Die Gartenlaube (1895)/Heft 14

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Autor: Verschiedene
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Titel: Die Gartenlaube
Untertitel: Illustrirtes Familienblatt
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Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum: 1895
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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[221]

Nr. 14.   1895.
Die Gartenlaube.

Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Abonnements-Preis: In Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf. In Halbheften, jährlich 28 Halbhefte, je 25 Pf. In Heften, jährlich 14 Hefte, je 50 Pf.



Haus Beetzen.

Roman von W. Heimburg.


Es ist ein Abend zu Ende des Oktober, regnerisch, kalt und windig, ein Abend, der den Bäumen des Parkes und des angrenzenden Waldes den letzten mühsam festgehaltenen Schmuck vergangener Sommerlust raubt. Morgen werden die Purpurblätter des wilden Weines und das goldene Land der Birken und Buchen verweht sein und die Bäume nur noch kahle Aeste in die Luft recken, und dann wird’s nicht mehr lange dauern, so ist der November da, der trübe, todestraurige Monat, der über die Erde zieht mit nebelgrauen schleppenden Gewändern, gebückt und finster, in seinem Gefolge Mißmut und Krankheit –. Ach, wie traurig, dann hier zu sitzen im Herrenhause von Beetzen so allein – so ganz allein.

Arme Ditscha!

Sie wendet den Kopf zurück. Draußen sind allmählich die Umrisse der Bäume verschwunden in dem Regendunst und der Dämmerung, aber was thut’s? Sie kennt den Blick von dem Fenster ihres Zimmers genau, so genau wie das Zimmer selbst mit seiner altväterlichen Einrichtung, wie das ganze Haus und wie die Insassen dieses Hauses vom Onkel und von den Tanten an bis herab zur Köchin, dem bärbeißigen alten Kutscher und dem asthmatischen pensionierten Jagdhund Namens Cäsar.

Ach ja, es ist ihr alles unglaublich vertraut und bekannt hier im Hause, und alles so unglaublich regelmäßig, langweilig und öde; ein Tag wie der andere. Zuerst des Morgens gemeinschaftliche Andacht, welche Tante Anna hält; zuweilen liest sie Betrachtungen aus einem geistlichen Buche vor, zuweilen redet sie auch frei über eine Bibelstelle, die sie selbst auswählt – das ist, wenn irgend eine Person des Hauses irgend etwas gethan oder unterlassen hat, das sich mit Tante Annas strengen Ansichten nicht verträgt.

Der Onkel pflegt in solchen Fällen sein joviales Angesicht in seltsame Falten zu ziehen. Ditscha vermeidet es, ihn anzusehen, denn sie bekommt Anwandlungen zum Lachen, und die Sache ist doch so ernst und Ditscha so fromm; sie hat den reinen ehrfürchtigen Gottesglauben ihrer achtzehn Jahre. Sie kann auch die andern nicht ansehen, Onkels Frau, die Tante Bertha, nicht, die während des Betens an ihren Haushalt denkt oder an ihren ewig gleichbleibenden Kummer und regelmäßig nervös zusammenfährt, wenn Tante Anna mit hoher Stimme anhebt zu singen „Unsern Ausgang segne Gott!“ Und die Köchin nicht, die gewaltsam andächtig aussieht mit zum Himmel gerichteten Augen.

Mit „Unterthänigen guten Morgen!“ empfehlen sich dann die Leute, und die Herrschaft geht zum Frühstück. Der Onkel liest die Zeitung, Tante Bertha das Wirtschaftsbuch und Tante Anna starrt, während sie mechanisch ihr Butterbrot in den Kaffee tunkt, auf einen Fleck; kein Mensch spricht ein Wort.

Nun muß Ditscha Staub wischen, wozu Tante Bertha ihr ein Paar ausrangierter wildlederner Handschuhe vom Onkel verehrt hat, damit ihre Hände nicht leiden, denn an den Händen erkennt man die wirkliche Dame, und dann übt sie Klavier, schwere ernste Musik; Tante Anna, die ihr Unterricht


Ostermorgen auf dem Lande in Ostpreußen.0 Von W. Winck.

[222] erteilt, verachtet alle Salonklimperei. Und endlich darf sie Tante Klementine „Guten Tag“ sagen, die im Turmgeschoß ihr Krankenzimmer hat und um diese Zeit glücklich von der Frau Hanne, ihrer Pflegerin, in den Lehnstuhl gebracht worden ist, der einen Tag wie alle Tage am Fenster steht, dem Fenster, das von allen des Herrenhauses die weiteste Aussicht hat, die die Gelähmte so liebt, die arme gelähmte sanfte Tante Klementine.

Ditscha hat ihr kaum die Hand geküßt und nach ihrem Befinden gefragt, so muß sie Tante Anna helfen, allerhand Kleidungsstücke für den Missionsverein nähen, und nun folgt der Mittag, und nach dem Mittag schlafen die Herrschaften und Ditscha kann machen, was sie will. Sie nutzte bisher ihre Zeit mit Lesen aus, das heißt, sie schlich heimlich in die Bibliothek, die bis vor zehn Jahren immer wohlversehen war, seitdem aber, seitdem das große Unglück geschah, nicht um ein einziges Buch bereichert wurde. Ditscha verlebt ihre schönsten Stunden in dem verlassenen stillen Raum, wo es nach Staub und Moder riecht, und wo sie nur lesen kann, wenn sie das Buch auf die Fensterbank legt nahe einem Spalt der immer verschlossenen Läden, der ein wenig Tageslicht durchläßt. Aber das hat sie nie gestört, sie hat gelesen, wie ein Durstiger trinkt, Reisebeschreibungen, Weltgeschichte, sentimentale Romane und Memoiren, alles, alles, bis sie eines Tages die Thüre verschlossen findet und Tante Anna am nächsten Morgen in der Andacht davon spricht, daß das Lesen weltlicher Bücher Gift sei für junge Mädchenseelen. Da weiß Ditscha, wer ihr den Weg versperrt hat zu der einzigen Zerstreuung, und nun füllt sie die freie Zeit mit Nichtsthun aus, im Sommer unter den Bäumen des Parkes, wo sie stundenlang liegen und eine halbzerbröckelte Nymphe in Rokoko-Geschmack anstarren kann, oder im Winter auf ihrer Chaiselongue, wo sie, statt besagter Nymphe, die verschnörkelte Stuckdecke ihres Zimmers betrachtet.

Was soll sie auch anderes thun? Eins freilich thut sie ausgiebig, sie sehnt sich – nach was? Nach Leben, nach Lachen, nach Arbeit, nach frischer herzerquickender Lust, wie sie der Jugend not thut, und nach jemand, der sie lieb hat, der sie ein bißchen verzieht, ein bißchen verwöhnt, dem sie alles sagen darf, was ihr durch die einsame junge Seele klingt! Sie weiß es selbst nicht, wie sehr sie sich sehnt, und schilt sich undankbar, wenn ihr die Thränen plötzlich aus den Augen stürzen wie eben jetzt. Ja, sie ist undankbar, sie hat’s doch so gut! Sie wird nun gleich zum Fünfuhrthee gehen und darf Tante Anna wieder helfen, Missionsstrümpfe stricken, oder sie darf Onkel sein Lieblingsstück vorspielen, das einzige weltliche, das Tante Anna gestattet hat, ein Potpourri, aus allerhand preußischen Märschen und patriotischen Liedern zusammengesetzt, es fängt an mit dem berühmten: „So leben wir, so leben wir“ und schließt mit: „Heil dir im Siegeskranz“. Und sie darf den Leitartikel der „Kreuzzeitung“ mit anhören; sie darf, wenn der Herr Pastor und der Herr Oberförster zur Whistpartie kommen, mit den Gattinnen der beiden Herren und den Tanten plaudern oder vielmehr – plaudern hören, und da erfährt sie ja alles, was auf zehn Meilen in der Runde vorgeht. Und abends bei Tische frischt der Onkel ein paar alte längstbekannte Anekdoten auf, worüber Tante Bertha lächelt und Tante Anna die Augen verdreht, und dann darf sie Onkel die Pfeife und den brennenden Fidibus bringen und das heiße Wasser zum Rum gießen, denn der Onkel trinkt jeden Abend verschiedene Grogs. Beim dritten Glas pflegt Tante Anna zu verschwinden, denn dann kommt er ins kritisierende Stadium. So sehr er sich auch morgens bei der Andacht vor der gestrengen Schwester fürchtet, mit zwei Glas Grog im Magen ist er imstande, ihr zu trotzen. Er pflegt nach ihrem Abgang zu lachen und sich die Hände zu reiben vor lauter Gemütlichkeit und Wohlbehagen, seine Haltung wird nachlässiger und er sagt zu Ditscha: „Ist noch heiß’ Wasser da?“

Natürlich! Es ist immer noch heiß’ Wasser da. Und sie schenkt ihm auch das vierte Glas noch ein, und dann schickt Tante Bertha sie fort, denn wenn Ditscha das vierte Glas kredenzt, klopft er sie immer auf die Wangen und nennt sie eine „verdammt hübsche Hexe!“ und Tante Bertha ruft laut: „Gute Nacht, Ditscha, träume süß und verschlaf’ die Zeit nicht!“ Dann geht sie, um sich zu Bette zu legen.

So ist der Tag vorüber, und morgen kommt es wieder so und übermorgen wieder und genau so fort, wie nun schon seit drei Jahren, seitdem ihre Gouvernante entlassen und sie vom Pastor Besser konfirmiert wurde, und wie es weiter bleiben wird – großer Gott, wie lange noch!

Sie reckt ihre schlanke Gestalt, die an eine junge Birke gemahnt, und gähnt, indem sie noch rasch die letzten Thränen abwischt. Es ist doch unrecht vom Papa, daß er sie so verbannt – er, in seiner Stellung. Es ist unrecht von Gott, daß er ihr die Mutter so früh nahm, daß sie nicht im Vaterhause aufwachsen durfte, und daß er dem Papa die unselige überflüssige Idee eingab, wieder zu heiraten, jetzt, wo sie ihm den Haushalt hätte führen können. Eine junge Frau hatte er genommen, nicht viel älter als Ditscha, und sie – sie war nun natürlich überflüssig beim Papa, und Tante Bertha, die keine Kinder hat, streckte auch sogleich die Hand nach ihr aus, um sie hier festzuhalten als Pflegetochter – natürlich! Eine Mutter, ohne die geringste Ahnung, was Ditscha gebraucht für ihr junges Dasein, eine Frau, die immer nur von Wirtschaft, von Sparsamkeit und von dem großen Unglück ihres Lebens spricht und gar nicht sieht, daß Ditscha verweinte Augen hat und blasse Farbe.

Und Onkel? Gar kein bißchen Verständnis hat er für sie. Heute früh hat sie ihn flehentlich gebeten, er solle ihr erlauben, eine Kleinkinderschule im Dorfe anzulegen, sie will die Kinder unterrichten und beaufsichtigen, sie wird sie so lieb haben, die blonden blauäugigen kleinen Würmer, die ohne Aufsicht in den Häusern umherkrabbeln, während die Mütter ihrer Arbeit nachgehen; sie fiebert ordentlich vor Eifer, als sie dem alten Herrn ihren Wunsch vorträgt: „Onkel, ach bitte, bitte, ich habe so große Lust dazu! Ich möchte so gern etwas nützen in der Welt!“

Und was hat er geantwortet? Gefragt hat er sie, ob sie nicht recht gescheit wäre. Wie sie denn auf diese Idee käme, sie, die das gar nicht nötig habe. Wenn ein solches Institut wie eine Kleinkinderbewahranstalt – früher habe man von dergleichen nichts gewußt – Bedürfnis geworden sei – nun gut, dann werde er seine Hilfe gewiß nicht versagen, aber dann solle eine geeignete Person zur Aufsicht angestellt werden. Sie, Ditscha, wolle doch sicher nicht einem armen Wesen, das darauf angewiesen sei, sein Brot zu verdienen, hindernd in den Weg treten, indem sie eine Stelle ausfülle – und kurz und gut – „Nein!“ Und nochmal „Nein!“

„Ditscha!“ schallt es jetzt durch den Korridor, „Ditscha–a–a–a!“

Wenn sie sich doch den dummen Namen abgewöhnen wollten! Aber sie wird natürlich „Ditscha“ bleiben in alle Ewigkeit, „Ditscha“, wie ihre polnische Kinderfrau sie genannt und was gar kein Name ist, sondern soviel wie „Kind“ heißt. – Sie bleibt stehen mit gerunzelter Braue, sie heißt Sophie, Sophie und nicht – –

„Ditscha–a–a!“ klingt es noch einmal sehr energisch – das ist Tante Anna!

Sie schreckt zusammen, streicht nerwös mit der Handfläche über den dunklen Scheitel und eilt die breite Treppe hinunter, auf die der letzte Tagesschein noch durch das hohe, mit alten Glasmalereien gezierte Flurfenster fällt.

„Ach, bitte, entschul–.“ Weiter kommt sie nicht in ihrer Rede. Sie bleibt erschreckt und verlegen stehen, denn da sitzt – ein ungewohnter Anblick – beim Scheine der Moderateurlampe ein Fremder am Kaffeetisch zwischen Onkel und Tante und wendet, wie alle übrigen, den Kopf nach ihr, indem er aufspringt und sich verbeugt.

„Herr von Perthien – meine Nichte Sophie von Kronen! Wissen Sie – von meinem jüngeren Bruder die Tochter, dem Oberst von den Dragonern in Mühlen,“ sagt der Onkel.

Ditscha hat das liebliche blasse Gesicht geneigt, und nun sitzt sie da und wagt nicht aufzusehen. Es ist der erste junge Mann, dem sie sich in solcher Weise gegenüber befindet, dieser Herr von Perthien.

„Herr von Perthien ist als Volontär eingetreten, drüben auf der königlichen Domäne Uechte beim Amtsrat Calwerwisch und hat natürlich nicht verfehlen wollen, dem alten Freunde seines Papas ‚Guten Tag!‘ zu sagen.“

Im ganzen ist die Unterhaltung sehr einsilbig, denn Herr von Perthien vermag sich nicht in die Missionsangelegenheiten hineinzudenken, die Tante Anna angeregt hat, und Onkel Joachim ist genötigt, von Wirtschaft, Raps- und Rübenbau und schließlich von Forst- und Jagdverhältnissen der hiesigen Gegend zu sprechen und dem „kleinen“ Perthien zuguterletzt zu sagen, daß er seine Böcke gern selbst schießt, ein einsamer Pirschgang sei das einzige Vergnügen, das er noch habe auf der Welt. Und dabei zwinkert er mit den Augen zu seiner Frau hinüber, die sehr blaß und bedrückt aussieht.

[223] „Da war nämlich ein junger Herr beim Amtsrat Calwerwisch –“ erklärt sie, um etwas zu sagen.

„Der mir das Geschäft abnehmen wollte,“ ergänzt der Onkel.

„Aber Joachim,“ fällt Tante Anna sittlich entrüstet ein, „das wäre ja Wilddieberei gewesen!“

„So ungefähr!“

„Ohne Zweifel!“ giebt Herr von Perthien ernsthaft zu.

Tante Bertha bittet den Gast, der keine Miene macht, sich zu entfernen, zum Abendessen zu bleiben; er nimmt an mit tiefer Verbeugung und einem Blick auf Ditscha. Nach Tische muß sie Klavier spielen; Onkel Joachim hat zwar einen Versuch gemacht zur Konversation, indem er fragt, ob das väterliche Gut des Herrn von Perthien jetzt verpachtet sei, greift dann aber, ohne eine Antwort abzuwarten, mechanisch zur Zeitung, und Tante denkt, daß ihr einziger heiß betrauerter Sohn jetzt ein ebenso stattlicher junger Mann sein könnte, wenn er nicht – lieber Gott – –

Herr von Perthien ist an den Flügel getreten und betrachtet das junge Mädchen, das mit vieler Empfindung eine Beethovensche Sonate spielt. „Lieben Sie so ernste Musik?“ fragt er, als sie schließt.

Sie nickt, sie kennt gar keine andere.

„Tanzen Sie gern?“

„Sophie tanzt nie!“ ruft Tante Anna streng aus der Sofaecke.

„Warum nicht?“

„Eh! Mit wem soll sie denn tanzen?“ wirft Onkel Joachim ablenkend ein – er ist noch beim ersten Glas. „Die Bälle in Bützow sind nicht verlockend; ein paar Gymnasiasten, ein paar Referendare, dazu eine Million Mädchen und überhaupt – – wissen Sie – wir, meine Frau und ich – nicht wahr, Alte –?“

„Darin liegt überhaupt nicht das Glück,“ unterbricht ihn Tante Anna rasch.

Die Hausfrau hat ihren Mann angesehen, und ein ernstes Nicken bestätigt seine Meinung. „Ja, mein Alter – überhaupt wir – wir beide – –“

Er schneuzt sich sehr geräuschvoll und lange. „He, Ditscha,“ ruft er dann, „hast Du noch heiß’ Wasser?“

Sie kommt mit dem blitzblanken Kesselchen, Tante Anna erhebt sich würdevoll bei diesem Signal und verläßt mit einem „Gute Nacht, Ihr Lieben, Adieu, Herr von Perthien!“ das Zimmer mit dem Anstand einer tragischen Bühnenheldin, die „glanzvoll“ abzugehen hat. Herr von Perthien setzt sich an das Klavier und beginnt einen Walzer zu spielen, die „schöne blaue Donau“ von Strauß.

Ditscha steht hinter dem Sessel ihres Oheims und lauscht mit roten Wangen und glänzenden Augen den prickelnden Tönen. Wie das lockt, wie das wiegt, wie er spielen kann!

Der hübsche Mensch mit dem kecken Gesicht scheint selbst mitzutanzen, und nun hebt er den Blick und sieht sie an, ein Blick, in dem alles Mögliche liegt, brennende Lebenslust und Mitleid, Mitleid mit ihr – armes Mädchen, wo ist deine Jugend?

Sie fühlt, wie sie errötet, und schlägt die Augen nieder; ein zorniges Gefühl überkommt sie – was weiß er von ihr, von ihrem Leben?

Tante Bertha hat den Strickstrumpf sinken lassen und starrt ins Leere mit gerunzelter Stirn, der Onkel trommelt auf dem Tische, es zuckt ihm im Gesicht, als er Ditscha ansieht.

„He, Ditscha,“ fragt er, „Dir zappeln wohl die Füßchen? Möchtest auch ’mal tanzen, wie? – Na, Alte, denn suche doch ’mal Deine Künste hervor, spiele ’mal den beiden einen Schottischen.“

Aber Tante Bertha legt, statt aller Antwort, ihr Strickzeug auf den Tisch und schreitet eilig der Thüre zu, im Gehen krampfhaft nach dem Tuch in ihrer Tasche suchend.

Onkel Joachim sieht ihr nach, nickt ein paarmal mit dem Kopfe, steht dann auf und sagt mit einem grimmigen Lächeln: „Na, da will ich ’mal sehen, ob’s noch zu einem Schottischen langt. – Allons, mein Herr, engagieren Sie Ihre Dame!“

Und gleich darauf sitzt er am Klavier und seine harten steifen Finger hacken auf den Tasten wie auf einem Holzklotz herum, und zu gleicher Zeit pfeift er mit ernsthaft wunderlichem Gesichtsausdruck die Melodie zu dem Tanz. Ditscha aber weiß nicht, wie ihr geschehen, als sie, von dem Arm des jungen Mannes umfaßt, im Zimmer umherwirbelt, atemlos, lächelnd – rechts herum – links herum – gradeaus – rückwärts –. Sie bemerkt auch nicht, wie die Thür aufgeht und eine kleine runde dicke Frauengestalt eintritt, die völlig versteinert stehen bleibt, eine Rheinweinflasche unter den Arm geklemmt des bequemeren Tragens wegen, eine Schale mit Obst und Kuchen, Dessertteller und Gläser auf einem Präsentierbrett in beiden Händen.

Ditscha und ihr Tänzer halten eben ein, der Spieler am Klavier klatscht „Bravo!“ und die Dienerin ersehend, erhebt er sich, stürzt auf sie zu und entreißt ihr die Flasche.

„He! Du! Rheinwein muß kühl stehen, nennst Du das kühl stehen, wenn Du sie ans Herz drückst, alte Schachtel?“ Und er lacht, daß es durch das ganze Zimmer dröhnt.

Die Alte erwidert nichts; sie stellt mit undurchdringlichem Gesicht das Präsentierbrett auf den Tisch und entfernt sich. Dann tritt die Hausfrau wieder ein; sie hat rote Augenränder, als habe sie geweint. Onkel Joachim fliegt bei dem Anblick wieder ein Zucken über das Gesicht. Er geht zum Klavier und schmettert den Deckel zu. „’s ist genug davon,“ sagt er und zieht den jungen Mann zum Tisch. Ditscha sitzt neben der Tante, noch heiß vom Tanze.

Arme kleine Ditscha! Es ist das erste und letzte Mal in ihrem Leben, daß sie getanzt hat.

Der Wein fließt in die Gläser, und der Hausherr stößt mit dem Gaste an, auf seinen Vater, auf vergangene Jugendzeit – aber es kommt kein Gespräch mehr in Fluß. Herrn von Perthien ist es fast unheimlich geworden unter diesen merkwürdigen Menschen, die zwischen Lachen und Weinen schwanken. Das Mädchen sitzt da wie ein verschüchtertes Vögelchen.

„Dittchen,“ schreit der alte Herr, „hast Du noch heiß’ Wasser?“ Er hat den Rheinwein verschmäht und den Grog ausgetrunken.

Ditscha gießt zum viertenmal ein; Tante Bertha sieht es ruhig mit an und sagt dann nur: „Ditscha!“

Sie versteht, kommt herüber und küßt der alten Dame die Hand zur „guten Nacht!“ – Onkel giebt ihr einen schallenden Kuß auf die Stirn und schreit: „Sieh’ ’mal, Berthchen, wie der Hexe die roten Bäckchen kleiden!“

Ditscha wird noch röter, grüßt zu Herrn von Perthien hinüber und ist im nächsten Augenblick aus dem Zimmer verschwunden.

Dem jungen Manne kommt es nach ihrem Fortgehen vor, als sei es finster in dem Raume geworden. Die beiden Leute vor ihm scheinen das Sprechen verlernt zu haben. Er erhebt sich endlich und bedankt sich für freundliche Aufnahme. Von Wiederkommen spricht keiner seiner Wirte. Aber er will wiederkommen. Er fragt mit einem Handkuß die Hausfrau, ob er sich erlauben dürfe, in einiger Zeit sich nach dem Befinden der Damen zu erkundigen.

Tante Bertha erwidert nichts.

Der Hausherr räuspert sich. „Ja, sehen Sie, lieber Perthien, wir sind alte Leute, bei uns giebt’s keinerlei Geselligkeit – hm – Wenn nicht zu langweilig für Sie – werden wir uns gewiß freuen – gelegentlich einmal – aber – hm – versprechen Sie sich nicht zuviel von unserem Hause und grüßen Sie Ihren Vater. Werden schreiben sollen, wie Sie mich gefunden? Sagen Sie ihm – alt, einsam, sehr einsam, und hier, hier besonders.“ Er zeigt auf sein Herz. „Nicht wahr, Berthchen, hier?“

Dann schneuzt und räuspert er sich, tupft mit seinem Foulard gegen die Lippen unter dem melierten Bart und spricht nichts mehr, ebenso wie Frau Bertha, die nur stumm das Haupt neigt und das Gestammel des jungen Mannes: „es sei ihm gewesen in diesen Räumen, als wäre er heim gekommen“, gar nicht beachtet.




Hanne steht indessen in der Turmwohnung vor ihrem Fräulein Klementine. Sie ist ganz rot vor Aerger und redet in ihrem wunderlichen Gemisch von Hoch- und Plattdeutsch ununterbrochen, während über das vergeistigte feine Leidensgesicht der Kranken ein trübes Lächeln fliegt.

„Da hab’ ich vorhin, gnä Fröln, weil der Friedrich nicht gleich bei der Hand war und weil ich ja doch einmal nach oben ging, Wein und Kuchen man bloß so aus Gefälligkeit in die Wohnstuw gebracht, aber ich wollt’, ich hätt’s gelassen, denn man muß sich nur ärgern und bekommt Nackensläg’ vor seine Gutmütigkeit – – Hüppt da unser Fröln Ditscha mit einem fremden jungen Herrn herum, als wär’ sie narrsch geworden, un der gnä Herr speelt und fläutet da noch ordentlich zu. ’ne Sünd’ und ’ne Schand’ is, wie das Kind hier behandelt wird! Sie ziehen ihr, mit Verlöf zu sagen, durch alle Zäume; Fräulein Anna quält sie tot mit ihre Missionsgeschichten und der gnä’ Herr machen

[224]

Frühlingsfeier im Tempel der Flora.
Nach einem Gemälde von A. de Reina-Manescau.

[225] WS: Das Bild wurde auf der vorherigen Seite zusammengesetzt. [226] unpassende Redensarten in ihrer Gegenwart –. Unsereinem schadt das nicht, aber so ein Kind, das muß ja ganz dwatsch werden. Und die gnä' Frau hört und sieht von alledem nichts nich, weil daß sie immer nur die Vergangenheit in Kopp hat. Wenn nu das Malheur es will, daß so ein Windhund – denn das ist einer, ich kenn’ mich aus mit den jungen Herrens, ja wahrhaftig, gnä’ Fröln, ein Windhund ist er, ich hab’s an seinen Blicken gesehen, mit denen er auf Fröln Sophie gestarrt hat – wenn der ins Haus kommt und wird dann gleich noch mit dem besten Rheinwein traktiert, der sonst nur zu Geburtstags heraufgeholt wird, was soll er da man denken? Dreist wird er, und unserm Fröln Dummheiten vorschwatzen wird er, und die wird’s glauben, jawohl, sag’ ich, glauben, aus purer Langeweile wird sie’s thun, denn, Gott sei’s geklagt, sie weiß selber nicht, wozu sie ihr junges Leben hat.“

„Hanne! Hanne!“ mahnte Fräulein Klementine, die älteste der vier Geschwister von Kronen.

„Ich sag’s wohl zu ehrlich, gnä Fröln, was ich mein’?“

„Hanne, Du sollst Dir das Kritisieren abgewöhnen – das kommt Dir nicht zu.“

„Wat? Das Kritisieren soll ich mich abgewöhnen? Nee, das thu’ ich nicht, denn das ist meine Pflicht. Und Sie sehen’s auch, gnä Fröln, und ich seh’s. Ist das ein Leben für so ein junges Mäten? Keine Jugendlust und keine Jugendmüh’? Wo so die Adern voll sind von Leben und die Seele voll von Verlangen, was zu sein, was zu erleben, was zu nützen in der Welt, in ’n Glaskasten setzen, absperren wie in ’n Kloster, Missionsstrümpfe stricken und die Rosen nur von weitem blühen sehen? Ist das recht? Unsereiner hat’s ja gelernt, im alten Staub Atem holen so pöh a pöh, aber so ne Lunge von achtzehn Jahr – –“

„Beruhige Dich nur, Hanne. Sieh, weder Du noch ich ändern ’was daran, und Gott allein weiß, wie er Ditschas Leben gestalten will.“

Hanne hat während ihres Scheltens umher geräumt und ist in das angrenzende Schlafzimmer gegangen. „Ja, ja,“ murmelt sie, „da hat’s gnä’ Fröln wieder ’mal recht, wir beide ändern’s nicht.“ Aber laut gab sie nicht klein bei, sondern rief zurück: „Der Herr Bruder hätt’ auch nicht wieder freien brauchen, oder ’ne Aeltere konnt’ er nehmen, die zu ihm paßt; dann hätt’ das Fröln Sophie zu ihm hingekonnt. Aber so, wo die Stiefmutter selbst noch ein Kind ist! Wie, wenn da nun noch Gören kommen, gar Jungs? Dann wischt sik Fröln Ditscha gefälligst den Mund und mit Beetzen erben ist’s nix nicht, und sie kann dann auch so herumsitzen wie gnä’ Fröln Klementine und Fröln Anna hier sitzen beim Herrn Bruder.“

„Und sitzen wir denn nicht gut?“ fragte die Kranke sanft, und der leidende Zug in ihrem Gesicht vertiefte sich noch. „Hanne, Hanne, schweig’ heute abend, denn Du läufst von Unzufriedenheit über wie die Dachrinne draußen vom Regen.“

„Nicht um meinetwegen,“ brummt die kleine dicke Person, indem sie zurückkommt, und dann hebt sie ihr „Fräulein“ aus dem Stuhl und trägt sie auf treuen Armen in das Schlafzimmer. „Min god gnä Fröln Tine,“ sagt sie zärtlich, „nu mött’n ’s aber weddr en bätken swarer werden, Sie sind ja as ’n Swanenduhn so leicht. Hüt heff ick vom Pachter wunnerschöne Eier halt und ein Paar junge Duwen; et’n mött’n Se, et’n, gnä’ Fröln, denn kik’n Se, wenn Se von der Erde gehen, denn wet ick nich, wat ut Fröln Ditscha wärn sall.“ Und dabei fällt eine Thräne aus ihren Augen auf die Hand der Kranken.

Und die erwidert leise und fröhlich: „Dumme Hanne, ich denk’ gar nicht ans Sterben, so lang Du bei mir bist, ist’s gar nicht möglich, Du läßt den knöchernen Mann gar nicht heran zu mir.“

„O du lever Gott, gnä’ Fröln, ich stürbe mit, denn Sie sind de Sünn int’ Hus, vor Ditscha und vor mi! Dagegen sind Fröln Anna ihre großmächtigen Wohlthaten as ’n blassen Maanschin, und, gnä’ Fröln, morgen behalten Sie das Fröln Ditscha ’n bät’n bei sich, denn der Windhund muß ihr aus ’m Kopf, nicht wahr?“

Und Fräulein Klementine lächelt und verspricht alles. Sie liegt noch lange wach und denkt an Ditscha – die Hanne hat so recht – arme Ditscha! Was soll aus ihr werden bei diesem tiefen leidenschaftlichen Charakter? – Einzelne kleine Züge aus des Mädchens Leben treten in ihre Erinnerung, und immer spricht sich in ihnen ein ideales Streben aus, eine Opferfreudigkeit sondergleichen, das Bestreben zu lieben mit der ganzen großen überquellenden Fülle ihres Herzens, das leidenschaftliche Verlangen, wieder geliebt zu werden.

Als kleines mageres Dingchen von fünf Jahren kommt sie von der Dorfstraße herein, verstaubt, zerzaust, ohne Hut, mit wirrem Haar, und die Thränen haben schmutzige Rinnen auf dem heißen Gesichtchen hinterlassen, in ihren Armen hält sie einen kleinen mißhandelten Hund, den sie nun in ihren Puppenwagen bettet, den sie streichelt und füttert, und den sie flehentlich bittet, nicht zu sterben – ach bitte, nicht sterben! Sie gebärdet sich so außer sich, daß man sie gewaltsam von dem wimmernden Tier trennen muß, um es entfernen und töten zu lassen. Sie ringt die Hände und schreit stundenlang, thränenlos, man holt den Arzt, man schenkt ihr Püppchen, man sagt ihr endlich, der Hund sei tot, da hält sie mit Schreien inne.

„Thut ihm noch etwas weh?“

„Nein, nein, Ditscha!“

„Er hätte mich gewiß lieb gehabt, wenn er gesund geworden wäre,“ sagt sie und schreit abermals.

Eines Tages, sie ist nun fünfzehn Jahre alt, setzt sie das Haus in Erstaunen durch die seltsame Gesellschaft, mit der sie heimkommt, ein zerlumptes Weib, das ein Kind auf den Armen trägt, eine Landstreicherin schlimmster Sorte, die irgendwo auf den Schub gebracht worden ist. Ditscha verlangt kurz und bündig Aufnahme für sie, da das Kind Diphtheritis habe. Alles gerät in Aufregung, Onkel Jochen wettert und flucht, Tante Anna reißt sie ans Fenster und sieht ihr in den Hals und Tante Bertha befiehlt, die Frau zu entfernen und nach dem Gertraudenhaus zu bringen, einem uralten Steinbau, des Dorfes Spital, das irgend ein Ahn erbaut hat, und das sich noch immer der reichlichen Unterstützung von seiten der Herrschaft erfreut.

Aber Ditscha hat eine andere Auffassung, sie zittert und wird blaß. „Das ist nicht christlich!“ stößt sie hervor, – „wenn Ihr Euch fürchtet, so mag sie in meinem Zimmer wohnen, ich werde das Kind pflegen.“

„Nein! Denn abgesehen von allem andern ist die Krankheit ansteckend!“ schreit Onkel Jochen.

„Wenn alle so denken wollten!“ sagt sie mit sprühenden Augen. Aber sie ist machtlos und die Frau wandert ins Krankenhaus; Tante Bertha packt vor Ditschas Augen einen Korb mit Kleidungsstücken und Nahrungsmitteln – es rührt sie nicht. Abends wird sie vermißt, man sucht und findet sie im Spital, wo sie das Kind wartet, während die Frau angeblich in die Stadtapotheke gegangen ist. Hanne, die das junge Mädchen mit Gewalt fortholen will, richtet nichts aus; sie habe einmal versprochen, das Kind zu pflegen, bis die Mutter wiederkomme. Es bleibt Hanne nichts übrig, als mitzuwarten. Wer aber nicht zurückkehrt, überhaupt nicht, ist die Landstreicherin; sie weiß das elende Wurm in guten Händen und ist froh, der Last ledig zu sein.

Erst infolge des direkten Befehles von seiten des Arztes verläßt Ditscha das Kind, nachdem sie das Versprechen erhalten hat, falls es gesunde, wolle Onkel Jochen für dasselbe sorgen, und sie dürfe es erziehen.

Natürlich stirbt das Wurm und Ditschas Verzweiflung ist groß. Wieder gipfeln ihre Klagen in dem Ausruf: „Es hätte mich gewiß ein bißchen lieb gehabt!“

Arme Ditscha! Sie fühlt, was ihr fehlt – der Besitz eines ganzen Menschenherzens. Sie sind hier ja samt und sonders Herzenskrüppel, nicht mehr fähig, alles zu geben, und eine Natur wie Ditscha braucht volle warme Sonne, nicht kalte jammervolle Reste.

„Arme Ditscha,“ flüstert Klementine, „was wird aus Dir?“

Könnte sie nur mehr thun – aber wie lange wird sie noch leben? Ja, sie will ihr helfen, gewiß, aber ihr fehlt der Mut, das junge Geschöpf, dessen Augen so sehnsuchtsvoll und fragend durch das Fenster schweifen, neben sich zu halten in der stillen Krankenstube. Klementine ist so bescheiden geworden, sie spielt die letzte Rolle in dem Haushalt, dem wunderlichen originellen Haushalt auf Beetzen. Ihr versagt die Kraft, das Kind heraufzuziehen in die reiche Welt ihrer Gedanken und Interessen; sie hat’s gewollt, aber sie ist erlahmt nach den ersten Versuchen, Ditscha für ihre Lieblingsbeschäftigung zu interessieren. Die Kranke lebt und webt in den Wundern der Schöpfung, und vor allem ist es der Sternenhimmel, der sie anzieht. In ihrem einsamen entsagungsreichen [227] Leben saugt sie aus der Unendlichkeit den Trost, dessen sie bedarf; sie lernt, sich dieser Unermeßlichkeit gegenüber als ein Nichts, als ein Atom fühlen, desen Leben ein Stäubchen ist in der Schöpfung, ein Nichts und doch ein Etwas, ein Etwas, das staunen und anbeten kann, das dankbar und erschüttert die Wunder zu erfassen sucht, die uns die Wisenschaft mehr und mehr enthüllt, eine Wissenschaft, die sie verfolgt mit allen ihr gebliebenen Kräften.

Vor dem Fenster ihrer Wohnstube, in dem kleinen offenen Altan, ist ein vorzügliches Fernrohr angebracht, auf ihrem Büchertische liegen Berichte über die neuesten Entdeckungen, und Karoline Herschels Porträt hängt inmitten rießger Himmelskarten an der Wand.

Aber ach, was kümmern ein achtzehnjähriges Mädchenherz die kalten Sterne da droben? Ditscha hat geduldig angehört, was ihre Tante Klementine vom Mars erzählt, sie hat auch gehorsam den schönen Weltkörper durch das Fernglas betrachtet, aber Tante Klementine muß sich hinterher gestehen, daß der Planet – Erde genannt – mit seinen für Ditscha noch unerforschten Wundern dem Mädchen unendlich mehr Interesse bietet als der rötlich blitzende Stern da droben.

Ja, ja, Klementine hat die Zeit nicht vergessen, wo es auch bei ihr so der Fall war. Arme Ditscha, wie soll deine Zukunft werden? — „Herr, der Du die Sterne lenkst, erbarme Dich auch über das junge sehnende Menschenherz und leite es auf die rechte Bahn!“ betete die Kranke.
(Fortsetzung folgt.)




Unter den kalifornischen Riesenbäumen.

Von Theodor Kirchhoff.0 Mit Illustrationen von R. Püttner.

Der Calavéras-Hain der Mammutbäume, mit dessen stolzen grünen Hallen ich den Leser gern bekannt machen möchte, ist eins der sehenswertesten Naturwunder in Kalifornien; aber nur selten entschließt sich einer von den hier lebenden Deutschen, jene Baumriesen, deren photographische Abbildungen jedermann in San Francisko bekannt sind, einmal in Wirklichkeit zu schauen, denn die recht unangenehme Reise dorthin schreckt die meisten davon zurück. Ich selbst muß zu meiner Schande gestehen, daß ich erst nach einem Aufenthalte von länger als dreißig Jahren an der pacifischen Küste mich dazu entschloß, einen solchen Ausflug zu unternehmen. Aber wahrlich, die anstrengende Reise hat mich nicht gereut! Ich zähle die sechs Wochen, während deren mir der Calavéras-Hain so bekannt wurde wie meine Wohnung in San Francisko, mit zu den angenehmsten meines vielbewegten Lebens.

Eine Eisenbahnfahrt von 122 engl. Meilen (197 km) brachte mich rasch nach dem Städtchen Milton im San Joaquin-Thale. Nach einer weiteren außerordentlich unbequemen Fahrt von 48 engl. Meilen (75 km) in einer Postkutsche uralten Stils erreichte ich am folgenden Mittag das „Mammoth Grove Hotel“, das in östlicher Richtung von San Francisko im Gebirgszuge der Sierra Nevada 4730 Fuß (1442 m) über dem Meere und ganz in der Nähe der Mammutbäume liegt. Ich will mich nun zunächst bemühen, dem Leser eine möglichst klare Darstellung von dem Wissenswertesten zu geben, was sich auf die kalifornischen Riesenbäume bezieht. Den darin eingeflochtenen Längenangaben ist der amerikanische Fuß zu Grunde gelegt, der 0,304 m mißt, so daß auf 1 m also 3,28 dieser Fuß kommen.

Der Calavéras-Hain (Calaveras Grove) wurde im Jahre 1852 von dem Bärenjäger A. T. Dowd zufällig entdeckt. Als dieser von einem längeren Jagdausfluge zurückkehrte, erzählte er mit Begeisterung seinen Genossen in dem Minenlager bei Murphy’s von den Riesenbäumen, die er entdeckt hatte, und forderte jene auf, mit ihm zu gehen, um dieselben gleichfalls in Augenschein zu nehmen. Er wurde aber als ein ganz kolossaler Aufschneider verlacht. Da niemand Lust verspürte, ihn zu begleiten, so redete er nicht mehr von den Riesenbäumen, streifte, wie er zu thun pflegte, in der Umgegend umher und verkündete dann eines Abends am Lagerfeuer, er habe oben im Gebirge den größten Grizzly (grauen Bären) erlegt, den er je gesehen. Seine Freunde mochten ihm doch behilflich sein, am nächsten Tage den fetten Braten zu holen. Hiergegen hatte selbstverständlich niemand etwas einzuwenden. Als nun die Gesellschaft nach einem mühseligen Marsche von 15 Meilen durch den Urwald endlich bei dem ersten Riesenbaum anlangte, sagte Dowd zu seinen Freunden, dies sei der Grizzly, den er ihnen zeigen wollte. Beim Anblick des über 300 Fuß hohen und etwa 30 Fuß dicken Baumes verziehen sie ihm die Jagdgeschichte, und Dowds Name wird heute in Calavéras County zusammen mit dem des Kolumbus als Entdecker rühmend genannt.

In Kalifornien wurden im Laufe der Jahre 10 Gruppen von Mammutbäumen entdeckt, sämtlich in der Sierra Nevada Die bekanntesten darunter sind neben dem Calavéras-Hain der 6 engl. Meilen südöstlich von demselben liegende Süd-Hain (South Grove) und der Mariposa-Hain in der Nähe des Yosemitethales. Aber nur beim Calavéras-Hain befindet sich ein Gasthaus in unmittelbarer Nähe der Riesenbäume, die man von dort in aller Muße besuchen kann. Der Name Hain (Grove) ist etwas seltsam gewählt. Es ist nicht ein abgesonderter Hain, sondern in jedem Fall ein ansehnliches Stück Urwald, in welchem die Riesenbäume zwischen anderen viel zahlreicheren Bäumen zerstreut dastehen. Diese sind vorwiegend Zuckerfichten (sugar pinePinus Lambertiana – die Fichte, aus deren Harz der Fichtenzucker, pinit, bereitet wird), nebst zwei Arten von Gelbfichten (yellow pine), drei Arten von Silberföhren (fir), dann Douglaßtannen (red spruce) und Weißcedern (Libocedrus decurrens) – eine Art Lebensbaum). Alle diese Bäume erreichen eine ungewöhnliche Größe. Die Zuckerfichten namentlich sind wahre Prachtbäume, und einzelne derselben haben einen Durchmesser von 9 bis 11 Fuß, bei einer Hohe von 225 bis 275 Fuß. Der Boden ist fast überall dicht mit Gebüsch bewachsen. Diese sogenannten Haine liegen meilenweit (zwei derselben 40 engl. Meilen) voneinander entfernt, und zwischen denselben dehnen sich, unmittelbar anschließend, prächtige Waldungen aus, in denen nicht ein einziger Mammutbaum zu finden ist.

Ein englischer Botaniker mit Namen Lobb, der im Jahre 1853 im Auftrage der Royal Exotic Nursery in Chelsea als Pflanzensammler nach Kalifornien reiste und bei dieser Gelegenheit auch den kurz zuvor entdeckten Calavéras-Hain besuchte, meinte, daß die Riesenbäume eine ganz neue Art seien, und gab ihnen den Namen Wellingtonia gigantea. Es stellte sich aber bald heraus, daß dieselben zum Geschlecht der Rotholzbäume gehören die den botanischen Namen Sequoia sempervirens führen. Sequoia, oder Sequojah, ist der Name eines Häuptlings der Cherokesen, der ein Alphabet von 86 Buchstaben, von denen jeder eine Silbe vorstellt, ersann und als Schriftsprache bei seinem Volke einführte. Um den erfinderischen Häuptling zu ehren, gab der berühmte Botaniker Stephan Ladislaus Endlicher (geb. in Preßburg 1804; gest. 1849) den prächtigen Rotholzbäumen, die den Waldbestand des kalifornischen Küstengebirges und der an den Ocean grenzenden Landschaften nördlich vom Goldenen Thor bilden, den Namen Sequoia sempervirens und den Riesenbäumen in der Sierra, die zu demselben Geschlecht gehören, wurde späterhin der Name Sequoia gigantea gegeben. Dieser Name gilt jetzt überall in der Welt, mit Ausnahme Englands. Die Engländer halten mit erprobtem Starrsinn an dem Namen Wellingtonia fest, und sie können es heute noch nicht verwinden, daß ein Indianer dem Sieger von Waterloo den Rang abgelaufen hat. In Kalifornien sind neben dem Namen Sequoias die Bezeichnungen Mammot threes und Big trees d. h. „Mammutbäume“ und „Große Bäume“ – „Riesenbäume“, im Volksmunde üblich.

Das Alter der kalifornischen Riesenbäume muß nach Jahrtausenden berechnet werden, wobei man annimmt, daß jeder von den sich im Stamm zeigenden konzentrischen Ringen das Wachstum eines Jahres andeutet. Trotz der Einwürfe einzelner Botaniker gegen diese Art der Altersbestimmung sehen wir uns doch nach wie vor auf dieselbe als Mittel annähernd richtiger Schätzung verwiesen Die Entfernung dieser Ringe voneinander ist aber sehr ungleich, namentlich zwischen den inneren und äußeren Ringen. Während in seltenen Fällen nur 6 bis 8 Ringe auf einen Zoll gezählt werden, findet man bei anderen sehr alten Bäumen bis zu 40 Ringe auf den Zoll. Mehr oder minder reicher Boden, größerer oder geringerer Regenniederschlag, die das Wachstum der Bäume beeinflussen, sind wahrscheinlich die Ursache davon. Bei mehreren umgefallenen uralten [228] Sequoias im Mariposa-Hain zählte man 34 Ringe auf den Zoll. Als Durchschnittszahl rechnet man 24 Ringe auf einen Zoll.

„Die Hütte des Pioniers“.

Der von Dowd zuerst entdeckte Riesenbaum wurde später gefällt. Der Durchmesser seines Stumpfes, ohne die Rinde, beträgt genau 25 Fuß. Die Hälfte vom Durchmesser ist also 12 ½ Fuß = 150 Zoll, was, 24 Jahresringe auf den Zoll gerechnet, diesem Baum ein Alter von 3600 Jahren geben würde. Prof. Bradley von der kalifornischen Staatsuniversität in Berkeley zählte an jenen Baumstumpf nur 3300 Ringe, aber es ist ein Irrtum beim Zählen der so eng beisammen liegenden Ringe nur schwer zu vermeiden. Ein Riesenbaum von 30 Fuß im Durchmesser, deren es eine Menge giebt, hat also nach dieser Berechnung ein Alter von 4320 Jahren. Die größte Sequoia im Calavéras-Hain ist ein schon vor Jahrhunderten entwurzelter Koloß, der den Namen „Der Vater des Waldes“ führt. Derselbe hat am unteren Stamm, ohne die längst abgefallene Rinde, einen Umfang von 110 Fuß, und sein Durchmesser beträgt also ungefähr 37 Fuß. Das Alter dieses Baumkolosses muß, als er hinstürzte, nach dieser Berechnung 5328 Jahre gewesen sein – sagen wir rund 5000 Jahre, da es auf ein paar hundert Jahre mehr oder weniger bei diesen Riesenbäumen wohl nicht ankommt. Daß die meisten alten Sequoias noch im Wachsen begriffen sind, geht deutlich aus den an ihnen befestigten Namenstafeln hervor. Wenn die Nägel, mit denen jene Steintafeln an den Stämmen befestigt wurden, bis in das feste Holz drangen, so zerbrachen die Tafeln durch das Ausdehnen und Wachsen des Baumes, haben die Nägel ihren Halt nur in der weichen Rinde, so sind die Tafeln unversehrt geblieben.

Der Grund und Boden in der Sierra Nevada, auf welchem die Sequoias zu stolzer Höhe emporwuchsen, ist merkwürdig gestaltet. Unter einer 4 bis 10 Fuß starken Erdschicht breitet sich daselbst ein Lavabett von 22 Fuß Mächtigkeit aus. Dieses war selbstverständlich lange vor den Riesenbäumen vorhanden, da sich erst die Erdschicht darüber bilden mußte, um jenen die Möglichkeit des Wachstums zu geben. Wann der ungeheure vulkanische Ausbruch stattfand, der sich bis nach British Columbia erstreckte, das entzieht sich aller Berechnung. Unter dem Lavabett liegen Moränen, und tief unter diesen stößt man auf das Bett eines gewaltigen Flusses, der vor Jahrtausenden von Norden nach Süden strömte. Der Kies dieses Urweltflusses ist reich an Gold. Das uralte Flußbett hat man durch Schachte und Tunnel an vielen Stellen, die Hunderte von englischen Meilen voneinander entfernt liegen, erfolgreich sozusagen angebohrt, und jene sogenannten „Tiefen Kies-Minen“ (Deep Gravel Mines) sind heute die reichsten Goldminen in Kalifornien, aus denen bereits ungezählte Millionen zu Tage gefördert wurden.

Beim Graben und Sprengen der 1000 Fuß tiefen Schachte hat man unter jener Lavadecke öfters Knochen von Mastodons gefunden. Ein Minenarbeiter mit Namen Madison fand im Jahre 1864 beim Bohren eines Schachts in den Goldquarzminen bei Angels (20 englische Meilen vom Calavéras-Hain) einen Schädel – 150 Fuß unter dem Lavabett! Madison leistete einen beglaubigten Eid vor Gericht, daß es sich so verhielt, weil die Methodisten den alle biblischen Ueberlieferungen über den Haufen werfenden Fund aufs heftigste bestritten. Der ungewöhnlich große Schädel wurde später nach Chicago gebracht; was aus ihm geworden ist, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Am Stanislausflusse entdeckte man auch indianische Werkzeuge zu verschiedenen Malen unter der Lavaschicht. Man ist also wohl berechtigt anzunehmen, daß Mastodons und Indianer lange vor Adam dort, wo heute die Riesensequoias stehen, ein fröhliches Dasein gefeiert haben.[1]

Eine merkwürdige Erscheinung ist, daß alle alten Sequoias angebrannt und viele derselben durch Feuer arg beschädigt sind, während die anderen ganz in ihrer Nähe stehenden Bäume gar keine Brandmale zeigen. Die Glut einer brennenden Sequoia ist aber infolge ihrer harzigen Bestandteile ganz ungeheuer, und es war mir lange Zeit unbegreiflich, wie die benachbarten Bäume unversehrt geblieben sein konnten. Als im Jahre 1856 der Riesenbaum „The old Maid“ („Die alte Jungfer“ – die seitdem umgeweht und in hundert Stücke zertrümmert wurde) durch Unvorsichtigkeit von Arbeitern, die im Wald ihr Frühstück kochten, in Brand geriet, war die Glut so furchtbar, daß sich niemand dem brennenden Baumkoloß bis auf 50 Schritt zu nähern vermochte. Alle benachbarten Bäume wurden angesengt. Nach der, wie mir scheint, ganz richtigen Ansicht des Herrn Sperry muß ein furchtbarer Waldbrand, der seine Spuren an allen alten Sequoias zurückgelassen hat, spätestens vor 1000 Jahren hier gewütet haben. Neben dem durch Feuer schrecklich zugerichteten Riesenbaum „Die Hütte des Pioniers“ steht z. B. eine prachtvolle neun Fuß dicke Zuckerfichte, die nicht die geringsten Brandmale zeigt und ungefähr 1000 Jahre alt ist. Diese Fichte stand jedenfalls noch nicht dort, als der große Waldbrand sich ereignete, der folgerichtig stattgefunden haben muß, bevor sie emporsproßte. Wahrscheinlich hat sich derselbe damals gleichzeitig über den ganzen Westabhang der Sierra Nevada erstreckt, denn die anderen Haine der Riesensequoias sind genau so wie der Calavéras-Hain vom Feuer verheert worden. Vielleicht sind diese Haine nur die Ueberreste eines uralten Waldstandes von Sequoias, der einst die ganze Sierra bedeckt hat.

„Die Mutter des Waldes“.

An vielen Sequoias ist nur die Rinde zum Teil fortgebrannt oder durch Feuer beschädigt worden, und die gesunden Teile derselben wachsen wieder über die alten Brandwunden. Dieses geschieht aber außerordentlich [229] langsam. Während der 40 Jahre, die Herr Sperry in Calavéras verbracht hat, ist die Rinde nur wenige Zoll über solche Brandwunden gewachsen; aber an manchen Bäumen sind diese doch schon ganz geschlossen. Dagegen gähnen an anderen Baumriesen große schwarze Brandlöcher, und viele Bäume sind bis ins Mark ganz jämmerlich ausgebrannt.

„Der Vater des Waldes“.

Daß die Mammutbäume im Aussterben begriffen sind, wie schon öfters behauptet wurde, ist ein verzeihlicher Irrtum, der dadurch entstanden ist, daß man sowohl im Mariposa- wie im Calavéras-Hain fast gar keine jungen Sequoias gewahrt. Die ganz kleinen Bäume sehen von den herangewachsenen so verschieden aus, daß man sie nur schwer unter den jungen Fichten und Cedern zu erkennen vermag. Dennoch giebt es im Calavéras-Hain nahezu hundert junge Sequoias von 10 bis 40 Fuß Höhe, von denen ich aber nicht mehr als ein halbes Dutzend zu entdecken vermochte. Die Zweige der jungen Bäume reichen fast bis an den Boden und fallen später ab, und erst nach einigen hundert Jahren nehmen die Stämme die gewaltige Säulenform und rotbraune Färbung an, die sie vor allen anderen Bäumen auszeichnen.

Die Hauptursache, weshalb im Verhältnis zu den anderen Bäumen so wenige junge Sequoias zu finden sind, ist wohl die, daß der Boden in diesen Hainen mit abgefallenen Zweigen, Nadeln und Laubwerk tief bedeckt ist, in welchem der Samen der Sequoias nicht gut keimen kann. Die jungen Bäume und Bäumchen findet man nur dort, wo der Boden schwarz und feucht und ziemlich rein ist. Im Süd-Hain brannte vor einigen Jahren eine mit Buschwerk dicht bestandene Bodenstrecke ab, und es wurden die Blätter dort gründlich zerstört. Dort sproßte bald eine Menge junger Sequoias empor, so dicht wie die Fichten anderswo. Im Calavéras-Hain giebt es 93 alte Sequoias, von denen 10 eine Dicke von 30 und mehr als 70 eine Dicke von 15 bis 25 Fuß und darüber haben. Während im Mariposa-Hain die Kronen der meisten Mammutbäume durch Stürme arg beschädigt wurden, ist dies im Calavéras-Hain fast gar nicht der Fall, was seinen Grund in der mehr geschützten Lage dieses Haines in einer Thalsenkung zwischen dem Stanislaus- und dem San Antonioflusse hat.

Die frischen grünen und ganz festen Samenzapfen der Sequoias findet man im Sommer tagtäglich unter den Bäumen liegen. Sie sind merkwürdig klein, von der Größe von Walnüssen bis doppelt oder dreifach so groß, aber mehr länglich. Neben den anderthalb Fuß langen weit geöffneten Riesenzapfen der Zuckerfichten, die massenhaft überall am Boden liegen, sehen die Zapfen der Sequoias zwerghaft aus. Sie werden, wenn der Wind sie nicht abweht, von Eichhörnchen oben an den Aesten abgebissen, und diese Tierchen nagen dieselben dann am Boden an und naschen von dem Samen, den sie sehr lieben. Die abgefallenen grünen Zapfen trocknen und öffnen sich in etwa vierzehn Tagen, und es fallen dann die Samenblättchen, die etwa so groß wie Leinsamen sind, mit 1/10 kleineren Keimen darin, von selbst heraus. Ich habe mir durch Sammeln und Trocknen der Zapfen Samen genug für einen kleinen Urwald verschafft. In früheren Jahren bezahlten die Engländer Herrn Sperry 50 Dollars für ein Pfund dieses Samens, und jener trocknete die Zapfen massenweise auf Tuchgestellen beim Feuer. Jetzt hat dieser Handel fast ganz aufgehört, denn es giebt in England bereits eine Menge von jungen Sequoias oder Wellingtonias, wie unsere transatlantischen Vettern diese Bäume weiter zu nennen belieben. In den Grafschaften Kent, Devon, Gloucester und Sussex gedeihen dieselben ausgezeichnet. Auch in Kalifornien wurden mit Erfolg in verschiedenen Baumschulen Sequoias aus Samen gezogen. Die Riesenbäume waren schon zur Tertiärzeit vorhanden. Es befinden sich Versteinerungen ihrer Zweige und Zapfen im Britishen Museum, und man hat solche auch im Calavéras-Hain gefunden.

Der Pavillon im Calavéras-Hain.

Ich bitte nunmehr den Leser, mich im Geiste auf einem Spaziergang durch den Calavéras-Hain zu begleiten, der etwa fünfzig Acker bedeckt. Wir treten durch das Thor eines weißen Gitterzaunes auf seinen offenen grünen Vorhof, und ein aus brauner Borke gebildeter Pfad führt uns bereits nach hundert Schritten an den Saum des Waldes, wo ein halbes Dutzend rotbrauner Baumkolosse in zwei Gruppen zwischen prächtigen [230] Zuckerfichten steht. Daß die ersten drei Mammutbäume, an denen wir hinaufschauen, eine Kirchturmhöhe haben, wird uns erst nach und nach klar. Aber die etliche zwanzig Fuß dicken Stämme, an denen die ersten Aeste an hundert Fuß über dem Erdboden sitzen, machen doch einen gewaltigen Eindruck. Der Farbenreiz dieser Baumkolosse ist, namentlich wenn die Sonne sie bescheint, ein ganz eigentümlicher. Die sich ganz allmählich nach oben verjüngenden Riesenstämme gleichen gewaltigen rotbraunen Säulen mit grünen Kronen. Die Rinde wirft sich faltenartig um den Stamm.

Fast alle Sequoias führen Namen auf Tafeln, die am Stamm befestigt sind. Aber diese Namen sind oft recht unglücklich gewählt. Wurden die Bäume nach Präsidenten, Staatsmännern, berühmten Generalen und Naturforschern, nach Unionsstaaten etc. benannt, oder führen sie anderweitig bezeichnende Namen, so ist dagegen nichts einzuwenden, denn man könnte sie sonst nicht voneinander unterscheiden; wenn sich aber z. B. drei eitle Dämchen aus Sacramento als die Drei Grazien, und zwar in der recht ansehnlichen Größe von 280 Fuß, vorstellen, ober wenn die Siamesischen Zwillinge und Herr Fred. Gould uns dort ihre Bekanntschaft auf Marmortafeln aufdrängen, so scheint mir dies allen Regeln eines guten Geschmacks zuwider zu sein. Zwischen den drei ersten uns zu Gesicht kommenden Riesenbäumen, welche die Namen U. S. Grant und seiner Generale Sherman und McPheraon führen, steht ein ganz abgestorbener und halb verbrannter oben zugespitzter Baum von etwa 250 Fuß Höhe, der den Namen „Des Teufels Zahnstocher“ (The Devils Toothpick) führt. Dieser Name ist nicht ganz unpassend. Nimmt man die Länge eines gewöhnlichen Zahnstochers zu drei Zoll und die eines ausgewachsenen Mannes zu sechs Fuß an, so würde Se. Satanische Majestät nach diesem Maßstab 6000 Fuß, also ungefähr 1 2/3 Kilometer, groß sein, was auch mit seiner von Milton im „Verlorenen Paradies“ angenommenen Größe so ziemlich stimmt.

Im Weiterschreiten begrüßt uns zunächst eine überaus prächtige Sequoia, die mit Recht den Namen „Der Stolz des Waldes“ führt. Volle 300 Fuß streckt sie den wie mit einem purpurmen Faltenmantel umhüllten mächtigen Stamm in das grüne Dach des Urwaldes empor. Bald darauf gelangen wir nach dem ersten gefallenen Riesenbaum, der mit dem sehr unpassenden Namen „Die Goldgräberhütte“ getauft worden ist. Der 319 Fuß hohe und 21 Fuß dicke Baumkoloß wurde im November 1860 von einem furchtbaren Sturm zu Boden geworfen. Seinen lang hingestreckten Stamm kann man, wie die Stämme aller entwurzelten Mammutbäume im Calavéras-Hain, auf einer Leiter ersteigen. Die vorhin erwähnten „Drei Grazien“ schauen durch das Urwaldsgrün wie drei dicht nebeneinander stehende rotglänzende Riesengestalten nach dem gefallenen Bruder hinüber. Andere rotbraune Säulen schimmern hier und dort zwischen den grünen Büschen und Bäumen hervor. Ganz in unserer Nähe hämmert ein weißköpfiger Specht eifrig an einer mächtigen Fichte, ein Eichhörnchen klettert gewandt an einer Sequoia hinauf und verschwindet bald hoch oben zwischen den grünen Zweigen, eine Drossel läßt im Gebüsch ihr fröhliches Lied ertönen. Ueber uns braust es dumpf. Es ist das Rauschen des Windes in den hohen Wipfeln, das gewöhnlichem Windesrauschen in einem Walde gar nicht ähnlich ist. Es tönt wie das laute Brausen eines Gießbachs.

Bei einem durch Feuer arg zugerichteten uralten Riesenbaum verweilen wir länger. Er führt den Namen „Die Hütte des Pioniers“ und wurde so benannt, weil der gewaltige Stamm ganz durchgebrannt ist und einen offenen weiten Durchgang bildet. Eine Kutsche kann bequem hindurchfahren. Ueber der Decke befindet sich eine schornsteinähnliche Oeffnung, die hoch über uns an der Seite des Baumes ins Freie führt. Wenn der Vollmond nachts durch diesen Riesenbaum scheint, so ist das Bild ein ganz wunderbares, das jedem, der es geschaut hat, unvergeßlich bleiben wird. Weiterhin liegt dicht am Pfad der „Gefallene Monarch“. Nur das untere Dritteil dieses Baumkolosses ist noch vorhanden, das obere Ende ist ganz zerstört. Er muß schon jahrhundertelang auf dem Boden liegen, denn es stehen dort, wo sein oberer Teil hinstürzte, große Fichten, die mindestens hundert Jahre alt sind.

Einer der herrlichsten Bäume, denen wir, weiterwandernd, begegnen, ist der „Abraham Lincoln“. Er hat eine Höhe von 320 Fuß und sieht mit seinem Durchmesser von nur 18 Fuß schlank aus wie eine Fichte. Sein grüner Wipfel ist wunderschön. Nach seiner Schmächtigkeit zu urteilen, steht er im ersten Mannesalter und kann kaum älter als 2000 Jahre sein. Da er freier dasteht als die meisten seiner Brüder, so fällt seine stolze Gestalt ganz besonders ins Auge. Seine bei dem großen Waldbrand vor tausend Jahren angesengte Rinde ist ganz wieder zugewachsen. Eine Ruhebank steht zu seinen Füßen.

Wir gelangen jetzt an die romantischste Stelle im Calavéras-Hain, wo die sogenannte Familiengruppe sich versammelt hat, eine ansehnliche Zahl von Mammutbäumen, unter denen die meisten eine Dicke von 25 bis 30 Fuß und eine Höhe von über 300 Fuß aufzuweisen haben. Von ihnen fällt die verblichene „Mutter des Waldes“, gewöhnlich kurzweg „die Mutter“ genannt, sofort ins Auge. Im Sommer 1854 wurde die Rinde von diesem Baum abgelöst, um dieselbe in den östlichen Staaten zu zeigen – ein empörender Vandalismus, der diesen Riesenbaum, einen der schönsten im Calavéras-Hain, dem Tode weihte. Der Rest seiner Rinde, die durchschnittlich 11 Zoll und stellenweise zwei Fuß stark war, fiel nach und nach vom oberen Stamm und von den mächtigen Aesten von selbst ab. Jetzt schaut der weißlich-graue Riesenstamm mit den himmelhohen gespreizten nackten Aesten wie dräuend in den grünen Wald hinein und gewährt einen fast unheimlichen Anblick. Beim Mondschein sieht die ermordete „Mutter des Waldes“ geradezu gespensterhaft aus. Mit der Rinde hatte der Prachtbaum über der Wurzel einen Umfang von 90 Fuß; jetzt hat er dort nur noch einen Umfang von 84 Fuß. 20 Fuß vom Boden mißt der nackte Stamm 69 Fuß, 70 Fuß vom Boden 43 ½ Fuß, 116 Fuß vom Boden 39 ½ Fuß im Umfang. Die Höhe des Baumes beträgt 321 Fuß. Der erste Ast befindet sich 137 Fuß über dem Boden.

Nicht sehr weit von der „Mutter“ liegt der „Vater des Waldes“, eine Riesenruine, auf dem Boden – wohl die grüßte Sequoia in Kalifornien! Sie muß schon vor Jahrhunderten niedergestürzt sein. Die kolossale Wurzel, von der die Enden abgebrochen sind, ragt immer noch 28 Fuß, so hoch wie ein einstöckiges Haus, über dem Boden empor. Als der „Vater des Waldes“ noch in Lebensfülle dastand, war er ungefähr 450 Fuß hoch, mit einem Durchmesser des Stammes von 40 Fuß, und es wird sein Alter, wie schon erwähnt wurde, auf annähernd 5000 Jahre geschätzt. Der Atem steht einem fast still beim Aussprechen dieser Alterszahl, die bis über die biblische Sintflut zurückreicht. Als der Baumkoloß niederstürzte, riß er einen anderen Riesenbaum um und schlug dann gegen den 325 Fuß hohen „Alten Herkules“ (dieser wurde 1853 durch einen Sturm entwurzelt), wobei sein oberer Teil abbrach und weit umhergeschleudert wurde. Seine Länge kann man bis auf 365 Fuß verfolgen, doch fehlt von seiner Krone jegliche Spur. Daß aber sein Wipfel noch ungefähr 80 Fuß weiter reichte, läßt sich nach der Verjüngung der Stämme anderer Bäume ziemlich genau feststellen. An der Stelle, wo der „Vater des Waldes“ den „Alten Herkules“ traf – 300 Fuß von der ungeheuren Wurzel – hat jener noch einen Umfang von 16 Fuß. Ein bedeutender Teil von seinem Innern wurde durch Feuer zerstört und bildet eine seitwärts an zwei Stellen offene Höhlung, durch die man hindurchreiten kann. Diese Höhlung ist 82 Fuß lang und 9 bis 22 Fuß hoch. 200 Fuß von der Wurzel befindet sich ein großes Loch im Stamm, das man vom Innern des Riesenbaumes vermittelst einer Leiter erreicht und durch welches man hindurchsteigen kann. Hier saß der niedrigste baumstarke Ast. Den gefallenen Stamm besteigt man auf einer Leiter von 16 Stufen. Oben auf demselben hat man, mehr noch als von unten, einen überwältigenden Eindruck von der Riesengröße dieser uralten Baumruine.

Der Wald ist in der Nähe dieses gefallenen Baumkolosses von ergreifender Erhabenheit. Zahlreicher als sonstwo erheben sich hier ringsum die rotbraunen Riesensäulen aus dem frischen Grün, die „Mutter“ blickt geisterhaft daraus hervor und mahnt mit dem hingestürzten „Vater des Urwaldes“ und seinem halb zertrümmerten Genossen, dem „Alten Herkules“, an die Vergänglichkeit alles Irdischen. Der letztgenannte Baum stand schräg da wie der Turm zu Pisa, ehe der Sturm ihn entwurzelte. Wahrscheinlich wurde er durch den „Vater des Waldes“ etwas aus dem Gleichgewicht gebracht, als dieser gegen ihn schlug. Einige benachbarte Riesenbäume sind durch Feuer grausam verstümmelt worden, während andere, z. B. der 365 Fuß hohe „Starr King“ (nach einem berühmten kalifornischen Kanzelredner benannt), in stolzer Urkraft dastehen und nur wenige Brandschäden zeigen.

[231] Langsam schreiten wir aus dem sich durch den Wald schlängelnden Pfad weiter, heben mitunter einen grünen Sequoiazapfen auf oder halten ein Weilchen Rast auf einer Ruhebank. Nahe am Weg stehen ab und zu noch mehr Baumkolosse, um deren Wurzeln sich im Laufe der Jahrtausende durch abgefallene Zweige und Nadeln förmliche Hügel gebildet haben. In der Nähe einer halb ausgebrannten Sequoia, die den Namen „Onkel Toms Hütte“ führt und in welcher der alte Wollkopf recht gut hätte wohnen können, liegen zwei umgestürzte Mammutbäume nebeneinander mit unglaublich riesigen Wurzeln. Da das Erdreich über dem Lavabett nur eine geringe Tiefe hat, so sind die Wurzeln gezwungen, sich mehr in die Breite als in die Tiefe auszudehnen, und es ist erstaunlich, daß diese imstande sind, die ungeheure Last der Sequoias im Gleichgewicht zu halten.

Nun wir uns dem Ende unserer Wanderung von etwa einer englischen Meile (1 ½ km) Länge nähern, gewahren wir noch zwei 150 Fuß hohe junge Sequoias, deren Alter auf ungefähr 800 Jahre geschätzt wird. Wie es wohl in Kalifornien aussieht, wenn dieses stattliche Zwillingspaar ausgewachsen ist, wenn zwei Generationen von Riesen sequoias die ganze geschichtliche Entwicklungsperiode der Menschheit umfassen werden und diese 5000 oder 6000 nach Christo zählt? Was dann wohl aus Amerika, was aus Deutschland geworden ist? Solche und ähnliche Gedanken drängen sich uns beim Anschauen jener in erster Jugendkraft strotzenden Bäume unwillkürlich auf. Bald darauf treten wir aus denn dunklen Grün des Waldes wieder ins sonnige Freie. Hier müssen wir noch eine kurze Zeit bei dem Resten des Riesenbaumes verweilen, den der alte Bärenjäger Dowd im Jahre 1852 zuerst entdeckte, und der bereits im darauf folgenden Jahre im Auftrage eines Spekulanten gefällt wurde.

Das Mammoth Grove Hotel.

Und welch eine Arbeit war das Fällen dieses Baumkolosses, der einen Umfang von 96 Fuß hatte und 302 Fuß hoch war! Zuerst wurde die 15 bis 18 Zoll starke Rinde bis zu einer Höhe von 30 Fuß sorgfältig abgelöst, und dann ging’s an die Arbeit, den noch 25 Fuß dicken Baum 6 Fuß über dem Boden umzuhauen. Nachdem sich mehrere geübte Aexteschwinger eine geraume Zeit dabei abgemüht und lächerlich gemacht hatten, sah man ein, daß man so nie zum Ziele gelangen würde. Es wurde nun eine Anzahl 12 Fuß langer Pumpenbohrer herbeigeschafft, und 5 Mann bohrten 22 Tage lang von beiden Seiten ein Loch dicht neben das andere in den Stamm, bis dieser endlich ganz durchschnitten war. Dann wurden 2 ½ Tage lang an einer Seite Keile in die Bohrlöcher getrieben um den Baum umzustürzen. Alles vergeblich! Der jetzt beinahe lose auf seinem unteren Stamme stehende Baum rührte sich nicht. Da erhielten die Keilschläger eine ganz unerwartete Hilfe. Als sie nämlich in wenig rosiger Stimmung am 25. Tage ihrer mühseligen Arbeit ihr Mittagsmahl verzehrten, wurden sie plötzlich von einem furchtbare Gekrach aufgeschreckt, und es erzitterte die Erde wie von einem Erdbeben. Ein Windstoß hatte den Riesenbaum ohne sonderliche Mühe von seinem Piedestal herabgestürzt. So wurde dieser Prachtbaum, der den Stürme im Hochgebirge länger als 3000 Jahre erfolgreich getrotzt hatte, zu Fall gebracht. Die abgelöste Rinde beförderte man später nach England. Sie wurde im Krystallpalaste zu Kensington wieder zusammengesetzt, so daß sie ein 25 Fuß breites und 30 Fuß hohes rundes Zimmer bildete. Später fiel sie dort einem Brande zum Opfer.

Der Stumpf dieser so mühsam gefällten Sequoia wurde geglättet und ein hübscher Pavillon darüber erbaut. In demselben ist an Sonntagen öfters Gottesdienst abgehalten worden; bei festlichen Gelegenheiten wird dort getanzt. Sechzehn Paare bei einem Cotillon haben Platz auf dem Stumpf! In den fünfziger Jahren wurde eine Zeitung („The Big Tree Bulletin“) im Pavillon herausgegeben Der hingestürzte Stamm diente längere Zeit als Kegelbahn, und es stand auch eine Trinkhalle auf demselben. Beide sind jetzt nicht mehr vorhanden. Vom Stamm wurde ein 30 Fuß langes Stück abgesägt, das neben dem Pavillon liegt. Man ersteigt es auf einer 25 Fuß hohen Treppe. An der einen Seite dieses abgeschnittenen Stücks kann man noch genau die Bohrlöcher gewahren; am anderen Ende sitzt noch eine Menge kleiner Nägel, die Prof. Bradley dort einschlug, als er die 3300 Jahresringe zählte.

Herr Sperry hat weder mit dem Fällen jenes herrlichen Baumes, noch mit dem Abschälen der Rinde von der „Mutter des Waldes“ das Geringste zu thun gehabt, da er den Calavéras-Hain und ebenfalls den Süd-Hain erst einige Jahre später käuflich erwarb. Seitdem werden die Riesensequoias in beiden genannten Hainen von ihm wie Augäpfel bewahrt. Ob dies noch lange geschehen wird, kann niemand vorhersagen, denn Herr Sperry steht bereits in vorgerücktem Alter, und die zukünftigen Besitzer dieser herrlichen Haine lieben vielleicht die Dollars mehr als die Riesenbäume. Es ist der Bau einer Eisenbahn bis in diese Gebirgsgegend geplant worden, Spekulanten haben große mit Wald bestandene Bodenstrecken in der Nähe der Haine angekauft, und wenn erst die großen Dampfsägemühlen bis hierher dringen, so können ihnen die Sequoias ebensogut wie die wegen ihres vorzüglichen Bauholzes hochgeschätzte Zuckerfichten und Gelbfichten zum Opfer fallen. Große Sägen werden auch mit den Riesenbäumen fertig werden. Auf das fast unverwüstliche rosafarbene Holz derselben, das eine hohe Politur annimmt, hat schon mancher Holzspekulant ein gieriges Auge geworfen.

Um dem Untergang der Seguoias vorzubeugen, müßte der Staat California die Haine ankaufen, wie dies von der Regierung der Vereinigten Staaten schon vor längerer Zeit mit denn Mariposa-Hain geschah, der zum Yosemite-Park gehört und in jedem Sommer durch eine Truppenabteilung geschützt wird. Allen Kelly, der die Stellung eines Oberförsters in Kalifornien einnimmt, hat erst neuerdings auf die Notwendigkeit eines solchen Schutzes hingewiesen, da die Sägemühlen bereits arg unter den Sequoias in den Hainen von Fresno und am Kingsflusse gewütet haben. Der Ankauf von seiten des Staates muß aber bald erfolgen. Es wäre tief zu beklagen, wenn auch der herrliche Calavéras-Hain und der Süd-Hain der Habgier der Spekulanten zum Opfer fallen sollte.

Die Tage verrannen rasch in dem traulichen und sauber gehaltenen Gasthause, unter freundlichen und umgänglichen Menschen. Das Wetter war tagaus tagein wunderschön. Jeden Tag schien [232] die Sonne warm aus unbewölktem Himmel. Die Nächte waren kühl, und ein Feuer im Ofen der großen Gaststube wurde abends sehr geschätzt. Bei einer Höhenlage von 1442 Metern über dem Meere setzte mich dies nicht in Erstaunen: auch bezweifle ich nicht, daß der Schnee, wie erzählt wird, hier im Winter mitunter 14 Fuß tief liegen soll. Nicht ein Tropfen Regen fiel während der sechswöchigen Dauer meines Aufenthaltes beim Calavéras-Hain; und doch prangte der Hochwald im saftigsten Grün.

Mitunter besuchten uns Sommerfrischler, die mit Roß und Wagen nach dem Yosemitethal zogen, in der Nähe des Calavéras-Haines wird diese Fahrt meist unterbrochen. Herren und Damen, denen ich mich mitunter anschloß, machten fast täglich Ausflüge auf Mustangs ins Gebirge, suchten die Bergströme auf, um die prächtigsten Forellen zu angeln, nahmen die 150 Fuß hohen Fälle des San Antonioflusses in Augenschein, oder ritten nach dem 6 englische Meilen entfernten Süd-Hain auf einem romantischen Saumpfad. 1380 Sequoias hat man dort gezählt, die in jenem größten Hain der Mammutbäume in ungestörter Urwildnis prangen. Sie sind ihren Brüdern im Calavéras-Hain vollkommen ebenbürtig. Junge Sequoias sind im Süd-Hain sehr zahlreich. Unter den uralten Sequoias hat der „New York“ einen Durchmesser von 35 Fuß und ist 340 Fuß hoch; der „Massachusetts“ mißt 98 Fuß, der „Ohio“ 104 Fuß im Umfang, und beide erreichen eine Höhe von über 300 Fuß etc. Ein durch Feuer ausgehöhlter Riesenbaum war 3 Jahre lang von einem alten Trapper mit Namen Smith bewohnt, der in der 21 Fuß tiefen und 16 Fuß breiten Höhlung ein Empfangszimmer, ein Schlafgemach, eine Küche und einen Stall eingerichtet hatte. Dicht dabei liegt der „Alte Goliath“, ein Baumkoloß von 105 Fuß im Umfang, den derselbe Sturm im Jahre 1862 entwurzelte, der seinen Genossen, den „Alten Herkules“ im Calavéras-Hain zu Boden warf. Smith war gerade zu Hause, als jenes Ereignis stattfand, und glaubte beim Donnerfall des „Alten Goliath“, daß die Erde entzwei bräche. Bei allen Ausflügen ins Gebirge bemühten wir uns, einiger Schneewurze (snow plantSarcodes sanguinea) habhaft zu werden. Dieses dem Fichtenspargel (monstropa) ähnliche Gewächs kommt nur auf der Sierra Nevada vor. Dasselbe hat ein blutrotes fleischiges Aussehen, mit knollenartigen Auswüchsen und es erreicht mitunter eine Höhe von 16 Zoll. Die Blumenpflanze, denn eine Blume kann man das merkwürdige Gewächs nicht nennen, streckt, sobald der Schnee verschwunden ist, ihr blutrotes Haupt aus dem Waldboden empor.

Herrlich waren die Abende vor Sonnenuntergang auf der breiten Veranda des Gasthauses, entfernt vom Lärm und Gewühl der Großstadt. Das dicht bewaldete Gebirge mit einer großen grünen Wiese davor, die freundlichen Anlagen mit den 200 Fuß hohen Fichten und Cedern und den rotbraunen Säulen der „Sentinels“ („Schildwachen“), zwischen deren Portal die Landstraße hinführt, der nur 150 Schritt entfernte Calavéras-Hain, aus welchem die rötlichen Baumgiganten hervorleuchteten und auf dessen grünen Vorhof die Bäume lange schwarze Schatten hinmalten, zwitschernde und fröhlich singende Vögel – dabei die lauen Abendlüfte, denn der Wind erstirbt regelmäßig vor Sonnenuntergang: es war ganz wundervoll, und nie werde ich die Stunden vergessen, die ich dort verbracht habe! Und dann eine Mondscheinnacht im Calavéras-Hain: ein Spaziergang durch den dämmernden und doch lichterfüllten Hain unter den silberumfluteten rötlichen Säulen der Riesenbäume, ganz allein, wie in einem Märchenwalde! Aehnliches giebt es wohl nirgend sonstwo in der Welt! –

Was ich auf einem solchen nächtlichen Spaziergange schaute und empfand, das will ich hier noch zum Schluß dieser Federzeichnungen aus dem Wunderland Kalifornien in poetischer Form zu schildern versuchen:


 Mondnacht im Calavéras-Hain.

Ich saß auf der Veranda spät,
Von kühler Bergluft sanft umweht,
Den Abend zu verträumen,
Und vor mir lag im Mondenschein
Der dunkle Calavéras-Hain
Mit seinen Riesenbäumen.

Im Bann der wunderschönen Nacht
Ist gleich der Drang in mir erwacht,
Dorthin den Schritt zu lenken,
Und, fern vom Zwiespalt unsrer Zeit,
In seine Pracht und Herrlichkeit
Mich sinnend zu versenken.

Ich kannte in dem Waldgeheg
Den langen, viel gewund’nen Weg
Ja schon seit manchen Tagen,
Wo zwischen prächt’ger Fichten Schar
Die roten Säulen wunderbar
Hoch in den Aether ragen.

Urplötzlich, wie das Sehnen kam,
Erhob ich mich, und bald schon nahm
Mich auf des Haines Mitte.
Kaum sichtbar war der braune Pfad,
Den ohne zögern ich betrat
Mit festem Mannesschritte.

Das Mondlicht spielte zauberhaft
Um Busch und Strauch, um Ast und Schaft
Der hehren Urwaldsriesen,
Und magisch flutete der Glanz
Um ihrer hohen Wipfel Kranz,
Die ernst zum Himmel wiesen.

Fern schwebte in dem Weltenraum
Hoch überm dunklen Waldessaum
Des Vollmonds milde Leuchte,
Die manchmal meinem Blick entschwand,
Dann wieder groß am Himmel stand
Und nie so schon mir däuchte.

Des „Urwalds Vater“ sah ich nun
Entwurzelt auf dem Boden ruh’n,
Was tief mein Mitleid weckte.
Einst ragt’ er hoch wie Erwins Turm,
Bis jählings ihn ein Wintersturm
Lautkrachend niederstreckte.

Viertausend Jahre sind’s und mehr,
Seit hier im Hochgebirge er
Aufwuchs, so stolz, so prächtig;
Es war zur Zeit, als Troja fiel,
Als Ramses’ Macht geherrscht am Nil,
Als Babel groß und mächtig.

Rings stehen noch zerstreut im Wald
Die Söhne, riesig an Gestalt,
Im rötlich-braunen Kleide,
Die „Mutter“ aber, starr und bleich,
Streckt ihre Arme, schemengleich,
Empor im Witwenleide.

Ernst schaut’ ich in den Wald hinein,
Wo Finsternis und Strahlenschein
Sich um die Herrschaft stritten.
Das ist so überall der Brauch!
So ist’s im Menschenherzen auch,
Bis einst es ausgelitten.

Dies sinnend, stand ich lange da,
Und durch die mächt’gen Wipfel sah
Der Mond, der silberreine.
Spät wandt’ ich heimwärts meinen Schritt,
Und dies Gedicht, das bracht’ ich mit
Aus Calavéras’ Haine.


Echt.

Erzählung von R. Artaria.

     (6. Fortsetzung.)}}

Du siehst so blaß aus, Tonerl, es ist mir gestern beim Nachtessen schon aufgefallen,“ sagte des andern Morgens beim Frühstück die Schwester, „wirst uns doch nicht am Ende krank werden?“

„Krank? O nein!“ erwiderte Toni mit raschem Erröten, „ich habe nur so ein dummes Kopfweh schon seit gestern, und ich meine fast – ich glaube, es wäre besser – wenn ich bald wieder nach Hause ginge! …“ Nun war’s heraus, was sie sich diese Nacht vor dem späten Einschlafen fest vorgenommen hatte, jetzt mußte es vollends durchgesetzt werden.

„Du? Wieder nach Hause?“ fragte Frau Resi überrascht. „Ja, warum denn? Bist ja gerade erst gekommen!“

„Nun, ich bin doch schon über acht Tage da,“ erwiderte Toni, „und der Papa hat nicht gemeint, daß ich überhaupt wochenlang bleiben soll. Ich hab’ keine rechte Ruh’ wegen der Mama, sie braucht doch immer viel Hilfe und – und – es ist wirklich besser, wenn ich meine Sachen heute packe und morgen gehe.“

„Nein – so ’was!“ rief jene im höchsten Erstaunen und richtete ihre Augen forschend auf das mit dem Theelöffel beschäftigte und verlegen in die Tasse niederblickende Mädchen. „Hör’ Du! Da steckt noch etwas anderes dahinter, bekenne es nur gleich!“ Sie hielt inne, betrachtete die Schwester nochmals, aber sie zögerte, das Wort auszusprechen, welches ihr auf den Lippen schwebte. Wenn’s wirklich so war, wie sie vermutete, wozu dann drüber reden? Besser, die Kleine verwand es allein …

„Nein, nein,“ versicherte diese mittlerweile mit ungewisser Stimme, „es steckt nichts weiter dahinter als – daß ich halt gern wieder heim ginge. Das Fest ist vorüber – es war ja so wunderschön – aber jetzt sollte ich wieder heim. Es ist mir wie eine Ahnung, daß mich die Mama braucht.“

„So, so!“ – Frau Resi überschlug in Gedanken schnell die Situation und fand, daß es allerdings vielleicht so am besten wäre. Schade! Sie könnte das Tonerl gut noch ein paar Wochen brauchen.

[233]

Spiel mit roten Ostereiern. Das Einpflanzen von geweihten Holzkreuzchen und Palmweiden.
     Das Weihen von Nahrungsmitteln in der Kirche. Ostereier als Liebesgabe.
 Verschenken von geweihten Brezeln.

Osterbräuche in Niederbayern.
Nach einer Originalzeichnung von Oskar Gräf.

[234] Aber, wenn sie sich wirklich „etwas in den Kopf gesetzt“ hatte und jetzt über Peredas Ausbleiben unglücklich war – ja dann ging sie wohl besser heim, statt ihm hier ferner zu begegnen. Eine „Geschichte“ durfte das nicht werden, was würde Volkhard dazu sagen! …

„Na, wie Du meinst,“ sagte sie endlich ganz ruhig. „Gegen Deinen Willen will ich Dich nicht halten. Schreib’ halt dem Papa eine Karte, daß Du morgen kommst!“

Toni flog hinauf, dies zu besorgen, dann, als es geschehen war, zog sie hastig den großen Reisesack und die Schachtel hervor, um einzupacken. „Gottlob, daß ich fort darf,“ murmelte sie dabei, „ich schämte mich zu Tode, wenn ich ihn nochmals sehen müßte. O, so dumm zu sein, sich so anführen zu lassen!“ Heute waren es schon Zornesthränen, die ihr bei solchen Gedanken neu strömten. Sie wischte sie ab, dabei fiel ihr Blick auf den Spiegel, der ihr verweintes Gesicht mit der geröteten Nase und den zerzausten Haaren zurückwarf. „Ja wohl, so muß man aussehen, um von so Einem geheiratet zu werden,“ höhnte sie sich selber aus. „Aber jetzt,“ sie sprang auf ihre beiden Füße und schleuderte das Tuch weg, „jetzt nähme ich ihn gar nicht mehr und wenn er mich zehnmal wollte, der grundschlechte, falsche Mensch! Wenn ich das dem Schwager sagen wollte von dem Kuß … das möchte ihm doch noch schlimm bekommen … aber lieber auf der Stelle tot sein … als davon reden! … Ach, wer mir das vorgestern gesagt hätte, als ich mich hier beim Anziehen so fürchterlich freute! …“ Die Thränen wollten wiederkommen, sie schüttelte den Kopf. „Jetzt heißt’s die Zähn’ zusammenbeißen und nicht dergleichen thun, ich muß fortkommen, ohne daß es jemand merkt!“ Sie kühlte ihre Augen im Waschbecken und trocknete sie ab. „Ob es wohl dem Lorenz neulich auch so zu Mute war wie mir jetzt? … Aber nein, das kann gar nicht sein, ich hab’ ihm ja vorher nicht schöngethan, er hat sich’s allein eingebildet, dabei hab’ ich doch keine Schuld! O … so falsch, so falsch … wie nur ein Mensch so sein kann!“ Sie stand wieder lange in finstern Gedanken, dann raffte sie sich zusammen. „Es hilft alles nichts, ich muß es verwinden! Nicht mehr dran denken, das wär’ das Beste … Und jetzt einpacken ohne weiteres! …“

Sie setzte die große Schachtel auf den Tisch und hob den Deckel. Da lag das jüngst so verachtete und deshalb gleich wieder eingepackte Bauernmieder in seiner ganzen harmlosen Unmöglichkeit vor ihren Augen, Toni nahm es in die Hand, ein bitteres Lachen wandelte sie bei dem Anblick an. „Ja, Du warst halt auch nicht ‚echt‘ genug,“ sagte sie und nickte ihm zu wie einem lebenden Wesen, „aber mit all’ Deiner Unechtheit bist Du mir viel lieber als die echten Kleider hier, wo die falschen Leut’ drin stecken. Na, b’hüt Gott! Morgen um diese Zeit bin ich schon weit fort und fahr’ zu meinem Vaterl heim. Wenn’s nur schon so weit wäre!“




Ueber Nacht hatte sich der Föhnsturm aufgemacht und schleuderte aus schwarzen Wolkenfetzen Wassergüsse herunter, die sogar für das regenreiche München ihr Ungemütliches hatten. Ein dicker grauer Dunst hüllte alles ein – die Stadt, den Bahnhof mit seinem Gewirr von Schienensträngen und den Zug, welcher gerade qualmend und pustend die große Halle verließ.

Toni schloß schnell das Fenster, aus welchem sie noch soeben der heldenmütig mit herausgefahrenen Schwester einen Abschiedsgruß zugewinkt, weil allsogleich ein Sturzbach darauf niederprasselte, und nahm, so gut es gehen wollte, ihren Eckplatz ein. Das Coupé war stark besetzt: außer einer Mutter mit vier kleinen Kindern und einer ältlichen Dame eine solche Ueberfülle von Handgepäck, daß Toni Mühe und Not hatte, ihren Reisesack noch unter die vielen Ballen und Koffer des Gepäcknetzes hineinzustopfen. Mit der Schachtel mußte sie ihren Sitz teilen.

Als alles soweit untergebracht war, legte sie müde den Kopf an die Seitenlehne und sah zum Fenster hinaus. Aber was sie da zwischen den grauen Regenstreifen unterscheiden konnte, war von einförmiger Trostlosigkeit. Die langgedehnte Hochebene zwischen München und Rosenheim gehört, vom Postzug aus bewachtet, schon bei schönem Wetter nicht gerade zu den entzückenden Reiseeindrücken, bei schlechtem aber heißt es, sich in Geduld fassen, bis die Stationen Haar, Zorneding, Trudering, und ihre ebenso wohltönenden Nachfolgerinnen alle im beschaulichen Trab überwunden und zurückgelegt sind. Ein spannender Roman thut da ausgezeichnete Dienste.

Toni hatte keinen solchen mitgenommen, als sie heute früh vom Volkhardschen Hause schied, lebhaft beklagt von den Kindern, welche die junge Tante rasch liebgewonnen hatten und nur gegen das Versprechen baldiger Wiederkehr ziehen ließen. Sie war froh, jetzt einmal ein paar Stunden ganz allein für sich zu sein, aber sie sah heute schon viel zuversichtlicher in die Welt und wunderte sich selbst darüber, daß ihr das Herz nicht weher that. Ganz so zerrissen, als sie gestern dachte, war es also doch nicht. Auch beschäftigten sich ihre Gedanken, während sie unbeweglich auf die draußen vorüberfliehenden Schneeflächen mit ihren schwarzen Wassertümpeln hinstarrte, viel mehr mit der nahen Heimkehr als mit dem, was hinter ihr lag. Sie stellte sich das gute warme Eckzimmer und seine alten einfachen Möbel vor, die lieben Gesichter von Vater und Mutter, die hinter dem Kaffeetisch auf sie warteten, Burgis vergnügtes Lachen und das Freudengekläff ihres zurückgelassenen Fido. Zum erstenmal in ihrem Leben fühlte sie mit, Bewußtsein das Glück, eine Heimat zu haben.

„Dort bin ich recht, so wie ich bin,“ dachte sie. „Und so lieb wie die Eltern hat mich doch niemand auf der Welt. Sie sollen’s aber auch jetzt gut haben mit mir.“

Die Freundinnen fielen ihr ein, der Eisplatz in Leopoldskron – freilich, der Lorenz wird jetzt nimmer kommen, sie abholen und die Schlittschuhe tragen. Zu dumm, daß das jetzt so geworden ist! Und an eins hatte sie bisher gar nicht gedacht: mit dem Papa wird es noch einen schweren Stand geben, wenn er erfährt, wie sie den Lorenz hat in München abfallen lassen. In solchen Dingen versteht er keinen Spaß.

Hier wurde ihre Gedankenreihe, die sie trotz des steigenden Kinderlärms fortgesponnen, plötzlich unterbrochen durch einen Plumps von rechts her, wodurch sich ein kleiner rothaariger Junge mit ungeputztem Näschen gewaltsam auf ihren Schoß beförderte.

„Da will ich her,“ erklärte er kurz und bündig und krallte sich sofort ans Fenster an, seine schmutzigen Stiefel ruhig auf Tonis Paletot abwischend. Diese warf einen entrüsteten, hilfebegehrenden Blick nach der Mutter; aber die arme Frau befand sich in solcher Notlage, ihren drei andern auf- und abspringenden und kreischenden Unholden gegenüber, daß sie die vorläufige Unterbringung des vierten als ein unverhofftes Glück anzusehen schien und keine Miene machte, ihn zurückzurufen.

„Sehen Sie, so machen sie mir’s immer, wenn ich mit ihnen unterwegs bin,“ sagte sie klagenden Tons, indem sie ihre wässerigen Augen mit wehmütigem Ausdruck nach Toni hinwandte, „ach, und ich muß so viel reisen! Mein Mann ist Künstler, der seinen Aufenthalt oft wechselt, das ist für die Kleinen nicht gut, sie verwildern mir so sehr!“

Ihre und der Kinder merkwürdige Kleidung, sowie die frühzeitigen Jongleurkünste der Jungen, ließen die Art der Künstlerschaft des vorangereisten Vaters mit Sicherheit vermuten. Toni sah die vermagerte Frau an und brachte es nicht übers Herz, den ungezogenen kleinen Bengel rücksichtslos abzuschütteln, obgleich die alte Dame am andern Ende jetzt auch mit scharfer Stimme ihre Mißbilligung einer für die Mitreisenden so belästigenden Jugend aussprach. Aber im stillen nahm sie sich vor, den zehn Minuten langen Aufenthalt in Rosenheim zu benutzen, um ein anderes Coupé zu suchen und dieser Gesellschaft zu entrinnen. Mit einem festen Ruck bändigte sie den kleinen Plagegeist, als er Miene machte, ihr ins Gesicht zu langen, und die Drohung, ihn auf den Boden zu setzen, bewirkte, daß er sich die fernere Zeit über leidlich ruhig hielt.

Endlich – ein langer Pfiff. Station Rosenheim! …

Toni langte schnell ihren Reisesack herunter, griff nach dem Uebrigen und sprang, sobald das Coupé geöffnet wurde, hinaus, dem nächsten Kondukteur zurufend: „Ist noch ein anderes Damencoupé im Zug?“

„Bedauere, nein.“

„Nichtraucher?“

„Auch stark besetzt. Aber dort steht der Schnellzug, der in fünf Minuten auch nach Salzburg geht; wollen Sie noch ein Zuschlagsbillet nehmen?“

„Ja, ja!“ Sie reichte ihm hastig ein Geldstück. „Lassen Sie mein Gepäck an das Coupé hinbringen, ich hole schnell das Billet.“

Sie eilte dem Bahnhofsgebäude zu, kam zuerst auf die unrechte Seite, fand dann den richtigen Schalter und flog, während [235] das grelle Läuten und der Ruf „Einsteigen, einsteigen!“ ertönte, wieder die Tunneltreppen hinauf nach dem Perron.

Der Schaffner rief und telegraphierte mit beiden Armen, sie rannte, was sie konnte, dem Träger zu, der mit ihrem Gepäck vor der geöffneten Coupéthür wartete. Als er sie gewahrte, warf er rasch ein Stück ums andere hinein und hob sie hinterher. „Fertig!“ rief’s im gleichen Augenblick und die Thür fiel zu.

„Halt!“ rief Toni, als sie im Gepäcknetz ihr gegenüber einen Männerhut bemerkte, schnell wieder zum Fenster hinaus, „ich wollte ja ins Damencoupé!“

„Voll besetzt – Nichtraucher,“ tönte es nur dem bereits rollenden Zug nach. Toni ließ sich erschöpft auf den Sitz fallen, wendete dann die Augen nach dem am anderen Ende sitzenden Mitreisenden und sah – in Lorenz Käsmeyers Gesicht! …

Die Ueberraschung war beiderseits eine so große und peinliche, daß keines die Stille unterbrach. Beide wandten, wie auf Kommando, die Augen zur Seite, um zu überlegen was nun zu thun sei. Endlich griff Lorenz nach dem noch auf dem Sitze liegenden Gepäck und brachte es im Netz unter.

„Ich danke!“ hauchte Toni.

„Bitte sehr, mein Fräulein!“ versetzte er eisig mit steifer Zurückhaltung und nahm wieder an dem andern Ende Platz. Dann schwiegen beide und jedes schaute in seiner Ecke zum Fenster hinaus.

Es war zum Verzweifeln, Toni wünschte sich hunderttausend Stunden weit fort, zu den Schwarzen in Afrika oder an den Nordpol, gleichviel, nur hinweg von diesem Lorenz, dessen sonst so harmlose Gegenwart ihr nun ganz fürchterlich war. Das fehlte jetzt gerade noch zu den Alterationen, die sie seit vorgestern auszustehen gehabt! … Und nun saß man im Schnellzug und konnte vor Prien nicht aussteigen. Rein fürchterlich!

Zehn Minuten vergingen. Draußen flogen in endloser Reihe Telegraphenstangen und Bahnwärterhäuschen vorüber, die lange Rauchwolke qualmte unaufhörlich längs dem Fenster hin und mischte sich mit dem Schneeregen zu einer häßlich grauen Masse. Toni fühlte, daß Lorenz sie von der Seite ansah, und faßte einen Entschluß. So konnte es nicht fortgehen.

„Was für ein schreckliches Wetter!“ sagte sie, als wieder einmal ein starker Regenguß gegen die Scheiben prasselte, halb für sich, halb gegen den andern.

„Ja, zum Reisen ist es schlimm,“ kam es nach einer Pause zögernd zurück.

„Sind Sie heute um elf Uhr von München abgefahren?“ fragte sie, sich jetzt voll nach ihm umwendend in möglichst unbefangenem Tone.

„Nein, ich hatte Geschäfte mit einer Rosenheimer Fabrik,“ erwiderte er, nun auch ganz gefaßt. „Von München bin ich schon vorgestern abgereist. Aber daß Sie auch schon so bald heimkehren?“

„Ich wollte nie länger bleiben als eine Woche,“ sagte sie mit einer überzeugenden Sicherheit.

„So–o!“

Wieder eine Pause. Toni besann sich schnell auf eine neue Rede. Sie schöpfte aus dem bisherigen Verlauf die Hoffnung, allmählich ein unbefangenes Gespräch anzubahnen. Die ganze unangenehme Sache mit Stillschweigen übergehen, das war doch das Allergescheiteste! Sicherlich würde er das auch einsehen und sich danach richten, wie schon so oft, wenn Toni angab und er ihr den Willen that.

„Ist Fräulein Panke noch dort geblieben?“ fragte sie jetzt mit ihrem natürlichsten Ton, indem sie ihr Reisetäschchen vornahm und begann, die einzelnen Kleinigkeiten darin zu ordnen.

„Ich meine schon“ erwiderte Lorenz. „Sie wollte Sie in den nächsten Tagen bei Ihrer Schwester aufsuchen, denn sie glaubte von Ihnen gehört zu haben, daß Sie den ganzen Karneval dort mitmachen wollten.“

Toni biß sich auf die Lippen. „Es ist dem Papa lieber so!“ sagte sie ausweichend. „Und wie hat Ihnen das Fräulein gefallen?“ fragte sie, indem sie ein buntgerändertes Taschentuch hervorzog und dasselbe mit dem Zipfel nach außen in die Tasche ihres Jäckchens steckte. „Ist sie nicht ein bisserl komisch im Umgang?“

Ohne einen Blick nach ihr hinzuwerfen, antwortete er: „Das kann schon sein, aber sie ist daneben eine gescheite Person und hat trotz ihrer scharfen Reden ein sehr gutes Herz. Ich glaube auch, man kann sich ganz verlassen auf das, was sie sagt.“

Ueber den versteckten Vorwurf dieser Worte vergaß Toni die so notwendige Behutsamkeit und erwiderte spitz im Ton ihrer früheren endlosen Dispute:

„Nun, das trifft bei anderen Leuten auch zu. An der Aufrichtigkeit fehlt’s bei uns auch nicht.“

„Es kommt darauf an,“ erwiderte er bedeutsam.

Jetzt aber fühlte sich Toni von einem heftigen Zorn erfaßt.

„Lorenz!“ sie blitzte ihn an, wie sie es von Schulzeiten her gewohnt war, „das verbitt’ ich mir! Wann bin ich je falsch gegen Sie gewesen? Wann hab’ ich je dergleichen gethan, daß Sie glauben sollten – na, Sie wissen schon –“

Er rückte mit einem Schwung von seinem Eckplatz her und ihr gerade gegenüber.

„Nein, das haben Sie nicht, das war meine eigene Dummheit,“ sagte er nun auch voll Erregung. „Aber wenn ich Ihnen nicht gut genug zum Heiraten war, Toni, Freunde sind wir von Kindheit an gewesen, und an mir hätten Sie einen Freund fürs ganze Leben gehabt, auch wenn Sie mir gleich geschrieben hätten, daß es mit dem andern nichts werden kann. Aber daß ich erleben muß, daß Sie mir gar nicht antworten und derweil mit dem liederlichen Maler – Himmel, Herrgott noch einmal! ich hab’s wohl gehört, was der für einen Ruf hat! – da auf dem Wagen herum scharmieren und hernach ihm zulieb Ihren alten guten Freund verleugnen, das, Toni, das vergeß’ ich Ihnen mein Leben lang nicht und deswegen ist’s jetzt auch mit der Freundschaft aus und vorbei. Ich hab’ Sie lieb gehabt seit Jahren, Gott weiß, wie sehr, und hab’ mir deshalb viel zu viel von Ihnen gefallen lassen, aber so ’was hinunterzuschlucken – da müßt’ ich ein armseliger Tropf sein! Meinem schlimmsten Feind möcht’ ich die Tage nicht wünschen, die ich durchgemacht habe; fort und fort habe ich mir’s vorgesagt, wie schlecht Sie mich behandelt haben, und darüber ist mir doch der richtige Stolz gekommen.“ … Er that einen tiefen Atemzug. „Ich hätte es Ihnen nie aus freien Stücken gesagt, aber jetzt, wo es heraus ist, jetzt ist mir’s wohl. Und glauben Sie nur nicht, daß ich jetzt unglücklich bin – das giebt’s nicht bei mir. So oder so! Man kann mit allem fertig werden und vorab, wenn’s einem so leicht gemacht wird wie mir von Ihnen!“

Toni saß starr und schaute den Zürnenden an. In ihrem Leben hätte sie nie geglaubt, daß der schüchterne Mensch so „herauslangen“ könne. Fluchen sogar vor Zorn – der Lorenz! … Und was er jetzt für feindselige Augen machte, es sah ja wahrhaftig aus, als ob es ihm bitterer Ernst sei mit dem, was er sagte!

Noch gestern würde ihr das von dem Abwesenden ziemlich gleichgültig gewesen sein, aber heute, ihm persönlich gegenüber und in sein altvertrautes gutes Gesicht schauend, kam es ihr auf einmal ganz undenkbar vor, daß dieser da im Zorn gegen sie beharren solle, und zwar im gerechten Zorn! …

„Lorenz!“ begann sie kleinlaut, „daß es mit dem Heiraten nichts ist zwischen uns, da haben Sie wohl recht. Sie haben mir ja selbst den Absagebrief geschrieben, also brauche ich Ihnen nicht lang zu sagen, daß ich nicht gewollt hätte. Das ist also fertig und begraben, und wir wollen nie mehr davon reden. Das mit dem ‚nicht gut genug sein‘,“ fuhr sie mit steigender Lebhaftigkeit fort, „das ist übrigens eine Dummheit! Und das andere, daß jetzt alle Freundschaft aus sein soll, erst recht, das giebt’s einfach nicht.“

Sie hielt inne, weil sie glaubte, ihm hiermit genügend entgegengekommen zu sein. Aber Lorenz Käsmeyer schlug ungerührt ein Bein über das andere, warf den Kopf zurück und sagte verbissen:

„Bedaure! Ich habe neulich gesehen, was Sie sich aus meiner Freundschaft machen. Da hilft kein Reden heute, das vergißt sich nicht mehr.“

Er sah, innerlich stolz über diese Probe von Charakterfestigkeit, zum Fenster hinaus, um dem Anblick der kleinen Person auszuweichen, die ihn früher so unzähligemal um den Finger gewickelt hatte. Seit sie hier vor ihm saß und mit ihm redete, konnte er nicht mehr so wütend sein als die Tage her, wenn er nur an sie dachte. Aber sich wieder herumkriegen lassen? Nein, davon war keine Rede! Absolut nicht! …

Er betrachtete angelegentlich die eintönigen Tannenwälder und die dunkelgrünen Wasser des Simsees, an dessen Ufern der Zug hineilte. Es wurde für ein Weilchen still. Toni saß mit [236] gesenktem Kopf unter der Last dessen, was der früher so gutmütige, harmlose Lorenz ihr auf die Seele gelegt hatte. Endlich hob sie den Kopf und sah ihn voll an.

„Lorenz!“ sagte sie entschlossen, „jetzt will ich Ihnen zeigen, daß ich mir aus Ihrer Freundschaft wohl was mache und daß ich ein schweres Opfer dafür bringe. Sehen Sie, ich kann mich, wie ich auch hin und her denke, nicht anders entschuldigen über – über die Geschichte im ‚Odeon‘, als indem ich Ihnen ganz ehrlich erzähle, was dazumal gerade alles geschehen ist, und warum ich keine Lust gehabt habe, aufzustehen, wie Sie mit dem Fräulein gekommen sind … Es war übrigens nur ein Augenblick; bis ich mich besonnen hab’ und wollte hin zu Ihnen, da waren Sie schon verschwunden …“

„Ich werd’ wohl dort stehen bleiben, bis mich die vornehmen Herren wegweisen!“ knurrte er.

„Aber ich will es thun,“ fuhr sie unbeirrt fort, „weil ich einsehe, daß es nicht anders geht. Und ich habe dabei ein ganz sicheres Vertrauen, daß Sie es niemand weiter sagen werden!“

„Darauf können Sie sich verlassen,“ sagte er einfach.

„Nun also!“

(Schluß folgt.)


Das weibliche Schönheitsideal.

Von Ernst Eckstein.


Die Weisen und Schriftgelehrten haben jahrhundertelang an dem Problem der Körperschönheit im allgemeinen und an dem der weiblichen Schönheit im besondern herumgetastet, ohne etwas Vernünftiges und Erbauliches zu Tage zu fördern. Erst der deutschen Philosophie neuesten Datums ist der Nachweis gelungen, daß Körperschönheit in letzter Linie gleichbedeutend mit Zweckmäßigkeit ist.

Man braucht sich angesichts dieser These durchaus nicht dem Eindruck zu überlassen, als sei nun etwa die unverwelkliche Wunderblume des Liebreizes und der Anmut schnöde zerpflückt und ein für allemal ihres ambrosischen Duftes beraubt. Ganz und gar nicht! Der ewige Frühling des Menschenherzens wird durch die klare Erkenntnis der hier einschlägigen Fragen ebenso wenig beeinflußt wie der Naturgenuß durch die Chemie und Physik. Umflammt etwa das leuchtende Morgenrot denjenigen, der da begreift, auf welchen physikalischen Vorgängen diese Erscheinung beruht, weniger zauberisch als den Unwissenden? Oder wirkt vielleicht der herbstliche Wald mit seinem unvergleichlichen Farbenspiel minder nachhaltig auf mein Gemüt, weil ich mir vom Naturforscher sagen lasse, die Pracht dieser gelb und hochrot glühenden Wipfel sei erzeugt durch das Schwinden des Chlorophylls in den Blattzellen?

Streng genommen besitzt freilich jeder einzelne Mann sein besonderes weibliches Schönheitsideal, das Ideal nämlich desjenigen Weibes, dessen körperliche und seelische Eigenschaften zu den seinigen die vollkommenste und zweckmäßigste Ergänzung bilden – dem Dichterworte entsprechend: „Wo Starkes sich und Mildes paarten, da giebt es einen guten Klang.“ Gewisse Züge indes dürften so ziemlich bei jedem dieser Einzelideale sich wiederfinden – und von diesen gemeinschaftlichen Zügen sei hier die Rede.

Urbedingung für jedes weibliche Schönheitsideal ist die Forderung, daß in der Körperentwicklung, zumal in dem Knochenbau, nirgends sich eine Hemmung zeige. Ob der Einzelne daher für ein hochgewachsenes oder ein zierliches Weib schwärme: darin stimmen die Männer aller Nationen und aller Zeiten ausnahmslos überein, daß keinerlei Abnormität gestattet sei.

Vollzählige, gleichmäßige, hellblinkende Zähne sind schön, weil sie zweckmäßig sind. Ihr Vorhandensein gewährleistet nämlich die möglichst vollständige Zerkleinerung der Speisen und hierdurch eine für das Gedeihen des Organismus vorteilhafte Ernährung.

Ein plastisch gerundeter Arm ist schön, weil er zweckmäßig ist. Rundung ist Muskelfülle; Muskeln sind Arbeitskraft, Fähigkeit, etwas zu leisten, sich im Kampfe ums Dasein „durchzuschlagen“. Es thut hierbei nichts zur Sache, daß unsere Kulturverhältnisse die Damen vielfach der Arbeitsnotwendigkeit überheben. Unser Instinkt – und nur der Instinkt giebt in Fragen der Schönheit sein Urteil ab – steckt tief im Boden der unverfälschten Natur; er bleibt unabhängig von den Zufälligkeiten der äußeren Schicksalsgestaltung.

Eine metallreiche, klare, bewegliche Stimme ist schön, weil sie zweckmäßig ist. Sie verbürgt die normale Entwicklung der Atmungsorgane. Außerdem aber drückt sich in den Modulationen der Stimme das geistig und seelisch Zweckmäßige aus. Eine Frauenstimme von wohlthuender Tonfülle deutet auch auf eine angenehme Persönlichkeit. Zänkische, unangenehme Weiber werden in allen Litteraturen der Welt als Geschöpfe mit gellender, keifender oder knurrender Stimme geschildert.

Auch bei den Einzelheiten des Angesichts läßt sich Zweckmäßigkeit nachweisen, wo wir Schönheit empfinden, wenn es sich hier auch vielfach nicht um die Frage des unmittelbaren Gedeihens, sondern um jene seelische Zweckmäßigkeit handelt.

Wann sind weibliche Augen schön? Die Farbe hat hier offenbar nur eine Bedeutung zweiten Rangs; die Vorliebe für blaue Augen, die sich in dem später zu behandelnden germanischen Schönheitsideal ausspricht, hängt meines Erachtens mit dem rein zufälligen Umstand zusammen, daß der blond-rosige germanische Typus, der aus sonstigen Gründen bevorzugt wird, fast durchgehends Augen von blauer Farbe aufweist. Die allbekannten Verse des Mirza-Schaffy sind denn auch schwerlich mehr als eine artige Spielerei:

„Ein graues Auge,
Ein schlaues Auge;
Auf schelmische Launen
Deuten die Braunen;
Des Auges Bläue
Bedeutet Treue;
Doch eines schwarzen Aug’s Gefunkel
Ist stets, wie Gottes Wege, dunkel.“

Das Endscheidende für das Empfinden des Mannes ist vielmehr nicht die Farbe des Augapfels, sondern die Gestaltung und das Spiel der das Auge umgebenden Weichteile – mit anderen Worten: der Blick, der Ausdruck. Alle Männer sind wohl darüber einig, daß ein weibliches Auge nur dann schön ist, wenn etwas Schönes, d. h. im Sinne unserer Erörterung Zweckmäßiges aus ihm redet – Eigenschaften der Seele nämlich, die im Kampfe ums Dasein vorteilhaft sind. Nichts ist häßlicher als ein geistlos und starr blickendes Auge, sei es von noch so leuchtender Vergißmeinnichtfarbe. Klugheit aber, zärtliche Sanftmut, maßvolle Energie, Fähigkeit im Erdulden, harmloser Frohsinn, Schalkhaftigkeit, Humor – all diese Dinge verleihen dem Auge, selbst bei unscheinbar gefärbter Iris, den Ausdruck der Schönheit, denn all diese Dinge sind zweckmäßig.

Was von dem Auge und seinem Zubehör – dem Lid, den Wimpern, den Brauen – gilt, das gilt ebensosehr von dem Mund als dem „sprechendsten“ Teile des Angesichts. Man vergesse hier nicht, daß just in der Mundpartie gewisse nachmals stehend gewordene Züge vielfach nur als das Endergebnis oft wiederholter Bewegungen angesehen werden müssen. Wer unter stark verstimmenden Eindrücken oder aus Gründen des Temperamentes häufig die Mundwinkel hängen läßt, der bekommt mit der Zeit jenen unauslöschlichen Zug von Verdrossenheit, der uns allen so häßlich erscheint, weil er auf eine höchst unzweckmäßige Veranlagung des Gemüts deutet. Mut, Ausdauer, Wohlwollen, Güte einerseits und Zaghaftigkeit, Leichtsinn, Menschenhaß, Bosheit anderseits sprechen sich in der unteren Gesichtshälfte und namentlich in den Zügen des Mundes mit verblüffender Deutlichkeit aus. Nichts bezaubert daher den Mann so unmittelbar wie ein weibliches Lächeln, das jene zweckmäßigen Gemüts- und Charaktereigenschaften unbewußt zur Enthüllung bringt.

Nach allem Vorstehenden wird uns auch einleuchten, warum mit dem weiblichen Schönheidsideal der Begriff der Jugend so unzertrennlich verbunden ist. Die Züge seelischer Zweckmäßigkeit können auch im späteren Alter vorhanden sein; die leibliche aber kommt vornehmlich zur Geltung in jener kurzen, flüchtigen Blütezeit, die wir „Jugend“ nennen.

Da die Verhältnisse, unter denen das Menschengeschlecht sich entwickelt, nicht von heute auf morgen wechseln, so werden die leiblichen und geistigen Eigenschaften, die heute im Kampf ums

[237]

 Vor dem Feste.

Frau Sonne hat gar viel zu thun,
Darf heut’ im Wolkenbett nicht ruh’n:
Wo nur ein Flöckchen Schnee noch sitzt,
Ihr goldner Strahl den Tann durchblitzt,

5
Der schafft im warmen Liebesmüh’n

Dem moos’gen Boden frisches Grün.
Wo dürres Land den Grund noch deckt,
Sie zarte Anemonen weckt
Und gelbe Primeln, Veilchen auch;

10
Drauf küßt sie noch den Weißdornstrauch,

Umglühend seine lichte Pracht,
Und sinkt. Die Dämm’rung wandelt sacht;
Doch lustig fort die Quelle schäumt,
Hat sie doch winterlang geträumt!

15
Auch ein paar Vöglein blieben wach,

Leis’ zwitschernd unterm Blätterdach;
Sie üben wohl, zu morgen früh,
An ihrer Ostermelodie - - -
Das wird im Wald ein Jubel sein,

20
O Seele, stimme jauchzend ein!


 A. Nicolai.




Dasein zweckmäßig – also schön – sind, nicht morgen bereits ihre Zweckmäßigkeit eingebüßt haben. Mit andern Worten: das weibliche Schönheitsideal, wie es den klugen, unverkünstelten, leiblich und geistig gesunden Männern vorschwebt, kann der Mode des Tages in allen wesentlichen Punkten nicht unterstellt sein, denn es deckt sich durchaus mit dem vollendeten Typus der Gattung. Trotzdem giebt es ein Scheinideal, das von dem echten durch eigentümliche Uebertreibung gewisser Züge sich unterscheidet und, eben weil hier die Mode mitspricht, allerlei Schwankungen durchmacht. Der unverfälscht empfindenden Minderheit erscheint alsdann der Geschmack, der sich in diesem Scheinideal ausdrückt, krankhaft, naturwidrig, thöricht: aber die Minderheit kommt nicht immer zum Wort, so daß die Täuschung entsteht, als sei eine ganze Nation oder ein ganzes Zeitalter auf ästhetischen Irrwegen, was zweifelsohne kaum irgend jemals der Fall war. Verirrung in diesem Sinne darf man natürlich nicht die Schwärmerei anderer Völker und Rassen für ihr weibliches Schönheitsideal nennen. Das weibliche Schönheitsideal des Kongonegers deckt sich naturgemäß mit dem vollendeten Typus der Kongonegerin. Der Kongoneger findet die breite Stülpnase, die aufgeworfenen Lippen, die zurückfliegende Stirne seiner Stammesgenossin ganz mit dem nämlichen Rechte schön wie der Kaukasier das Antlitz der capuanischen Venus. Nur wir haben beim Anblick auch der tadellosesten Kongonegerin die Empfindung, daß sie vom weiblichen Schönheitsideal abweicht, weil nämlich unser Ideal ein wesentlich anderes ist als das des Kongonegers. Um diese Rassenverschiedenheit handelt es sich hier nicht, sondern um augenscheinliche Abtrünnigkeiten vom kaukasischen Schönheitsideal innerhalb der kaukasischen Welt, um Anschauungen, welche im Hinblick auf den wirklichen Typus der Gattung als barbarisch charakterisiert werden müssen.

In die Reihe der hier gemeinten Verirrungen gehört vorab die modische Wespentaille. Es darf ausdrücklich betont werden, daß sich die Frauen weit öfter und weit entschiedener für dies Scheinideal begeistern als die Männer, deren Urteil doch aus begreiflichen Gründen in Fragen der weiblichen Schönheit den Ausschlag giebt. Die Wespentaille ist unschön, weil sie zweckwidrig ist. Daß trotzdem der Modegeschmack – im Widerspruch mit dem Naturgeschmack, der gleichzeitig allen wirklichen Kunstschöpfungen zu Grunde liegt – diese unschöne Wespentaille zum Nachteil des frei entwickelten Oberkörpers bevorzugt, das beruht unseres Erachtens auf jenem auch sonst grassierenden Irrtum, der die Wirkung des Schönen durch Uebertreibung zu erhöhen vermeint. Schlankheit ist ganz gewiß ein Hauptzug des germanischen Schönheitsideals. Von der vielgepriesenen Isolde z. B. sagt der Dichter, sie sei süß gestaltet gewesen um und um, lang, schlank und schwank, als hätte die Minne sie gedreht „für sich selber zu einem Federspiel, dem Wunsche zu einem Endeziel“. Die Unterstellung aber, als müsse die Schönheit nun mit zunehmender Schlankheit sich ebenso fortgesetzt [238] steigern, wie etwa ein Glas voller wird, je mehr man hineingießt – diese Ansicht gehört in die Gattung jener ästhetischen Trugschlüsse, denen wir im weiteren Verlauf unserer Betrachtung noch mehrmals begegnen werden. „Viel hilft viel,“ meint das Volk auch beim Anwenden medizinischer Heilmittel. Aber just das Gegenteil ist der Fall. Wenn die „Schlankheit“ den Eindruck hervorruft, als existiere sie nur auf Kosten der inneren Organe, oder als sei sie nur durch gewaltsame Erpressung künstlich hergestellt, dann wirkt sie auf jeden gesund fühlenden Mann abstoßend. Dabei ist die Wespentaille nicht einmal ein besonderer Vorzug unserer Civilisation, wie sich die straffgeschnürten Salondamen dies wohl einreden möchten. Ganz rohe Völkerschaften – z. B. die Urbewohner von Java – schätzen die ans Unschöne streifende Schlankheit ebenso eifrig. Ein javanischer Minnegesang, den uns die Schriftstellerin Talvj verdeutscht hat, feiert wenigstens echt europäisch die Taille, die so dünn ist, als müsse sie jeden Augenblick abbrechen.

Dieselbe mißverständliche Uebertreibung erstreckt sich auch auf die Füße. Der Fuß des weiblichen Modeideals bleibt an Größe und Umfang erheblich hinter dem Fuß des wirklichen Schönheitsideals zurück, die Kleinheit wird ins Unschöne übertrieben – eine Erscheinung, die gleichfalls ihr Gegenbild im asiatischen Osten, bei den halbcivilisierten Chinesen, findet, wo der weibliche Fuß künstlich in seiner Entwicklung gehemmt und geradezu in barbarischer Weise verunstaltet wird.

Die Entstehungsgeschichte des europäischen Kleinheitsideals deutet uns Riehl in seinem vortrefflichen Werk „Die Familie“ an. Er schreibt:

„Während bei dem gemeinen Volke das Weib die reichliche Hälfte von der harten körperlichen Arbeit des Mannes auf seine Schultern nimmt, wird bei den sogenannten feinen Leuten die einfachste Kraftäußerung und Leibesübung für unweiblich angesehen. Eine Dame, die auch nur einen ehrlichen Tagemarsch rüstig zu Fuß machen kann, gilt für ein Mannweib. Schon bei den höfischen Frauen des Mittelalters gehörte es zu den ersten Erfordernissen des Anstandes, möglichst langsam und mit ganz kleinen Schrittchen zu gehen, wodurch man bekunden wollte, daß nicht etwa eine geschäftliche Nötigung, sondern lediglich die freie Laune eine Dame von Welt zu dem plebejischen Akte des Gehens treiben dürfe. Hiermit hängt es zusammen, daß nun das lange bis auf die Füße herabfallende Hof- und Paradekleid, das jede freie und rasche Bewegung hemmt, allmählich auch das Werktagskleid der vornehmen Dame und dann leider auch der Bürgersfrau wurde.“

Dem langsamen, gleichsam nur trippelnden Gang dieser übervornehmen und überzarten Geschöpfe entsprechen dann auch die Gehwerkzeuge: das Scheinideal ist gefunden, und „Füße so klein und nach dem Reihen hinauf so widernatürlich zusammengedrückt, daß ein ordentlicher Körper kaum darauf stehen, geschweige denn gehen kann, gelten für eine Hauptschönheit des Weibes. Aphrodite zeigt uns auf den Bildsäulen der Griechen und Römer noch so kräftig ausgebildete und gut proportionierte Füße, daß eine moderne Dame sich ihrer schämen würde.“

Nicht ganz so tollkühn wie bezüglich des Fußes übertreibt das Modeideal bezüglich der Hand. Immerhin giebt es Damen genug, die es für ganz besonders schön halten, bei sonst normalen Körperverhältnissen eine Kinderhand zu besitzen. Auch die Kleinheit des Mundes wird vielfach über die Grenze der wirklichen Schönheit hinaus als ein Vorzug gepriesen, weil ein auffallend großer Mund in der That häßlich ist. Der große Mund kennzeichnet unter gewissen Verhältnissen das Uebergewicht des Sinnlichen über das Geistige; er kann sogar Brutalität verraten. Hieraus folgt jedoch keineswegs, daß die winzigen Mäulchen moderner Romanheldinnen dem echten Schönheitsideal näher kommen; denn so ein Miniaturmund, der sich mit einem Pfennigstückchen verdecken läßt – („mit ’me Kreizer“, sagte man früher in Süddeutschland) – flößt dem gesunden Instinkte nicht nur Bedenken ein im Punkte der Ernährungsfrage, er deutet auch seelische Züge an, die nicht gefallen können: Schwäche, Geziertheit, wenn nicht gar Heuchelei.

Das Modeideal übertreibt vorwiegend in der Richtung der Kleinheit. Doch findet sich auch der entgegengesetzte Fall. So z. B. werden die Augen nicht nur von der irregeleiteten Phantasie der Frauen selbst, sondern auch von gewissen modernen Künstlern bis zu einer geradezu krankhaften Größe emporidealisiert. So unbestreitbar es ist, daß Augen, die unter dem Mittelmaße zurückbleiben, dem echten Schönheitsideal stark widersprechen, so klar ist es anderseits, daß jedes Zuviel ganz den nämlichen Widerspruch im Gefolge hat, wenn auch der Eindruck an sich ein wesentlich anderer ist.

Mit den zuerst hier erwähnten Irrtümern hängen gewisse Erscheinungen der europäischen Frauentracht aufs engste zusammen; denn die Kleidermode hat das Bestreben, die vermeintlichen Vorzüge des Scheinideals möglichst zur Geltung zu bringen.

Die irrtümliche Schätzung der Wespentaille hat den Schnürleib hervorgebracht; die irrtümliche Schätzung des Liliputfußes die Stöckelschuhe.

In solchen Zeitläuften, wo man die unverkünstelte, echte Normalgestalt schöner fand als die Wespentaille, war auch die Kleidung freier und lockerer. So im ganzen hellenischen und lateinischen Altertum, so bei den Urgermanen bis in die christliche Aera hinein, so nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges, der die Steifheit der spanischen Frauentracht aus Deutschland hinwegfegte und eine Kleidung in Schwang setzte, wie sie seit langen Jahrhunderten kaum naturgemäßer und zweckentsprechender üblich gewesen war.

Aber es scheint, daß sich die europäische Frauenwelt ohne die Ausschreitungen des falschen Ideals auf die Dauer nicht wohl fühlt. Nach kurzer Frist begann schon der Rückschlag, bis dann im 18. Jahrhundert die Rokokotracht den Gipfel der Widernatürlichkeit und somit der Unschönheit bezeichnet. Seit dieser schauderhaften Epoche hat nur die Mode der sechziger Jahre unsres Jahrhunderts mit ihrer unglaublichen Krinoline ähnliche Mißgestalten zuwege gebracht, während die edle, kleidsame, der Antike sich nähernde Prinzeßrobe zu Anfang der achtziger Jahre vorübergehend den Eindruck erweckte, als ob das wirkliche Schönheitsideal sich anschicke, das Scheinideal aus dem Felde zu schlagen.

Wie man in Mitteleuropa die Schlankheit durch Uebertreibung verdorben hat und bei der unschönen Wespentaille und ihren Trachtfolgen angelangt ist, so übertreibt das Modeideal anderer Nationen die Fülle. „Recht quammig, quappig“ – so heißt es bei Goethe von dem Modeideal der Türken. Vollblühende Formen sind schön, weil sie zweckmäßig sind. Im Orient, wo der normale Frauentypus mehr als in Mitteleuropa zur Fülle neigt, wird nun die Vorliebe für diesen Zug bis zur Verherrlichung des Unschönen gesteigert. Ja, kürzlich war in den Zeitungen von dem sonderbaren Geschmack eines Negerfürsten zu lesen, der die Frauen seines Serails geradezu „nudeln“ läßt, um Ergebnisse zu zeitigen, die man in Deutschland höchstens bei Straßburger Gänsen angenehm findet.

Ganz der nämliche Unterschied des Modeideals bezüglich der Korpulenz trennte im 16. und 17. Jahrhundert die Italienerin von der Spanierin. Montaigne bereits tadelt das Streben der Italienerin, möglichst „stark“ zu erscheinen, späterhin spielt dann das „blühende Fett“ eine bedeutsame Rolle. Die Spanierinnen dagegen liebten äußerste Magerkeit. Um das Modeideal künstlich heranzuzüchten, hintertrieb man die naturgemäße Entwicklung des Körpers von Jugend auf, preßte den Brustkasten der halbwüchsigen Mädchen in schwere bleierne Platten ein und vermied jede fettbildende Nahrung. Die Gräfin d’Aulnoy versichert, der Anblick einer Spanierin jener Zeit sei geradezu scheußlich gewesen: Kanten, Ecken und Höhlen statt der natürlichen Rundungen, Präparate für das Studium der Knochenlehre!

Diese Verirrung steht offenbar nicht höher als die künstliche Ohrlappenverlängerung gewisser Australneger oder die schnöde Schwarzfärbung, die man dem von Natur so schönen Gebiß der malayischen Mädchen zufügt.

Weiter oben bereits wurde bemerkt, daß jede Rasse naturgemäß ihr eigenes weibliches Schönheitsideal besitzt, daher denn der Kongoneger, der Ostasiate, der Eskimo etc. sich im Punkte der Schönheitsanschauung just so weit von dem Kaukasier entfernen wie im Punkte des Rassentypus. Angesichts dieser selbstverständlichen Thatsache bleibt es merkwürdig, daß unser germanisches Schönheitsideal das Vorrecht zu haben scheint, als das Schönheitsideal im höchsten Sinne auch von solchen Völkern betrachtet zu werden, die uns zwar nahe verwandt sind, aber doch in gewissen Einzelheiten des Typus nicht ganz unwesentlich von uns abweichen.

[239] Das weibliche Schönheitsideal der Germanen ist allbekannt. Schlank, blauäugig und blond, von lichtrosiger Hautfarbe, sanft, lieblich und stark zugleich, weder verzärtelt noch heroinenhaft, mehr Chriemhild und Gudrun als Brunhild: so steht das Urbild des deutschen Mädchens – trotz all der vielen dunkeläugigen Schönen, die unserm Vaterland zur Zier gereichen – uns allen rein und klar im Bewußtsein. Dieses Schönheitsideal findet jedoch seine Verehrer nicht nur in germanischen Landen, sondern fast ebenso sehr bei den Romanen, vorab in Italien, wo es dem Typus der schwarzhaarigen, dunkeläugigen Südländerin von vielen als das „noch idealere“ gegenübergestellt wird.

Man lese zum Beispiel den nachstehenden Abschnitt aus dem „Blonden Knaben“ („Fanciullo biondo“) der sehr beliebten italienischen Dichterin Mathilde Serao:

„Alle Verkörperungen der Anmut und Güte stellen wir uns notwendig blond vor. Venus, die Göttin der Schönheit, ist blond, Maria, die Jungfrau, ist blond; und wenn sich die Schlange in Eva verliebte, so muß auch Eva eine Blondine gewesen sein. Apollo, der erste Poet, hatte goldblondes Gelock; die kleinen Engel, der kleine Jesusknabe sind gleichfalls blond. Ary Scheffer, wenn er sein blondes Gretchen malt, gefällt uns darum so gut, weil er den Traum zahlreicher Künstler wiedergiebt. Seit Jahrhunderten sind die Poeten und Künstler in die Blondinen vernarrt, denn die Blondheit bedeutet die Freude, das Leben, die ewige Jugend!“

Im klassischen Altertum war die Blondschwärmerei der Nichtgermanen vielleicht noch ausgeprägter. Hätten die römischen Männer dies „leuchtende Gold“ nicht herrlich gefunden, so würden die römischen Damen der Kaiserzeit ihre Haare nicht künstlich gefärbt und nicht blonde Perücken sich aufgesetzt haben. Das Haar der Germaninnen war ja bekanntlich in Rom ein Handelsartikel ersten Ranges. Die erste begeisterte Schilderung des germanischen Schönheitsideals findet sich denn auch in den Werken eines lateinischen Dichters, bei dem verliebten Ausonius. Die entzückende Allemannin Vissula, die unter dem Kaiser Valentinian I. gefangen und dem Ausonius geschenkt wurde, ist in jedem Zug ihres Wesens das holdselige, süße germanische Blondchen, die Anmut und Weiblichkeit selbst, ohne den leisesten Anflug jenes Brunhildentums, in welchem das heroische Element das eigentlich weibliche zurückdrängt. Diese Barbarin – sagt der Poet – übertrifft all die verzärtelten und verschniegelten römischen Puppen zehntausendmal an Wonnigkeit und Natürlichkeit! Ach, und ihr bezauberndes Blondhaar! Und die himmlischen blauen Augen! Und ihre unvergleichliche Gesichtsfarbe! Er singt wörtlich wie folgt:

„Vissula, die nicht in Wachs nachahmbar oder in Farben,
Schmückte mit Reizen Natur, wie nimmer der Kunst sie gelingen.
Ja, mit Mennig und Weiß malt Bilder euch anderer Mädchen!
Doch dies Farbengemisch des Gesichts – nicht malen es Hände!
Mische doch, Maler, wohlan, die Ros’ und die schneeige Lilie,
Und was dann du erhältst, das nimm zu Vissulas Antlitz!“

Die schneeige, mit Rosenglut überhauchte Gesichtsfarbe ist überhaupt ein wesentlicher Zug im germanischen Schönheitsideal – weit wesentlicher als die lichtblaue Färbung des Augapfels und die ausgesprochen helle Farbe des Haars. Wiederholt findet man den überschwenglichen Ausdruck – zuletzt wohl bei den Schilderungen, die man uns von der lieblichen Philippine Welser entworfen hat –, der Teint sei so blumenhaft zart gewesen, daß man durch die lichtweiße Haut den roten Wein habe hinabgleiten sehen. Frau von Staël in ihrem berühmten Buch über Deutschland rühmt an den deutschen Frauen vor allem dreierlei: den süßen Klang ihrer Stimme, das blonde Haar und die schneeige Farbe der Haut.

Und wie dieses weibliche Schönheitsideal des Germanentums auch den Italienern der Gegenwart zur Verkörperung der höchsten Anmut und Weiblichkeit passend erscheint, so hat es überraschenderweise sogar Modell gesessen für das erste ausführliche Bildnis, das uns die frommgläubige Phantasie der Kirchenväter von der Mutter des Heilands entwirft.

„Maria“ – so heißt es im 4. Jahrhundert unserer Zeitrechnung bei dem Bischof Epiphanius, der noch dazu von orientalischer Herkunft war und demgemäß dem Typus der orientalischen Frau näher stand – „Maria war das schönste weibliche Wesen, durchaus edel gestaltet und weder zu kurz noch zu lang. Ihr Leib war weiß und rosig und ohne Makel; ihr Haar lang, weich und goldfarben. Unter der wohlgebildeten Stirn leuchteten ihre mäßig großen Augen hervor, mit einem Lichte wie das des Saphirs. Das Weiße aber darin war milchfarben und glänzend wie Glas. Die gerade und regelrecht gestaltete Nase sowie der Mund mit den schön geschnittenen rosenfarbenen Lippen waren gar lieblich anzusehen. Die prächtig gereihten Zähne besiegten an Reinheit den Schnee. Jedes ihrer Wänglein glich einer Lilie, auf welcher ein Rosenblatt liegt. Ihr schön gerundetes Kinn trug ein Grübchen. Die Kehle war weiß und schlank, der Hals blank und von rechter Länge. Die weißen Hände zeigten gar lange und schmale Finger mit wohlgebildeten Nägeln. Schön war ihr Gang, anmutig ihr Mienenspiel, züchtig und jungfräulich all ihr Gebaren.“

Wir sehen also: der ehrwürdige Kirchenvater empfand genau so wie Mathilde Serao, wie hundert andere italienische Dichter, wie Raffael Sanzio, als er uns in seiner „Madonna del Granduca“ die blondeste aller Blonden schuf; wie die gesamte nord- und südländische Malerei, die ihren Muttergottesbildern fast durchweg das germanische Schönheitsideal zu Grunde legt.

Dem blondrosigen Typus, den uns der Kirchenvater Epiphanius von der „Königin aller Frauen“ gezeichnet hat, sei hier die Schilderung einer weltlichen Schönheit aus dem dreizehnten Jahrhundert gegenübergestellt. Dieselbe findet sich bei dem höfischen Sänger Dietrich von Glaz, in dem „Gürtel“-Gedicht. Die Verse lauten neuhochdeutsch unter Beibehaltung der rhythmischen Eigentümlichkeiten der Urschrift wie folgt:

„Man sah wohl nie ein schönres Weib!
Weh! wie stolz war ihr Leib –
Ihr Haupt mit seinem goldnen Haar!
Der Wänglein Farbe rosig war
Und lilienweiß darunter.
Ihr wohlgeschaffnes Nasenbein
War nicht zu groß und nicht zu klein.
Ihr Mund erstrahlte rosenrot:
Wie selig, wem er Küsse bot!
Ihr Kinn war weiß und ohne Fehle
Und zart und rein war ihre Kehle:
Dadurch sah man des Weines Schwank,
Wenn die edle Fraue trank.“

Im weiteren Verlauf dieser Schilderung – die zwar vom Standpunkt des Künstlers viel zu sehr ins Einzelne geht, für den Kulturhistoriker aber gerade mit Rücksicht auf unser Thema von großem Wert ist – rühmt der Poet die Zähne, die Zunge, die Achsel, die Hände, die Augen, die Arme. Dann schließt er mit den reizend naiven Versen:

„Ihre Güte war so süße,
Daß, wären ihre Füße
Gekommen in des Meeres Flut,
Das Meer, das wäre worden gut!“

Man sieht: ganz der nämliche Typus wie die Madonna des Kirchenvaters.

Neben dem blonden Schönheitsideal verherrlichten die Dichter des Mittelalters gelegentlich auch das brünette; im großen und ganzen aber behauptet die Blondheit ihr Uebergewicht bis in die Gegenwart. Dabei muß bemerkt werden, daß es Frauen mit schwarzem Haar und dunkelgefärbten Augäpfeln giebt, die gleichwohl vermöge der Lichtheit der Hautfarbe und der nicht näher bestimmbaren Blondheit des Wesens dem blonden Schönheitsideal näher stehen als dem brünetten. Das wesentliche Kennzeichen des letzteren ist ein dunkler, oft ins Olivenbraune vertiefter Ton der Haut und eine Gemütsart, die im Charakter der Spanierin am stärksten ausgeprägt ist. Starke Leidenschaftlichkeit des Empfindens denken wir Deutsche uns vorwiegend mit dem dunklen Schönheitstypus vereinigt. Auch scheint es, daß derselbe in manchen Zügen dem Wesen des Mannes verwandter ist; eben deshalb erscheint uns der blonde als der vorwiegend weibliche – womit natürlich durchaus nicht gesagt ist, daß es nicht blonde Frauen von heftigem, hartem, unsympathischem Temperament und dunkelbrünette Frauen von zartester und beglückendster Weiblichkeit geben könne.

Wir brechen hier ab, in dem Bewußtsein, unser Thema nur ganz flüchtig skizziert, bedeutsame Punkte unerörtert gelassen, Merkwürdigkeiten von großer kulturgeschichtlicher Bedeutung gerade nur eben gestreift zu haben. Unsere Studie wird trotz dieser Unvollständigkeit ihren Zweck erreichen, wenn sie den Leser zu eignem Nachdenken über das Rätsel der Schönheit angeregt hat.


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Blätter und Blüten.



Ländliche Osterbräuche in deutschen Landen. (Zu den Bildern S. 221 und S. 233.) Nur in Weltwinkeln, die der fortstürmende Zeitgeist etwas seitab liegen läßt, erhalten sich heutzutage noch altertümliche Volksbräuche mit Vorliebe. Wo moderne Interessen, wo die Eisenbahnhast des Jahrhunderts das Volk ganz, in Anspruch nehmen, da verschwinden jene Gebräuche mehr und mehr. Man hat keine Zeit mehr für sie, auch nicht mehr die beschauliche gläubige Weltanschauung, die für sie Lebenslust ist. Einige von ihnen, seltsames Gemisch von Christentum und uraltem Heidenbrauch, kann man heute noch in reinen Ackerbaugegenden finden, wo bäuerliche wohlhabende Bevölkerung seßhaft ist; abseits der großen Verkehrsströmungen: abseits der Städte mit ihrem drängenden industriellen Leben. Ein solcher Landstrich ist das gesegnete Niederbayern mit seinen reichen Getreidefluren und dunklen Waldungen. Da haben sich noch, wie in den benachbarten bayerischen Provinzen, für jeden Hauptabschnitt des Bauernkalenderjahrs solche Bräuche erhalten. Besonders die Osterzeit, die auf dem Lande noch ganz anders wie in den Städten den Charakter des Anfangs von einem neuen hoffnungsfreudigen Jahresabschnitt trägt, ist reich an solchem alten Herkommen. Unsere Bildertafel auf S. 233 hat dasselbe zum Gegenstand. Vor allem ist da des Weihens von Holz am Karsamstag zu gedenken. Aus dem in der Dorfkirche durch den Pfarrer gesegneten Holze werden Kreuzchen geschnitzt, die von der bäuerlichen Familie nebst einer Handvoll Getreide in den Acker gesteckt werden zum Schutze gegen schadenbringende Unwetter. Mit den Kreuzchen werden auch kleine Ruten von blühenden Weidenzweigen – Palmweiden – in den Acker gepflanzt; auch sie wurden vorher in der Kirche geweiht. Der Stiel, an welchem diese Weidenzweige mit ihren sammetweichen grauen Blütenkätzchen angebunden werden, soll eigentlich ein Haselstab sein, weil in die Hasel – wie die Legende sagt – kein Blitzstrahl schlägt, seit einst ein Haselstrauch der Mutter Gottes Schutz gegen ein Unwetter lieh. Aber nicht bloß Holz und Weidenruten werden zur Osterzeit in der Kirche geweiht, auch Brot und Salz, Kalbsbraten, Eier und Schinken. Während geweihte Brezeln von den wohlhabenden Bäuerinnen an die Dorfkinder verschenkt werden, dienen die rotgefärbten Eier als Gastgeschenk der Mädchen an die Burschen, die für ein Plauderstündchen ans Fenster kommen; auch geben diese Eier Anlaß zu mancherlei Spielen zwischen halb und ganz erwachsener Jugend. Einem interessanteren Osterbrauche hat die Zeit, vielleicht auch die fürsorgliche Polizei, ein Ende gemacht: dem „Judasbrennen“, wobei eine Strohfigur – der Judas oder Ostermann – feierlich auf einem Scheiterhaufen verbrannt ward. Es mögen hierbei seitens der faustfrohen niederbayerischen Jünglingswelt wohl manchmal Kraftäußerungen vorgekommen sein, die das Verschwinden dieses Brauches nicht als beklagenswert erscheinen lassen.

Von derberem Humor ist auch der Osterbrauch, den unser Bild auf S. 221 veranschaulicht. Derselbe ist noch heute in Ostpreußen auf dem Lande heimisch. Am Ostermorgen lauern die Knechte den Mägden auf, bevor diese über den Hof zur Arbeit schreiten. In den Händen halten sie Eimer und Waschgefäße, die sie am Ziehbrunnen mit Wasser gefüllt haben. Die Mägde wissen, was ihnen bevorsteht; sie schleichen leise die Treppe hinab und stürzen dann in eiligem Lauf über den Platz zum Stall, wo ihr Tagesgeschäft mit dem Melken der Kühe beginnt. Aber die Eile nützt ihnen nichts. Die ihnen längst auflauernden Burschen brechen hervor und schütten mit sicherem Schwung den kühlen Inhalt ihrer Eimer und Schüsseln auf eines der davonspringenden Mädchen aus. Keine entgeht der Taufe. Auch die letzten, die sich zurückhielten, um abzuwarten, bis die Gefahr vorüber sei, bekommen ihr Teil. Aber die gute Laune wird den frischen Dirnen durch die vom Herkommen geheiligte Neckerei nicht verdorben. Im Gegenteil – für mehr als eine ist es Herzenssache, recht tüchtig durchnäßt zu werden. Denn welche von ihnen der ihr zugedachte Wasserguß gehörig getroffen hat, die bekommt – so geht der Glaube – noch im selben Jahr einen Mann!

Frühlingsfeier im Tempel der Flora. (Zu dem Bilde S. 224 und 225.) Die römische Göttin Flora, schon früher von den Sabinern und im innern Italien viel verehrt, war die Göttin der Blumen und des Frühlings als der Zeit des ersten Erblühens. Der Dichter Ovid sagt von ihr, daß sie überall thätig sei, wo immer etwas blüht, auf dem Acker, im Weinberge, in der Olivenpflanzung und im Baumgarten, auch in der Blume des Weines, wenn er sich im Fasse regt, sowie im Honig, dem feinsten Stoffe der Blumen, endlich in der Blüte der Jugend und eines fröhlichen Lebensgenusses. In Rom gab es zwei Tempel der Flora, von denen der eine, vermutlich sabinischen Ursprungs, auf dem Quirinal lag, der andere, welcher mit den Spielen der Flora entstand, in der Nähe des Cerestempels am Cirkus Maximus. Schon in alten Zeiten feierte man die Göttin und opferte ihr sowohl auf dem Lande als in der Stadt gegen Ende April, zur Zeit, wo das Korn in der Blüte stand und der Kornbrand zu fürchten war. Später, nach dem ersten punischen Kriege, begannen die Spiele der Flora, welche zur Kaiserzeit ein pomphaftes und großartiges Gepräge annahmen. Auch ausgelassen ging es dabei zu, denn Flora war eine heitere Göttin.

Das Bild von A. de Reina-Manescau führt uns in einen Floratempel am Festtage der Göttin, wo römische Frauen und Jungfrauen das Bild derselben wie die Tempelhallen mit dem reichsten Blüten und Blattschmuck, hauptsächlich mit Rosen, zieren. Der ganze Tempel verwandelt sich in einen Garten – Sträuße und Guirlanden, wohin man blickt. Eine kundige Meisterin des Liedes trägt die Lyra in der Hand, denn auch der Gesang darf nicht fehlen in diesen Tagen der Freude, in denen die Frauen ihre einfarbigen Gewänder mit reichen bunten vertauschen. Von der Bildsäule der Göttin selbst auf ihrem mit Reliefs geschmückten Piedestal sehen wir nur einen Teil; aber wir wissen, daß die Künstler die Flora nach griechischem Vorbild als jugendschöne blumengeschmückte Frühlingsgöttin darzustellen pflegten. †     

In ernster Zeit. (Zu unserer Kunstbeilage.) Ein Stimmungsbild aus dem Beginn der Freiheitskriege giebt uns der Künstler mit dieser stillen Abendscene. Ueber den Rasenplatz her, der so oft die fröhlichen Spiele der Jugend aus dem Gutsherrn- und dem Pfarrershause mit angesehen hat, kommt der älteste Sohn des Pastors, der zum „Lützower“ umgewandelte Student, welcher morgen zum Sammelplatz eilen wird, um dem Ruf seines Königs zu folgen. Und dort an der Parkmauer erwartet ihn des Gutsherrn schlankes Töchterlein im kurzen Kleid, dessen Sinn bisher leicht war wie ihr hüpfender Gang, das den Jugendgespielen mit tausend übermütigen Neckereien quälte – und das nun plötzlich, von dem Weh des Abschieds berührt, zur Jungfrau verwandelt vor ihm steht. Der sonst so lachlustige Mund ist fest geschlossen, die Augen haben keinen Blick der Schelmerei mehr, sie sind unverwandt auf die dunkle Rose gerichtet, um zu verbergen, daß es feucht zwischen den Lidern schimmert. Und er? … Er ist ein braver Junge: mit keinem Wort will er den Frieden dieser unberührten Seele trüben, kein Versprechen verlangen, das ihre Treue vielleicht bald an einen Toten bände. Es sind nur kurze, karge Worte, die zwischen ihnen gewechselt werden, aber die beiden wissen, was für ein Sinn darin liegt, und daß diese Abschiedsstunde ihre Herzen fest vereinigt hat. Was wird die Zukunft bringen? Eine glückliche Heimkehr oder den Heldentod fürs Vaterland? … Daß auch dieser dem Jüngling kein zu hoher Preis für die Befreiung des Vaterlandes dünkt, das zeigen seine männlich ernsten Züge und der entschlossene Blick des Auges.


Inhalt: Haus Beetzen. Roman von W. Heimburg. S. 221. – Ostermorgen auf dem Lande in Ostpreußen. Bild. S. 221. – Frühlingsfeier im Tempel der Flora. Bild. S. 224 und 225. – Unter den kalifornischen Riesenbäumen. Von Theodor Kirchhoff. S. 227. Mit Abbildungen S. 228, 229 und 231. – Echt. Erzählung von R. Artaria (6. Fortsetzung). S. 232. – Osterbräuche in Niederbayern. Bild. S. 233. – Das weiblich Schönheitsideal. Von Ernst Eckstein. S. 236. – Vor dem Feste. Gedicht von A. Nicolai. Mit Umrahmung. S. 237. – Blätter und Blüten: Ländliche Osterbräuche in deutschen Landen. S. 240. (Zu den Bildern S. 221 und 233.) – Frühlingsfeier im Tempel der Flora. S. 240. (Zu dem Bilde S. 224 und 225.) – In ernster Zeit. S. 240. (Zu unserer Kunstbeilage.) – Osterhasen. Bild. S. 240.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage IV: „In ernster Zeit“. Von Adolf Hering.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.

  1. Obige Angaben und viele Einzelheiten in diesen Aufzeichnungen habe ich dem Herrn J. L. Sperry, dem Besitzer des „Mammoth Grove Hotels“, zu verdanken, einem gebildeten und durchaus zuverlässigen Manne, der seit 1853 in Calavéras County wohnt und der die Riesenbäume und die Geschichte der Gegend besser kennt als sonst jemand in Kalifornien. Auch das vortreffliche Werk „In the Heart of the Sierras“ von J. M. Hutchings habe ich bei dieser Arbeit benutzt.       D. Verf.