Die Gartenlaube (1888)/Heft 3

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Verschiedene
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
aus: Vorlage:none
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage: {{{AUFLAGE}}}
Entstehungsdatum: 1888
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: commons
Kurzbeschreibung: {{{KURZBESCHREIBUNG}}}
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[37]
Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt.
Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)

Claudine bog sich lächelnd über die Brustwehr des Thurmes und sah hinab in den Garten, der sich wie ein buntes Schachbrett mit seinen Blumen- und Gemüsebeeten drunten hinbreitete. „Eiapopai!“ sang die kleine Elisabeth. Sie trug ihre Wickelpuppe im rosa Kattunmäntelchen und trabte durch den Mittelweg des Gartens. Heinemann hatte ihr einen Maiblumenstrauß auf das Strohhütchen gesteckt, und Fräulein Lindenmeyer bewachte das kleine, seelenvergnügte Ding von der Laube aus, wo sie für Heinemann Spargelpfeifen pfundweise zusammenband. Der alte Gärtner verkaufte viel Gemüse und Blumen nach der nächsten kleinen Stadt, und der Ertrag gehörte ihm, kraft der testamentarischen Verfügung seiner verstorbenen Herrin.

Er kam eben mit einem Arm voll kleingespaltenen Holzes von den Ruinen her, und drunten durch die offene Glasthür der Wohnstube klang die tiefe Brummstimme der großen Wanduhr herauf und schlug elfmal an – es war Zeit, an den Herd zu treten.

„Arbeit schändet nicht!“ sagte Heinemann bald darauf in der Küche mit einem Seitenblick nach der rußigen Pfanne, welche Claudine auf den Herd stellte. „Nein, ganz und gar nicht, und ein paar Rußfleckchen verschimpfiren feine Finger auch nicht, so wenig wie es an meinen weißen Narcissen kleben bleibt, daß sie aus der schwarzen Erde gekrochen sind. Aber so vom Herzogshofe weg direktement ans Küchenfeuer – just so, als sollten meine schönen Gloxinien auf einmal im Holzstall oder auf dem Hühnerhofe kampiren, ach, die armen Dinger! – Dazu gehört ’was, es würgt mir an der Kehle, wenn ich die Plagerei so mit ansehe … Ja, wenn es noch sein müßte! Aber es muß nicht sein, absolut nicht – das weiß ich besser! … Und Sparen ist auch eine schöne Sache, ei ja! Ich jage ja meine paar Pfennige auch nicht durch die Gurgel, Gott bewahre! Aber alles was recht ist, gnädiges Fräulein!“ Er warf einen schelmischen Blick auf das dünne Butterscheibchen, das Claudine in die Pfanne gelegt hatte, um ein paar Tauben zu braten. „Das ist ja, wie für ’nen Karthäuser!“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, so knapp braucht’s bei uns doch nicht herzugehen, so knapp nicht! … Wir haben mehr, als Sie denken, gnädiges Fräulein!“

Er sagte das Letztere auffallend langsam, mit nachdrücklicher Betonung. Die junge Dame sah mit großen Augen nach ihm hin. „Sie haben wohl einen Schatz gefunden, Heinemann?“ fragte sie lächelnd.

„Je nun, wie man’s nimmt,“ meinte er den Kopf wiegend, und um seine Augenwinkel erschienen zahllose Fältchen, aus denen etwas wie verheimlichtes Glück lachte. „Gold und Silber freilich nicht – du lieber Gott,


„Guck, Guck!“ Nach dem Oelgemälde von Jan van Beers.
Photographie im Verlage von Ad. Braun u. Comp. in Dornach.

[38] blind könnte sich der Mensch in dem Trümmerwerk gucken und fände doch nicht das kleinste Flinkerchen! Nein, damit ist’s nichts! Das ist alles der Mordbrennergesellschaft von dazumal an den Fingern hängen geblieben – haben sie doch gar dem Jesukindchen das bischen Goldsachen von seinem Seidenrock gerissen! – Aber muß es denn gerade ein Spartopf oder so ’was wie Silberkannen oder Abendmahlskelche sein? … Sehen Sie, zum Kloster hat einmal viel Land gehört. Von außen her sind Klosterjungfern eingetreten, die Hab und Gut, meist liegende Gründe, mit eingebracht haben, und das ist alles zu Klosterhöfen gemacht worden. Da hat’s Zehnten an Korn, Federvieh, Honig und Gott weiß was noch, die schwere Menge gegeben, und die Klosterhöfe sind gut bewirthschaftet worden. Dazumal ist hier in dem Trümmerwerk Milch und Honig geflossen, wie im Lande Kanaan, und sollen es die Nonnen gar gut verstanden haben, aus den schönen Sachen genug bare Batzen zu schlagen. Gar manchmal haben da die Frachtwagen vor dem Kloster gestanden und Fässer und Kisten in die Welt ’nausgefahren … Ja, dumm sind die Frauenzimmerchen von dazumal nicht gewesen, dumm gar nicht! – Heide, Himbeeren und Heidelbeeren, das beste Bienenfutter, hat’s hier und auf den Klosterhöfen genug und übergenug gegeben, und da haben sie eine Bienenzucht gehabt, wie in unserer Zeit kaum die großen Güter in Ungarn. Na ja – und da bin ich gestern Abend unten im Keller; ich hatte schon lange ein paar wackelige Steine an der Mauer gesehen; aber im Frühjahr giebt’s immer viel zu thun, und dazu kam die Räumerei und das Reinmachen im oberen Stockwerk, und da verschob ich die Flickerei von einem Tag zu dem anderen. Gestern aber dachte ich doch, ich müßte mich schämen, und Sie hielten mich für einen liederlichen Hausverwalter, wenn Sie das sähen, und da hole ich mir gleich Kelle und Mörtelgelte. Wie ich aber den ersten wackeligen Stein anfasse, Herr meines Lebens, da wird es doch ordentlich lebendig unter meinen Fingern! Es rückt und wankt – kein Wunder, ist’s doch auch nur in der Angst und Flucht gemacht gewesen – und ehe ich mich recht versehe, ist das liederliche Mauerwerk zusammengeprasselt, und ich gucke in ein mannshohes Höhlenloch – ja, in ein Gewölbe, von dem kein Erdenmensch mehr ’was gewußt hat! Und was war drin? – Wachs!“

Er hielt einen Augenblick inne, als schwelge er noch in der Erinnerung an den Fund. „Ja, Wachs, schönes, reines, gelbes Wachs,“ wiederholte er, jedes Wort schwer betonend, „Scheibe an Scheibe, ein ganzer, sommertrockener Keller voll, der gerade unter dem Thurm liegt!“ Er schüttelte den Kopf. „Die reine Wundergeschichte! – Ich alter Kerl lese noch für mein Leben gern so Zaubermärchen, wie ‚Tausend und eine Nacht‘, und da ist mir doch seit gestern zu Muthe, als hätte ich selber in so einen Berg Sesam geguckt; denn was da unten liegt, das ist auch so gut wie ein Kasten voll Baargeld. – Die Nonnen müssen lange Jahre d’ran gesammelt und gespart haben, lange Jahre! Es sind viele, viele Centner – und sie haben wohl am besten gewußt, was die ganze Pastete werth ist; sonst hätten sie nicht zugemauert, ehe sie auf und davon sind! Und weiß ich’s denn nicht auch? Bin ja selbst Bienenvater und verkaufe, was das fleißige Völkchen in meine Stöcke schleppt.“

Claudine hatte das Küchengeräth in ihrer Hand unwillkürlich beiseite gestellt und folgte sichtlich gespannt der lebendigen Schilderung. Ueber das gute, breite, brave Gesicht des alten Mannes huschten Freude, Stolz auf die Entdeckung und Schelmerei wie in wechselnden Lichtern. „Ja, ja, so ein paar tausend Thälerchen sind’s ganz gewiß!“ sagte er nach einem tiefen Athemholen mit lustigem Augenblinzeln. „Hm, so ein bischen Heirathsgut, das die Nonnenseelchen, die ja noch umgehen sollen, ganz extra für unser gnädiges Fräulein behütet und aufgehoben haben.“

Die schöne Hofdame mußte lachen. „Ich glaube nicht, daß wir uns den Fund so ohne Weiteres aneignen dürfen, Heinemann“, sagte sie dann ernst und kopfschüttelnd. „Die vorherigen Besitzer haben ohne Zweifel dieselben Rechte.“

Der alte Gärtner sah plötzlich ganz betreten und erschrocken drein. „I, die werden doch nicht –?“ meinte er mit stockendem Athem. „Na, weiß Gott, das wär’ doch Sünd’ und Schande! Der Neuhäuser da drüben, dem fürstliches Hab und Gut nur so in die Tasche gefallen ist, der müßte sich ja doch eher alle zehn Finger abbeißen, als daß er sich an dem bischen Armuth vergriffe! … Freilich“ – er zuckte die Achseln mit niedergeschlagener Miene – „wer kann’s wissen! So manche von den Herren können nie genug kriegen; das erlebt man alle Tage, und da kann’s immer sein, daß der Herr Baron die Hand hinhält und nicht ‚Nein‘ sagt, wenn’s zum Treffen kommt. O je“ – er kratzte sich voll Aerger hinter dem Ohr – „da hätt’ ich auch eher an des Himmels Einsturz gedacht, als daß uns die von Neuhaus noch ein Querholz zwischen die Füße werfen könnten! – Da heißt’s nun abwarten und zusehen, wie Einem vielleicht die Butter vom Brote genommen wird.“ Er seufzte und ging nach der Thür. „Aber ansehen müssen Sie sich die Geschichte doch einmal, gnädiges Fräulein! Ich gehe jetzt hinunter und räume die letzten paar Steine weg, die noch im Wege liegen – muß auch erst einmal probiren, ob auch über dem Kopfe Alles in Ordnung ist, damit kein Unglück passirt – und nachher kann’s losgehen!“

Bald darauf stieg Claudine in seiner und ihres Bruders Begleitung in den Keller hinab.

Es war ein schönes, kühles, trockenes Gewölbe, auf welches der Schein der Laterne in Heinemann’s Hand fiel. – Ja, das waren noch Mauern aus jener Zeit, wo das Bauen kein großes Loch in den adeligen Säckel riß, wo der Bauer im Frohndienst das Baumaterial aus den Steinbrüchen und Kalkgruben herbeischleppen mußte – glatte, festgefügte, klafterdicke Mauern, die keine Spur von Erdenfeuchtigkeit durchdringen ließen. Da war es freilich kein Wunder, daß die Wachsschätze der Nonnen noch so da lagen, wie sie die längstzerstäubten Hände aufgeschichtet. … Ja, da reihte sich Scheibe an Scheibe, die Rinde wohl altersbräunlich gefärbt, aber an der Bruchfläche noch so schön gelb und frisch, wie eben aus dem Schmelz- und Reinigungsproceß hervorgegangen.

„So gut wie gemünztes Gold!“ sagte Heinemann, mit ausgestrecktem Arm über die rings an den Wänden aufgestapelten Wachsscheiben hinzeigend. „Und das Alles haben die kleinen Dinger in gelben Höschen zusammengeschleppt.“

„Und die Kelche, aus denen sie den Blüthenstaub geholt, haben vor Jahrhunderten geblüht,“ ergänzte Herr von Gerold bewegt. „Hätte ich über den Fund zu verfügen, so dürfte mir kein Finger daran rühren.“

„Ei bei Leibe!“ protestirte der alte Gärtner ganz erschrocken.

„Wenn auch kein Griffel irgend welche Gedankenzeichen auf den Scheiben verewigt hat, wie wir sie auf den Wachstäfelchen der Alten finden, so spricht doch hier ein ganzes Stück eingefangenen Klosterlebens zu uns,“ setzte Herr von Gerold hinzu, achtlos über den Einwurf hinweggehend. „Was mag wohl durch die Seelen der Klosterfrauen gegangen sein, während ihre fleißigen Hände das, was die summenden Honigträgerinnen von draußen aus der blühenden, sündhaft schönen Welt über die Mauern getragen, in die Form gebracht haben, wie sie hier vor uns liegt! An was mögen sie gedacht haben –“

„Mit Erlaubniß, gnädiger Herr, das kann ich Ihnen ganz genau sagen – an die vielen Batzen haben sie gedacht, die drin stecken, an sonst nichts!“ entgegnete Heinemann in ehrerbietigem, treuherzigem Ton, aber so verschmitzt blinzelnd, daß Herr von Gerold lachen mußte. „In den Klöstern sind sie zu allen Zeiten auf das Zusammenscharren versessen gewesen; man muß das nur in den alten Schriften lesen, da steht’s haarklein, was für lange Fingerchen die frommen Jungfern nach allem gemacht haben, was sich irgend hat erwischen lassen. Den letzten Sparpfennig und das letzte Aeckerchen haben sie sich für ihr Beten von den armen Seelen verschreiben lassen, die mit Angst und Zähneklappern aus der Welt gegangen sind. Es ist dazumal nicht anders gewesen, als heute noch – der Mensch nimmt’s, wo er’s kriegen kann – na, dafür ist er eben auch nur eine Erdenkreatur, und der soll noch geboren werden, der die Engelsflügel schon in unser Zeitliches mitbringt. Nur sollten sich die guten Leute nicht so mausig machen und dabei thun, als wollten sie dem lieben Gott die Füße abbeißen und hätten nichts als die pure Heiligkeit und Gottseligkeit auch inwendig.“

Er ließ das Licht seiner Laterne über alle Wände hinspielen. „Was das für ein schöner Keller ist! Da ist auch nicht eine Spur von der Feuersbrunst zu sehen, die doch sonst überall so fürchterlich gehaust hat. Den Keller können wir brauchen, gnädiges Fräulein. Alles andere Unterirdische ist ja total verschüttet, bis auf das klägliche Winkelchen da“ – er zeigte nach dem anstoßenden kleinen Kellerraum unter dem Wohnhause – „wo kaum Platz für [39] unsere paar Kartoffeln ist. Und deshalb muß die Pastete ’raus, gnädiges Fräulein, muß so bald wie möglich an die Luft!“

„Das geht nicht, lieber Heinemann,“ entschied Claudine. „Der Fund muß unberührt an Ort und Stelle bleiben, bis die von Neuhaus einen Einblick gehabt haben. – Willst Du an Lothar schreiben?“ wandte sie sich an ihren Bruder.

„Ich?!“ rief er mit einer Art komischen Entsetzens aus. „Liebes Herz, alles was Du willst – nur das nicht! Du weißt –“

„Ja, ich weiß,“ sagte sie lächelnd. „Und ich mag mit dem Herrn Baron auf Neuhaus auch nichts zu schaffen haben … Ich werde die Angelegenheit in Beatens Hände legen. Mag sie selbst kommen oder einen Bevollmächtigten schicken.“

Herr von Gerold nickte. „Schaden kann es nicht, wenn die in Neuhaus benachrichtigt werden,“ sagte er. „Die Welt ist schlimm; man wird von dem Funde hören, ihn vielleicht verzehnfachen und schließlich von Verheimlichung und dergleichen munkeln. Auf mein Schwesterchen darf aber kein solcher Schatten fallen. Lothar wird übrigens denken wie ich. Der Wachsschatz der Nonnen ist längst herrenloses Gut geworden und gehört dem, auf dessen Grund und Boden er gefunden wird – notabene, nach römischem und gemeinem Recht nur zur Hälfte; denn der andere Theil steht demjenigen zu, der den Schatz zufällig findet, und das ist unser Heinemann.“

Der alte Gärtner prallte zurück und streckte so erschrocken abwehrend die Hände aus, als solle er geschlagen werden. „Mir altem Kerl? Mir fiele die Hälfte zu von dem, was auf Geroldschem Grund und Boden liegt? I, das wäre ja eine schöne Mode! Was kann ich denn dafür, wenn die wackligen Steine aus der Mauer fallen? Ist da etwa ein Verdienst dabei? Und brauche ich vielleicht den Mammon?“ Er schüttelte energisch den Kopf. „Ich habe genug und übergenug zu leben bis an mein seliges Ende – Sorgen kenne ich nicht, und das verdanke ich meiner seligen gnädigen Frau … Nein, damit dürfen Sie mir nicht kommen, gnädiger Herr, damit nicht! … Nicht ein Bröckchen, nicht so viel, daß man einen Zwirnsfaden damit wichsen kann, nehme ich von dem Zeug da! – Aber ich sage nun auch, gut ist’s, gleich vor die rechte Schmiede zu gehen. Mag doch Einer herüberkommen und die Nase hineinstecken, da giebt’s nachher kein dummes Gerede!“




Am Nachmittag des anderen Tages schritt Claudine durch den Wald nach dem Neuhäuser Geroldshofe. Sie wollte selbst mit Beate sprechen. Sie hatte den schmalen Fußweg gewählt, der nach verschiedenen Krümmungen auf die breite, in der Nähe des Altensteiner Geroldshofes von der Chaussee abzweigende Fahrstraße mündete.

Es war ein beträchtliches Stück Weges, das sie zurücklegen mußte; aber sie ging auf weichem Moos und Gräsern wie auf Sammet, und über ihr dunkelte das festverwachsene, von kräftigem Grün strotzende Geäst der Baumriesen. Sie selbst, der schöne Schwan der Gerold’s, wie ihr Bruder sie zärtlich und enthusiastisch nannte, wandelte in ihrem hellen Sommerkleid, mit dem weißen Strohhut über der Stirn, wie ein Lichtschein durch das köstlich kühle, grüne Dämmern, das sie umfing, bis sie die Fahrstraße betrat. Von da ging es ganz allmählich bergauf in lichter werdendem Gehölz, dann an Kleeäckern und Kornbreiten vorüber, durch das ganze, weithingebreitete, segentriefende Mustergelände.

Unwillkürlich bückte sie sich, um eine Handvoll Butterblumen zu pflücken, die wie Goldaugen aus dem fetten Wiesengrase leuchteten. – Nicht lange, da blinkten auch die Fensterreihen des Gutshauses auf. Es lag auf einer sanften Bodenerhebung; kurzgehalten, sammetartig legte sich der Rasen über die Abhänge; hier war er lediglich Schmuck und nicht der Oekonomie dienstbar.

Claudine stieg einen der schmalen Wege hinauf, die den Rasen durchschnitten. Sie ging mit gesenkter Stirn und sah erst auf, als sie den Kies unter den Linden an der Westseite des Hauses betrat; und da schrak sie zusammen und hielt einen Moment unangenehm betroffen und unschlüssig den Schritt an – Neuhaus hatte Gäste.

Eine Dame, die offenbar promenirend im Lindenschatten auf- und abgegangen war, trat ihr entgegen, eine stattliche Erscheinung mit sehr weißem Gesicht und südlich flammenden, dunklen Augen. Ihre elegante, grauseidene Schleppe fegte den Kies, und in dem Kamme der ihre vollen Haarsträhne hoch auf dem Scheitel zusammenhielt, blitzten bei jeder Wendung farbige Steine auf. Sie trug ein Kind auf dem Arme, ein hageres, gelbes Geschöpfchen in weißem Tragkleid, dessen Spitzenkanten nahezu den Boden streiften.

Claudinens Blick hing wie festgebannt an dem Kindergesichtchen. Sie kannte diese großen, funkelnden Beerenaugen, das gebogene Näschen über den starkgeschwellten Lippen, die niedere Stirn, auf welcher sich die dicken, schwarzen, feuchtglänzenden Haare so eigenwillig aufsträubten – das war der Gesichtstypus der Seitenlinie des herzoglichen Hauses.

„Will haben!“ stammelte die Kleine und reichte verlangend nach den Butterblumen in Claudinens Hand.

Die junge Dame wollte ihr freundlich lächelnd den Strauß in das ausgestreckte Händchen drücken; aber die Trägerin des Kindes wich so rasch zurück, als sei die beabsichtigte Berührung ansteckend. „O bitte – nicht! Ich kann das nicht erlauben!“ protestirte sie, und ihr Blick streifte hochmüthig den einfachen Anzug der jungen Dame. Diese Frau hatte etwas entschieden Feindseliges in ihren brennenden Augen.

Bei dieser Weigerung erhob das Kind ein ohrzerreißendes Geschrei.

Im gleichen Augenblick bog ein Herr um die Hausecke. „Weshalb schreit denn die Kleine so häßlich?“ rief er, rasch näherkommend, mit hörbarem Unwillen.

Claudine nahm unwillkürlich die kühl ablehnende Haltung an, die ihr am Hofe Schild und Panzer gewesen war. – Baron Lothar war nach Deutschland zurückgekehrt, und das kleine, eigensinnige Mädchen da war sein Kind.

„Will haben!“ wiederholte die Kleine in ihr Geschrei hinein und zeigte nach den Blumen.

Baron Lothar drohte ihr ernst mit dem Finger, worauf sie scheu verstummte. Eine jähe Gluth war in sein bärtiges Gesicht geschossen, und aus seinen Augen fuhr ein Blitz über die ernstruhige Erscheinung der ehemaligen Hofdame. Nichtsdestoweniger verbeugte er sich tief und ritterlich vor ihr.

„Kind,“ sagte er spöttisch lächelnd zu der Kleinen, während er ihr mit seinem Taschentuch die Thränen von dem hageren Gesichtchen wischte, „wer wird Blumen begehren, die Andere pflücken! Und weißt Du nicht, daß Frauenhand da am liebsten verweigert, wo gewünscht wird?“

Claudine sah ihm, diesem verzogenen, vergötterten Liebling aller Damen, mit ungläubigem Erstaunen in das Gesicht; aber sie blieb seiner scharfen Bemerkung gegenüber vollkommen unbefangen. „Durch mich soll das Kindchen da diese erste schlimme Erfahrung gewiß nicht machen,“ entgegnete sie sanft gelassen. „Auch habe ich kaum ein Recht an diesen Blumen – sie sind auf Ihrer Wiese gewachsen … Erlauben Sie jetzt –?“ wandte sie sich an die Trägerin des kleinen Mädchens.

Baron Lothar drehte sich rasch um und fixirte die stattliche Dame mit einem zornig erstaunten Blicke. „Jetzt?“ wiederholte er. „Wie so?“ –

„Ich fürchtete, Leonie möchte die Blumen in den Mund stecken,“ antwortete die Dame stockend. Verlegenheit und Aerger stritten in ihrer Stimme.

Er verzog die Lippen in verletzender Geringschätzung. „Und die Wiesenblumen, die unbarmherzig zerzupft dort massenhaft neben dem Kinderwagen und auf seinen Decken liegen, wer hat ihr die gegeben, Frau von Berg?“

Die Dame schwieg und wandte den Kopf.

Claudine beeilte sich, dem Kind den Strauß hinzureichen; denn die Scene wurde peinlich. In demselben Augenblick waren aber auch die zwei kleinen Fäuste dabei, die armen, gelben Dinger in Atome zu zerzupfen. Claudine musste unwillkürlich an die Mutter des Kindes, die Prinzessin Katharina, denken, von der man sich erzählte, daß sie in der ersten Zeit ihrer verschwiegenen Liebe alle vielblätterigen Blumen mit leidenschaftlicher Angst bei dem gemurmelten „Er liebt mich u.s.w.“ zerzupft habe – die schönste Rose am Stock, selbst die Blüthen im Treibhause sollten vor ihr nicht sicher gewesen sein.

Baron Lothar dachte vielleicht Aehnliches. Er sah mit gerunzelten Brauen auf die kleinen Vandalenhände und zuckte die [40] Achseln. „Ich möchte Sie übrigens bitten, die Kleine wieder in gestreckte Lage zu bringen,“ sagte er zu Frau von Berg. „Sie sitzt jedenfalls schon zu lange und ist ermüdet – man sieht es an der Krümmung des Rückens.“

Die Dame rauschte mit zurückgeworfenem Kopfe nach dem Kinderwagen, während sich Claudine verabschiedend vor dem Herrn des Hauses neigte; allein er blieb an ihrer Seite.

Beim Umbiegen um die Hausecke kam ihnen ein leichter Zugwind entgegen; er erregte ein leises Blätterrauschen in den Lindenkronen über ihnen.

„Wie es geheimnißvoll raunt da oben!“ sagte Baron Lothar. „Wissen Sie auch, von was die alten Bäume flüstern? Von den Montecchi und Capuletti des Paulinenthales.“

Die junge Dame lächelte kalt. „Im Mädcheninstitut besinnt man sich selten auf den Familienzwist daheim,“ entgegnete sie gelassen. „Man hat sich gern und fragt nicht, ob man auch darf; und wenn ich heute den von den Meinen gemiedenen Boden betrete, so gilt es eben auch nur der Pensionsschwester. Ich war schon einmal während meiner letzten Institutsferien in Neuhaus – die alten, schönen Bäume kennen mich.“

Er verbeugte sich schweigend und ging weiter und sie betrat den Hausflur. Sie brauchte nicht nach Beate zu fragen; hinter der nächsten Thüre, die zu einem nach der Hofseite liegenden Gelaß führen mochte, klang in energischer Weise die gebieterische Stimme der „Pensionsschwester“.

„Geh, sperre dich nicht, kindisches Ding!“ schalt sie drin. „Ich habe keine Zeit zu vertrödeln – die Hand her!“ Eine momentane Pause. „Sieh, sieh, wie schön die Schnittwunde heilt! Nun können wir auch den Nähfaden wieder herausziehen!“ Der leise Aufschrei einer jugendlichen Stimme erfolgte, dann war es still.

Claudine öffnete geräuschlos die Thüre. Dicker Plättdunst quoll ihr entgegen. An einer langen Tafel standen drei weibliche Personen und bügelten im Schweiß ihres Angesichts, während Beate am Fenster einer jungen Magd die Binde wieder um die verletzte Hand wickelte.

Sie sah die Eingetretene nicht, wohl aber fuhr ihr scharfer Blick sofort von der geknüpften Verbandschleife über den Plätttisch hin. „Luise, Naseweis, was machst Du denn da?“ rief sie mit mißtrauischem Augenblinzeln. „Herrgott, meine allerbeste Kragengarnitur unter den unglücklichen Fäusten! Hör ’mal, das ist mehr als dreist von solch einem Kiekindiewelt wie Du bist!“ Sie nahm dem Mädchen die Stickerei weg, besprengte sie mit Wasser und rollte sie zusammen. „Ich werde das Unheil später selbst gut machen,“ sagte sie zu den Anderen, auf das kleine Bündel deutend; dabei ging sie nach der Thür und stand überrascht vor Claudine; und das war wirkliche, herzliche Freude, die sich plötzlich verklärend über ihre strengen Züge verbreitete. „Heißes Wasser in die Kaffeemaschine!“ befahl sie kurz und bündig in die Plättstube zurück, legte ihren Arm um die Schultern der jungen Dame und führte sie in die Wohnstube, in das schöne, weite Eckzimmer mit seinen tiefgebräunten, altmodischen Mahagonimöbeln, seinen weißen, tannenen Dielen und den zierlich gefältelten Vorhangbogen. So hatte die Stube schon ausgesehen, ehe noch Lothar und Beate geboren, schon zur Zeit, da noch das Erbspinnrad mit dem „flinkernden Wockenband“ am Fenster geschnurrt.

Vor den drei Fenstern an der Südseite waren die Rollvorhänge niedergelassen; die zwei nach Osten sehenden dagegen brauchten keinen Schutz gegen das grelle Nachmittagslicht. Da dunkelten die Linden, und unter ihrem herrlichen, undurchdringlichen Schirmdach hinweg sah man ungeblendet hinaus in das blühende, sonnenglänzende Land.

„Nun mache Dir’s bequem, alter, lieber Pensionskamerad!“ sagte Beate und führte die Angekommene zum Niedersitzen an eines dieser Fenster. Sie nahm ihr den Hut ab und strich leicht mit der Hand über die köstliche Haarfülle, die, zwanglos zu einem Knoten verschlungen, den Halt unter dem Hut ziemlich eingebüßt hatte. „Da ist’s ja noch, was wir Alle so gern hatten, das wellige Gelock über der Stirn und im Nacken! Falsche Wülste trägst Du auch nicht, und dem ‚Goldschnitt‘ hat der Hoffriseur mit seinem Brenneisen auch nichts anhaben können – na, Du kommst ja ziemlich heil aus – dem Babel!“

Claudine lächelte leise und setzte sich an Beate’s Nähtisch. Da lag neben feiner Flickwäsche, sauber eingebunden, Scheffel’s „Ekkehard“.

„Ja, siehst Du, Schatz,“ sagte Beate, die Verschiedenes zusammentrug, um den Kaffeetisch herzurichten, mit einem Blick auf das Buch gleichsam entschuldigend, „ein Menschenwesen wie ich, das täglich wie ein Gendarm hinter Trägheit und Indolenz her und dabei selbst meist ein richtiger Arbeitsbär sein muß, hält dann auch um so zäher auf seine seltene, schöne Erholungsstunde, und für den Zweck trage ich mir nach und nach das Beste, was die neuere Litteratur hat, in meinem Lesewinkel zusammen.“

Dabei räumte sie das Buch und die Flickwäsche in den Nähkorb und legte eine Serviette auf den Tisch; dann brachte sie die Zuckerdose, ein altmodisches, lackirtes Blechkästchen mit festem Verschluß. Sie schloß es auf und machte ein ärgerliches Gesicht. „Nun ja, da hat man’s! Ein Wunder ist’s freilich nicht bei dem D’runter und D’rüber! – Wirthschaftszucker in der guten Dose! Das ist mir auch noch nicht passirt! Aber Lothar hat mir auch einen Streich gespielt, einen Streich –! Da schreibt mir der Mann als Antwort auf meinen Brief, worin ich ihm den Ankauf Eures Silbers anzeige, er käme nun auch selber zurück. Ich denke mir, frühestens im Juli, und lasse mir Zeit, und da schneit er mir vorgestern mit Sack und Pack direkt in unsere große Wäsche hinein! Es war schrecklich! Ich hatte meine ganze Fassung nöthig; denn die Mamsell verlor vollständig den Kopf und machte eine Dummheit über die andere.“

Sie brannte den Spiritus unter der hereingebrachten Kaffeemaschine an und zerschnitt ein Stück Kuchen in kleine Streifen; Claudine mußte dabei denken, wie vortheilhaft sich doch diese hohe, kräftige Gestalt in der weiten, weißen Schürze und dem sauberen Leinenstreifen um Hals und Handgelenk in ihrer Rolle als Hausfrau präsentirte. Ihre Sicherheit war geradezu imponirend und himmelweit verschieden von dem linkischen, verletzenden Thun und Wesen, das sich neulich auf dem Altensteiner Geroldshofe so unliebsam geltend gemacht hatte an „dem barbarischen Frauenzimmer“.

„Lothar allein hätte uns nicht in Verlegenheit gebracht,“ fuhr sie fort, nachdem sie auch ein Körbchen voll Früherdbeeren aus dem Wandschrank genommen hatte, „wenn er auch sehr verwöhnt ist; aber dieser Menschentroß, den er mit sich schleppen muß –! Da ist die Frau von Berg, ihre Jungfer, eine Kinderfrau und verschiedenes männliches Dienstpersonal – sie Alle wollten untergebracht sein. Und das Kind, das Kind! Solch ein armseliges Würmchen hat auch noch nie die Neuhäuser Wände angeschrieen – nein, noch nie! – Himmel, das sollte der selige Ulrich Gerold, mein strammer Großpapa, sehen! Der würde Augen machen! ‚Piepsige Brut‘ war ihm solch’ kleines Volk ohne Blut und Knochen. Das Kind tritt ja absolut nicht auf seine dünnen Beinchen und ist doch nahezu zwei Jahre alt. Bäder von wildem Thymian und unverfälschte Milch würden dem armen Wurm gut thun; aber an das komplicirte Ernährungsprogramm der Frau von Berg darf ja Unsereins nicht rühren – sie ist unfehlbar wie der Papst. Lothar’s Schwiegermutter, die alte Prinzessin Thekla, hat sie als Pflegerin für das Enkelchen engagirt und thut förmlich verliebt in die dicke, verdrehte Person, die mir so unsympathisch wie möglich ist.“

Sie zuckte die Achseln, goß den fertigen Kaffee in die Tassen und setzte sich an den Tisch. Und nun konnte Claudine ihren Vortrag beginnen.

Beate verrührte den Zucker in ihrer Tasse und hörte schweigend zu; bei der Pointe aber, dem Fund, sah sie empor und lachte überrascht auf. „Was – Wachs? Und ich sah schon im Geiste, wie Dein alter Heinemann eine ganze Truhe voll Monstranzen und Gott weiß was für andere Kostbarkeiten ausräumte! – Wachs! Sieh, sieh, Ben Akiba hat doch nicht Recht – das ist neu! – Und diese Klosterfrauen! Nach den Lyrikern sind sie meistens weiße Rosen, die blaß und verhärmt durch das Fenstergitter in das verpönte schöne Weltleben hinausschmachten.“ Sie lachte. „Dazu haben die Walpurgisnonnen sicher keine Zeit gefunden – das müssen ja die reinen Wirthschafts- und Sparteufelchen gewesen sein! … Nach unserem alten Hausbuch sind ja auch zwei Gerold’s unter den verjagten Nonnen gewesen. Wer weiß, ob nicht gerade sie mit Schurzfell und Mauerkelle in den Keller hinuntergestiegen sind, um den Rebellen die Beute

[41]

Bismarck im Thiergarten.
Originalzeichung von F. Wittig.

[42] vor der Nase wegzuschließen! Wer weiß, ich hätt’s auch so gemacht.“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Eine wunderliche Geschichte! Und fast ebenso verwunderlich ist’s, daß jetzt die grundehrliche Haut da vor mir sitzt und in ernsthaftester Weise den Fund, Scheibe um Scheibe, wohlgezählt, mit uns theilen will!“ Ein hübscher Zug von Humor ging durch ihr geradliniges ernstes Gesicht. „Ei nun ja, Wachs kann man immer brauchen, und sei es auch nur, um ein Bettinlet zu wichsen oder einen Nähfaden glatt und haltbarer zu machen. Aber darin bin ich nicht die höchste Instanz, lieber Schatz! Das mußt Du mit Lothar besprechen.“

Damit stand sie auf und ging hinaus.

Claudine machte keine Bewegung, sie zurückzuhalten. War ihr auch eine weitere Begegnung mit „dem Herrn Baron auf Neuhaus“ nicht erwünscht, so mußte sie sich doch sagen, daß damit die Sache sofort erledigt würde, und deshalb erhob sie sich ruhig, als sie nach längerem Warten seine Schritte in dem Hausflur hörte.


(Fortsetzung folgt.)




Jagdleben im Hochland.
Geschildert von Ludwig Ganghofer.
„Auf der Hütten.“[1]

Das war ein Tag gewesen – so einer von den richtigen Grobwettertagen. Am frühen Morgen schon, als ich mit dem Förster zur Gemsbirsch ausgezogen, hatte uns der Himmel ein bedenkliches Gesicht geschnitten. „Heut’ giebt’s noch ’was! Ich mein’, wir bleibeten g’scheiter daheim auf der Hütten!“ hatte der Förster ein- um das andremal gebrummt. Aber mein Jagdeifer hatte mir die Ohren taub gemacht für diese Warnung. „Ah was – so g’fährlich schaut’s net aus!“ Mit diesen Worten hatte ich die Büchse über die Schulter geworfen und war hinausgetreten unter den mit schwerem Gewölk behangenen Himmel. Brummend war der Förster hinter mir hergetrabt, hatte eine dicke Rauchwolke schief unter seinem grauen Schnurrbart hervorgepafft und geknurrt: „Natürlich – da muß man gamsjaagern – bei so ei’m Wetter, wo der Wind umeinanderfahrt wie a Maus im leeren Mehlsack. Aber g’rad freuen thät’s mich, wenn’s uns heut’ noch recht g’hörig waschen möcht’.“

Er sollte auf diese Freude nicht lange warten müssen. Denn als wir nach erfolgloser Birsche die Grenze des Jagdbezirkes erreicht hatten, da war’s über uns losgebrochen, „als hätt’s der Peterl g’rad schafflweis zum abagießen.“ Da hatte kein Wettermantel, kein Unterstehen mehr gefruchtet. Nach wenigen Minuten waren wir durchnäßt bis auf die Haut. Mit der richtigen Nässe war uns aber auch der richtige Jägerhumor wieder gekommen; unter Lachen und Plaudern waren wir bei strömendem Regen den zwei Stunden weiten Weg zur Hütte heimwärts gestapft und hatten es kaum beachtet, wie das Wasser in völligen Bächen von uns niederrann, und wie jeder Schritt einen ordentlichen Springbrunnen aus unseren glitschenden, patschenden Schuhen trieb.

Mit lachendem Gruße hatte uns der Jagdgehilfe unter der Hüttenthür empfangen. Wie Pudel, die aus dem Wasser gestiegen, hatten wir die gröbste Nässe von uns geschüttelt und waren in die kleine, trauliche Jägerstube getreten, in welcher der Jagdgehilfe in Voraussicht des Zustandes, in dem wir heimkehren würden, ein tüchtiges Feuer angeschürt hatte.

Und nun, ein halbes Stündchen später, saßen wir in trockenen Kleidern, rauchend und plaudernd auf der Holzbank vor der Hütte und schauten, im Schutze des weitvorspringenden Daches, hinaus in das rastlose Strömen und Gießen. Uns zu Füßen senkte sich der waldige Berghang nieder ins Thal, das von dichten wirbelnden Nebeln erfüllt war, welche nur ab und zu einen flüchtigen Ausblick über die weit zerstreuten Häuser des tiefliegenden Dorfes gewährten. Jenseit des Thales bauten sich steile Berge empor über das Nebelmeer, aber ihre Kuppen verschwanden wieder in dem höheren Gewölk, und die farbige Zeichnung ihrer Gehänge schien von dem strömenden Regen wie von einem dichten Schleier überbreitet. Keuchende Windstöße rüttelten die triefenden Tannen und peitschten den Regen, der mit klatschendem Knattern über das Schindeldach der Hütte fiel. Von unferne tönte das dumpfe Rauschen eines Sturzbaches, und dicht vor unseren Füßen plätscherten die hundert Wasserfäden der Dachtraufe über das verwaschene Gestein. Dazu klang durch die offenen Hüttenfenster das Prasseln und Knistern des Feuers, über welchem das Wasser im eisernen Fleischtopf brodelte, und wir hörten die hin- und wiedereilenden Schritte des Jagdgehilfen, hörten das Klappern der Pfanne, mit deren Hilfe er für unseren Jägerhunger seine primitive Kochkunst bethätigte, während er halblaut eine volksthümliche Weise pfiff.

All dieses Hören und Sehen, die gemüthliche Rast nach dem ermüdenden Marsche, das trockene Plätzchen inmitten dieses Strömens und Gießens: das alles machte eine so behagliche Stimmung. Und diese Stimmung mochte mir der Förster wohl vom Gesichte lesen, denn er lachte mich an und sagte: „Gelten’s, nach so ei’m Marsch und bei so ei’m Wetter, da thut Ei’m d’ Hütten wohl.“ Mit vergnüglichem Schmunzeln nickte er vor sich hin, zog an der Pfeife, blies ein dünnes Wölklein in die Luft und plauderte weiter: „Ja, ich sag’s allweil – die Jaager von heut’, die wissen’s gar net, wie schön als sie’s haben. Wann ich dagegen so z’ruckdenk’ an mein’ eigene G’hilfenzeit, vor a dreiß’g a vierzig Jahr’ – no, Sie – da hat fein a ganze, richtige Lieb’ zur Jaagerei g’hört, sonst hätt Ei’m d’ Lust vergehn können vor lauter Müh’ und Plag’. Jeden g’schlagenen Morgen vor der Tagslichten in d’ Höh’ und ’nauf am Berg a vier, a fünf und sechs Stund’ weit – und nachher auf d’ Nacht wieder heim bis ins Ort. Denn in die Sennhütten unterschliefen, das is auch net ei’m Jeden sein Gusto g’wesen – und a jede Sennerin war auch net darnach, daß sich a Jaager mit ihr hätt’ verhalten mögen. Höchstens, daß man auf an Schmarren oder a Milchsuppen zusprechen hat können. Aber wenn kein Kaaser weit und breit net g’wesen is, oder wenn d’ Sennhütten leer g’standen sind, nachher hat’s g’heißen, von in der Fruh bis auf d’ Nacht umeinanderschieben, ohne an warmen Bissen im Magen. Und mit die Lumpen! Was hat man da erst für a Metten g’habt! Natürlich, die Tropfen, die eiskalten, die haben das auch vermerkt und ausg’nutzt, daß der Jaager dengerst amal heim hat müssen zum Essen und Schlafen. Allbot hast da an Schuß hören können – aber natürlich, bis der Jaager amal zum Zeug’ kommen is, derzeit war der Lump schon lang über alle Berg’! Und Mon’schein wann g’wesen is – da hat Einer gleich Tag und Nacht nimmer heim dürfen. Wo man auf’n Abend ’gangen oder g’standen is, da hat man sich hing’legt und hat sich in sein’ Wettermantel g’wickelt. Und am allerfleißigsten hat Einer bei’m groben Wetter auf die Füß’ sein dürfen – g’wiß wahr – das is Ei’m gar nix Seltsams net g’wesen, daß man an ei’m und demselbigen Tag a drei a viermal naß und trocken ’worden is bis auf’n letzten Faden. Und Sie – so ’was nimmt fein an Menschen her!“

Bei diesen Worten schnitt der Förster ein schiefes Gesicht, klemmte die Pfeife zwischen die Zähne und fuhr sich mit beiden Händen unter prüfenden Griffen über die Beine.

Dann hub er wieder zu plaudern an und begann im Gegensatz zur „alten Zeit“ das Lob der neuen zu singen.

„G’wiß wahr, seit in die letzten fufzehn Jahr ein Schutzhäusl und Jaagerhüttl um’s andere ’baut wird, derzeit is auch von Jahr zu Jahr mit die Lumpen besser worden. Natürlich, ganz aufhören thut so ’was nie net. Aber die Mehrern haben sich’s doch überlegt mit’m ’Nausgehn, seit s’ wissen, daß ihnen der Jaager bei Tag und Nacht allweil auf an Katzensprung am G’nack sitzt. Jetzt macht sich ja der Schutz schiergar von selber. Gar nimmer plagen braucht sich Einer – und beim groben Wetter thut’s es ja schon, wenn er sich vor d’ Hüttenthür auf’s Bankl [43] setzt. Da sieht er und hört er sein’ ganzen Bezirk aus. Und wenn er schon draußen war und kommt heim als a Nasser, so hat er sein Stübl und hat sein’ Ofen. Und mit’m Essen kann er sich’s einrichten, g’rad wie er mag. In der Fruh hat er sein’ Kaffee oder sein’ Brotsuppen – auf Mittag kocht er sich an Schmarren oder Kaasnocken, oder was ihm sonst g’rad taugt – und fürn Abend, da liegt a Flascherl Bier in der Kellergruben. In der Nacht hat er sein’ warme Liegerstatt, und wenn’s a recht Verzogener is, der’s Kratzen vom Heu net vertragt, der hat sein’ Matratzen, sein’ wollene Decken und sein Polsterkissen. Und G’sellschaft hat er dengerst auch a paarmal in der Wochen – und da sind nachher die lustigen Stunden daheim auf der Hütten. Ja, g’rad a nobligs Leben is daheroben!“

So plauderte der Graubart weiter und wurde nicht müde, die Vorzüge und Reize des Hüttenlebens vor mir zu entwickeln. Seltsamer Weise dachte er dabei gerade an einen Vorzug nicht, den er meinem eigenen Geschmacke nach in erster Reihe hätte nennen müssen: den Reiz der landschaftlichen Umgebung.

Der Zweck, dem diese Hütten dienen, bringt es mit sich, daß sie zumeist an Stellen erbaut sind, von denen aus ein möglichst großer Theil des betreffenden Jagdbezirkes zu übersehen ist. Da steht solch eine Hütte inmitten eines weit gedehnten Berghanges auf scharf vorspringendem, steilem Felsenerker, der einen Ausblick von unbeschreiblicher Schönheit bietet, sei es über eine wild zerklüftete Waldschlucht oder einen lieblichen Almengrund, sei es über das tiefliegende, bewohnte Thal oder über die waldigen Vorberge hinaus in die graue, bis in unabsehbare Ferne sich dehnende Ebene. Eine andere Hütte wieder erhebt sich auf einem schütterbewachsenen Hügel im Centrum eines stundenbreiten Hochplateaus, das rings umschlossen ist von kahl aufstarrenden Wänden, von mächtig in die Lüfte ragenden Felskolossen, über deren höchste Gehänge der ewige Schnee herniedergreift bis in die grünen Latschenfelder, zwischen welchen wohl auch mit dunkelblauem Wasser ein kleiner Hochsee still gebettet liegt, der sich ansieht wie eines versteinerten Riesen lebendig gebliebenes Auge, das mit unergründlich tiefem, schwermuthsvollem Blick den Himmel sucht.

Was erhebender wirkt, was tiefer in das Gemüth eines für Naturschönheit empfänglichen Menschen greift, ich weiß es kaum zu entscheiden: der erste, jähe, in einen einzigen Blick gefaßte Eindruck solch einer Scenerie oder das tagelange, beschauende Verweilen an solchem Orte, das sinnende Betrachten des allmählichen Wandels in diesem Bilde, der mit dem wechselnden Lichte des verrinnenden Tages sich vollzieht, von der frühen, dämmerigen Stunde an, in welcher das Auge nur mit Mühe die grauen Schatten durchdringt, bis zum Erwachen des gebrochenen, in allen Tönen spielenden Morgenlichtes, bis zum rosigen Erglänzen des ersten Sonnenstrahls, bis zu der drückenden, alle Kontouren verwischenden Schwüle des Mittags, bis zum lauen, klaren, herrlichen Abend, an welchem unter dem Scheidegruß der Sonne die kahlen Felsen in dunklem Purpur erglühen, bis die sternenhelle Nacht mit ihren schwarzen Schleiern die letzten Farben löscht.

Und solch einem Tage gegenüber nun ein anderer, mit seinen jagenden Wolken und flatternden Nebeln, mit seinem Gießen und Strömen, mit seinen triefenden Bäumen und tropfenden Wänden, mit seinen rasch entstandenen und rasch wieder verrinnenden Sturzbächen, mit zuckenden Blitzen und mit krachendem Donner, unter dem die Erde schüttert und die Berge zu erzittern scheinen, während das dumpfdröhnende Echo des einen Schlages hinüberrollt in den nächsten.

So wechseln die Bilder der Tage und fügen Zug an Zug zum Gesichte des Jahres, von seinem Morgen, an dem der Jäger nach „harber“ Winterszeit zu der vom Schnee erlösten Hütte steigt, vom Frühling an mit seinem brausenden Föhn, mit seinen stürzenden Lawinen, mit seinem licht und schüchtern ersprossenden Grün, bis zur prunkenden üppigen Pracht des Sommers, bis zum Herbste, in welchem das Thierleben der Berge seinen regsten Pulsschlag zeigt, in welchem ein immerklarer, tiefblauer Himmel niederlächelt auf den grellen, buntfarbigen, fast koketten Aufputz der alternden Natur, bis jählings eines Morgens der erste, blendendweiße Neuschnee die steilen Gehänge deckt, die geduldigen Bäume drückt, das Wild in die tieferen Gehege treibt und den Jäger von der Hütte heimwärts schickt in das winterliche Dorf.

Der mit den Stunden geizende Tourist, der die Thäler durchhetzt, im Schweiße seines Angesichtes hinter den Fersen des Führers eine „Hochtour“ abkeucht, in der Almhütte eine Schüssel voll saurer Milch auslöffelt und sich von der Sennerin belächeln läßt – er trägt von der „Bergnatur“, die er zu „studiren“ gekommen, wohl auch ein Bild mit fort. Wie weit entfernt aber ist seine kleinliche Vorstellung von der gewaltigen Wirklichkeit! Wer die Bergwelt, die mit jeder Stunde ein anderes Antlitz zeigt, seinem Verständniß erschließen will, der hat vor allem Zeit, Geduld und Ruhe vonnöthen. Dieses tage- und wochenlange Verweilen „auf der Hütte“, das ist eine der richtigen Hochschulen für die Erkenntniß der Bergnatur. Hier sitzt sie selbst in ihrer ganzen tiefernsten Würde auf dem Docentenstuhl und öffnet dem geduldig Lauschenden ihr innerstes Herz. Hier lernt man so recht ihre Sprache verstehen, die sich zusammensetzt aus dem dumpfen Poltern der stürzenden Steine und dem Grollen der Lawinen, aus dem Brausen des Sturmes, dem Aechzen der Bäume und dem Raunen der zitternden Blätter, aus dem Rauschen und Murmeln ihrer Gewässer und aus den hundertfachen Stimmen ihrer scheuen Geschöpfe. In jeder Jahreszeit, in jeder Stunde des Tages hat diese Sprache einen anderen Klang, eine andere Färbung. Und am tiefsten greift sie jenem ins Herz, der sie hört in dunkler Nacht, wenn die Sterne niederblitzen über die finster ruhenden Berge. Man sitzt auf einem moosigen Steinblock und starrt in Gedanken empor zu den leuchtenden Augen des Alls. Wie ein tiefes, langaushaltendes Athmen geht es durch den schwarzen Wald. Da plötzlich trifft ein unbeschreiblicher, hellvibrirender Ton das Ohr. Man weiß nicht, woher er kommt, und erräth nicht, was ihn erzeugt hat. Er kommt wie aus weiter Ferne, wie aus der Tiefe der Erde – man hört ihn – und leise verzittert er in der finsteren Nacht. Es ist als schliefe die Natur, als hätte sie im Traum gesprochen.

Wie manche solcher Stunden hab’ ich schon genossen, und immer wieder wirken sie auf mich in gleich ergreifender Weise. Da ist es mir nach und nach zur lieben Gewohnheit geworden, in der letzten Nacht vor dem Verlassen der Hütte lange Stunden unter freiem Himmel zu verbringen, bis mich die mahnende Stimme des Jägers oder das ungeduldige Knurren meines Hundes aus dem Sinnen und Schatten weckt und mich zurückruft in die Hütte, zur letzten kurzen Rast auf dem weichen, knisternden Bergheu.

Wie wird mir dann am anderen Morgen das Scheiden von der kleinen Hütte so schwer! Geht es aber nach Tagen oder Wochen wieder zu Berge und winkt mir nach langem, ermüdendem Anstieg das in der Sonne blinkende Balkenhaus über die Tannenwipfel entgegen, dann ist mit einem Schlag alle Müdigkeit vergessen. Da kräuselt sich der bläuliche Rauch aus den Schindeln; mit hellem Laut begrüßt mich der rothe Schweißhund, und nun tritt der Jäger unter die Thür und streckt mir lachenden Gesichtes die sonnverbrannte Rechte hin.

„Grüß’ Gott, Herr Doktor! Wieder einmal beim Zeug?“ so lacht er mich an. „Wie geht’s denn, han? Aber wie dumm als ich frag’! Wie kann’s denn schlecht gehn, wann’s auf d’ Hütten geht! Jetzt kommen S’ nur gleich ’rein. Die zwei Träger sind schon da seit a drei, vier Stund’ – der ein’ mit Ihrem Sach’, der ander’ mit’m Bier. Ich hab’s Faß’l gleich aufg’stellt – und wann S’ an Durst haben, kann ich anzapfen auf der Stell’.“

Dabei nimmt er mir den Bergstock aus der Hand und die Büchse von der Schulter, und erleichtert aufathmend tret’ ich unter die Thür, während mein Teckel mit dem Schweißhund ein schnupperndes Wiedersehen feiert. Ein kleiner Vorraum empfängt mich, der als Speisekammer und zuweilen als Küche dient. Eine Klappthür führt zur Kellergrube. Fast den vierten Theil des Raumes nimmt der selten benützte offene Herd ein, auf welchem jetzt das Bierfaß steht, mit naßkalten Tüchern umwickelt. Eine niedere Thür führt in die Stube, welche durch zwei kleine vergitterte Fenster ihr Licht empfängt. Die Balkenwände und die Decke sind mit weißen Brettern verschalt. In der einen Ecke steht der eiserne Kochherd, in der andern daneben das für drei Schläfer knappen Raum gewährende Heubett mit zwei groben Wolldecken und einem zerlegenen Polster. In der Fensterecke steht der kleine Tisch vor der in die Wände eingelassenen Winkelbank. In der vierten leeren Ecke ist hoch an der Wand ein Brett [44] befestigt, welches, neben mancherlei Kram, die blecherne Kaffeemaschine, die Zuckerdose, einige Gläser und ein paar irdene Töpfe trägt. Darunter ist die Zapfenreihe für die Gewehre, Ferngläser und Rucksäcke angebracht. Nicht weit davon hängt ein Rahmen mit einigen Holz- und Porcellantellern, mit zwei irdenen Schüsseln und drei oder vier Kaffeetassen, von denen sich nicht mehr alle eines Henkels erfreuen. Ueber dem Ofen hängen die beiden Pfannen, die saubergefegte Wasserpfanne und die fettglänzende Schmarrenpfanne. Ein paar verkümmerte Geweihe schmücken die Wände. Aus dem Tischwinkel nieder grüßt das niemals fehlende Krucifix, neben welchem ein paar Heiligenbilder mit dem von einer dünnen Goldleiste umrahmten Bilde des Königs einträchtige Gesellschaft halten.

Dieser einen Hütte gleichen die meisten im Gebirge, deren Hauptzweck die Erleichterung des Schutzdienstes ist. Manche Hütten, welche in erster Linie als Jagdhäuser und nur nebenbei als Schutzhütten dienen, besonders solche in den königlichen Leibgehegen und in den Jagdbezirken reicher Standesherren, enthalten wohl mehrere Räume und bieten größeren Komfort.

Aber je enger die Hütte, desto lieber ist sie mir. Je kleiner der Tisch, desto näher rückt man zusammen, desto gemüthlicher plaudert sich’s. Und was giebt es da am ersten Abend bei Krug und Pfeife Alles zu plaudern und zu fragen! Wo steht der gute Zehnerhirsch mit dem kapitalen, weitgespannten Geweih? Da drüben also im neuen Schlag! Und schon verfegt! Und dieser alte Schlaumeier von einem Gemsbock, der mir im vergangenen Herbste zweimal aus dem Schusse blitzte? Er hält auch heuer wieder den alten Stand! Und auch die Rehböcke treiben schon lustig drauf los. Hurrah, da giebt’s ja Waidmannsarbeit übergenug für alle Hände! Also munter ausgetrunken und – und hurtig eingeschenkt, daß wir bei Zeiten aufs Heu kommen! So flink geht’s aber doch nicht von Statten; mit dem Austrinken und Einschenken wohl, aber nicht mit dem Ausplaudern. Zum Kuckuck – Mitternacht! Ja, wo ist denn die Zeit hingekommen? Nur rasch die Fenster ein wenig aufgerissen, denn in der Stube liegt der Rauch zum Schneiden. Die Hunde schlafen schon und knurren im Traum, in welchem sie wohl mit gierigem Eifer dem schweißenden Hirsch auf der Fährte hängen. Und jetzt die Fenster zu, das Licht gelöscht und mit einem Satz auf den Kreister! Ah – wie thut das Strecken so wohl, und wie fühlt sich das Heu so weich! Kaum hat man die Decke über die Beine gezogen, da ist man schon „hinüber“.

Nun gilt’s, mit festem Schlaf die Kürze des Schlafes wett zu machen. Denn gegen die dritte Morgenstunde ist mein wackerer Jäger schon wieder in der Höhe. Ich zwinkere noch ein halbes Stündchen weiter, während der Jäger die Pfanne über das Feuer setzt. Mit einem Ruck aber bin ich auf den Beinen, sobald die Löffel klappern. Schwarzer Kaffee und dazu eine Pfanne voll Schmarren, das ist in den Bergen das richtige Jägerfrühstück; das pflastert den Magen und hält die Rippen fest, das giebt aus für geschlagene zwölf Stunden.

Und nun den Hut aufs Haar, die Büchse über die Schulter, den Bergstock in die Faust und hinaus in den dämmerigen Morgen, dessen klarer Himmel einen herrlichen Tag verheißt.

Fünf Stunden später kehren wir zurück von erfolgloser Birsche. Wohl stand mir ein guter Achterhirsch, dem schon die Bastfetzen von den Sprossen hingen, auf Schußbereich vor der Büchse – aber schief! Und solch einem Edlen die Kugel auf die weiße Scheibe setzen? Pfui, der Schinder! Ich habe Zeit, ich kann’s erwarten, bis mir ein Anderer das rothe Blatt zu gutem Schusse zeigt.

Nun wieder in die Hütte. Eine halbe Stunde Rast, dann beginnt die „höhere Kocherei“. Statt Schmarren oder Kaasnocken giebt’s zur willkommenen Abwechslung für den Jäger heute „Gaw’liersmenasch“ – Fleischsuppe und Fleisch. Im Stubenofen wird das Feuer angeschürt – und was für ein Feuer! Daß die Platte glüht und eine schweißtreibende Hitze die Stube füllt. Auf der Hütte hat das Holz keinen Sparer – und gegen die Hitze lassen sich Fenster und Thüren öffnen. Der scharfe Zug, der die Stube durchfährt, erfrischt nur bei dem schweren „Werke“, das man „ernst bereitet“ – er schadet nicht. Auf der Hütte schadet überhaupt nichts. Nun wird im eisernen Topf mit „Grünzeug“ und einer Hand voll Salz das Fleisch in einem Meer von Wasser zugesetzt. Und geräth das Wasser erst ins Brodeln – mit welchem Eifer wird die Suppe behütet und „abg’schaumt“, und welche Summe von Aufregung bringt die Sorge mit sich, daß nur ja das Fleisch nicht aus dem Sieden kommt!

Der Ofen wird mit frischen Scheiten angepackt – dann verschnauft man und hält eine Kunstpause von einer halben Stunde. Darnach geht’s an das Putzen und peinlich akkurate Schneiden der gelben Rüben, die in der Wasserpfanne nach einem etwas dunklen Recepte eingebrannt werden. Zum „Luxus“, wie der Jäger meint, werden in einem Blechhafen noch Kartoffeln zugesetzt, um später in der Schmarrenpfanne geröstet zu werden. Während auf dem glühenden Ofen ein unaufhörliches Dampfen, Brodeln und Zischen herrscht, wird am Tische das Brot zur Suppe in eine Schüssel geschnitten und ein Ei darüber geschlagen. Und nun denke man: das Brot in der Schüssel, die Kartoffeln im Hafen, die gelben Rüben in der Wasserpfanne, das Fleisch im Topf, und schließlich wieder die Kartoffeln in der Schmarrenpfanne – welch ein ursprüngliches Kochgenie gehört dazu, um das Alles zu übersehen, um in des Wortes wörtlichster Bedeutung nicht das Eine in das Andere zu bringen!

Endlich! Das Mahl ist fertig, und der Tisch ist gedeckt. Geradezu vorzüglich ist die Suppe gerathen. Der Jäger meint: „Ah – so a Süpperl, das is a Süpperl! Da kann sich fein kein’ Wirthshaussuppen dagegen sehen lassen!“

Freilich kratzt der allzu reichlich genommene Pfeffer ein wenig im Halse – aber „Pfeffer macht Kurasch“, und Kurasch kann man brauchen in den Bergen. Nun erst das Fleisch! Es sticht sich wie Butter! Da ist kaum ein Messer von Nöthen – es zerfällt schon unter der Gabel. Wunderbar goldbraun sehen die gerösteten Kartoffeln aus! Allerdings kostet es einige Mühe, sie von der Pfanne los zu bringen. Die gelben Rüben schauen sich freilich ein wenig dunkel und runzlig an, und von mancher ist nur noch ein verkrümpeltes Häutlein übrig – aber die „Soss’“, in der sie schwimmen, reißt alles heraus! Wie das schmeckt! Auf der Hütte schmeckt überhaupt alles – und doppelt gut das Mahl, das man selbst bereitet, bei dem also jede Kritik von vornherein ausgeschlossen ist. Nun ein Krug Bier darauf, und eine gute, leichte Cigarre. Der Jäger schmunzelt schon mit dem ganzen Gesichte, während ich das Ledertäschchen aus der Joppe ziehe – und dennoch sträubt er sich ein paar Sekunden lang, die gebotene Cigarre anzunehmen. Nun ein paar Rundgänge um die Hütte, in Hemdärmeln unter der warmen Sonne. Dann kommt für mich ein Stündchen Schlaf unter dem nächsten schattigen Baum, während am plätschernden Brunnen der Jäger sich diese ganze Stunde müht, um die Schmarrenpfanne von den Kartoffeln, die Wasserpfanne von den gelben Rüben rein zu bekommen. Gegen drei Uhr giebt’s Kaffee. Und gegen solchen Hüttenkaffee steht nun schon gar nichts auf. Schwarz wie die Nacht und wunderbar duftend rinnt er aus der Kanne, und mit dem dicken süßen Rahm gemischt, den der Jäger von der nächsten Sennhütte herbeigeholt, liegt er schwer wie Oel und goldig in der Tasse.

Um vier Uhr wird zur Abendbirsche aufgebrochen. Ueber lichte Rodungen und über weite, belebte Almenflächen wandern wir der Grenze des Jagdbezirkes zu, um die Birsche, wie es der Gang des Windes eben fordert, von da draußen gegen die Hütte her zu machen. Die erste Hälfte des Rückweges soll jenem schwarzkruckigen Schlaumeier gelten und gegen sieben Uhr will ich dann noch den Ansitz auf dem „neuen Schlag“ gewinnen. Kaum aber ist in der Nähe der Grenze die Birsche begonnen, da raschelt’s im Unterholz, und ein Rehbock mit prächtig ausgerecktem Sechsergeweih trollt über den grasigen Ziehweg, den Windfang suchend zur Erde gesenkt. Beim Knacken des Hahnes stutzt er und wirft den schönen Grind in die Höhe. Da kracht mein Schuß – mit einer hohen Flucht überfällt der Bock den Wegrain – stürzt – und liegt verendet zwischen den Stangen. Einen Jauchzer ins Thal – und dann einen grünen Bruch auf den Hut!

Der Jäger will mich zur Fortsetzung der Birsche bereden. Aber für heute soll’s genug sein – morgen ist auch ein Tag. Der Bock wird auf den Weg gezogen und aufgebrochen. Als wir ihm die Läufe verschränken, tönt’s hinter unserem Rücken:

„Gratulir’ – und grüß’ Gott bei ’nander!“

Es ist der Jagdgehilfe von der nächsten Hütte – beim Begehen der Grenze hat er meinen Schuß gehört und ist dem Halle [45] nachgegangen. Und weil er schon einmal da wäre, meint er, könnte er auch noch das „Katzensprüngl“ bis zu unserer Hütte mitmachen. Mein Jäger blinzelt mich an und stuppt mir den Ellbogen in die Seite. „Mir scheint, der hat ’s Bierfaßl im Wind!“

Gemächlichen Schrittes wird der Heimweg angetreten. Während wir das Almfeld überschreiten, begegnet uns die Nannei vom untersten Kaaser, unsere Rahmspenderin. Sonderlich hübsch ist sie nicht, aber lustig, jung und „g’sund“. Kaum sieht sie die Läufe des Rehbocks über die Schultern des Jägers ragen, da stemmt sie die Fäuste in die Hüften und „laßt ein’ aussi, aber schon a sakrischen Juchezer.“

Für diese Salutirung unseres Jägerglücks sucht sie sich auch gleich bezahlt zu machen – mit lustigen Worten verspricht sie ihr tüchtiges Mithalten bei der saueren Rehleber oder bei den Leberknödeln, die es ja wohl am Abend im Jaagerhäusl absetzen würde.

Jagdhütte im Hochgebirg.
Originalzeichnung von J. Schmitzberger.

Und richtig – kaum dämmert’s vor der Hütte, kaum brodelt auf dem gluthsprühenden Ofen die Leber in der Pfanne, da tritt die Nannei mit lachendem Gruß unter die Thür. Sie hat sich „schön“ gemacht – und die Sennerin vom Nachbarkaaser, die Resl, hat sie auch noch mitgebracht – es wäre nur wegen dem Heimgehen in der späten, dunklen Nacht, so sagt sie, und dabei schmunzelt sie so verdächtig.

Nun sitzen wir beim zweifelhaften Lichte einer Hängelampe eng gereiht um den kleinen Tisch und löffeln unter Lachen und Plaudern die saure Leber aus der Pfanne; dann wird der Tisch geräumt und der Bierkrug macht die Runde. Während ich meinen Platz verlasse, um die Cigarrentasche aus dem Rucksack zu holen, stecken die Viere wispernd hinter mir die Köpfe zusammen – und nun kommt’s heraus: ich soll meine Cither aus dem Kasten nehmen.

„Meinetwegen! Also her mit der Klampfern!“

Lautloses Schweigen herrscht schon, während ich die Cither stimme – und der Ausdruck einer naiv gefühlvollen Andacht malt sich auf den sonngebräunten Gesichtern, wenn ich dann von den halb schwerwüthigen, halb innig fröhlichen Volksliedern, die ich da und dort aufgeschnappt, so eines nach dem andern mit meinem bischen Können aus den Saiten bringe. Kaum aber geräth mir der „Neubayrische“ in die Finger, da fahren die Viere von den Bänken; der eine Jäger faßt die Nandl, der andere die Resl um die Mitte, und durch die enge Stube geht ein Schleifen, Drehen, Stampfen, Klatschen, Springen und Jauchzen, daß Tisch und Ofen wackeln, daß die ganze Hütte zittert. Unverdrossen spiel’ ich drauf los und schaue lachend auf die beiden wirbelnden Paare, von denen keines in den Ellbogen des anderen oder in den Ecken des Kreisters eine verdrießliche Härte zu verspüren scheint.

Da plötzlich trifft mein Auge im Zufall an der weißen Bretterwand auf einen kleinen dunklen Punkt – und mir vergeht das Lachen. Jener dunkle Punkt – er rührt vom Einschlagen einer Kugel her – und ehe die meuchlerische Kugel dort den Balken traf, ist sie mitten durch die Stirn des Jägers gegangen, der hier am Tisch, gerade meinem Platze gegenüber, unter der [46] brennenden Lampe sein Pfeiflein schmauchte. Den Jäger haben sie als einen ewig Stummen zu Thal getragen, die zerschmetterte Fensterscheibe haben sie durch ein neues, blinkendes Glas ersetzt – aber der kleine, dunkle Punkt dort an der Bretterwand ist geblieben.

Gar manch eine Hütte hat solch ein finsteres Mal an ihren Balken aufzuweisen.

Das ist die Tragik des Hüttenlebens. Aber ihr Verweilen in der Hütte ist so flüchtig wie die Dauer eines Kugelfluges – und dann verkriecht sie sich im Gebälk, dann schrumpft sie in solch einen kleinen, dunklen Punkt zusammen und überläßt die ganze, freie Stube wieder dem neu über die Schwelle schreitenden Humor und der lachenden Lebensfreude, die an der Gegenwart ihr volles Genüge findet, die an kein Gestern denkt und an kein Morgen.

Lustig schnurren unter meinen Fingern die Saiten der Cither, jauchzend drehen sich die beiden Paare, und durch die Stube geht ein Schnalzen, Klatschen, Stampfen und Springen, daß der Staub zur Decke wirbelt und der Boden dröhnt.

„Ja, g’rad a nobligs Leben is daheroben auf der Hütten!“ so urtheilte der graubärtige Förster, als ich damals an seiner Seite draußen auf der Holzbank saß – und er hörte doch auch schon einmal, dicht vor der Hüttenthür, eine Wildschützenkugel hart an seinem Ohr vorüber pfeifen.




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Die Todteninsel.
Von Richard Voß.
(Fortsetzung.)


Heilige Frühe wehte um die Stirnen der beiden Flüchtlinge. Die ganze Nacht hatten sie mit günstigem Winde gesegelt und trieben nun beim aufglühenden Tageslicht der Küste zu, deren Herrlichkeiten ihnen bereits dicht vor Augen lagen. Voller Entzücken sah Tullus die Menge der Paläste, der Basiliken, Thermen und Amphitheater; er sah den Strand, so weit seine Blicke schweiften, dicht besetzt mit Landhäusern, Portiken und Heiligthümern.

Acca schaute nicht vorwärts, sondern zurück, wo an dem lichten Horizont ein Wölklein zu schwimmen schien: die verlassene Heimath. Doch so oft Tullus mit einem Ausbruch des Jubels sich nach ihr umwendete, bog sie hastig das Köpfchen und theilte sein Staunen über alles, was er erblickte.

„Das ist die Welt, Acca! Sieh, wie groß, wie schön! Hier sind die Götter, die sie leugnen wollen.“

Und nach einer Weile leise, mit bebender Stimme:

„Bist Du glücklich, Acca?“

Sie nickte ihm zu:

„Ich bin glücklich, Tullus.“

Trotz dieser Versicherung glaubte er sie trösten zu müssen: „Sie werden nicht allzusehr um Dich besorgt sein; wissen sie doch, daß Du mit mir bist! Was sollte Dir da geschehen können? Siehst Du nun ein, wie unnütz Du Dich quälst? Mutter Larina wird jammern und Vater Daunus schelten, nicht allzusehr! Sie werden sich gewiß denken können, wie alles gekommen ist; daß ich fortwollte, daß Du mich nicht zurückhalten konntest und daß Du dann natürlich mit mir fort bist. Es war wirklich ganz natürlich, daß Du mich nicht allein gehen ließest. Sicher werden sie das einsehen! Sie haben uns wie Gefangene gehalten, ich wäre beinahe gestorben. Wenn man jung ist und auf einer Klippe lebt und die Welt jeden Tag vor Augen hat und doch nicht hin kann – – und wenn man fühlt, wie man zu etwas Besserem taugt, zu etwas Größerem; wenn man etwas thun will, etwas thun muß – ach, Acca, Acca, mir ist so wohl, ich fühle mich so frei, so stark, so – – ich kann es nicht sagen, aber die Götter wissen es. Sieh nur die Herrlichkeit! Ist es denn möglich, daß die Welt so groß, daß sie so schön ist? Sei glücklich! Wir wollen glücklich sein!“

Sie nickte ihm wieder zu.

„Das wollen wir.“

Eine Weile schwiegen sie; dann flüsterte Tullus, die zarte Gestalt seiner Gefährten mit scheuem Blicke streifend:

„Acca!“

„Ja.“

„Dir ist doch nicht bang?“

„Wovor sollte mir bang sein?“

„Vor der Stadt, vor den Menschen, vor Rom, vor der Welt. Aber Du hast ganz Recht; wovor sollte Dir bang sein? Sind doch die Götter bei uns.“

Acca wendete sich ab.

„Ob wir wohl einen Nazarener zu sehen bekommen?“

Sogleich verfinsterte sich des Jünglings Gesicht. Er preßte die Lippen zusammen und murmelte.

„Ich hasse sie.“

Acca wollte ihn bitten, das nicht zu thun; Tullus schaute aber so finster drein und hatte eine so feindselige Miene, daß sie schwieg.

Bereits befand sich das Boot mitten im Gewühl des Hafens, doch achtete Niemand der Beiden. Tullus ermahnte:

„Du darfst Dich nicht fürchten. Ich beschütze Dich. Es soll Niemand wagen, Dich anzurühren, sieh nur recht muthig drein und kehre Dich nicht an das Geschrei! Ich habe es mir viel schlimmer gedacht. Sobald wir gelandet sind, suche ich einen Schiffer, der mit dem Nachen zur Insel zurückrudert. Dein Vater wird froh sein, das Boot wieder zu haben und den Mann gewiß für die Fahrt bezahlen. Das müssen wir ihm sagen, verstehst Du. Ich werde schon alles besorgen, fürchte Dich nur nicht! Du bist ganz bleich. Gewiß hungert Dich. Wie gut, daß wir Geld haben! Dafür können wir uns kaufen, was wir wollen. Es wird herrlich sein. – – Nun sind wir da. Die Götter werden mit uns sein.“

Es währte einige Zeit, bis sie ans Ufer kamen. Der Nachen erhielt von allen Seiten Stöße, von allen Seiten wurde der junge Fährmann angeschrieen. Doch schließlich gewannen sie festen Boden unter den Füßen. Schwindlig von der langen Fahrt stieg Acca ans Land; Tullus faßte sie bei der Hand und schickte sich an, einen Schiffer zu suchen, dem er das Boot für die Insel übergeben konnte. Die Sache war bald erledigt. Der Mann, den Tullus deswegen ansprach, zeigte sich sofort geneigt; gleich am Abend wollte er aufbrechen. Mit stockender Stimme bat Acca den Boten, an die Eltern Grüße auszurichten und ihnen zu sagen, daß – – nein, nur grüßen sollte er Vater und Mutter, vielmals grüßen. Der Mann versprach es zu thun. Die Menschen waren doch viel freundlicher und hilfreicher, als die jungen Leute geglaubt hatten, und beide fühlten sich von froher Hoffnung beseelt.

Wie von einer Last befreit, nahmen sie von dem gefälligen Antiaten Abschied, sich Hand in Hand in das Gewühl der großen und prächtigen Stadt begebend; zunächst um bei anderen freundlichen Menschen ihren Hunger zu stillen. Es schmeckte prächtig! Sie genossen weißes Brot und heißen, mit Gewürzen bereiteten, mit Honig versüßten Wein. Auch für ihre Wanderschaft kauften sie ein. Neugestärkt fragten sie nach dem nächsten Wege nach Rom. Zuerst sollten sie die Via Severiana gehen, welche längs der Küste hinführte, und sodann die Straße nach Ardea einschlagen. Tullus wollte, ehe sie Antium verließen, die Tempel der höchsten Götter besuchen; aber Acca bat ihn inständigst, sogleich aufzubrechen, damit sie bald nach Rom und zu Vater Atinas gelangten. Seiner Gefährtin zu Liebe zügelte der Jüngling sein ungestümes Verlangen; doch waren sie bereits müde vom Schauen und Staunen, als sie sich noch in den Straßen Antiums befanden.

Schon seit Stunden wanderten sie und immer noch schien die Stadt kein Ende zu nehmen; denn immer noch schritten sie zwischen herrlichen Bauwerken dahin und hatten Mühe, den Wagen und Fußgängern auszuweichen. Aber als Tullus sich erkundigte, ob Antium noch nicht bald ein Ende nehme, hörten sie, daß sie die Stadt bereits gute fünf Miglien hinter sich hatten.

Sie sprachen unterwegs nicht viel. Von Zeit zu Zeit fragte Tullus seine Gefährtin mit leiser Stimme:

„Bist Du glücklich?“

[47] Diese erwiederte jedesmal eben so leise:

„Ich bin glücklich.“

Ihre Hände behielten sie fest in einander geschlossen.

Tullus kam vor Aufregung nicht dazu, seine Müdigkeit zu fühlen; er drängte vorwärts und vorwärts. Plötzlich wankte Acca, und sie wäre hingesunken, hätte Tullus sie nicht schnell mit beiden Armen umfaßt und gehalten. Er führte sie vom Wege ab, in einen Pinienwald, wo sie sich rasch erholte und nun gleich weiter wollte. Besorgt spähte Tullus in ihr bleiches Gesichtchen; doch sie plauderte und scherzte, so daß er sich überreden ließ, sie fühle sich ganz kräftig und wohl. Bis Ardea, der uralten, einst mächtigen Stadt des Rutulerfürsten Turnus, setzten sie ihre Wanderung fort; dann bat Tullus einen Landmann, der in seinem Karren nach Rom fuhr, sie Beide mitzuehmen. Ja, wenn sie ihn bezahlen könnten, meinte der Mann. Er ließ sie erst aufsteigen, nachdem Tullus ihm das Geld, fast den ganzen Rest seiner Baarschaft, eingehändigt hatte.

Jetzt ward es herrlich. Der Bauer bereitete aus seinem Mantel einen bequemen Sitz für Acca, von dem sie über die niedrige Brüstung des Karrens nach beiden Seiten hin frei ausschauen konnte; Tullus stand neben ihr, ließ sich von ihrem Wagenlenker alles zeigen und nennen, so viel der Mann wußte, und berichtete das Erfahrene der Freundin. Jener langgestreckte, ganz mit Landhäusern bedeckte Bergrücken war Tusculum, die Stadt des Sohnes des Odysseus, welchen die goldlockige Zauberin Kirke dem Helden geboren hatte. Weiterhin, unterhalb des Tempels des Jupiter, auf dem Gipfel des Albanus, dunkelte der Hain der Ferentina, dieser herrliche, hochheilige Wald, in dem vor Zeiten die Städte des lateinischen Bundes an der Quelle der Göttin zum großen Völkerrathe sich zusammenfanden und die höchsten Feste des Landes begingen. Dort drüben die Stätte, an welcher, hoch über dem blauenden See, einst Albalonga gelegen, die Wiege Roms, das seine Mutterstadt dem Erdboden gleich gemacht hatte. Seht! Das Landhaus des Helden Pompejus leuchtete herüber, nicht als Palast erscheinend, sondern als eine Stadt von Palästen. Dann Ariccia, an der Stelle erbaut, wo des Theseus Sohn, der herrliche Hippolyt, von Rossen zu Tode geschleift ward. Jetzt die Waldung, die den strahlenden Spiegel Diana’s umschattet, in deren Heiligthnm der von den Furien verfolgte Orest das auf Tauris geraubte Götterbild barg. Tibur müßt Ihr noch sehen, das hochragende, herrliche! Von den elyseischen Höhen der Sabina glänzt es herüber. Dort die Felsenberge des hehren Praeneste und dort – – nichts mehr! Nichts mehr!

Der Bauer erzählte.

„Der Cäsar ist jetzt in Rom. Das ist Einer! Ein Gott ist’s: Gott Nero. Solch ein Gott! Nun, was geht’s mich an? Ich habe meine Hütte, mein Feld, mein Weib und meine Kinder in Laurentum drüben. Warum soll der Kaiser kein Gott sein? Der Caligula war auch einer und das Pferd des Caligula war auch einer; und ein Gott könnte des Nero Hund und des Nero Pfau und des Nero Katze sein. Warum nicht? Gott Nero behüte uns! Ich sage: das ist Einer! So Einer, wie der, der bringt Geld unter die Leute. Sein neues Haus geht vom Palatin über den Quirinal und Viminal. Warum soll’s nicht? Wenn so ein Gott ein neues Haus haben will, so baut er sich’s eben. Es heißt: sogar die Straßen in dem römischen Haus wären mit Gold und Perlen gepflastert. Was geht’s mich an? Wenn dabei nur Geld unter die Leute kommt. Es lebe Gott Nero! – – Habt Ihr schon gehört: sie wissen jetzt, wer damals die Stadt angesteckt hat.“

„Wer war’s?“

„Die Nazarener.“

„Jupiter vernichte sie!“

„Nun ja; sie sollen nichts auf die alten Götter geben, sie sollen einen neuen Gott gefunden haben. Was geht’s mich an? Wenn der Cäsar stirbt, bekommen wir auch wieder einen neuen Gott. Ein neuer Gott bringt Geld unter die Leute; die Nazarener sind arme Schlucker. Das mag ein rechter Gott sein, den die haben! Nun, was geht’s mich an? Ich habe mein Feld, meine Hütte, mein Weib und meine Kinder in Laurentum drüben. – Da ist die Stadt.“

„Acca, da ist Rom! Acca! Acca!“

Sie stand auf, hielt sich an ihm fest und schaute mit ihm hinüber – ein Häusermeer, unabsehbar, unendlich. Auf den Tempeln und Palästen, welche die Hügel krönten, lag die Gluth der Abendsonne. Es leuchtete und lohte, als ob Rom zum zweiten Mal in Flammen stünde, als ob goldige Strahlen über die Stadt hinflutheten. Dort ragte der Kaiserpalast – ein Olymp! Jenseit des Stroms, auf dem Janiculus, die Kaisergärten – ein Elysium! Ein zarter schimmernder Dunst schwebte über der ungeheuren Stadt, als würde auf tausend Altären tausend Gottheiten geopfert.

Die Beiden schauten und wußten nicht, wie ihnen geschah. Sie glaubten zu träumen. Die Stimme ihres Wagenlenkers rief sie wieder ins Leben zurück.

„He Ihr! Was wollt Ihr eigentlich in der Stadt? Zwei solche Vögelchen!“

Tullus fand auf diese Frage nicht gleich eine Autwort. Der Bauer murmelte verdrießlich.

„Nun, was geht’s mich an? Ich meine nur. Nehmt Euch vor der Stadt in Acht! Das meine ich, obgleich es mich nichts angeht. Ihr seid ein hübsches Paar. Noch blutjung! Hättet auch noch ein Jährchen warten können, ehe Ihr Mann und Frau wurdet. Juno, die reinen Kinder! Seht nur zu, daß Ihr bald zu einem Stücklein Feld kommt, mit einer Hütte darauf und Kindern darin. Das ist am besten. Und je weiter entfernt von der Stadt, um so besser; recht weit fort von der Stadt, das ist am allerbesten. Nun, was geht’s mich an? Hier ist das Haus meines Herrn, hier müßt Ihr absteigen. Die Götter seien mit Euch: die alten und die neuen; man muß es mit allen halten.“

Der Karren hielt; die Beiden stiegen herab, schweigend, ohne ihrem freundlichen Lenker ein Wort des Dankes und des Lebewohls zu sagen. Sie gingen fort, immer noch stumm, mit gesenkten Augen und sich nicht mehr bei der Hand haltend.

Sie wußten selbst nicht, wie sie dazu gekommen waren; auf einmal merkten sie, daß sie von der Landstraße abgewichen und sich auf einem einsamen mit Gras und Blumen überwachsenen Wege befanden. Zwischen silbergrauem gelbblüthigen Fenchel und dunklem Akanthus wucherten üppig Asphodelen und die blassen schönen Blumen der Aronswurzel; den Eppichüberhang der Hecken durchrankte buntes Caprifolium; Schlehen und Goldregen blühten. Die stumme Acca pflückte sich den Mantel voller Blumen, daß sie mit ihrem lichten Haar und den strahlenden Augen der Tochter der Ceres glich, welche Blüthen spendend über die Flur schreitet. Kein Auge wandte Tullus von der schlanken, ihm vorausschreitenden Gestalt, die ihm plötzlich wundersam verwandelt däuchte. Zum ersten Mal gewahrte er ihren schwebenden Gang, gewahrte, mit welcher Anmuth sie das Köpfchen trug und die Arme bewegte, wie strahlend ihr Blick, wie lieblich ihr junger Mund. Aber zugleich erschien ihm die Gefährtin geweiht und heilig, ein göttliches Wesen, das keine irdische Hand berühren durfte. Wenn ihr Gewand ihn streifte, überliefen Schauer den Jüngling.

Auch er fühlte sich wie durch Zauber ein Anderer geworden. Ein wüthender Schmerz bebte in ihm auf, eine unsägliche Wonne; ihm war’s, als zersprengte es seine Brust, als müßte er ersticken; er dachte nicht daran, daß er in Rom war, sondern, daß er bei Acca weilte; er sehnte sich nicht mehr nach Heldenthaten; sein einziges Verlangen war, immerfort bei Acca sein zu dürfen, an ihrer Seite, so wie heute in den Glanz des Sonnenuntergangs hineinzuwallen, weiter und weiter.

Ueber ihnen war der Himmel Glanz und Glorie; durch die Blüthenmauern schritten sie hinein in die flammende Abendröthe.

Es begann zu dämmern. Schleier woben sich um den Glanz, verhüllten die himmlischen Flammen, erstickten sie. Schatten stiegen auf; sie wuchsen und wuchsen. Aber schon erglänzten die Sterne. Es war wie in einem Mysterium.

Die Nacht brach an, eine Frühlingsnacht voll balsamischen Wohlgeruches, voll Sternenglanz und geheimnisvoller Stimmen.

Sie gelangten auf eine weite Wiese, weiß von Narcissen. Ein Bach durchfloß die Flur, die Ufer mit einem dichten Kranz heller Lilien besäumt. Nirgends war ein Haus, nirgends ein Mensch zu sehen. Inmitten der lichten Weite ruhte ein großer schwarzer Schatten, gleich einer dunklen Insel in diesem Blumenmeer. Eine breite Spur von zerknickten Stengeln, zertretenen Blüthen hinter sich lassend, schritten sie darauf zu.

Ueber Rom schwebte ein fahler Schein; einem düstern Gewölke ähnlich lagerte das nächtliche Gebirg über dem Lande.

[48] „Wohin gehen wir?“

„Wohin die Götter uns führen. Fürchtest Du Dich?“

„Nein, nein.“

„Morgen sind wir in Rom, morgen finden wir meinen Vater, morgen, Acca –“

Was mochte es sein, das der nächste Tag bringen würde? Es war Tullus, als müßte etwas Großes, Ungeheures geschehen, etwas, danach sie Beide nicht länger würden leben können. Doch was es auch sein mochte, es wurde ihnen von den Göttern gesendet.

Der mächtige Schatten erwies sich als eine Waldung hoher, dichtbelaubter Steineichen; am Rande des Haines stehend, schauten sie vor sich in eine weitklaffende Höhle. Tullus sagte:

„Bleibe hier! Ich will hinein und sehen, was drinnen ist.“

Aber Acca faßte seinen Arm und drängte sich an ihn. So schritten sie denn zusammen in das Dunkel.

Als ihre Augen sich an die Finsterniß gewöhnt hatten, fanden sie, daß der Hain voller Grotten und Höhlen war, die tief in das Innere der Erde hinab zu führen schienen. Tullus wollte an der unheimlichen Stätte nicht bleiben, aber Acca war zu sehr ermattet. So riefen sie denn die Ewigen zu ihrem Schutze an, Acca begab sich in eine der natürlichen Felsenhallen und Tullus lagerte sich am Eingange nieder, entschlossen, kein Auge zuzuthun und den Schlaf der Geliebten zu bewachen. Um noch einmal ihre liebe Stimme zu hören, rief er leise in die Grotte hinein:

„Acca, bist Du glücklich?“

„Glücklich,“ tönte es zurück wie der zitternde Wiederhall seiner eigenen Stimme.




Trotz seiner guten Vorsätze schlief Tullus bald ein. Ihm träumte:

Ein Kreuz ragte auf. An dem Kreuzesstamm hing, mit eisernen Banden festgeschmiedet, ein sterbender Mensch, von dessen Haupt heller Schein ausging. Unter dem Kreuz stand Acca, mit einem Antlitz, darauf von den Strahlen, die um des Sterbenden Antlitz flossen, ein heller Glanz fiel. Acca winkte ihm, näher zu treten.

Tullus aber sprach.

„Das ist ja der Gott aus Nazareth.“

Doch Acca fuhr fort zu winken und das Licht, welches sie verklärte, wurde immer leuchtender, daß schließlich ihre ganze Gestalt erstrahlte. Sie winkte, lockte und lächelte so lange, bis Tullus zu ihr kam und mit ihr zusammen unter dem Kreuze stand, dessen Schein nun auch ihn überfluthete. Da hörte er Acca flüstern:

„Bist Du glücklich, Tullus?“

Und Tullus hörte sich antworten:

„Ich bin glücklich.“

Auf einmal war ihm, als klänge der Donner einer göttlichen Stimme in seine Ohren:

„So empfanget das ewige Leben.“

Tullus erwachte; aber er glaubte, immer noch zu träumen. Von dem Platz aus, wo er sich zur Ruhe niedergelegt hatte, sah er in das Innere der Grotte hinein, in der Acca schlief; der glühende Schein mehrerer Fackeln, die in eisernen Ringen an den Wänden steckten, erleuchtete die Höhle. Durch die vielen natürlichen Säulen, welche die Decke stützten, erhielt der Raum das Aussehen eines Felsensaales; der Helle des vorderen Gelasses folgte geheimnisvolle Dämmerung, hinter der die Finsterniß wie eine mächtige schwarze Woge zusammenschlug.

Gestalten füllten die Grotte: Greise und Matronen, Jungfrauen und Jünglinge, wehrhafte Männer. Alle trugen die weiße Festtoga und auf Aller Gesichtern lag ein heller Schimmer, Abglanz eines anderen Lichtes, als es von den Fackeln ausging.

Sie befanden sich in feierlicher Versammlung bei einander, einen hehren Greis umstehend, der soeben zu ihnen geredet haben mußte, und es schienen Alle noch immer andachtsvoll zu lauschen. Eine tiefe Stille herrschte.

Wie aber ward Tullus, als er Acca erblickte, mitten unter den Jungfrauen stehend, ohne jedes Zeichen von Angst und Befangenheit, zutraulich, als befinde sie sich in einem Kreise von Gespielinnen! Zwei schöne Mädchen hielten sie zärtlich umfaßt und begannen jetzt leise zu ihr zu sprechen. Da schaute Acca herüber und gewahrte, daß Tullus erwacht war; sie schien es den Anderen mitzutheilen, denn der Jungfrauen Blicke richteten sich auf ihn. Acca löste sich aus den Armen ihrer neuen Freundinnen und kam auf Tullus zu.

„Wer sind diese und was wollen sie von Dir?“

Acca erwiederte:

„Als ich erwachte, waren sie da; sie kamen jedoch von einer andern Seite in die Höhle als wir. Zuerst erschrak ich heftig, fürchtete mich sehr und regte mich nicht, so daß sie meiner nicht gewahr wurden. Da hörte ich, was sie mit einander sprachen, ganz herrliche Dinge, so daß ich jede Angst verlor. Als dann jener schöne alte Mann zu reden begann, erhob ich mich und schlich zu Dir, um Dich zu wecken. Aber Du schliefst so fest. Da sahen mich jene guten Jungfrauen, traten zu mir, grüßten mich freundlich und forschten, wer wir seien und wie wir hierher gekommen. Ich sagte ihnen, Du seiest des Atinas Sohn, der nach Rom gezogen, um dem Cäsar zu helfen, die Nazarener zu verderben, und daß ich mit Dir zusammen die Insel verlassen und wir keine andere Stätte für die Nacht gefunden hätten. Da führten sie mich zu jenem ehrwürdigen Greise, und Alle erwiesen mir Gutes. Dann sprach der alte Mann, und sie weinten bei seinen Worten, die groß und gewaltig klangen, wie ich niemals Worte gehört habe, selbst nicht aus dem Munde Deines Vaters.“

„Aber wer sind sie?“

„Gute Menschen.     Komm!“

(Schluß folgt.)




Bemalte Statuen.
Von Siegmund Feldmann.

Man wird so lange Monumente setzen, bis die Erdkugel aussieht wie ein Stachelschwein,“ klagte einmal Ferdinand Kürnberger, der sich in drastischen Uebertreibungen gefiel. Falls jedoch die Frage: sollen wir unsere Statuen bemalen? eine Erledigung im Sinne der „Polychromisten“, der Anhänger bemalter Statuen, findet, dann müßte man zu einem andern Vergleiche aus der Zoologie greifen. Dann wird die Erdkugel aussehen wie ein Kolibri.

Diese Frage ist ein Produkt unserer Zeit, durch welche ein Strom polychromer Anschauungen fluthet, von dem unsere Großmütter noch keine Ahnung besaßen. Diese zogen ihrem blonden Töchterchen ein blaues, ihrem schwarzen Töchterchen ein rothes Band durch das Lockenhaar und glaubten damit allen Anforderungen genügt zu haben, die man an das koloristische Feingefühl einer schlichten Hausfrau stellen darf. Heute jedoch, da alles nach Farbe drängt und selbst der Sonnenstrahl gefärbt wird, dem man am liebsten den Zutritt nur durch Butzenscheiben und gemalte Fenster gewährt, kämen unsere Frauen mit einem so primitiven Unterscheidungsvermögen nicht mehr aus. Heute mischt sich in der „guten Stube“ jedes behaglichen Bürgerhauses der Glanz bunter Töpfereien mit den satten Tönen persischer Teppiche und türkischer „Eselstaschen“, der Schimmer metallinischen Zierats mit den zarten Tinten phantastischer Makart-Bouquetts, und um in dieses Vielerlei farbiger Eindrücke wohlthuende Harmonie zu bringen, bedarf es einer künstlerisch ordnenden Hand, eines ästhetisch geschulten Auges. Diese Schulung empfing unser Auge in den letzten fünfzig Jahren, während welcher sich der moderne Realismus entwickelt und die Malerei das Recht auf Farbe, welches das Recht auf Leben ist, von Neuem erkämpft hat. Man kennt die Stadien, die dieser Kampf durchlaufen mußte, bis er von dem Ansturm auf den einseitigen Formenidealismus eines David und Cornelius zu den blendenden Werken der jüngsten Münchener und Pariser Schule gelangte. Innerhalb dieses Zeitraums hat, wie man sagen kann, die Farbe ihre Auferstehung gefeiert und eine neue Kunstauffassung die Herrschaft augetreten. Gleichzeitig mit der malerischen Reaktion gegen die Stilisten tauchte die Forderung farbiger Skulptur auf, und bis zum heutigen Tage wurde sie niemals fallen gelassen. Daß nun innerhalb desselben Zeitraums, der das Kolorit wieder zur höchsten Vollendung emporgeführt hat, die Bemalung der Bildwerke fast gar keine

[49]

Nachbarskinder.
Nach dem Oelgemälde von W. Menzler.

[50] Fortschritte gemacht hat, daß die polychrome Plastik, die uns heute gezeigt wird, nicht im mindesten erfreulicher erscheint als die ähnlichen Leistungen der verflossenen Jahrzehnte, beweist am besten, wie hinfällig diese Forderung und wie fremd sie unserem Geschmacke und unserem künstlerischen Gewissen ist.

Man muß jedoch im Auge behalten, daß diese Forderung nicht von den Künstlern selbst, sondern von wissenschaftlicher Seite ausging. Anfänglich hieß die Frage: „Haben die Alten ihre Statuen bemalt?“ und erst die pedantische Ehrfurcht einiger formenblinder Theoretiker vor allem, was klassisch heißt, machte später die Frage daraus: „Sollen wir unsere Statuen bemalen?“ In Deutschland war es allerdings Gottfried Semper, der 1834 diese Frage in Fluß brachte; allein so begeistert der geniale Architekt auch für die Polychromie eintrat, so nötigte ihm seine richtige Empfindung dennoch das Geständniß ab: „Die Renaissance habe den Irrthum, die antike Skulptur farblos zu sehen, auf eine Weise verdaut und verarbeitet, daß aus dieser Auffassung eine im hohen Grade selbstberechtigte Kunst hervorging.“ Wie ernst es ihm mit diesem Urtheil war, ist wohl am besten daraus ersichtlich, daß Semper es sich bei keinem seiner zahlreichen, mit plastischem Schmuck üppig ausgestatteten Bauwerke einfallen ließ, farbige Skulpturen, wenn auch nur ganz vereinzelt, anzubringen.

Uebrigens ist es noch sehr zweifelhaft, ob es wirklich ein Irrthum war, wenn die Renaissance die antike Skulptur farblos sah. Franz Kugler’s Einschränkungen der Semper’schen Ergebnisse sind, sofern sie nicht die Baukunst betreffen, in der Hauptsache bis zum heutigen Tage vollkommen zutreffend geblieben, was auch seitdem an großen Namen und klingenden Citaten dagegen ins Treffen geführt worden ist. Die modernen Polychromisten thun allerdings, als ob die Plastik der Griechen nur ein Zweig der Malerei und ein nicht ganz bemaltes Bildwerk in Hellas undenkbar gewesen wäre. Waren der olympische Jupiter und die andern Goldelfenbeinfiguren des Alterthums nicht farbig? fragen sie. Zeigten sich nicht auf vielen Ausgrabungen deutliche Farbenspuren? Wissen wir nicht aus schriftlichen Zeugnissen von den polychromen Statuen des Phidias, des Skopas, des Polyklet? Hat Praxiteles nicht ausdrücklich erklärt, daß seine schönsten Werke von Nikias bemalt wurden? – Nun, gut denn, ja; aber selbst wenn all diese – zumeist hypothetischen – Argumente nicht großer Voreingenommenheit bedurften, um für stichhaltig zu gelten, was können sie uns beweisen? Daß auch wir unsere Statuen bemalen sollen? Daß auch wir die Marmorwerke Rauch’s, Dannecker’s, Rietschel’s, Schaper’s, die Grazien Thorwaldsen’s und den Theseus Canova’s anstreichen und fortan unsern Nationalhelden kein Denkmal ohne farbige Achselklappen oder bunte Gewandung setzen dürfen? Oder daß wir – um ein bestimmtes Beispiel zu wählen – uns beeilen müssen, einer Forderung des Dresdener Archäologen Georg Treu gemäß der Venus von Milo ein rosiges Inkarnat zu geben? Denn auf die großen monumentalen Werke und nicht auf die genrehafte Kleinplastik, die so längst farbig ist und es stets war, zielen unsere Polychromisten ab. Allein ihnen folgen, hieße nicht nur unserem Gefühle Gewalt anthun und unsern Geschmack herabdrücken; es hieße auch unsere ganze künstlerische Entwickelung, also das der modernen Kunt zu Grunde liegende historische Element verleugnen.

Für die Frage: sollen wir unsere Statuen bemalen? ist nämlich nicht unsere plastische, sondern unsere malerische Auffassung maßgebend. Für diese jedoch haben die Griechen, die in der Bildhauerei unsere Muster und Meister sind, gar nichts gethan. Sie sahen die Farbe mit den Augen der Orientalen an, von denen sie auch ihre Kunstübung überkommen hatten. Was wir von antiken Gemälden kennen, zeichnet sich durch einen hohen Adel des Umrisses, der Zeichnung aus; die eigentliche Malerei aber blieb, so viel wir wissen, an dem Lokalton haften, das heißt an der Farbe, welche jedem Gegenstande für sich eigentümlich ist. Es ist dies der Standpunkt einer naiven, direkt die Sache angreifenden Kunstthätigkeit, der auch noch für das ganze Mittelalter Gültigkeit besaß, aber durch unsere Art des malerischen Sehens total überwunden erscheint. Wir sind von der Illuminirung zum Kolorit fortgeschritten, und diesen Fortschritt danken wir der Hochrenaissance, danken wir Tizian, vor allem jedoch dem Wirken Correggio’s und Rembrandt’s, deren Behandlung des Helldunkels und der Luftperspektive eine gesetzeskräftige Offenbarung für die moderne Kunst geworden ist. Von diesen Meistern haben wir gelernt, daß es in der Natur keine absoluten Farbenwerthe giebt und daß man eine Gestalt nicht richtig malen kann, ohne auch die Luft zu malen, die sie umweht, ohne sie auf einen bestimmten Hintergrund zu stimmen und das optische Spiel der wechselnden Beleuchtung darzustellen. Diese Erkenntniß ist ein Grundelement unseres Kunstempfindens geworden, und ihr muß jedes Kunstwerk, sofern es nicht monochrom ist, sich anschmiegen. Eine bemalte Statue, welcher Art immer, vermag dies nicht, sei sie nun realistisch oder idealistisch gehalten; sie kann nach modernen Anschauungen niemals gemalt, sondern bestenfalls nur gefärbt sein, und das ist unserem Auge ein Gräuel, den es einer archäologischen Schrulle zu Liebe nicht zu ertragen bemüßigt ist.

Die gelehrten Verfechter der Polychromie wollen es freilich nicht Wort haben, daß sie für eine archäologische Schrulle kämpfen, und darum weisen sie mit Genugthuung auf die bemalten Büsten und Statuetten der Frührenaissance hin. Diese Werke sind jedoch bis auf wenige verschwindende Ausnahmen aus Holz, Thon oder Gyps verfertigt, können also eben so wenig für die Bemalung des Marmors sprechen wie die glasirten Terrakotten des Luca und Andrea della Robbia, die ja ihren festen Platz in der Kunstgeschichte behaupten und nicht erst von einer Reformpartei entdeckt werden müssen. Allein selbst wenn es Marmorwerke monumentalen Charakters wären, genügte wohl die Thatsache, daß jene Meister, welche die Kunst auf den höchsten Gipfel emporgeführt haben, daß Lionardo, Rafael, Michelangelo – von den Größen zweiten Ranges zu schweigen – der Tradition zum Trotz niemals auf den Gedanken kamen, ein Bildwerk farbig auszustatten, obschon sie gleichzeitig Maler und Bildhauer waren und die Technik sowie die Wirkungsmittel beider Künste in gleichem Maße kannten und beherrschten.

Diese Thatsache kennzeichnet am besten die Stellung der Renaissance, deren Meister, bewußt oder unbewußt, von der Ueberzeugung geleitet waren, daß jedes Kunstwerk nur eine Abstraktion der Natur, eine Fiktion ist. Die Malerei darf ihren Gestaltungen den vollen Schein des Lebens verleihen, weil eben die Körperlichkeit derselben eine fiktive ist, in der Plastik ist das Umgekehrte der Fall, und darum empfängt sie durch die Farbe nicht eine „höhere Realität“ – wie die Polychromisten meinen – sondern ganz im Gegentheile den Ausdruck des Starren, Maskenhaften der Figuren in den Jahrmarktsbuden. Die „Ausstellung farbiger und getönter Bildwerke“, welche im Herbste 1885 in der Berliner Nationalgalerie stattfand, mußte Jedermann darüber belehren, sofern ihm das nicht von vornherein klar war. Hier war eine Reihe von Versuchen auf Marmor und Gyps zur Anschauung gebracht, und der Vergleich dieser Leistungen mit den daneben befindlichen weißen Originalen war vollkommen geeignet, unsere Künstler vor weiteren fruchtlosen Experimenten zu warnen.

Das Publikum wird sich allerdings noch geraume Zeit mit diesem Problem beschäftigen, da die Vorkämpfer der farbigen Skulptur nicht unterlassen haben, auf die Wichtigkeit ihrer Theorie für die stilgemäße Ausstattung unserer Wohnräume nachdrücklich aufmerksam zu machen. Der dekorative Zug, der die Kunstthätigkeit der Gegenwart kennzeichnet und dem modernen Kunstgewerbe tatsächlich zu einem hohen Aufschwunge verholfen hat, macht alle derartigen „Stilaufgaben“ populär. Allein wenn man auch den Werth anerkennt, der in der ästhetischen Gestaltung unseres Heimwesens, in der Freude am kunstvollen Schmuck des Hauses liegt, so bleibt es immerhin sehr fraglich, ob es gestattet ist, auch an die großen und monumentalen Gebilde der schöpferischen Phantasie rein dekorative Maßstäbe anzulegen. Wenigstens hat sich bisher Niemand der Ketzerei unterfangen, die Sixtinische Madonna oder Dürer’s „Vier Temperamente“ auf ihre Wirkung gegenüber einem geschnitzten Buffet Louis XV. anzusehen. Mit der Plastik springt man jedoch weit weniger respektvoll um. Die weiße Masse des Marmors oder des Gypses, heißt es, zerreißt die Harmonie jedes stimmungsvollen Interieurs, und aus diesem Grunde hat man auch schon überall die weißen Oefen durch grüne oder bunt glasirte ersetzt. Das ist jedenfalls löblich und gut, soweit es die Oefen betrifft. Aber wenn die Venus von Milo durchaus nicht in den gräflichen Salon oder in das Arbeitszimmer des Kommerzienrathes passen will, so folgt daraus keineswegs, daß man dieselbe bepinseln und beklecksen, sondern nur, daß man sie nicht hineinstellen soll. Die Kunstgeschichte ist kein Möbelmagazin.



[51]
Blätter und Blüthen.

Zur Geschichte der öffentlichen Vorträge. Wir sind so daran gewöhnt, in den Blättern von volksthümlichen wissenschaftlichen Vorträgen zu lesen, die überall, sei es in Vereinen, sei es vor einem geladenen und zahlenden Publikum, gehalten werden, daß wir geneigt sind, diese Sitte für eine althergebrachte zu halten. Und doch besteht sie nicht seit allzu langer Zeit: Paul Moebius erwähnt in einem Vortrage „Ueber die Geschichte und Aufgabe der öffentlichen Vorträge“, daß sich allerdings schon im Anfange dieses Jahrhunderts Spuren derselben gefunden, wie Gotthelf Heinrich von Schubert erzählt; in Dresden sei zu jener Zeit das Bedürfniß gefühlt und auch befriedigt worden, den gewöhnlichen Unterhaltungen der gebildeten Welt in Theater und Koncerten auch noch eine andere, die der wissenschaftlichen Belehrung, beizugeben. Männer von Fach und von Einsehen, wie der berühmte Altertumskenner Böttcher, haben Vorträge gehalten, wodurch in allen für solche geistigen Anregungen empfänglichen Zuhörern der Sinn geweckt und geschärft werden konnte für jene augenfälligen Lichtpunkte im Gebiete der Kunst und Wissenschaft, welche der Beachtung am meisten werth und von eigenthümlichen Reize sind. An dem Genuß und der Belehrung, welche diese Vorträge gewährten, nahmen Männer und Frauen aus den verschiedensten gebildeten Ständen lebhaften Antheil.

Die Nachahmungen eines derartigen Beispiels blieben aber noch ziemlich vereinzelt, bis der berühmte Alexander von Humboldt seine öffentlichen Vorlesungen hielt und fortan in vielen deutschen Haupt- und Universitätsstädten eine sich von Jahr zu Jahr steigernde Zahl von Nachfolgern fand.

Als nämlich Humboldt nach seiner Reise in die Tropenländer Amerikas fast ohne Unterbrechung 20 Jahre in Paris zugebracht hatte, kehrte er endlich im Jahre 1827 nach Berlin zurück und eröffnete in einem Hörsaale der Universität seine Vorträge: „Ueber das Weltgebäude als planvolles und ästhetisches Ganze oder den Kosmos“. Dieselben erregten in der preußischen Hauptstadt, ja in ganz Deutschland so großes Aufsehen, daß oft aus weiter Ferne Gelehrte und Freunde der Naturwissenschaften die Reise nach Berlin nicht scheuten, um wenigstens einer dieser Vorlesungen beizuwohnen und Humboldt’s Persönlichkeit kennen zu lernen. Der König, das königliche Haus und Gebildete aus allen Ständen wohnten diesen Vorlesungen bei. Der Andrang war so groß, daß gleichzeitig mit dem ersten Cyklus eine Wiederholung veranstaltet werden mußte, die vor einer noch größeren Versammlung stattfand.

Diese Humboldt’schen Vorträge bilden in ihrer wissenschaftlichen Gemeinverständlichkeit den Ausgangspunkt für eine volksthümliche Behandlung der Naturwissenschaften, die jetzt zur Modesache geworden: der Kreis derartiger öffentlicher Vorträge umfaßt jetzt alle Fächer; ja es hat sich auch auf diesem Gebiete zum Theil ein reisendes Virtuosenthum ausgebildet. Von höchster Wichtigkeit aber sind die Vorträge geworden, welche sich an unsere arbeitende Bevölkerung wenden und in volksthümlicher Weise wissenschaftliche Fragen erläutern; dies geschieht jetzt in zahlreichen Vereinen und trägt bei geschickter Auswahl der Stoffe und bei einer knappen, schlaghaften Behandlung, welche verständlich ist, ohne ins Seichte zu verfallen, jedenfalls die schönsten Früchte.


Die Lotusblume in Aegypten. Wenn man von der Lotosblume hört, denkt man zunächst an das ferne Indien, wo dieser indische Lotos ja die Wiege der Götter war; doch auch Aegypten hat seinen Lotos, über den uns Franz Wönig in seiner Schrift „Die Pflanzen im alten Aegypten“, die auf eingehenden Studien beruht, die genaueste Auskunft ertheilt. „Der Lotos“, sagt er, „dieses echte Kind der ägyptischen Flora, das aus den stillen spiegelnden Fluthen des breiten majestätischen Stromes seine Blätterteller und Blüthen entfaltet, harmonirt so ganz mit dem Charakter der imponirenden feierlichen Ruhe des alten Wunderlandes. Nil und Lotos sind in der Mythe zu einem unzertrennlichen idealen Gedanken verschmolzen und sind in Wahrheit auch unzertrennlich; denn wenn der Nil zu schwellen beginnt, erwacht der Lotos im tiefen Grunde zum Leben; wenn der Strom seinen Segen spendet, steht die Pflanze in voller Blüthe, und wenn der Strom allmählich zu sinken beginnt, stirbt sie langsam ab. In welcher Ausdehnung und Ueppigkeit einst der Nymphäenflor im Nil aufgetreten, künden unzählige Abbildungen in den Werken der ägyptischen Kunst. Lotos und wieder Lotos tritt uns bei der Durchmusterung der interessanten eigenartigen Bildwerke entgegen. Ob wir mit den alten Aegyptern auf den Vogel- und Fischfang gehen, uns mit ihnen auf dem Strom belustigen, ob wir den Spiegel des Sumpfes oder Teiches betrachten, aus welchem der Frohnknecht Wasser zum Erweichen der Ziegelerde schöpft, ob wir uns ans Nilufer zu den Papyrusarbeitern begeben, einen Blick auf die reichbesetzten Opfertische werfen oder Herren- und Damengesellschaften, Sänger und Sängerinnen bei Tanz und Spiel belauschen oder hinabsteigen in die Grabkammern, immer finden wir das Symbol der höchsten Gottheiten in reicher Fülle vor.“

Die Königin der Blumen fand die mannigfachste Verwendung. Man verkaufte sie auf den Straßen, auf den Märkten, pflegte sie in Kübeln und Thongefäßen, stellte sie als Zimmerschmnck in zierlichen Alabaster- und Thonvasen auf und erfreute sich an ihren lichten Farben und am zarten zimmetartigen Geruch der Blüthe. Lotosblumen waren das bevorzugte Geschenk der Liebenden; man trug sie als Amulet aus Holz oder gebranntem Thon auf der Brust. Es galt als Zeichen feiner Sitte, nicht nur bei großen öffentlichen Festen, sondern auch in Privatkreisen und Gesellschaften, mit einer Lotosblume in den Händen zu erscheinen. Den Gästen wurde oft ein Blumenkragen um den Hals gelegt, ihr Haupt gesalbt und mit Blumengewinden geziert, aus denen dann eine Lotosknospe oder Lotosblume über die Stirn herabhing. Auf allen Bildern von Festmahlen tragen die Gäste Lotosblumen in der Hand, die von den Dienern und Dienerinnen durch frischere, duftvollere ersetzt werden. Aus den Zeilen der zunehmenden Schwelgerei, wo sich auch die Damenwelt dem Genuß des Weines im Uebermaße hingab, sind noch Bilder vorhanden, welche diese trunkenen, auf ihre Sklavinnen gestützten Schönen darstellen, und der Künstler giebt ihnen sinnvoll eine „geknickte“ Lotosblume in die Hand.

Die Kunst glücklich zu sein. Es ist nicht das erste Mal, daß ein Werk des berühmten italienischen Gelehrten Paul Mantegazza in deutscher Uebersetzung erscheint; sein treffliches Reisewerk „Indien“ und andere seiner Schriften sind längst in den weitesten Kreisen bekannt. Nun ist auch seine Schrift „Die Kunst glücklich zu sein“ von Gad Ennelin ins Deutsche übertragen worden (Verlag von Hermann Costenoble in Jena) und wird dem Autor zu den alten Lorbeeren neue erwerben. Das Buch ist nicht umfangreich, aber voll treffender Gedanken, von welchen wir eine kleine Auslese hier wiedergeben. Das zwölfte Kapitel führt den Titel „Gesetzbuch des Glückes“ und enthält u. a. folgende „Paragraphen“:

Daß das Glück so selten, ist mehr Schuld der Menschen als der Verhältnisse.

Es giebt eben so wenig zwei gleiche Ansichten über Glück, als es zwei egale Menschen, zwei gleiche Blätter oder Sandkörner giebt.

Jeder soll auf seine Art glücklich sein, nicht nach der Schablone eines Andern.

Willst Du einen gutsitzenden Schuh haben, laß an Deinem eigenen Fuß Maß nehmen. Dasselbe gilt für das Glück.

Du wirst schnell und sicher glücklich, wenn Du zur Hauptbedingnug für das eigene Glück das der Andern machst.

Der Glückliche fordert nichts von Andern, quält und stört sie nicht, sondern verbreitet Fröhlichkeit und Wohlbehagen um sich.

Wenn die Menschen glücklich zu sein verstünden, wären viele jetzt nöthige Einrichtungen entbehrlich, von der barmherzigen Schwester bis zum Schutzmann, von den Arzneien bis zum Bettelbrief.

Die Kinder sind glücklich, weil sie nicht über ihr Glück nachdenken; die Erwachsenen sind es nicht, weil sie zu viel darüber grübeln.

Wer sein Glück auf eine einzige Sache koncentrirt, vereinfacht die Kunst, glücklich zu sein, kann aber leicht bankerott werden. Er ist wie der Bauer, der nur Einerlei auf seinem Boden baut. Wenn dies mißräth, kann er Hungers sterben.

Der Glückliche ist wie der gesegnete Boden Toscana’s, der zu gleicher Zeit Korn, Oel und Wein trägt.

Wie in der Natur alles Lebendige klein in seinen Uranfängen ist, aber zum Wachsen und Fortkommen befähigt und voller Lebenswärme – so sollte es auch mit dem Glücke sein.

Statt über Dich zu blicken, schau um Dich und hinter Dich.

Die Hoffnung ist ein Wechsel auf Glück und so lange er nicht fällig erklärt worden, hat er an alten Orten der Welt Gültigkeit.

Hast Du kein Haus, so sammele Bausteine für eins; hast Du keine Bausteine, so zeichne auf dem Papier einen Plan. Jeder sollte in Gedanken einen Plan, ein Ziel haben.

Nicht alle Blüthen werden zu Früchten; aber sie sind trotzdem schön und voller Duft.

Das Glück erfreut sich der Gegenwart und hofft auf die Zukunft.

Wenn das Glück ein Wappen hätte, würde ich mit ehernen Zeichen die drei Worte, die für mich die Kunst und die Philosophie des Glückes in sich schließen, darauf schreiben. Bei wenigem viel.

**

Nachbarskinder. (Mit Illustration S. 49.) Gelegenheit macht Diebe – Gelegenheit macht Liebe: das ist die Devise für Nachbarskinder. Die einen stehlen über den Zaun dies und das, und manchmal sind es Herzen, die gestohlen werden. Es bedarf kaum eines Kommentars für die Blicke der beiden jungen blühenden Menschenkinder auf unserem Bilde: wir kennen uns – wir verstehen uns von Kindesbeinen auf – wir gehören zu einander und es ist eigentlich ganz unnütz, einander ausdrücklich darnach zu fragen, ob wir eines Tages die Möglichkeit einer Trennung für immer ausschließen wollen. Das ist eine reizende Sache, so von den Kinderspielen an sich in einander hineingelebt zu haben und am Ende die Liebe als reife Frucht zu pflücken. Man hat da kein Menschenräthsel mehr vor sich, welches unter Umständen mit Enttäuschungen überrascht. Es giebt keine innerlichen Schranken mehr, welche trennen – nur eine Gartenmauer. Vorausgesetzt bei alledem, daß es sich um gute Nachbarn handelt. Sonst ist diese Gartenmauer eine schreckliche Sache: unsere Novellisten wissen traurige Geschichten zu erzählen, wie es gehen kann, wenn feindlicher Nachbarn Kinder einander lieben; die Nähe schärft nicht nur die Liebe – auch den Haß. Traurige Geschichten! „Die verbotenen Früchte sind süß und die erstohlenen Brote sind lieblich,“ sagt die Bibel.


Ein Volksnahrungsmittel. Wenn im Frühjahre auf Wiesen und Rasenplätzen sich das erste Grün zeigt, dann erscheint auch jene allbekannte, lebhaft gelb gefärbte Blume, die wir unter den Namen Löwenzahn, Butterblume, Hundsblume, Pfaffenröhrlein, im sächsischen Mittelgebirge auch Maiblume genannt, kennen, während die botanische Bezeichnung Leontodon taraxacum lautet. Die Pflanze galt früher als ein ausgezeichnetes Heilmittel gegen Leberentzündung und Gelbsucht; auch jetzt ist sie noch officinell und wird mit Erfolg gegen Stopfungen im Unterleib als mild lösendes Mittel angewendet. Ihr Hauptwerth aber liegt darin, daß sie ein sehr wohlschmeckendes und gesundes Nahrungsmittel bildet, das als solches in Deutschland noch viel zu wenig gekannt ist, während die Pflanze in Frankreich und in Italien längst als eine höchst werthvolle Gabe der Natur geschätzt wird. Der dem Stiele entquellende Milchsaft hat einen bittersüßen Geschmack, wirkt blutreinigend und für den Magen mild anregend. Die jungen Sprossen geben einen vortrefflichen Salat, während ältere Pflanzen, nach Art des Spinats zubereitet, ein ausgezeichnetes, gesundes Gemüse liefern. Selbst die Wurzel ist ähnlich wie die beliebte Schwarzwurz (Scorzonera L.), wie jene ebenfalls zur Familie der Kompositen gehörig, genießbar; nur muß man [52] Wurzelgemüse wie Spinat so lange kochen lassen, bis die Bestandtheile völlig weich sind. Ein Zusatz von etwas Zucker mildert das Bittere, das bei älteren Pflanzen bisweilen etwas zu stark hervortritt. In Frankreich bildet der Löwenzahn bei Arm und Reich in jeder Form ein außerordentlich beliebtes Gericht, und es ist in der That unbegreiflich, weßhalb dies nicht auch in Deutschland der Fall ist. Bei dem überaus häufigen Vorkommen der Pflanze und ihrer bedeutenden Vermehrungsfähigkeit kostet dieselbe nichts weiter, als die Mühe des Einsammelns, was mit Leichtigkeit von Kindern besorgt werden kann; das Nahrungsmittel ist also billiger als jedes andere, selbst als die Kartoffel, besitzt aber zweifellos einen weit höheren Nährwerth als diese. Daß die gelbe Blume vom zeitigen Frühjahre bis in den Spätherbst hinein gefunden wird, ist bekannt.

Ueber Kindergesellschaften. Aus Berlin laufen Klagen ein betreffs der überhandnehmenden Unsitte der großartigen Kindergesellschaften, die schon ganz nach dem Maß der Gesellschaften der Erwachsenen zugeschnitten sind. Es geht dabei der Reiz verloren, welcher der harmlos fröhlichen Zusammenkunft der Kleinen sonst eigen zu sein pflegt und der eine gewisse Bedürfnißlosigkeit oder wenigstens die Zufriedenheit mit einer einfachen Bewirthung voraussetzt. Jetzt geht es in der Regel nicht ab ohne mehrere Gänge, ganz wie bei den großen Herren und Damen, und die junge Welt leert das Glas Bowle mit derselben Grazie wie jene. Die Reichen wollen auch hierin zeigen, welchen Luxus ihre Mittel ihnen erlauben, und die Andern besitzen den falschen Ehrgeiz, es ihnen gleichzuthun. Auch mit den gegenseitigen Beschenkungen wird jetzt ein solcher Luxus betrieben.

Und was sind die Folgen dieser schon die Kindheit in ihr Bereich ziehenden gesellschaftlichen Mißstände? Die Unbefangenheit des zarteren Lebensalters geht verloren; unausbleiblich sind die Verhandlungen der Eltern über die Kosten der Kinderfeste und Geburtstagsgeschenke, auch die Klagen der minder Begüterten. Die Kinder lernen allzufrüh den Unterschied der Vermögensverhältnisse kennen; die einen werden stolz und übermüthig, die andern neidisch und verbittert, und bald beginnt wie Ironie des Dichters Vers zu klingen:

„Spiele, liebliche Jugend! Noch ist Arkadien um Dich –“

Das Arkadien verschwindet aus den Spielen der Jugend, sobald die Geldfrage eine Rolle spielt.

Auch gegen die üblichen Kinderbälle läßt sich viel einwenden: hier liegt ebenfalls eine Nachahmung der Erwachsenen zu Grunde – und darunter leidet der originelle Reiz des kindlichen Lebensalters, das sich von jeder Aefferei freihalten muß. Lieber etwas lärmendes Spiel voll Heiterkeit und Lebenslust und dazu eine belegte Butterschnitte und ein Glas leichtes Bier, als das verzierte Wesen bei einem pomphaften Souper, welches nur der Küche und dem Geldbeutel der Gastgeber Ehre machen soll. †      

Automat. Unter diesem Namen wurde neuerdings eine Erfindung

auf den Markt gebracht, die bestimmt ist, einer Reihe kleiner Uebelstände im täglichen Leben abzuhelfen. Der „Automat“ von J. Wolff in Stettin bietet einen willkommenen Ersatz für alle bisher gefertigten Packethalter und eignet sich vorzüglich zum Einschnallen von Plaids, Schulbüchern etc. Durch einen einzigen Griff kann man ihn öffnen oder schließen, und vor den bis jetzt bekannten Schnallvorrichtungen hat er außerdem den Vorzug, daß sein Schloß aus Metall gefertigt ist und sich nicht so leicht abnutzen kann. Die nebenstehende Abbildung erläutert den Gebrauch desselben. Wie geringfügig auch der „Automat“ auf den ersten Blick erscheinen mag, so verdient er doch eine Erwähnung; denn man muß ja auch den kleinen Erfindern, die uns das Leben angenehm machen wollen, gerecht werden. *      

Ein amerikanischer Sonderling. Es ist gewiß eine Marotte, Stockfisch vorzugsweise zu essen, weil er die beste Nahrung für das Gehirn biete. Ein alter reicher Herr in Chicago, Namens Hill, vertritt in Theorie und Praxis diese Anschauung über den Nahrungswerth jenes Fisches; er hat außerdem noch allerlei originelle, harmlose Sonderbarkeiten, über welche die andern Sterblichen vielleicht lächelnd die Achseln zucken. Doch eine seiner „fixen Ideen“ verdient keineswegs belächelt oder leichthin aufgenommen zu werden; Herr Hill verlangt, daß jeder Arbeiter sein eigenes Haus haben müsse, und da er über drei Millionen Dollars verfügt, so konnte er seine Idee schon selbst verwirklichen, indem er zweitausend Familien eine derartige Heimath verschaffte, Land in den Vorstädten kaufte, Häuser auf den Grundstücken errichtete und sie den Arbeitern auf Abzahlung überläßt, und zwar oft ohne jede Anzahlung. Solche fixen Ideen kann man sich gefallen lassen; sie führen zu reformatorischen Thaten, und der Sonderling von Chicago wird die Zustimmung zahlreicher Arbeiterfreunde und Socialreformer zu seiner „Marotte“ und der hochverdienstlichen Ausführung derselben finden. †      

Eine Jagdantike. Im Jahre 1688, also gerade vor zweihundert Jahren, erschien in Berlin eine Verordnung, welche bestimmte, wer sich an den damals noch sehr häufigen Wolfsjagden betheiligen mußte und wer davon befreit war. Von dem „Lauffen in die Wolffsjagd“, wie es in dem Edikte hieß, waren nur befreit: regierende Bürgermeister, Richter, Geistliche, Accisebeamte, Salzfaktoren, Schulmeister, Land- und Postbereiter, Stadtphysici, kranke Frauen und Hebammen; alle übrigen Stände hatten sich dem Leiter der Jagd zur Verfügung zu stellen. Die Wölfe, welche zu jener Zeit noch sehr häufig waren, nahmen aber durch die energischen Nachstellungen mit jedem Jahre ab, so daß diese lästige Verordnung im Jahre 1734 wesentlich gemildert werden konnte, indem bestimmt wurde, „daß nur für jedes Gezeug 130 Leute kommandirt werden, weil das genug sei, und nur eitel tüchtige Mannspersonen“. Diese Wolfsjagden erstreckten sich oft über einen sehr großen Raum und dauerten nicht selten mehrere Tage, während welcher die Theilnehmer ihrer sonstigen bürgerlichen Beschäftigung entzogen wurden; die Nächte brachten die Leute an großen Wachtfeuern zu, von denen zuweilen eine ganze Anzahl brannten, so daß man sich in ein kriegerisches Feldlager versetzt glaubte. Erst Friedrich der Große hob diese Zwangsbetheiligung der Bürger an den Jagden auf, die allseitig als eine große Last empfunden wurde, mit dem Verschwinden der Wölfe aber von selbst hinfällig geworden wäre.

Schach-Aufgabe Nr. 2.
Von Otto Fuß in Hannover.

Weiß zieht an und setzt mit dem dritten Zuge matt.


Auflösung der Schach-Aufgabe Nr. 1 auf S. 20:
Weiß: Schwarz: Weiß: Schwarz:
1. L d 4 — e 5 e 6 — d 5: 1. . . . . K e 4 — f 5
2. D g 3 — e 1 † K e 4 — f 5 2. S d 5 — e 7 † K f 5 — e 4
3. L b 5 — d 7 matt. 3. D g 3 — e 1 matt.
1. . . . . . d 6 — e 5 : 1. . . . . K e 4 — d 5 :
2. S d 5 — f 6 † beliebig. L e 5 — d 6 : beliebig.
3. D g 3 — f 2 matt. 3. D g 3 — e 5 matt.
Auf 1. . . . . L b 1 und b 4 — b 3 folgt 2. L d 6: etc.; sonstige Läuferzüge werden mit 2. S f 6 † etc. erledigt. Auf 1. . . . . g 4 folgt 2. L d 6: oder D f 4 † etc. — Diese reizende Komposition des Altmeisters Berger dürfte wohl allseitigen Beifall gefunden haben!

Auflösung des Bilder-Räthsels auf S. 36:
„Die Wage gleicht der großen Welt:
Das Leichte steigt, das Schwere fällt.“



Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Langjähriger Abonnent in U. Im Jahrgang 1883 der „Gartenlaube“ finden Sie den Artikel „Nur ein Versuch!“, der Sie in Ihrem Vorhaben, den Seidenbau zu versuchen, nur bestärken wird. Im Uebrigen können Sie auf Grund eines Artikels den Seidenbau nicht einrichten; Artikel können nur Anregung geben. Verschaffen Sie sich das ausgezeichnete Werkchen: „Der Seidenbau als Nebengewerbe, eine Quelle des Wohlstandes und Nationalreichthums“ von Ed. Brinckmeier (A. Schröter, Ilmenau), und Sie werden uns für unseren Rath Dank wissen.

C. in W. Die vortheilhafteste Geschwindigkeit der Luft zum Antrieb eines Windrades beträgt 7 Meter für die Sekunde. Warum in Norddeutschland mehr Windmühlen etc. als in Süddeutschland anzutreffen sind, erklärt sich durch den Umstand, daß im Binnenlande jährlich nur 150 Tage mit vortheilhafter Windgeschwindigkeit, sogenannte „Windtage“, vorkommen, während die Zahl derselben an der Nordseeküste auf 250 bis 280 anwächst.

A. F. in San Paulo. Wir haben vor Kurzem deutsche Gouvernanten vor der Auswanderung gewarnt: Sie warnen dieselben besonders vor der Auswanderung nach San Paulo in Brasilien; das hohe Gehalt soll Niemand verlocken, da dort alles enorm theuer ist. Namentlich haben es die Erzieherinnen auf den Pflanzungen schlecht: sie sind abgeschnitten von aller Welt und der Willkür der Pflanzer preisgegeben, die sie bisweilen durch Hunger zum Gehorsam zu zwingen suchen.

A. W. in B. Als ein schönes Buch für das zartere Kindesalter empfehlen wir Ihnen „Aus der Jugendzeit“ von Franz Dittmar (Leipzig, E. Twietmeyer), dessen werthvolle Bilder und Verse Ihnen gewiß zusagen werden.

H. R. in Stettin. Sie erkundigen sich nach Liedern, die sich zum Pianoforte singen lassen? Ihren Ansprüchen wird wohl am besten das bei Breitkopf und Härtel in Leipzig erschienene „Deutsche Liederbuch mit leichter Klavierbegleitung“ genügen, welches 200 alte und neue, ernste und launige Volkslieder enthält.

B. G. in Kiel. Wir haben über die Leistungen der von Gustav Thoelde im Jahre 1868 in Berlin begründeten Asyle für Obdachlose in Nr. 49 vorigen Jahrgangs einen durchaus sympathischen Artikel gebracht; nur war darin die Frequenz der Asyle zu gering angegeben. In den verflossen 17 Jahren haben die Asyle 1 712 479 Personen besucht.

A. B. in Zwickau. Lesen Sie gefl. die Biographie W. Heimburg’s im Jahrgang 1884 der „Gartenlaube“, S. 648.


Inhalt: [dieses Hefts, zur Zeit hier nicht dargestellt.]


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.