Ein großer Meister und sein größtes Werk
„Weß ist dies Grabmal?“ fragte der König.
„Es ist des heiligen Sebaldus,“ antwortete der Küster.
„Und wer ist dessen Meister?“
„Peter Vischer, der weiland ein Rothgießer allhie gewesen.“
„So ist dies Denkmal allein Peter Vischer’s, von dem die Welt wird noch reden, wenn sie den Sebaldus längst vergessen hat.“ Der aber dies begeistert ausrief, war Gustav Adolf, als er im Jahre 1632 bei Nürnberg dem Wallenstein gegenüberstand.
Es mag wohl bisweilen gefunden werden, daß der Künstler, der ein Denkmal fertigt, mehr werth ist, als Derjenige, welchen es feiert. Ob aber die ketzerische Majestät von Schweden nicht aus purem Vorurtheil gegen die Heiligen insgemein einen so harten Spruch that, müssen wir dem Urtheil der Leser anheimgeben.
Neben dem „Sacramentshäuschen“ von Adam Krafft und dem „Englischen Gruß“ von Veit Stoß, beide in der Lorenzerkirche, rühmt die Stadt, welche man für mittelalterliche Kunst das Schmuckkästchen Deutschlands nennen möchte und als die Mutterstadt deutscher Kunstgewerbe preisen muß, unser Nürnberg, sich keines mehr bewunderten Kunstwerks, als des Sebaldusgrabs von Peter Vischer und seinen Söhnen in der Kirche dieses Heiligen. Solche außerordentliche Verherrlichung, durch welche die Kunst denselben so hoch wie den Heiland und dessen Mutter erhöht, macht es uns zur Pflicht, nach Leben und Thaten dieses Schutzpatrons von Nürnberg uns bei der Legende zu erkundigen. Sie erzählt ungefähr Folgendes:
Es war einmal ein dänischer Königsprinz, der hieß Sebaldus und lebte zur Zeit des Frankenkönigs Pipin und seines großen Sohnes Karl als ein fleißiger und frommer Student in Paris, bis seine Eltern ihn heim entboten in ihr Land. Dort ermahnten sie ihn, nunmehr ein ehelich Gemahl zu nehmen. Gehorsam und in der Einfalt seiner Unschuld fragte er, welche Jungfrau er ehelichen solle. Während Alle darüber nachdachten, ließ eine Schwalbe ein schönes braunes Frauenhaar vor ihnen niederfallen, offenbar zum überirdischen Anzeichen, daß die Eigenthümerin dieses Haars die Erwählte sein solle. Es meldeten sich aber Tausende von Paris bis Dänemark, die das Haar das ihre nannten, und Sebaldus’ Wahl fiel endlich just auf „so eine aus Paris“, über die das ganze dänische Volk den Kopf wie ein Mann schüttelte und die königlichen Eltern in groß Jammern ausbrachen. Sebaldus bekehrte jedoch die Sünderin zu Treue und Frömmigkeit, und nachdem sie Beides ihm vielmals gelobt, feierte er die Hochzeit. Als aber der Abend kam, führte er die Braut in die Kammer und ging von dannen, weit fort, bis er in einen Wald kam, wo er nun als Einsiedler lebte. Dies trieb er fünfzehn Jahre lang. Endlich verließ er die Wildniß und pilgerte gen Rom, und hatte er schon in der Waldeinsamkeit sich im Wunderthun versucht, Krüppel durch Beten curirt und fromme Gäste seiner Einsiedelei durch einen Engel mit Wein und Brod tractiren lassen, so übte er, nachdem er des Papstes Segen sammt dem Auftrag empfangen, den Deutschen nördlich von der Donau das Evangelium zu predigen, seine wunderthätige Kraft nun in’s Große aus. Auf seiner Wanderung von Rom nach dem Norden machte er Blinde sehend, Lahme gehend, Taube hörend, Hungerige zehrend etc. Seine Gefährten waren die Heiligen Willibald und Wunibald. Als er mit diesen zur Donau kam, hatte der Eisgang die Brücke zertrümmert. Sebaldus aber breitete seine Kutte über dem Wasser aus, stellte sich darauf und wurde so über die wilden Fluthen getragen, während seine Genossen am Ufer ihm nachjammerten. Jenseits kehrte er in einer Bauernhütte ein, ließ Eisschollen im Ofen brennen und verschaffte den Leuten ihr verlorenes Ochsenpaar wieder, indem er dem Bauer ihren Aufenthaltsort angab und für seine Augen die finstere Nacht in hellen Tag verwandelte.
Sebaldus schritt dann fürbaß in’s fränkische Land hinein, bis er im Lorenzer Walde bei Nürnberg den Pilgerstab in den Boden steckte und seine Siedelei baute. Auch seine beiden Gefährten stellten sich bei ihm ein. Der Ruf seiner erstaunlichen Wunder zog bald viele Hülfsbedürftige, Fromme und Neugierige zu seiner Klause und auch gen Nürnberg ging er oft, wo er in hohen [503] Ehren stand. Noch im kräftigsten Leben fühlte er den Tod nahen und verfügte als seinen letzten Willen, daß man die Ochsen jenes Bauers an der Donau vor seinen Leichenwagen spannen und ihn dahin bestatten solle, wo das Gespann still stehe. So geschah’s. Die Ochsen liefen von freien Stücken aus ihrem Stall in die Siedelei des Sebaldus im Lorenzerwald, und als sie eingespannt waren, zogen sie den Wagen bis vor die St. Peterscapelle unweit der Burg von Nürnberg. In diesem unansehnlichen hölzernen Kirchlein hatte nun Sebaldus seine Ruhestätte bis ein Blitz dasselbe entzündete und das Feuer es verzehrte und man die noch gut erhaltenen Särge in das nahe Schottenkloster zu St. Aegidien brachte. Sämmtliche Todte waren offenbar damit einverstanden, denn sie schliefen ihren großen Schlaf ruhig weiter fort; nur Sebaldus bewies, daß er seinen ewigen Ruheplatz nicht vergeblich so genau bestimmt haben wollte. Schon während der ersten Nacht kehrte er dahin zurück, und dies geschah natürlich drei Mal, um das Wunder groß und stark genug zu machen, daß ein so stattliches Münster wie die Sebalduskirche darauf gebaut werden konnte. Dasselbe erhebt sich nun hoch und herrlich da, wo einst die Ochsen am Berge gestanden, und zu Ehren „des heiligen Peichtigers vn großen Nothhelfers, der ein sunderlicher loblicher Patron und Fürbitter ist der Stadt Nürembergk, allda er leibhaftig gar gnedilich rastet“ wie die „Historie“ seines Lebens sagt, die Albrecht Dürer mit einem Holzschnitt geziert hat.
Die Wunder waren da und die alten Nürnberger so stark im Glauben an dieselben, daß sie ihrer Verehrung für den von ihnen zu ihrem Schutzpatron erhöhten heiligen Mann Ausdruck gaben lange, ehe der Papst in Rom für viel Geld und gute Worte ihn durch eine Bulle im Jahre 1424 unter seine Heiligen versetzte. Hörte doch Sebaldus auch nach seinem Tode nicht auf, die herrlichsten Wunder zu verrichten. So kroch, wenn jährlich an seinem Gedächtnißtag in feierlicher Procession sein Sarg herumgetragen wurde, Keiner, der von Rückenweh oder anderen rheumatischen Uebeln geplagt war, darunter weg, ohne auf der andern Seite geheilt herauszukommen.
Für einen solchen Heiligen konnte man schon ein Uebriges thun, und Jedermann muß dem Herrn Sebald Schreyer, Kirchenmeister zu St. Sebald, Recht geben, daß demselben das Sacramentshäuschen Adam Krafft’s in der Lorenzerkirche keine Ruhe ließ, sondern daß er Alles aufbot und nicht rastete, bis seine Kirche ein gleich kunstvolles Werk aufzuweisen hatte. So entstand Peter Vischer’s Sebaldusgrab, und zwar in der langen Zeit von 1506 bis 1519.
Wer nicht die Freude erlebt hat, durch Nürnbergs Straßen zu wandeln und in seinen Kirchen und Kunstsammlungen zu weilen, wer also auch nicht selbst vor dem Sebaldusgrab gestanden, dem ist auch nicht mit einer Beschreibung desselben geholfen. Nur zum Verständniß des Modellbildes, welches unsere Illustration zeigt, stehe hier das Nothwendigste. Das Ganze thürmt sich in drei Absätzen auf: das Postament, auf welchem der silberne Sarg des Heiligen steht, die sich über demselben erhebende Säulenhalle und darüber das Kuppelgewölbe mit dem kleinen Christus als höchstem Schmuck. Die Höhe dieses Grabmals beträgt fünfzehn Fuß, die Länge acht Fuß sieben Zoll und die Breite vier Fuß acht Zoll, das Gewicht desselben hundertundzwanzig Centner vierzehn Pfund, die Kostenberechnung 2402 Gulden 6 Heller 10 Pfennige. Von den sechsundneunzig Figuren ist jede einzelne ein Meisterstück in Richtigkeit der Zeichnung, Schönheit der Erfindung und Reinheit des Gusses; am bekanntesten davon wurden durch Kupferstich- und Guß-Vervielfältigung die zwölf Apostel auf Postamentchen an den Pfeilern, welche das Kuppelgewölbe oder die Bekrönung tragen und die, nach dem Ausspruch eines Meisters, als Grundtypus von Apostelköpfen für alle Zeiten angesehen werden können, und die auf den Capitälern dieser Pfeiler stehenden Kirchenväter. In Nischen des Postaments ist auf der einen Schmalseite der heilige Sebaldus in ganzer Figur, auf der anderen die Porträtfigur Peter Vischer’s aufgestellt; die Langseiten sind geschmückt durch vier Darstellungen von Wundern des heiligen Sebaldus in erhabenen Figuren. Sie sind zu charakteristisch für die Glaubensfestigkeit und die Sitten jener Zeit, als daß wir sie unseren Lesern nicht mittheilen sollten. Auf der einen Seite rechts ist die Scene abgebildet, wo unser Heiliger, begleitet von seinem Schüler Dionysius, zuerst mit Wilibald und Wunibald zusammentrifft und diese vom Hungertode errettet, indem auf sein Gebet zu Gott ein Engel vom Himmel ihm ein Stück Brod für die Verschmachtenden bringt. Links davon ist zu sehen, wie der Heilige einem Frevler gegenüber, der ihn verspottet, den Herrgott um ein Zeichen bittet zur Bekräftigung seiner Lehre vor allem Volk. Und siehe da, die Erde öffnet sich und ist eben darüber, den Sünder zu verschlingen, als dieser sich eiligst bekehrt und den heiligen Sebaldus dadurch in den Stand setzt, ihn wieder zu erheben und zu retten. Die andere Seite stellt echt nürnbergische Erlebnisse des heiligen Sebaldus aus seiner Einsiedlerzeit dar. Dazumal pflegte er nämlich, so oft er gen Nürnberg ging, bei einem armen Wagner einzukehren. Einst, in strengem Winter, findet er die Stube kalt, weil kein Holz mehr vorhanden war. Da gebietet er der Frau des Wagners, die Eiszapfen vom Dache abzubrechen und ihm zu bringen. Das geschieht und der Heilige verwandelt das Eis durch sein Gebet in Holz, das gleich darauf lustig im Ofen brennt. Die letzte Nische zeigt uns abermals den armen Wagner. Der Heilige war zu ihm gekommen und hatte ihn gebeten, ihm Fische auf dem Markt einzukaufen, trotzdem es noch verbotene Zeit war, denn dazumal wurde Jeder, welcher Fische kaufte, ehe die Herrschaft auf der Burg ihre Einkäufe gemacht hatte, mit Blendung gestraft. Der fromme Wagner gehorchte seinem heiligen Gast mehr als der Obrigkeit und ward dafür von dieser geblendet. Sebaldus aber betete, und der Geblendete sah wieder wie zuvor. – Wenn einmal die alten Nürnberger sich Jemanden zum Schutzpatron wählten, so waren sie auch die Männer dazu, ihn mit den nöthigen Wundern zu versorgen.
Lassen wir uns indeß durch solche heilige Schnurrpfeifereien die Freude am Kunstwerk und am Künstler selbst nicht verderben. Wir merken wohl, Gustav Adolf hatte Recht, und es wird eine Zeit kommen, wo man solche ehrwürdige Bauwerke, wie die Sebalduskirche, mit dem Namen auch von der Erinnerung an den läppischen Ursprung befreit, wie man ja längst schon an dem Kunstwerk des Sebaldusgrabes Composition und Guß dieser Legendenbilder bewundert und den kindischen Inhalt nicht einmal mehr des Belächelns werth achtet.
Es wird aber Zeit, uns nach dem Künstler selber umzusehen, wissen wir doch, daß wir bei ihm einen gar ungewöhnlichen Haushalt treffen werden.
Früher mußte man bei St. Katharinen oder am Katharinengraben Vischer’s Haus suchen; später brauchte man nur nach der Peter-Vischersgasse zu fragen, da war es bezeichnet mit „L. Nr. 761“, und wer in den Hof desselben trat, konnte noch den ungeheuren Rauchfang sehen, der ohne Zweifel zur Gießhütte des Meisters gehört hatte.
Wer aber vor etwa vierthalbhundert Jahren in dieses Haus getreten wäre, der würde hier die zahlreichste Familie der Stadt auf dem engsten Raum zusammengedrängt gefunden haben. Wie ein Patriarch des alten Testamentes hatte er all’ die Seinen unter seinem Dache versammelt: seine fünf Söhne waren seine Arbeitsgesellen, andere hielt er nicht, und wenn auch nur einer derselben, Hermann, sich durch Kunstleistungen hervorthat, so standen die übrigen wenigstens mit der fleißigen treuen Hand dem Vater zur Seite. Alle fünf, Peter, Hermann, Hans, Paul und Jacob, waren aber auch verheirathet, ihre Frauen wohnten mit in des Vaters Haus und auch die Nachkommenschaft mußte dort Platz finden. Brüder und Schwägerinnen lebten in schönster Eintracht, die Verehrung vor dem Alten, dessen treues Weib gestorben war, hielt Alles zusammen, und Jedes arbeitete unter seiner Obhut und ihm zu Liebe eifrig für die gemeinsame Wirthschaft.
Ein solcher Haushalt setzt die höchste Einfachheit der Lebensbedürfnisse voraus, und auch darin scheint Peter Vischer ein Meister gewesen zu sein. Seine liebste Erholung nach schwerer Wochenarbeit war es Jahre lang, an jedem Sonn- und Feiertag Nachmittag mit seinen Jugendfreunden und gleichgestimmten Strebegenossen, dem großen und berühmten Bildhauer Adam Krafft und dem Kupferschmied Sebastian Lindenast, sich im Entwerfen neuer Zeichnungen zu üben. Jeder suchte da eine gemeinsame Aufgabe in seiner Weise zu lösen. „Man wird versucht zu sagen“ – bemerkt ein Biograph Vischer’s – „es gewähre diese Eintracht, diese Austauschung der Ideen, diese gemeinschaftliche Uebung der drei wackeren Männer unter einander einen höchst interessanten Zug aus dem ehemals reichsstädtischen Stillleben, das eben in seiner Abgeschlossenheit einen doppelten Reiz erhält. Kein Drängen [504] nach außen, das nur Zerstreuung sucht und derselben nachgeht, indem es darin einen erlaubten Lebensgenuß findet, sondern solch’ ein Herausholen des Edlen und Herrlichen, das in dem Innern eines Jeden wohnte, eine Beschäftigung, Nährung, Uebung und weitere Ausbildung derselben, ein nicht von außen gewecktes Verlangen darnach, sondern der eigene Trieb dazu und das stete jahrelang gepflegte Beharren darin, das Alles sind Momente, bei deren Zusammenstellung und Würdigung wir mit hoher Achtung gegen die sittliche und geistige Bildung, gegen Gemüth und Charakter dieser kunstreichen schlichten Nürnbergischen Bürger erfüllt werden müssen.“ Und dabei waren sie nicht etwa Stubenhocker von Haus aus und von Jugend auf, sondern Jeder hatte während seiner Wanderburschenjahre mancher Herren Lande gesehen und Peter Vischer sogar Italien.
Der Mann, welcher in so vielen Städten – außer Nürnberg in Wittenberg, Römhild, Breslau, Magdeburg, Bamberg, Regensburg u. a. O. – unvergängliche Denkmale zur Verherrlichung vornehmer Todten hinterlassen, ist über seine eigene Vergangenheit so im Dunkeln geblieben, daß wir weder seinen Vater noch sein Geburtsjahr genau kennen und selbst sein Todesjahr erst neuerdings festgesetzt ist. Man nimmt an, daß er zwischen 1456 und 1460 geboren sei; gestorben ist er 1529, am 7. Januar, wie eine Inschrift auf seinem und seiner Frau erst im Jahre 1830 von dem berühmten Kupferstecher Director Reindel aufgefundenen Grabsteine auf dem Rochuskirchhof (gleich rechter Hand beim Eingang) angiebt.
Peter Vischer’s Leben und Wirken fiel in die letzte und schönste mittelalterliche Blüthezeit Nürnbergs. Von dem Glanz, der jetzt noch die liebe Stadt aus vergangenen Tagen schmückt, hat nicht Weniges damals seinen Ursprung genommen. Obenan steht Albrecht Dürer, der nicht nur als weltberühmter Maler, Kupferstecher, Holzschneider etc. weit über Deutschland hinaus geehrt war, sondern auch seine Vaterstadt mit den vier Riesenthürmen befestigte, die sie noch heute schmücken und ihr Bild vor dem vieler Städte auszeichnen; in seiner Werkstatt arbeiteten seine Schüler Hans Burgmeier, Schäuffelin, Altdorffer, Kulmbach u. A. und selbst sein alter Lehrer Wohlgemuth war noch in diese erste Zeit herein thätig. Der Bildhauer Adam Krafft, der Bildschnitzer Veit Stoß, der Glasmaler Hirschvogel schmückten die Kirchen und die Patrizierpaläste mit ihren Kunstwerken; der Volksdichter Hans Sachs, der gelehrte Pyrkheimer, der kühne Reisende und Kosmograph Martin Behaim warfen den Glanz ihrer Namen auf die Vaterstadt zurück, und selbst Peter Hele’s erste Taschenuhren gehören noch dem Anfang dieser Zeit an; reiche Bürger, wie die Tucher, suchten ihre höchste Ehre in der Pflege der Künste, und über Allen stand der deutsche Kaiser jener Tage, der ritterliche Max, der in Nürnberg so oft und gern verweilte und es nicht blos dachte und sagte, sondern durch die That anerkannte, daß er „aus jedem Bauern einen Edelmann, aber aus keinem Edelmanne einen Künstler machen könne“. Zu diesen Zeitgenossen gehört Peter Vischer mit seinem Sohne Hermann, und er war geehrt von Hoch und Niedrig, wie er es verdiente. Kein hoher Fürst und Geistlicher, Gesandter, Gelehrter oder Dichter ging durch Nürnberg, ohne des berühmten Peter Vischer’s Gießhütte besucht zu haben, und manchen sinnigen Mann erfreute wohl des Meisters Einfachheit und Würde so sehr, wie seine herrlichen Werke. Einen solchen Besuch benutzte unser Künstler, Rudolph Seitz in München, um uns den Alten in seiner Werkstatt zugleich mit dem Modell seines größten Werkes, des Sebaldusgrabes, darzustellen. Es soll geschehen sein, daß hohe Geistliche ihre Grabmäler selbst bei ihm bestellten, wie denn die Denkmäler der Bischöfe Heinrich’s des Dritten und Georg’s des Zweiten von Bamberg und des Bischofs Johann von Breslau Jahre vor deren Tode vollendet worden sind. Wollen wir ein solches Kirchenhaupt in einem solchen Augenblick in dem ehrwürdigen Greise unseres Bildes erkennen, so wird die Wirkung desselben dadurch nur gewinnen.
Ganz mit Stillschweigen übergehen dürfen, wir es nicht, daß in unseren vierziger Jahren der berühmte Meister der Baukunst, Heideloff, den über dreihundertjährigen Lorbeerkranz Peter Vischer’s um die größere Hälfte zu verkleinern suchte. Er unternahm es, die Behauptung zu beweisen, daß die Modelle zu sämmtlichen oder wenigstens den vorzüglichsten Kunstwerken Vischer’s von Veit Stoß herrührten und jener nur das gewesen sei, was er sich stets selbst nenne, ein Rothgießer. Für Peter Vischer hob Döbner, Baurath in Meiningen, den Handschuh auf. Das „Kunstblatt“ war die Wahlstatt, aber ein entscheidender Sieg ist nicht erfochten worden.
Das Nürnberg der Gegenwart besaß einen zweiten Peter Vischer, auch im Leben und Wesen ein Spiegelbild desselben, und auch er hat sich nie anders genannt, als den „Erzgießer“ Burgschmiet. Wer aber vor dem Gymnasium zu Nürnberg steht und die von demselben „Erzgießer“ Burgschmiet in Stein ausgeführte Bildsäule des Philipp Melanchthon betrachtet, kommt wohl auf den Gedanken, daß auch dem „Rothgießer“ Peter Vischer mehr als nur das Gießen könnte zugetraut werden, abgesehen davon, daß vor vierthalbhundert Jahren die Theilung der Arbeit noch nicht so weit vorgeschritten und das Gebot „Selbst ist der Mann“ in vielen Beziehungen unerläßlicher war, als heute.