig Jahren von ihm verlassen, ist der ehemals verschnörkelte Park grün überwachsen, im dichten Schatten rauschen die kleinen Bäche und Kaskaden, stille Wiesenflächen ziehen sich zwischen den Waldpartien hin, und hier und da schimmern Marmorfiguren und Vasen unter den Bäumen hervor.
Rückwärts hinter dem zierlichen Rokokobau, dessen vergoldete Prachtsäle dem gewöhnlichen Publikum nicht zugänglich sind, stehen einfache Tische, an denen sich zur Sommerszeit die Gäste drängen und dem berühmten Kaffee und Kuchen der Wirthschaft alle Ehre anthun.
Von diesem Sitze öffnet sich die Aussicht in ein liebliches Wiesenthälchen, das nach einem Hügel hinaufzieht und auf beiden Seiten von Wald gesäumt wird.
Hier saß eine Stunde nach dem Bachübergang unsere Gesellschaft sehr vergnügt im warmen Sonnenschein beisammen. Das Frühstück hatte offenbar vortrefflich geschmeckt. Eier, Schinken, Thee und Butterbrot, wenn auch nur noch in ihren Resten zu ahnen, so daß die Wirthin, welche herzugetreten war, die jungen Herrschaften zu unterhalten, lächelnd fragte, ob sie eine zweite Auflage besorgen solle?
„Bei Leibe nicht, Lisbeth,“ sagte die kleine Bäuerin ihr gegenüber, die sich behaglich im Stuhle schaukelte und ihre grobbeschuhten kleinen Füße in der Sonne wärmte, „bei Leibe nicht, wir müssen heute noch zu Mittag essen. Was machen denn meine Kleider? Können wir in einer Stunde fort?“
„Das Reitkleid wird nicht so schnell trocken,“ sagte die dicke Frau kopfschüttelnd, „aber es ist ja auch nur untenher naß. Die Stiefel können die gnädigste Komtesse schon wieder anziehen.“
„Es gefällt mir aber noch ganz gut in diesen netten Elefantenschuhen,“ sagte Gabriele, ihre Füße gegen einander schüttelnd, „und Blumen müssen wir ja auch noch pflücken, ich muß Mama einen Strauß von den herzigen Veilchen und Primeln mitbringen, die hier überall herumstehen. Kommen Sie, Herr Doktor, komm, Hans,“ rief sie lebhaft aufspringend, „wir wollen einmal sehen, wer die schönsten Blumen zusammenbringt.“
Und jubelnd eilte sie voraus in die Wiese, deren tausend blaue, gelbe und röthliche Blumensterne wie ein bunter Teppich leuchteten, pflückte rechts und links und warf wieder weg, sobald sie noch schönere zu finden glaubte. Richard Reiter blieb an ihrer Seite, aber er pflückte nicht, er betrachtete träumerisch das Knospen und Blühen ringsum und die liebliche Gestalt, die, durch den kurzen Rock und das wollene Mieder nicht entstellt, nur ihm plötzlich so viel erreichbarer und näher schien, die reizende Profillinie, wenn sich Gabriele über die Blumen herabbeugte. Er war seit einer Stunde ein verwandelter Mensch: eine stille Seligkeit erfüllte ihn ganz, der holde Frühlingstag floß mit seinen eigenen Empfindungen in Eins zusammen; die Welt war nicht mehr größer als das kleine Wiesenthal, das für ihn alles Glück der Erde einschloß. Aus solchen Träumereien fuhr er erst auf, als Gabriele plötzlich sagte:
„Nun habe ich genug. Wir wollen uns dort auf die Felsblöcke unter den Tannen setzen und den Strauß ordnen. Wo ist denn Hans?“
„Ich sah ihn vorhin nach jener Richtung laufen, er kommt wohl bald wieder, und von droben übersehen wir das ganze Terrain,“ antwortete Richard, indem er ihr behilflich war, noch eine Hand voll blühender Weidenzweige zu schneiden, und dann der leicht Voranlaufenden zu dem Sitze unter einer alten breitästigen Tanne nachfolgte. Ihr den Arm zu bieten, wagte er nicht.
Gabriele schüttete die Blumen auf den Stein und begann, sie um die Palmkätzchen zu ordnen. Dabei ließ sie diese durch die Finger gleiten, streichelte sie sanft an ihrer Wange und sagte, indem sie sie Richard vorhielt. „Wie sie niedlich sind und wunderbar! Alles ist eigentlich wunderbar, manchmal kommt es mir plötzlich so seltsam vor, daß ich bin und Alles rings umher – woher kommt denn das?“
„Von dem Erwachen eines kleinen Seelchens,“ scherzte Richard, „das dann und wann die Augen öffnet, um ein Bischen nachzudenken, und sich dann schnell noch einmal auf die andere Seite legt.“
„Lachen Sie nur, aber es ist ganz ernsthaft, was ich meine, ich kann es nur nicht so recht ausdrücken.“ Sie nahm einen andern Zweig voll kleiner Knospen. „So ist jetzt der Rothdorn vor dem Schloßthor von Eckartshausen und ein paar Wochen darauf steht er in voller Blüthe. O könnten wir doch noch einmal dort sein, mit Ihnen, den ganzen Sommer lang, nein, immerwährend – ich glaube, ich würde gar kein anderes Glück mehr verlangen!“
So klar und offen blickten ihn die blauen Augen an, während sie dies sagte, ein so vertrauensvolles Kinderlächeln schwebte dabei um ihre Lippen, und doch wurde es dem jungen Lehrer dabei schwül zu Sinne. Der ganze innere Sturm, den er gestern so heftig bekämpft, erhob sich von Neuem; er fühlte, daß er anfange, machtlos zu werden, und rasch, mit einem energischen Entschluß, sagte er nachdrücklich:
„Die Zeiten unseres Beisammenseins haben zum Längsten gedauert, Komtesse Gabriele!“
[496] „Wie – was sagen Sie?“ rief sie überrascht und richtete sich hastig empor. „Sie können doch nicht daran denken, uns verlassen zu wollen?“
„Was ist dabei so Merkwürdiges?“ sagte er scheinbar gelassen. „Mein eigentlicher Beruf ist es ja nicht, Lehrer zu sein. Außerdem werden Sie selbst nicht mehr lange im elterlichen Hause bleiben –“
Sie sah ihn erstaunt an. „Meinen Sie am Ende, ich soll mich verheirathen?“
„Sie werden das ohne Zweifel bald thun –“ Aber weiter kam er nicht, denn Gabriele warf den Kopf zurück, daß die blonden Haare über ihre Schultern fielen, und brach in ein langes, stets neu beginnendes Gelächter aus. „O, das ist köstlich,“ rief sie dazwischen, „solch eine Idee! Ha ha ha!“
Die Gelegenheit war zu günstig und Richard konnte nicht widerstehen, sich über den zweifelnden Gedanken, der ihn seit gestern unablässig verfolgte und peinigte, Gewißheit zu verschaffen.
„Die Sache ist gar nicht lächerlich, Komtesse Gabriele,“ sagte er trocken, „Sie wissen doch sicher, daß mehr als Einer in Ihrer Umgebung solche Gedanken hegt –“
„Nein, das weiß ich nicht,“ rief sie mit dem Ton eines belustigten Schulmädchens. „O bitte, erzählen Sie mir mehr darüber, kennen Sie Einen davon?“
„Nun ja, ich kenne Einen,“ versetzte er halb geärgert, „Einen, der sich gestern noch in sehr enthusiastischen Ausdrücken über gewisse blonde Eigenthümlichkeiten erging und, wie es mir scheint, auch seinerseits sehr gut gefallen hat.“
Sie hörte mit dem Instinkt, den auch das jüngste Mädchen besitzt, den Ton der Eifersucht in seinen Worten und freute sich innig darüber. „O ja,“ sagte sie dann mit dem Kopfe nickend; „das ist in der That ein sehr hübscher, sehr netter und liebenswürdiger Mann. Und was für reizende japanische Schnupftabaksdosen und Reisschüsseln er hat! Ich glaube wirklich, ich könnte mich entschließen ihn zu nehmen, wenn er mir ein Dutzend davon gäbe – und die große goldene Schabracke – und das Götzenbild mit den fürchterlichen Schielaugen – und einen kleinen Schwarzen, aber nicht ausgestopft, sondern lebendig, in einem Brokatröckchen und einer kleinen rothseidenen Mütze mit einem Schellchen oben darauf – dem könnte ich nicht widerstehen!“
Und wieder fing sie an, so herzlich zu lachen, daß Richard, wie schon oft, sich unwiderstehlich fortgerissen fühlte und für ein paar Augenblicke nichts sah und dachte, als die frische, sonnenhelle Heiterkeit dieses rosigen Gesichtchens. Indessen kam er bald wieder zu seinen ersten Gedanken zurück, wenn ihm auch jetzt die Aussichten seines Freundes nicht so zweifellos schienen, als er sie in den düstern Gedanken der vergangenen Nacht sich vorgemalt hatte. Aber was half das? Seine eigene Stellung wurde dadurch nicht geändert und der Entschluß, bald zu gehen, blieb eine Nothwendigkeit. Die Heiterkeit verschwand bald völlig von seinem Gesichte und er blickte wieder ernsthaft vor sich nieder.
„Nun“ sagte Gabriele ungeduldig und tippte ihm mit dem Kätzchenzweig auf den Arm, „ich glaube, Sie versinken schon wieder in düstere Zukunftsbilder! An einem so schönen Morgen!“
„Sie stehen mir nahe genug,“ erwiederte Richard entschlossen; „denn was ich Ihnen vorhin andeutete, ist, in deutlichen Worten ausgedrückt: ich muß bald schon aus Ihrem Hause scheiden.“
Gabrielens eben noch lachende Züge nahmen plötzlich den Ausdruck des höchsten Schreckens an.
„Ich sage Ihnen hiermit nur,“ fuhr Richard mit schwerer Ueberwindung fort, „was ich gestern schon dem Herrn Grafen zu eröffnen gedachte. Plötzliche Gründe zwingen mich, die Stadt zu verlassen Ich bin ja auch, strenge genommen, in Ihrem Hause nicht nothwendig, jeder Andere kann meine Stelle versehen …“
„O,“ rief Gabriele mit zitternder Stimme, „Sie sind beleidigt durch Hans und ärgern sich über seine vielen Unarten! Wie ist das nur möglich, wie kann ein solcher Junge Ihnen wehthun? Sie stehen ja so hoch über ihm, über uns Allen, was soll denn aus uns – aus mir werden, wenn Sie fortgehen?“ Ihre Augen füllten sich mit großen Thränen, die an den Lidern schwankten und zitterten.
„Komtesse, um Gotteswillen,“ rief der nun ebenfalls aufs Höchste erregte junge Mann, „fahren Sie nicht so fort! … Sie täuschen sich,“ setzte er nach einer Pause mühsam hinzu, „äußere Gründe, von denen ich nicht unabhängig bin …“
Sie hörte nicht mehr, was er in seiner Herzensangst noch zusammensprach, sie legte den blonden Kopf auf ihre über den Felsen vorgestreckten Arme und schluchzte so leidenschaftlich und unverhohlen, daß im Nu Richard’s Vorsätze schmolzen wie Wachs in der Gluth. Ohne zu wissen wie, kniete er an ihrer Seite, faßte ihre Hand und hob sachte das tiefgeneigte Köpfchen in die Höhe, indem er flüsterte: „Gabriele, liebste Gabriele, weinen Sie nicht, ich kann es nicht ansehen!“
Im nächsten Augenblick fühlte er zwei Arme um seinen Hals geschlungen, als suchten sie Hilfe und Rettung in höchster Noth. Aber auch über ihm schlugen die Wellen zusammen, er widerstand nicht länger, faßte die süße Gestalt fest in seine Arme und drückte stürmisch heiße Küsse auf die Lippen, die den seinigen entgegenkamen. Es war Seligkeit und Qual zugleich – aber der Rausch des Entzückens dauerte nur kurze Sekunden, dann kam das Bewußtsein wieder, Richard fuhr aus seinem Rausch empor und sagte, indem er das glühende Kind aus seinen Armen löste:
„Helfen Sie mir, Gabriele, daß ich nicht ein Ehrloser werde. Es war zu viel … Sie wissen nicht, wie ich mit mir gekämpft habe und was mich die Selbstbeherrschung kostete! Ich habe sie einen Moment verloren, verzeihen Sie mir!“ Noch einmal streiften seine Lippen die weichen Haare, die sich durchaus von seiner Brust nicht trennen wollten, dann ließ er Gabriete sanft auf ihren früheren Sitz niedergleiten und trat entschlossen zurück. „Und nun werden Sie selbst einsehen, daß ich gehen muß, so bald als möglich, da Sie den wahren Grund kennen!“
Der Felsblock war wieder zwischen ihnen, nur die Hand streckte Richard darüber hin und hielt die Gabrielens in der seinigen. Wortlos und tieferröthend in Scham und Verlegenheit sah sie vor sich nieder, sie wußte nicht, wie sie den nächsten Moment überstehen solle. Aber die Angst um den geliebten Mann war mächtiger als jede andere Empfindung, sie hob nach einer kurzen Stille die Augen flehend zu ihm empor und sagte leise:
„Versprechen Sie mir das Eine, nicht heute mit Papa zu reden, wir finden vielleicht ein Mittel – und warum sollte es denn unmöglich sein, daß …“ sie hielt plötzlich inne; es fiel ihr ein, daß er ja noch keine Silbe von Dem gesprochen, was sie meinte.
„Es ist unmöglich, daß Graf Hochberg einwilligt, die Hand seiner Tochter einem bürgerlichen Manne ohne Stellung und Vermögen zu geben,“ sagte Richard ernst, „und es käme mir wie ein Verbrechen vor, Sie in die schweren Kämpfe zu stürzen, die der ersten Erklärung folgen müßten. Und heimlich – hinter dem Rücken Ihrer Eltern … nein, ich könnte Ihrem Vater nicht mehr in die Augen sehen – wenn ich auch freilich nicht weiß, wie ich ferne von Ihnen leben soll.“
Er sprach mit gepreßter Stimme, aber fest und ruhig, und Gabriele fand diese Ruhe empörend. Wie konnte er nur so kalt und verständig reden? Nein, er liebte sie nicht, wie sie ihn, sonst könnte er jetzt nicht an Trennung denken, wie zärtlich hatte er sie eben noch geküßt, und nun blickte er so streng und kühl, daß sie kein Wort mehr hervorbrachte … Und wo war der entzückende Frühlingstag hingekommen? Gabriele hob die Augen: Alles erloschen, ein dürres Thal und öde Felsen! Ihr junges Herz war plötzlich so schwer geworden, daß es ihr schien, unglücklicher habe sich noch nie Jemand auf der Welt gefühlt. So saßen Beide schweigend ein paar Augenblicke. Plötzlich hörte man in einiger Entfernung Aeste knacken, Steine poltern und laute Rufe: „Herr Doktor, Herr Doktor, eine Otter!“ Schnell stürzte Richard den Abhang empor und wurde sofort seines Zöglings ansichtig, der, erhitzt, mit verwirrten Haaren und schmutzigen Knieen durchs Gebüsch herunterbrach. Aus dem Taschentuch, welches er hielt, schlängelte sich Etwas hervor, Richard entriß es ihm und warf es zu Boden.
„Zum Glück nur eine Blindschleiche, Hans,“ sagte er erleichtert, während das Thierchen sich ins Gebüsch ringelte, „sie hat, wie wir, den schönen Sonnenschein zu ihrem ersten Spaziergang benutzt. Aber nun ist es hohe Zeit, daß wir nach Hause zurückkehren!“
Er richtete einen bittenden Blick auf Gabriele, die, ohne denselben zu erwiedern, aufstand und mit gesenktem Kopfe den Beiden voranging. Die schönen Blumen blieben auf den Steinen liegen.
Das Mittagsessen war heute in ungewohnter Einsilbigkeit verlaufen; der Graf saß, gegen seine sonstige Art, stumm und theilnahmlos da; auch die Gräfin wechselte nur kurze Reden mit Doktor Reiter, und Gabrielens helle Stimme war kaum zu vernehmen. So blieb nur Hans als Träger der Unterhaltung übrig; er fand aber durchaus nicht so viel Aufmerksamkeit, wie die verschiedenen Reiseabenteuer, das Unglück am Bach und die Geschichte von der Blindschleiche, die beinahe eine Kreuzotter war, beanspruchen konnten. So schwieg endlich auch er und Jeder war froh, als das Zeichen zum Aufstehen gegeben wurde. Gabriele warf dem Geliebten noch einen warm flehenden Blick zu, ergriff dann den Arm der Mama und schlüpfte an ihrer Seite aus dem Zimmer.
Der Graf stieg die Treppe hinab und begab sich in den Stall, um nach den Pferden zu sehen, die ziemlich erhitzt heimgekommen waren. Dort suchte ihn Richard einige Minuten später auf. Er hatte sich während des ganzen Essens Vorwürfe darüber gemacht, daß er über seine eigenen Herzensangelegenheiten die Warnung des Freundes fast vergessen hatte. Nun wollte er keinen Augenblick mehr damit zögern, das sorgenvolle Gesicht des sonst so heitern und mittheilsamen Herrn war ihm peinlich aufgefallen; er dachte mit einer Art von Angst an den Besucher von gestern Abend und fragte sich, ob wohl etwas Entscheidendes geschehen sei? In jedem Fall mußte er sofort reden, – ob er die Widerwärtigkeiten des Grafen heute schon durch seine Kündigung vermehren dürfe, darüber war er vorerst unschlüssig. So bald als möglich mußte es freilich geschehen.
Er fand den Grafen neben Ali stehend, den der Reitknecht, seiner Anweisung folgend, sorgsam abrieb.
„Ist es nicht ein wunderbares Thier, Doktor?“ rief er diesem entgegen, während er den schnobernden Kopf des Pferdes freundlich klopfte und streichelte. „Ich wette, Sie haben noch auf keinem seines Gleichen gesessen.“
Das bestätigte der junge Mann bereitwillig und fügte dann hinzu: „Gestatten Sie vielleicht, Herr Graf, daß ich Ihnen jetzt die Mittheilung mache, welche ich schon gestern –“
„Ach ja,“ unterbrach ihn Graf Erich, „Sie wollten mich ja in einer wichtigen Angelegenheit sprechen – ich hatte es wahrhaftig wieder vergessen – nun, sprechen Sie!“
„Es ist eine konfidentielle Mittheilung, Herr Graf,“ sagte Richard mit einem Blicke auf die in der Nähe hantirenden Kutscher und Stallknechte.
„Sie sagen das in einem so feierlichen Ton, lieber Doktor, da bin ich wirklich begierig.“
Damit nahm er den jungen Mann unter den Arm und ging mit ihm hin über den Hof nach dem Parke.
„Nun reden Sie!“
„Herr Graf,“ begann Richard, „es ist mir gestern eine Notiz zugegangen in Beziehung auf einen Geschäftsagenten, einen gewissen Treiber, der in vielfachen Beziehungen zur hiesigen Handelswelt steht.“
„Ganz recht,“ warf der Graf ein, „dieser Treiber besorgt auch für mich zuweilen kleine Geschäfte.“
„Nun, eben vor diesem Treiber,“ fuhr der Doktor fort – „bin ich gebeten worden, Sie zu warnen.“
„Zu warnen? Und warum? Er nimmt in Geldgeschäften etwas hohe Procente – das ist mir bekannt.“
„Es ist nicht das, Herr Graf, was denjenigen bedenklich macht, von dem die Warnung ausgeht. Er glaubt vielmehr gute Gründe zu der Annahme zu haben, daß dieser Treiber es nicht gut mit Ihnen vorhabe, daß er Ihnen irgendwie zu schaden, Sie in eine Falle zu locken beabsichtige.“
Der Graf blieb betroffen stehen. „Wer ist Ihr Gewährsmann?“
„Das darf ich nicht sagen,“ erwiederte Richard, „aber nehmen Sie mein Wort, daß er gut unterrichtet ist und es gut mit Ihnen meint. Auch versichere ich Sie, daß es starke Verdachtsgründe sind, die ihn bewogen, mich zu dieser Mittheilung an Sie aufzufordern.“
„In der That,“ murmelte Graf Erich in plötzlicher Aufregung, „es ist seltsam, sehr seltsam – es könnte wohl sein – – Doktor,“ sagte er hastig, die Hand Richard’s ergreifend, „Sie sind ein Ehrenmann, und ich gebe Ihnen einen Beweis meines Vertrauens, indem ich Ihnen gestehe, daß ich allerdings diesem Manne – gestern – in einer momentanen Verlegenheit – in der Uebereilung – auf sein unausgesetztes Drängen - ein Papier – ein Dokument übergeben habe, das – das ich ihm nicht hätte geben sollen! Nach dem, was Sie wir sagen, muß ich befürchten, daß Ihr Gewährsmann vielleicht Recht, daß der Mann unredliche Absichten mir gegenüber hat. Und wenn dem wirklich so wäre, könnte ein großes Unglück daraus entstehen!“
„Darf ich mir die Frage erlauben –“
„Ach lieber Doktor,“ unterbrach Graf Erich den jungen Mann, und seine sonst so überlegene Miene wurde peinlich unsicher, „die Sache ist sehr komplicirt, schwer zu erklären. Genug, es war unvorsichtig, sehr unvorsichtig von mir, dem Manne den Wechsel auszustellen. Ich wollte, ich hätte es nicht gethan oder ich könnte ihm sein Geld zurückgeben!“
„Aber ließe sich denn das nicht bewerkstelligen? Das Geld haben Sie noch?“
„Die Summe, die er mir gab, ja; durch einen glücklichen Zufall liegt das Geld noch da und der Mehrbetrag des Wechseis ließe sich vielleicht beschaffen – müßte sich beschaffen lassen, bevor –“ Er stockte in peinlichster Verlegenheit.
„Nun, Herr Graf, wenn Sie das Papier wirklich zurück haben wollen, eile ich zu dem Agenten und bringe ihm vorläufig sein Geld zurück. Mit dem Weiteren muß er sich noch gedulden. Ich bringe die Sache in Ordnung, verlassen Sie sich darauf, Herr Graf! Noch im Laufe des Nachmittags bringe ich Ihnen Nachricht.“
„Lieber Doktor, ich danke Ihnen tausendmal! Sie leisten mir einen großen, großen, unbezahlbaren Dienst! Und nun kommen Sie, daß ich Ihnen das Geld übergebe. Ich habe keine Ruhe, bis ich es wieder los bin!“
Die beiden Männer eilten die Treppe hinauf. Im Kabinet des Grafen empfing Richard Reiter die noch unberührte Summe von sechzigtausend Thalern und machte sich sofort auf den Weg zum Agenten, während der Graf in peinlicher Sorge zurückblieb, nach einiger Zeit sich aber doch zu seinem gewohnten Ausritt entschloß, um sich, wie er wähnte, all’ die abscheulichen Gedanken aus dem Kopfe zu schlagen.
* | * | |||
* |
Die Nachrichten, welche Richard Reiter an demselben Abend dem von seinem Spazierritt heimgekehrten Grafen überbrachte, waren nicht sehr beruhigender Natur. Er hatte den Agenten nicht getroffen, sondern nur dessen Frau, welche ihm sagte, ihr Mann sei gestern Abend verreist, auf mehrere Monate voraussichtlich, da er überhaupt sein hiesiges Geschäft aufgeben und ein Bankgeschäft in Berlin etabliren wolle. Auf die Frage nach dem Wechsel hatte sie sich erst unwissend gestellt, dann aber, als sie hörte, daß derselbe sofort eingelöst werden sollte, war sie in Klagen darüber ausgebrochen, daß ihr Mann den Wechsel schon an den Konsul Felsing, wahrscheinlich viel zu billig, verkauft habe. Daraufhin war der Doktor sofort zu seinem Freund Emil Felsing geeilt, hatte diesen von der Situation in Kenntniß gesetzt und gebeten, mit seinem Vater Rücksprache zu nehmen und denselben zur Herausgabe des Wechsels zu veranlassen. Er war glücklich, auf diese Art Emil als offenkundigen Verbündeten scheinbar neu gewinnen zu können, und Graf Hochberg billigte den Schritt vollkommen. Aber leider hatte Emil seinen Vater hierzu nicht zu bewegen vermocht, derselbe hatte jedoch sein Ehrenwort gegeben, nichts mit dem versiegelten Papiere zu unternehmen, bis er mit Graf Erich gesprochen habe. Auch hatte er sich bereit erklärt, zum Zwecke einer Besprechung über die Ordnung der Vermögensverhältnisse des Grafen diesen noch im Laufe des folgenden Tages zu besuchen.
Dies Alles berichtete der junge Mann dem Grafen, der schon seit einer Stunde unruhig auf seine Ankunft gewartet hatte. Es war auf den ersten Blick nicht viel Tröstliches, und doch schöpfte die sanguinische Natur des Grafen nach kurzem Besinnen wieder Hoffnung aus dem Versprechen Felsing’s; seine Stirn wurde allgemach heiterer, und er sagte endlich in herzlichem Ton:
„Ich danke Ihnen, mein lieber junger Freund, Sie haben mir einen großen Dienst erwiesen, ich werde ihn nicht vergessen und hoffe, daß der Tag kommen wird, wo ich ihn vergelten kann. Es ist mir eine stäte Genugthuung, Sie in unserem Hause zu [499] wissen – wollte Gott, mein eigener Sohn hätte etwas von Ihrer Zuverlässigkeit und Charakterstärke!“
Er reichte dem Doktor die Hand und dieser beugte sich über dieselbe, verwirrt, von den widerstreitendsten Empfindungen bewegt, unfähig, ein Wort zu erwiedern. Nur das Eine wußte er mit voller Sicherheit, als er das Zimmer verließ: es war nun unmöglicher für ihn als je, mit Gabrielens Vater von seiner Neigung zu ihr zu sprechen.
Auch der Gedanke an Emil drückte ihn. Er war heute froh gewesen, daß die knappe Zeit nur die Geschäftsbesprechung ermöglichte. Was hätte er ihm sonst sagen sollen? Das Vorgefallene ruhte als ewiges Geheimniß in seiner Brust – aber er kam sich doch nicht recht aufrichtig gegen den Freund vor, dessen Bemühungen für den Grafen doch gewiß mit dem Interesse für Gabriele eng zusammenhingen.
Blätter und Blüthen.
Der Deutsche Schulverein. Als wir vor drei Jahren die Feier schilderten, welche sich an „die ordentliche Hauptversammlung des Deutschen Schulvereins“ (am 2. Juni 1884) zu Graz anschloß und dieselbe zu einem deutschen Nationalfeste, zu einem „Ehrentag aller Deutschen Oesterreichs“ erhob, an welchem das „Banner des deutschen Geistes“ und „das deutsche Lied“ ihre begeisternde Wirkung übten – da konnten wir auch schon über die Thätigkeit jenes zweiten Vereins berichten, welcher in seinem Namen seinen Zweck ausspricht, des „Allgemeinen Deutschen Schulvereins zur Erhaltung des Deutschthums im Auslande“, der in Berlin seinen Hauptsitz hat. Im August 1881 mit einer Mitgliedschaft von 1365 Mann gegründet, war zur Zeit jenes österreichischen Festes, welches 60000 Mitglieder vertrat, der Deutsche Verein bereits auf nahe an 12000 Mitglieder angewachsen. Das konnte man in Wahrheit eine That der Männer nennen, die den Verein gegründet, und vor Allem des unermüdlichen Dr. Falkenstein, der vom ersten Tage des Vereins an den Vorsitz führt. Schon seit 25 Jahren bestand der „Deutsch-böhmische Geschichtsverein“, welcher mit wissenschaftlicher Bestimmtheit aufgestellt hatte, was der Deutsche in Böhmen gegründet und geschaffen, ererbt und zu vertheidigen habe; und nun erstanden, neben dem Deutschen Schulverein, der Deutsch-böhmische Journalistenbund, der Centralverband deutscher Landwirthe in Böhmen, der Böhmerwaldbund, der Deutsche Handwerkerverein in Prag, und diesem schloß sich neuerdings der Bund der Deutschen Nordmährens an. Alle diese Vereine sind nicht zum Angriff, sondern als Abwehr und Nothwehr ins Leben gerufen; in Ab- und Nothwehr mußte man daran gehen, in deutschen Orten die tschechischen Arbeitskräfte durch deutsche Lehrlinge, Gesellen und Dienstboten zu ersetzen, deutsche Spar- und Vorschußvereine zu errichten, damit der deutsche Landmann und Gewerbtreibende nicht mehr von tschechischen Geldinstituten abhängig sei, in zahlreichen Orten deutsche Bibliotheken aufzustellen und unter die deutsche Bauernbevölkerung gute, von echt deutschem Geiste durchdrungene Schriften zu vertheilen, endlich auch deutsche gewerbliche Fachschulen zu errichten und den landwirthschaftlichen Wanderunterricht eifrigst zu pflegen.
Alle diese friedlichen Mittel werden nur durch die Art der Gegner verschärft und verbittert. Gebildete Völker sind dankbar, wenn Dichter anderer Nationen ihre Vergangenheit preisen; die deutschen Dichter Alfred Meißner, Egon Ebert, Moritz Hartmann, L. A. Frankl haben für ihre jugendlichen Verherrlichungen altslawischer Größen nur Spott geerntet, und Anastasius Grün, der den Slovenen mit außerordentlichem Eifer den Reichthum ihrer Volkslieder sammelte, erfährt den Lohn dafür, daß in seiner Vaterstadt Laibach sein Denkmal besudelt und vernichtet wird! Mit solchen Gegnern haben die Deutschen Oesterreichs um die Erhaltung deutscher Kultur zu kämpfen. Aber mit dem Kampf sind auch die Streiter gewachsen: der Deutsche Schulverein, noch immer unter der gedeihlichen Obmannschaft des Dr. Weitlof in Wien stehend, zählt jetzt über 120000 Mitglieder in 1174 Ortsgruppen.
Wenn wir berechnen, daß diese Mitgliederzahl von den über das weite Oesterreich-Ungarn zerstreuten 10 Millionen Deutschen hat aufgebracht werden müssen, so sinkt unsere Genugthuung darüber, daß unser „Allgemeiner Deutscher Schulverein“ bis jetzt auf 250 Ortsgruppen mit etwa 30000 Mitgliedern gestiegen, sehr beträchtlich, denn hinter ihm stehen weit über 40 Millionen Deutsche im Reiche beisammen.
Es sind oft Kleinigkeiten, welche der rascheren Verbreitung eines Unternehmens störend entgegentreten – und andere Kleinigkeiten üben große Förderung einer Sache aus. Vor Allem mache man die Theilnahme nicht – unbequem! Unser Aufruf lautet: „Beitrittserklärung und Zeichnung von 3 Mark Jahresbeitrag sind zu adressiren an den Allgemeinen Deutschen Schulverein für Erhaltung des Deutschthums im Ausland. Berlin N. W. Luisenstr. 45. III.“ – Jedenfalls würden die Beiträge bei den Ortsgruppen rascher und pünktlicher eingehen, wenn sie überall mittelst Sammelbüchern (wie beim Gustav Adolf-Verein) eingeholt würden. Vor Allem aber sollten die deutschen Frauen und Jungfrauen sich der Sache mehr annehmen. Hier ist ein Ehrenfeld für ihre Thätigkeit. Denn wenn die Männer von ihren Tagespflichten und ihrem Parteileben oft genug übermäßig in Anspruch genommen sind, so bleibt den Frauen die Hand frei für das versöhnende Walten, und ihr Einfluß ist um so mächtiger, je wärmer sie für eine Sache eintreten. In Oesterreich gehörten schon 1884 nicht weniger als 88 Ortsgruppen ausschließlich Frauen an, und mit Recht konnte am Grazer Fest eine Frau es aussprechen: „Unsere Kinder sollen es einst bezeugen, daß wir unsere Aufgabe ernst genommen und daß man uns den Namen nicht unverdient gegeben hat, der für uns Frauen der schönste und der größte Stolz ist, den Namen einer deutschen Frau!“
Vom Vorstand ist ein Vorschlag und Aufruf ergangen, der lautet: „Lassen Sie uns einmal auf drei Jahre eine freiwillige Umlage von 1 Mark pro Kopf und Jahr zur Vermehrung des Unterstützungs-Vermögens ausschreiben und sehen, was dabei herauskommt.“ Die dadurch gewonnene Summe nebst Sammelbuch ist am 1. August d. J. an den Schatzmeister des Vereins, Banquier Boas in Berlin N. W. Unter den Linden 59a einzusenden.
Da winkt eine That! Man vollbringe sie! Aber alle unsere Leserinnen und Leser, alle treuen Freunde der „Gartenlaube“ seien dringend gebeten, diese Worte nicht bloß zu lesen, nicht das Blatt mit dem Entschluß wegzulegen, gelegentlich auch einmal Etwas für die Sache thun zu wollen! Mit dem Blatt in der Hand eile man zu seinen Freundinnen und Freunden, um sofort zur That zu schreiten! Es gilt, neue Ortsgruppen zu gründen, die alten zu stärken und den Aufruf des Vorstandes auszuführen! Mögen die deutschen Frauen zeigen, daß sie hinter denen Oesterreichs nicht zurückstehen, wo es die heiligsten Güter des deutschen Geistes, des deutschen Herzens zu wahren gilt! Friedrich Hofmann.
Marcella Sembrich, die gefeierte Gesangskünstlerin (Portrait S. 485), ist im Jahre 1858 zu Lemberg in Galizien geboren, wo ihr Vater Musiklehrer war. Unter der Leitung desselben entwickelten sich die früh hervortretenden musikalischen Anlagen der Künstlerin so schnell, daß Marcella im Alter von 12 Jahren bereits als Klavier- und Violinspielerin öffentlich auftrat und großes Aufsehen erregte. Die weitere Ausbildung des jungen, vielversprechenden musikalischen Talentes übernahmen die Professoren Bruckmann und Stengel, beide am Konservatorium in Lemberg. Von hier begab sich Marcella nach Wien, um unter Liszt’s Anleitung sich als Klavierspielerin zu vervollkommnen. Hier in Wien war es, wo sie auf ihre wunderbaren Stimmmittel aufmerksam gemacht wurde und den Entschluß faßte, sich für das gesangliche Fach ausbilden zu lassen. Lamperti junior in Mailand, gegenwärtig am Dresdener Konservatorium als Gesanglehrer thätig, übernahm ihre Ausbildung, die in verhältnißmäßig sehr kurzer Zeit so weit vorgeschritten war, daß die junge Künstlerin am 3. Juni 1877 in Athen als Elvira in den „Puritanern“, als Lucia und Dinorah mit großem Erfolg zum ersten Male auftrat. Nach Wien zurückgekehrt, studirte sie unter Professor Levy’s Leitung das deutsche Opernrepertoire, bis sie sich 1878 in Dresden mit überraschendem Erfolg als Lucia einführte. Hier blieb die Künstlerin bis zum Jahre 1880; ihre Zerline (Don Juan), Susanna (Figaro) und Constanze (Entführung) wurden allgemein eben so sehr bewundert, wie ihre Martha, Gilda, Amina und andere ernste Partien. Nachdem sie am niederrheinischen Musikfeste im Jahre 1880 sich großer Erfolge erfreut hatte, debutirte sie in England an der Royal Italian Opera als Lucia, Amina und Margarete v. Valois und wurde auch für die folgende Saison 1881 auf 1882 angestellt. Als Dinorah und Constanze feierte sie jetzt neue, große Triumphe.
Seit dieser Zeit hat sich Marcella Sembrich durch ihre Gastspielreisen in fast allen europäischen Ländern einen Weltruf erworben und überall, wo sie sang, Publikum und Kritik enthusiasmirt. Sie ist, wenn man von Adelina Patti absieht, in unseren Tagen unbestritten die erste Vertreterin des italienischen „bel canto“. Mit einer sicheren Beherrschung aller denkbaren technischen Schwierigkeiten, welche die genannte Gesangsgattung bietet, verbindet sie deutsche Gemüthstiefe und Innigkeit in glücklichster Vereinigung; als dritter Faktor tritt ein hochbedeutendes schauspielerisches Talent hinzu und eine allseitige, gründliche musikalische Bildung. Die Stimme hat einen Umfang von 2½ Oktaven: von c bis zum dreigestrichenen f, und ist von einer Weichheit und Schönheit in allen Lagen, die an und für sich schon – ganz abgesehen von dem seelenvollen Vortrage – allgemeines Entzücken hervorruft. Sie gehört zu jenen genialen Künstlererscheinungen, die, wie eine Pasta, Franziska Pixis, Schröder-Devrient, Adelina Patti, durch ihren Gesang uns völlig über die Schalheit des italienischen Opernstiles hinwegtäuschen.
Die Familie Darner. Unter diesem Titel hat Fanny Lewald, die Patriarchin der deutschen Romanschriftstellerinnen, einen Roman (Berlin, Otto Janke) herausgegeben, welcher eine ostpreußische Familiengeschichte auf dem Hintergrunde der historischen Ereignisse der Jahre 1806 bis 1813 schildert. Fanny Lewald hat in diesem Romane ihre Jugenderinnerungen verwerthet: sie selbst ist eine Königsbergerin und in [500] der Kneiphöf’schen Langgasse, wo ihre Wiege stand, spielt auch die Haupthandlung ihres Romans. Natürlich ist die ostpreußische Hauptstadt eben so anschaulich wie anheimelnd geschildert. Diese Patricierhäuser des Kneiphofs mit ihren „Wolmen“, das grüne Thor, welches in die Vorstadt führt, der Blick auf den Pregel, auf die Speicherviertel, dann wieder das Schloß mit dem großen innern Hofe, mit seinen Gerichtssälen und Weinkellern, das Rathhaus der Altstadt: das Alles tritt in scharf umrissener Zeichnung vor uns hin, und gerade so liebevoller Detailmalerei folgen wir mit wachsender Theilnahme; denn die Kunst dichterischer Darstellung besteht ja zum großen Theil darin, uns so vertraut zu machen mit Allem, was die Phantasie des Dichters beschäftigt, daß wir gleichen Antheil nehmen an den von ihm geschilderten Personen und Vorgängen wie er selbst. Das erreicht er aber nicht durch flüchtige Berührung, sondern durch eingehendes Verweilen – und hierin besteht besonders die Aufgabe des Romandichters.
Die geschichtlichen Ereignisse selbst werden nur in so weit dargestellt, wie sie in die Schicksale der Stadt Königsberg und der Familie eingreifen, für welche Fanny Lewald in erster Linie unsern Antheil in Anspruch nimmt. Sie giebt keine glänzenden Schlachtgemälde, keine pomphafte Schilderung von Haupt- und Staatsaktionen; Kaiser Napoleon, Königin Luise, König Friedrich Wilhelm III. erscheinen nur mit flüchtigen Umrissen an den Rand des Bildes hingezeichnet; dagegen sind die kriegerischen Genrebilder, der Einzug der Truppen, die Einquartierung der Franzosen, der Brand der Vorstädte mit lebhaftem Kolorit geschildert und vor Allem sind die Stellung der Zeit, der Einfluß der Weltbegebenheiten auf die kaufmännischen Interessen, das Erwachen des patriotischen Geistes, der Tugendbund und die befreienden Thaten der Gesetzgebung in die Handlung verwebt. Fanny Lewald ist eine Jüngerin des ostpreußischen Liberalismus und für alle Emancipationsgedanken des Jahrhunderts begeistert.
Ihr Held, der alte Darner, ist ein mecklenburgischer Höriger, der flüchtig geworden, nachdem er einen Todtschlag vollführt, im seemännischen und kaufmännischen Leben dann in die Höhe gekommen ist und sich in der Stadt am Pregel niederläßt. Der reiche Kaufmann wird in den Kreisen der angesessenen Patricier scheel angesehen und trotz seines Reichthums nicht für ebenbürtig gehalten. Gleichwohl gelingt es seinem Sohne, nach schweren Kämpfen die Nichte eines angesehenen Kaufmanns heimzuführen. Diese Konflikte des ersten Bandes sind ein Roman für sich und der spannendste Theil des Ganzen. Die Schicksale der Töchter Darner’s, besonders der schwärmerischen Dolores, die einen griechischen Kaufmann heirathet und mit diesem nach Venedig zieht, sind romanhaft genug: ihr Gatte hat eine alte Leidenschaft für eine vornehme Dame und fällt im Duell mit einem Nebenbuhler; Dolores selbst trägt im Herzen die Liebe zu einem jungen Adeligen, der auf sein Majorat verzichtet hat und am Schluß die schöne Wittwe als Braut in die Arme schließt. Die andere Schwester Virginie liebt einen preußischen Officier, der den Heldentod auf dem Schlachtfelde stirbt. Daß ein junger Kaufmann aus den Kreisen der vorurtheilsvollen Patricier eine Jüdin heirathet, ist ein Trumpf, den Fanny Lewald sich nicht entgehen läßt, um auch nach dieser Seite den liberalen Tendenzen zu huldigen. Der Roman fesselt uns namentlich durch seine gelungenen militärischen Genrebilder und viele treffende Beobachtungen und lebenswahre Darstellungen, welche die Verfasserin geschickt in die Handlung hineinzuweben verstand. †
Das Wetter ist niedergegangen,
Die Wolken, die grollend und grau
Ins schwüle Gebirge gehangen,
Sie stillten der Wälder Verlangen,
Gelöst in unendlichen Thau;
Der Himmel ward heiter und blau.
Wohl zittern wie flammend die Lüfte,
Doch kühlet ein Wehen sie lind
Und trägt durch die dampfenden Klüfte
Der Kräuter gewürzige Düfte;
Wo rege die Wipfel noch sind,
Erschauern die Sträucher im Wind.
Breit fluthet der Bach von den Fällen,
Der wirbelnd im Thale noch schwillt;
Rings tausend lebendige Quellen
Enteilen mit murmelnden Wellen:
Der Balsam, der köstliche, quillt,
Der Durst ist in Strömen gestillt.
Kleine Bilder aus der Gegenwart: Zwei unpolitische „Kongresse“. (Mit Illustration S. 497.) Wenn die beiden Versammlungen, welche in den Tagen vom 25. bis 27. beziehungsweise 28. Juni d. J. in Leipzig tagten, überhaupt als „Kongresse“ bezeichnet werden dürfen, so waren es jedenfalls solche, welche den Weltfrieden in keiner Weise zu gefährden vermochten, vielmehr ihre Aufmerksamkeit der Lösung von Aufgaben zuwandten, die mit diplomatischen Problemen durchaus nichts zu thun hatten.
Die eine der Versammlungen, welche sich officiell als „Kongreß“ bezeichnete, tagte in den Räumen der „Centralhalle“, und der große Saal dieses Etablissements bot ein eigenartiges Bild: 170 Tische standen dicht gedrängt neben einander, und an ihnen wetteiferten 680 Personen im edlen Skatspiel. Die „Arbeit“ war sichtlich eine harte und nahm die volle Aufmerksamkeit der Betheiligten in Anspruch; es handelte sich um nicht weniger als 80 Spiele an jedem Tische, und neben der Ehre, sich als gute Skater zu bewähren, standen für die Sieger ansehnliche Preise in verlockender Aussicht. Das Rundbild oben rechts auf unserer Illustration führt drei solche Skater vor, während der Künstler unmittelbar darunter eine Scene aus dem Gedränge giebt, das bei Eröffnung der „heiligen Hallen“ vor dem Eingang zum Turniersaal entstand.
Das „II. Preiskegelfest des Verbandes deutscher Kegelklubs“ bot ein farbigeres Bild: die originellen Kostüme der Kegler mit allerlei humoristischen Aufschriften, die bunten, oft wunderlich verzierten Kopfbedeckungen, wie sie auf dem Mittelbilde unserer Illustration angedeutet sind, boten eine reiche Abwechselung. Das Komité hatte dafür gesorgt, daß es an unterhaltenden Festlichkeiten nicht fehlte, und der Krystall-Palast mit seiner „Alberthalle“ (dem neuerbauten Cirkus), seinem schönen Garten und seinen großen Sälen war für eine frohe Gesellschaft der rechte Ort. Das Interesse für die Festaufführungen wurde durch deren Beziehung zum Kegelsport gehoben, und besonders der von Tänzerinnen des Stadttheaters ausgeführte Kegeltanz fand reichen Beifall. Für das Preiskegeln waren im Zoologischen Garten 9 Bahnen erbaut worden, auf welchen sich gegen 1400 Kegler maßen, deren Eifer durch eine bedeutende Anzahl recht werthvoller Preise erhöht wurde. Mancher gute „Schieber“ warf allerdings statt der beliebten „Neune“ wohl auch eine „Ratte“ und erntete statt des winkenden Preises mehr oder minder verdienten Spott; doch das that der guten Laune keinen Abbruch, und der Verlauf der harmlosen Festlichkeiten war ein im Ganzen befriedigender. **
Weiß: | Schwarz: | Weiß: | Schwarz: | ||
1. | S g 8 – f 6 | L d 7 – c 6 | 1. | … | L d 7 – b 5 |
2. | D c 4 – d 4 : † | K c 5 – d 4 : | 2. | D e 4 – d 4 : † | K c 5 – d 4 : |
3. | T b 6 – b 4 : † | beliebig. | 3. | T b 6 – d 6 : † | beliebig. |
4. | S resp. T setzt matt. | 4. | S resp. T setzt matt. |
Varianten. a) 1. … d 6 – d 5, 2. a 7 !, d 5 – e 4:, 3. S e 4 : † etc. – b) 1. … T d 2 :, 2. D b 7 :, d 4 – d 3, 3. T b 4 : ! etc. – c) 1. … K b 6 :, 2. D b 7 : †, a 5, 3. K a 7 etc. – d) 1. … S e 3 zieht, 2. D d 5 †, K b 6:, 3. S c 4 † etc. – e) 1. … L c 8 (L f 4 :, T h 8 oder T h 6), 2. K a 7, L b 5 (T d 2 :), 3. D d 5 † ! etc. oder falls 2. … L c 6, 3. S d 3 † etc. – Sonstige Züge werden mit 2. K a 7 oder 2. D b 7 : etc. erledigt, außer 1, … b 4 – b 3, worauf nur 2. D b 7 : entscheidet. Ohne weiß B a 2 würde die Aufgabe wege 1. … L e 6 !! unlösbar sein. Eine prachtvolle, meisterhafte Komposition!
Dr. S. in Breslau. Sie haben Recht: Dr. Pasteur in Paris hat kein sonderliches Glück mit seinen Impfungen mit Wuthgift; es ist eine beträchtliche Zahl der von ihm Geimpften an der Tollwuth gestorben. Gleichwohl wird in Paris eine großartige Wuthgiftanstalt begründet. Die Sammlung dafür hat bis jetzt gegen 2 Millionen Franken ergeben und es ist ein Grundstück von 11 000 Quadratmetern für diesen Zweck angekauft worden.
Ameisen. Auf unsere vor Kurzem erlassene Anfrage, wie man am besten Ameisen aus Küche und Zimmer vertreibt, sind uns zahlreiche Antworten zugegangen. Es erhellt aus denselben, daß folgendes Mittel das zuverlässigste sein dürfte: man verschafft sich einen großen Schwamm, wäscht und drückt denselben gehörig aus, läßt ihn trocknen, worauf er seine Zellen weit offen lassen wird. Man streut nun weißen Zucker reichlich auf und in die Zellen des Schwamms und legt letzteren an Orte, die von Ameisen belästigt werden. Die Ameisen sammeln sich auf diesem Schwamme und siedeln sich sogar in demselben an. Den Schwamm wirft man sammt den Ameisen in siedendes Wasser, wäscht ihn von Neuem aus, bestreut ihn wieder mit Zucker und wiederholt das Verfahren. Auf diese Weise wird man der Ameisen in kürzester Zeit Herr, da dieselben so leicht nach Hunderten und Tausenden getödtet werden und ihre Nester an Entvölkerung zu Grunde gehen.
S. H. P. E. Marlitt’s „Goldelse“ erschien im Jahrgang 1866 der „Gartenlaube“.
B. L. in R. Unseres Wissens giebt es nur wenige Fabriken in Deutschland, welche Wolfram und Wolframpräparate liefern; ausschließlich mit der Herstellung derselben beschäftigt sich nur die Fabrik von Theodor Kniesche in Roßwein im Königreich Sachsen, welche täglich 250 Kilogramm zu liefern im Stande ist und dadurch der ausländischen Konkurrenz wirksam die Spitze bietet. Wolfram wird namentlich in der Stahl- und Eisenfabrikation verwendet.
Inhalt: Der lange Holländer. Novelle von Rudolph Lindau (Fortsetzung). S. 485. – Spiritisten und Taschenspieler. S. 491. – Tölz und sein „goldener Ritter“. Mit Illustration S. 493. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 494. – Blätter und Blüthen: Der deutsche Schulverein. Von Friedrich Hofmann. S. 499. – Marcella Sembrich. S. 499. Mit Portrait S. 485. – Die Familie Darner. S. 499. – Nach dem Gewitter. Gedicht von Martin Greif. S. 500. Mit Illustration S. 489. – Kleine Bilder aus der Gegenwart: Zwei unpolitische „Kongresse“. S. 500. Mit Illustration S. 497. – Schach. S. 500. – Auflösung der Schach-Aufgabe auf S. 468. S. 500. – Kleiner Briefkasten. S. 500.
- ↑ Entzückung, Entrückung.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ William Eglinton (1857–1933); Henry Slade (1836–1905)