Zum Inhalt springen

Die Oehlersche Fabrik in Crimmitzschau

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Diverse
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Oehlersche Fabrik in Crimmitzschau
Untertitel:
aus: Album der Sächsischen Industrie Band 1, in: Album der Sächsischen Industrie. Band 1, Seite 119–121
Herausgeber: Louis Oeser
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Louis Oeser
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Neusalza
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]

Die Oehler’sche Fabrik in Crimmitschau in Benutzung von Heinrich Hüffer in Neukirchen.

[119]
Die Oehlersche Fabrik in Crimmitzschau.
(Mit Abbildung.)


Wir kommen jetzt zu einem Ort, der unter den Fabrikstädten Sachsens einen vorzüglichen Rang einnimmt und denselben auf das Würdigste behauptet, nach Crimmitzschau. Diese Stadt ist in einem freundlichen Thal, größtentheils an den Ufern der Pleiße, theils an der sächsisch-bairischen Eisenbahn gelegen und auf der östlichen und westlichen Seite von mäßig hohen Bergen umgeben. Der Reisende staunt bei dem Herannahen an die verhältnißmäßig nicht eben groß zu nennende Stadt über den wahren Wald von Dampfessen, welcher sich oft dicht zusammengedrängt auf allen Stellen erhebt, sowohl mitten in der Stadt, wie um die Stadt, so daß der ganze Platz fast den Anblick gewährt, als sei er eine einzige große Fabrik. In der That hat auch Crimmitzschau bei einer drei Mal geringeren Häuserzahl (545) und vier Mal weniger Einwohnern (8322) als Chemnitz doch mehr Dampfmaschinen im Gange als jener Hauptpunkt der sächsischen Industrie.

Diesen großartigen Aufschwung nahm die Industrie Crimmitzschaus erst seit ohngefähr fünfzig Jahren; vorzüglich in den letzten zwanzig Jahren machte sie gewaltige Fortschritte, und erwarb sich mit jedem Jahre mehr Anerkennung ihres Strebens.

In früheren Zeiten war Crimmitzschau in Hinsicht auf Gewerbe ein ganz unbedeutender Ort, die Einwohner beschäftigten sich mit Ackerbau oder der Bierbrauerei, welche Letztere eine lange Zeit nicht nur im guten Ruf stand, sondern sogar berühmt war; Crimmitzschauer Bier wurde nach allen Richtungen und zum Theil nach sehr entfernten Orten versendet, so z. B. nach Erfurt. Blos wegen der Bierbrauerei wurde in der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts (1642) eine Holzflöße auf der Pleiße angelegt, welche gegen achtzig Jahr im Gange war, dann aber, bei dem Sinken der Brauerei gänzlich einging.

Die Tuchmacherei begann hier frühzeitig und namentlich suchte ein Herr Federangel, welcher um das Jahr 1474 Besitzer von Crimmitzschau war, dieselbe zu heben, indem er eine Tuchmacherinnung einrichtete, welche dann ihre Tuche, zuerst in ganz Sachsen, beschauen und mit einem bleiernen Zeichen stempeln ließ. Doch wollte dieses Gewerbe nicht recht gedeihen und während der stürmischen Zeiten des dreißigjährigen Krieges, wo Crimmitzschau Leiden aller Art erdulden mußte, bald von den Kaiserlichen, erst unter Holke und dann unter Salis, bald von den Schweden geplündert und von den Letzteren unter Banner sogar gänzlich niedergebrannt wurde, wo die Pest zwei Mal wüthete und den größten Theil der Einwohner hinwegraffte, sank es gänzlich und konnte sich nicht wieder erholen. Noch 1768 gab es nur acht Tuchmacher in Crimmitzschau.

Aber in dem genannten Jahre war längst schon der Grund zu dem späteren Aufblühen dieser für Sachsen jetzt so wichtigen Fabrikstadt gelegt. David Oehler war der Mann, welchem das Verdienst gebührt, erster Gründer der Industrie und des jetzigen Fabrikats Crimmitzschaus geworden zu sein. Er legte im Jahr 1748 eine Färberei und eine Fabrik an und bemühte sich nach Kräften, die Gewerbthätigkeit seines Wohnorts zu heben.

Noch mehr geschah dieses durch seinen Nachfolger David Friedrich Oehler, welcher sich mit einem zweiten strebsamen Manne Johann Christian Seyferth associirte, worauf die Fabrik eines um so glücklicheren Fortgangs sich erfreute und einen ausgebreiteten Ruf gewann. Oehler bestrebte sich, die Fabrik durch Anwendung der neuesten Verbesserungen und durch eigene Erfindungen zu vervollkommnen, [120] unter anderen erfand er den Berylldruck und gab dadurch die Veranlassung zur Gründung vieler Etablissements in Crimmitzschau. Seyferth sorgte auf andere Art für das Aufblühen der Industrie Crimmitzschau’s. Er machte mehrere Reisen durch die berühmtesten Fabrikorte Deutschlands und suchte dort Alles für seine Fabrik Nutzbare zu sammeln und dann in Anwendung zu bringen; er gewann ferner eine Menge geschickter Tuch- und Zeugmacher, Weber und Tuchbereiter aus allen Theilen Deutschlands für die Niederlassung in Crimmitzschau.

Im Jahre 1770 trennten sich die beiden Compagnons. Oehler, der in Anerkennung seiner großen Verdienste den Titel eines Kammerraths erhalten hatte, führte die Fabrik allein fort. Er riß zwei Häuser nieder und errichtete an deren Stelle ein anderes großes Gebäude, über welches er die Ober- und Erbgerichtsbarkeit erkaufte. Die Fabrik hob sich unter ihm und seinen Erben immer mehr, behauptete fortwährend ihren großen Ruf, wie auch die Zeitverhältnisse sich gestalteten und noch heute gehört die Oehlersche Handlung zu den vorzüglichsten Deutschlands.

Seyferth etablirte auf eigne Rechnung eine Handlung für Wolle, Baumwolle, Garn, Kattun, Musselin, Mützen u.s.w. und erwarb sich nicht minder großen Ruf; doch verschwand diese Firma späterhin.

Der Einfluß beider Männer auf den Gewerbfleiß und Wohlstand Crimmitzschau’s war sichtbar. – 1794 gab es hier schon 42 Tuchmachermeister mit 100 Knappen, 8 Tuchbereiter mit 28 Gesellen, 43 Zeugmachermeister mit 46 Gesellen, 18 Leinwebermeister u.s.w. Gewiß ein starker Aufschwung in der Zeit von fünfundzwanzig Jahren, wo – wie schon erwähnt – nur 8 Tuchmacher sich hier befanden.

Noch ein anderer Industriezweig Crimmitzschau’s erwarb sich um jene Zeit großen Ruf. Es befanden sich 4 Nadlermeister hier, welche den damals berühmten englischen Knöpfen vollkommen gleichstehende, wo nicht hin und wieder sie übertreffende Waaren lieferten, und so ausgebreiteten Absatz hatten, daß sie oft die starke Nachfrage nicht befriedigen konnten. – Es ist dieses in sofern von großem Interesse, als die Deutschen dadurch schon den überzeugenden Beweis erhielten, daß bei ernstem Wollen die deutsche Industrie sehr wohl fähig sei, mit der englischen, für unbesiegbar gehaltenen in die Schranken zu treten.

Von Jahr zu Jahr hob sich die Gewerbthätigkeit der Stadt. 1832 bestanden hier 5 Streichgarnspinnereien mit 169 Arbeitern und 5800 Feinspindeln, welche sich 1852 auf 20 Spinnereien mit 15,840 Spindeln vermehrt hatten; gegenwärtig sind sie noch zahlreicher und mehrere neue im Bau begriffen. Die Zahl der Tuchmachermeister war 1852 auf 303 gestiegen und die der Zeuchmachermeister auf 208.

Crimmitzschau liefert gegenwärtig hauptsächlich wollene und halbwollene Waaren, zum Theil mit Seide gemischt, als Bukskins, Cords, Cassinets, Cachimirette, Winter- und Sommersatins, Elastiques, Mäntelstoffe, Paletotstoffe u.s.w. Auch befinden sich einige Maschinenfabriken hier.

Die älteste aller hier bestehenden Fabriken ist die des Herrn Oehler, welche in der Stadt selbst, an dem Ufer der Pleiße liegt und deren Geschichte bereits in dem Vorstehenden mit inbegriffen ist.

Die Fabrik ist gegenwärtig im Besitz des Urenkels des Gründers, Herrn Louis Oehler, welcher unter der Firma Gebrüder Oehler hier ein Wollen- und Fabrikgeschäft betreibt, während die Fabrik selbst von Herrn Heinrich Hüffer in Neukirchen erpachtet ist.

Es gehört übrigens gewiß zu den selteneren Fällen, daß ein Etablissement seit einhundertundzehn Jahren im Besitz einer Familie blieb und – wie es hier der Fall – fortwährend seinen alten Ruf behauptete.

Der umfangreiche Gebäudecomplex dieses Etablissements besteht aus

einem Vordergebäude mit Preßstube, Comptoir, Niederlagen und Wollboden der Gebrüder Oehler und Wohnungen des Fabrikdirektors und des Werkmeisters des Herrn Heinrich Hüffer;
drei zusammenhängenden Gebäuden für Spinnerei und Vorrathsräume, worin das zum Fabrikbetrieb vorhandene Wasserrad, wie auch die ganz neue Dampfmaschine befindlich;

[121]

ebenso sind hier auch die Dampffärberei nebst Küpen für Baumwolle, Wolle und Garne, ferner die Maschinenwäscherei, und die Hydroextracteure zum Ausspritzen der Wolle und Garne. Daran sind gebaut
zwei Kesselhäuser mit Dampfkesseln von circa fünfzig Pferdekraft, zum Betrieb der Dampfmaschinen und Dampffärberei;
drei Nebengebäude mit Niederlagen, Lagerräumen und dem Comptoir von Herrn Heinrich Hüffer;
ein Wolflokal und Trockenhaus;
ein Gebäude für Gasbereitung;
ein Spritzenhaus und endlich
einige Wirthschaftsgebäude.

An der Fabrik befindet sich ein zu derselben gehöriger Garten.

Als Branchen umfaßt das Etablissement

die Vigogne-Streichgarnspinnerei und Dampffärberei von Heinrich Hüffer und
das Woll- und Fabrikgeschäft der Gebrüder Oehler.

Haupterzeugnisse sind Vigognegarne und verschiedene Wollwaaren-Fabrikate, deren Absatz sich außer auf Deutschland auch auf mehrere andere europäische Länder erstreckt.

An Maschinen besitzt das Etablissement

ein Wasserrad von zehn Pferdekraft und
zwei Dampfmaschinen mit drei Dampfkesseln, zusammen circa fünfzig Pferdekraft, welche zum Betrieb der Spinnerei, Dampffärberei, Maschinenwollwäscherei und der Hydroextracteure dienen.

Beschäftigung finden hier circa 150 Personen.

Das Etablissement wurde übrigens von den Herren Bernhard und Louis Hüffer für den jetzigen Zweck neu eingerichtet.