Epistel-Postille (Wilhelm Löhe)/Trinitatis 03
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Am dritten Sonntage nach Trinitatis.
- 6. So demüthiget euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, daß Er euch erhöhe zu Seiner Zeit. 7. Alle eure Sorge werfet auf Ihn; denn Er sorget für euch. 8. Seid nüchtern und wachet; denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher, wie ein brüllender Löwe, und suchet, welchen er verschlinge. 9. Dem widerstehet fest im Glauben, und wißet, daß eben dieselbigen Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. 10. Der Gott aber aller Gnade, der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo JEsu, derselbige wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. 11. Demselbigen sei Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
DAs Evangelium des heutigen Tages ist aus Lucä 15 genommen und handelt von dem verlornen Schaf und Groschen. Da sieht man den guten Hirten dahingehen über die Erde und trotz der Welt und ihrem Fürsten in deren eigenen Gebieten das verlorene Eigentum suchen. Diesem wunderschönen Evangelium zur Seite steht die heutige Epistel, nach welcher man nicht den guten Hirten, wohl aber den Fürsten der Welt, den Teufel, brüllend herumgehen sieht auf dem Gebiete des guten Hirten und suchen, welchen er verschlinge. Der gute Hirte und der Wolf, der die Heerde verdirbt, in zwei Texten zwei Parallelen, die nie zusammenkommen, wohl aber sich mächtig widerstreiten. Im Gegensatz zusammengeordnet finden| wir also in den beiden Texten des Tages zwei Personen und ihr Werk, welche der Gemeinde Christi, wenn auch aus ganz verschiedenen Gründen niemals aus dem Gedächtnis entschwinden dürfen. Der beste Freund und der größte Feind der Seelen sollen beide allezeit vor Augen und Herzen der Glieder JEsu stehen. Wie Tag und Nacht, Licht und Finsternis einander begleiten, so begleiten auch sie einander, und wo der eine kommt, da kommt in der Regel der andere entweder gleich mit, oder doch scharf hinterher. Es ist ein Unglück und großer Schade, wenn einer von beiden übersehen wird, welcher es auch sei. Unserem Texte gehorsam werden wir nun diesmal das Auge insonderheit dem Feinde zukehren müßen, indem wir die Epistel durchgehen. Doch wird uns die allgemeine Regel, daß der Seelenfreund nicht fern ist, wo der Seelenfeind erscheint, daß Beide zusammengehen oder sich folgen, auch hier zu statten kommen. Wir werden den Freund nicht verlieren, indem wir auf den Feind das Auge richten, wir werden vielmehr in Gemeinschaft mit jenem diesen bekämpfen, und der HErr und Sein Geist wird uns nicht mangeln, den Kampf zum Sieg hindurchzuführen.
Den Mittelpunkt unseres Textes bilden allerdings die Verse 8. und 9, in welchen der Gegensatz zwischen dem Teufel und der Kirche grell und klar hervortritt. Die zwei ersten Verse, nemlich Vers 6 und 7, bilden zu der genannten Mitte des Textes den vorbereitenden Eingang. Sie reden von der Beugung vor Gott und vom Vertrauen zu Gott, und diese beiden Tugenden sind es in der That, welche uns zum Kampfe gegen den Teufel ausrüsten müßen. Am Schluß des Textes steht Vers 10 und 11, welche beide einerlei Gedanken hervorheben, nemlich die verheißene mächtige Hilfe des HErrn im schweren Kampfe der Kirche gegen den Teufel, und die Ehre, welche er durch seine Mithilfe einlegen wird. So geht also der Text in drei klaren, schönen Abtheilungen gegliedert, aber doch gewis auch als schönes, zusammenhängendes Ganzes seinen Weg. Gebeugt vor Gott, Seiner Treue vertrauend – widerstehet der Christ dem Erzfeind seiner Seele und wird in seinem Kampfe von Gott dem HErrn zum sicheren Siege geführt, so daß am Ende Siegesfreude und Ehre Gottes zusammentreffen und der selige Triumph des ewigen Lebens sich vorbereitet. Da laßt uns nun Schritt für Schritt die einzelnen Theile betrachten.
Unsere heutige Epistel bildet den Schluß des ersten Briefes Petri. Was der Apostel den auserwählten Fremdlingen hin und her zuletzt mit allem Nachdruck zu sagen beschloßen hat, das wählte die Kirche, um recht nachdrücklich und in mächtigem, aber hilfreichem Gegensatz zum Evangelium ihre Kinder vor dem zu warnen, welcher der größte Feind JEsu und Seiner Heerde ist. Schon im fünften Verse, welcher unserem Texte unmittelbar vorhergeht, ist die Rede von der Demuth gewesen; der Schluß des Verses besteht in den berühmten Worten des alten Testamentes: „Gott widerstehet den Hoffärtigen, den Demüthigen aber gibt Er Gnade.“ An diese Worte schließt sich nun unser Text auf das engste an, indem sein erster Vers spricht: „So demüthigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, auf daß Er euch erhöhe zu Seiner Zeit.“ Die gewaltige Hand Gottes, unter welche man sich demüthigen soll, was ist sie? Welche Creatur wird sich nicht neigen, wenn sie die Hand des Allerhöchsten und Allmächtigen herniederkommen sieht? Ja man könnte fragen, wer wird dies für eine Erniedrigung halten, wenn er sich vor Dem neigen soll, der Himmel und Erde besitzet, ja gemacht hat? Es muß die Hand Gottes, unter welche man sich erniedrigen soll, eine verborgene Hand sein, welche nicht gleich als Gottes Hand erkannt wird, wenn es erst der Ermahnung bedarf, sich vor ihr zu beugen und dem HErrn zu weichen. Nur der Zweifel, ob das, wovor man sich beugen soll, wirklich Gottes Hand ist, oder nicht, macht die Nothwendigkeit einer solchen Ermahnung begreiflich. Daraus, meine lieben Brüder, wird klar, wie nöthig es ist, Gottes Hand zu erkennen, und zu faßen, was der Apostel unter diesem Ausdruck versteht. Der Zusammenhang unseres Verses, insonderheit mit dem darauf folgenden gibt uns den nöthigen Unterricht. Es heißt nemlich: „Erniedrigt euch unter die gewaltige Hand Gottes, indem ihr alle eure Sorge auf Ihn werfet, denn Er sorget für euch.“ Also ist die Hand Gottes, unter die man sich demüthigen soll, nichts anderes, als der Zustand voll Jammer und Sorge, in welchem die Christen lebten. Von der Sorge für den Lebensunterhalt, der gewöhnlichsten und verbreitetsten| unter allen, kann hier die Rede nicht sein, wenn man auch allerdings eine kummervolle Lage des irdischen Lebens nach Aehnlichkeit mit dieser unserer Stelle eine gewaltige Hand Gottes nennen kann. Die Sorgen, welche die Christen haben konnten, betrafen wohl andere Dinge, den Haß der Welt, die große Schwierigkeit in der Welt auszuhalten, und unter immerwährenden schweren Versuchungen dem HErrn treu zu sein, die zunehmende Hitze der Verfolgung, den heißen Streit der Pilgrime JEsu und deßen seliges Gelingen. Die gewaltige Hand Gottes ist daher zunächst wohl nichts anderes, als die Last und Bürde, die christliche Herzen bei dem unvermeidlichen Umgange mit Kindern dieser Welt auf sich nehmen müßen. Schon die gewöhnlichen Lebensleiden, die der Christ mit allen Menschen gemein hat, haben eine anfechtende und versuchende Kraft. Oft entschwindet dem Menschen auch unter Lasten, die er mit allen gemein hat, alle Lust und Freudigkeit zu leben. Noch stärker aber fechten die eigentlichen Christenleiden an, der Haß der Welt, die Macht des Teufels. Man kann es oft nicht faßen, daß den auserwählten Fremdlingen Gottes mit Seinem eigenen Willen so große Noth zukommen kann; noch weniger aber kann man es glauben, daß sich einem darinnen die Hand Gottes selbst nahe, und daß der Druck, der sich auf Haupt und Schulter legt, ein Druck Seiner Hand ist. Es gehören offne Augen und ein sehr williges getrostes Herz dazu, um in solchem Rauch, der uns das Auge, ja das Herz beleidigt, den Gang des Gottes zu erkennen, der uns zur Vollendung führt. Weit geneigter sind wir unter solchen Umständen, uns den Sorgen zu ergeben, hinzubrüten, zu seufzen und zu weinen und unter der Last zu zagen, ja unter dem ehernen Kreuze zu verzweifeln, welches uns Gottes segnende Hand auferlegt. Die segnende Hand soll nicht drücken, so meinen wir; drückt sie, so segnet sie nicht; nur bei süßen Gefühlen und sanftem Wohlthun Gottes glauben die Meisten an die Nähe eines menschenfreundlichen und leutseligen Gottes. Dem allen gegenüber soll man das Kreuz auf sich nehmen, die Sorge dem HErrn übergeben, und sich unter Seine Vaterhand beugen, auch wenn sie wehe thut und schwer ist. Ein solches Aufgeben des Leides und Seelenwehes, eine solche Freudigkeit zu Gott auch unter schweren Umständen, eine solche Bereitschaft zu dulden, zu tragen und auszuharren, versteht der Apostel unter den Worten: „Erniedrigt euch unter die gewaltige Hand des HErrn.“ Kreuz auf die Schulter nehmen, Lasten tragen, Gottes Willen leiden, des HErren Wege gehen, ist allerdings recht verstanden keine Erniedrigung. So geht man aufwärts, so geht man vorwärts, so wird man ein Schauspiel Gottes und Seiner Engel. Doch aber pflegt unser Gefühl das einer Erniedrigung zu sein, und wenn auch der Mensch zu seiner eigenen größten Erleichterung nicht mehr sorgt, weil Gott für ihn sorgt, so deucht es ihm, wie wenn er sich in wundersgroße Tiefen senken ließe, da doch schon hierin Freiheit und der Anfang einer seligen Erhöhung liegt. Da sollen nun eben die Christen die rechte Ansicht der Sache lernen und fest halten, in ihr Gefühl der Erniedrigung hinabsteigen und sich in die Noth ihres Lebens versenken laßen und dabei wißen, daß dies auch der Weg ist, erhöht zu werden zu seiner Zeit. – Erhöht werden, das ist also das Gegentheil von der Erniedrigung. Ist die Erniedrigung eine Hinnahme des Kreuzes, um Christi willen getragen, so ist also die Erhöhung eine Befreiung von dieser Noth und eine Einführung in jene freudige Sicherheit und volle Ruhe der Kinder Gottes, auf die wir warten und die da eintreten wird zu Gottes Zeit und Stunde. Ehe diese Zeit und Stunde kommt, gibt es keine Ruhe für den Christen, es geht alle Wege nach dem Worte Christi: „In der Welt habt ihr Angst.“ Es kommt aber allerdings einmal eine andere Zeit, am Ende der Tage, nachdem der Antichrist bezwungen ist und dort in der ewigen Ruhe der Heiligen, wo kein Leid, kein Geschrei und keine Thränen mehr sein werden, sondern Gott alle Zähren von den Angesichtern der Seinen abwischen wird. Auf diese Zeit haben wir zu hoffen und zu warten; bis sie kommt aber, unser Kreuz zu tragen und unsere Sehnsucht nach vollkommener Ruhe und Frieden zu beherrschen. – Es heißt auch, wir sollen uns demüthigen, auf daß uns Gott erhöhe. Also verdient zwar niemand die Erhöhung mit Seiner Demüthigung und Hingebung, aber es wird doch keiner erhoben, bevor er gedemüthigt ist, und unter allen seligen Christen und herrlichen Siegern ist keiner, der anders, als durch viel Trübsal ins Reich Gottes eingegangen ist: das ist der Weg, einen anderen gibt es nicht. Wer anders gemeint hat, der laße seinen| Traum und Wahn und laße in sich die Wahrheit herrschen, daß unser ganzes Leben nichts anders ist und sein soll, als eine freudige Erniedrigung der Christen alles Leid und Weh in der Hoffnung zu überwinden und erhöht zu werden zu Seiner Zeit.Durch die Betrachtung des ersten Theiles unserer Epistel sind wir am besten für den zweiten Theil vorbereitet, der seinem Wortlaute nach für den gläubigen Menschen etwas Furcht und Entsetzen Erregendes hat. Wer mit den Sitten der alten Kirche vertraut ist, der weiß, daß die Verse, vor denen wir stehen, nemlich Vers 8. und 9, den täglichen Zuruf bildeten, mit welchem man beim letzten Abendgebet auseinander zu gehen pflegte. Die Nacht, welche ihr natürliches Grauen bei sich führt, wurde von unsern Vätern auch als die Zeit angesehen, in welcher der Fürst der Nacht, der Teufel, die Seelen zu erhaschen strebt. Wer da weiß, was für eine bedeutungsvolle Zeit für das innere Leben die Zeit des Schlafes und des Traumes ist, welche Veränderungen im Innern des Menschen während dieser Zeit vor sich zu gehen pflegen, und wie sie sich auch in das wache Leben des Tages herein erstrecken, wie oft die finstere Zeit des Lebens die lichte Zeit bestimmt und, so zu sagen, im Schlepptau führt, – wer den so angeregten Gedanken Aufmerksamkeit schenkt und ihnen nachgeht, der wird auch finden, warum die aufmerksamen auf ihr Heil bedachten Alten unsere Textesstelle besonders auf die Nacht angewendet haben. Uebrigens kann und wird es nicht die Meinung der alten Kirche gewesen sein, daß der Satan seine nächtlichen Geschäfte blos in der Zeit der leiblichen Finsternis treibe. Hat die Nacht ihr natürliches Grauen, so kann ein aufmerksamer Beobachter auch dem hohen Mittag und seinem grellen Lichte ein Grauen abfühlen, und benützt der Versucher und Feind der Menschen die grauenvolle Nacht, so redet die Schrift auch von Pfeilen, die des Mittags fliegen, von Pfeilen, die, was man auch unter ihnen verstehe, doch immerhin von den Geschoßen des Satans fliegend gedacht werden müßen. Man könnte überhaupt sagen, es habe eine jede Zeit ihren Frieden und ihre Ruhe und eine jede ihr Grauen, und wie in einer jeden die Engel Gottes geschäftig seien, ihre heilsamen Werke zu wirken und ihre himmlische Liebe auszuüben, so bemühe sich auch der Satan mit seinen Engeln allezeit, die Wege der Boten Gottes zu durchkreuzen und ihre unheilvollen und unglückseligen Plane zu verfolgen. Des Teufels Zeit ist, was sein Bemühen anlangt, allezeit, wenn gleich der Allmächtige wacht und nicht immer der Bosheit des finsteren Reiches Raum gibt und Erfolg zuläßt. Es ist Gottes Erbarmen, daß man nicht immer den Feinden der Seelen zugestehen muß: „das ist eure Stunde und die Macht der Finsternis.“ Da nun aber niemand unter uns weiß, und wie JEsus im Garten mit Sicherheit erkennt, welche Stunde dem Feinde und der Finsternis eingeräumt ist, so gilt es nicht blos für die Nacht, sondern auch für den Tag und alle Zeit des Lebens, wenn der Apostel sagt: „Seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher, der Teufel, gehet umher wie ein brüllender Löwe und suchet, welchen er verschlinge.“
Der Widersacher, der Teufel, gehet umher, wie ein brüllender Löwe. Wenn wir oben von der Hand Gottes gesagt haben, daß sie nicht sichtbar sei, daß daher verstanden und erkannt werden müße, wie, wo, und wann sie wirke, so ist auch bei unserem Feind, dem Teufel ein Gleiches zu bemerken. Auch er geht nicht sichtbar herum, und brüllt nicht hörbar. Wie jedermann den brüllenden Löwen scheut, so würde man im Falle eines sinnlich zu merkenden Auftretens auch den furchtbaren Seelenfeind scheuen und fliehen. Eingehüllt in mancherlei Gestalten, versteckt in allerlei Verhältnissen geht der Satan umher. Mit dem brüllenden Löwen, also dem hungrigen, der auf Raub ausgeht und vor Begier brüllt, wird er nur in Anbetracht seiner Begier, seines Hungers und Durstes nach dem Verderben unserer Seelen verglichen, nur wegen der uns bevorstehenden Gefahr, keineswegs aber deshalb, daß er darnach strebte, sein Dasein so vernehmlich anzukündigen, wie ein brüllender Löwe. Der greuliche Feind unserer Seelen hat Schlangenart, nicht bloß groß Macht, sondern auch viel List sein grausam Rüstung ist. Daher verbirgt er sich wie die Schlange gar oftmals unter Blumen und ist oft gegenwärtig, wo man nichts weniger, als das Brüllen eines Raubthieres, sondern im Gegentheil den tiefen Frieden des Mittags oder das angenehme kühlende Wehen des Abends verspürt. Mit diesen Bemerkungen, meine lieben Brüder, habe ich nicht etwa die Absicht, so wie das Bild des Löwen und sein Brüllen, auch den Widersacher, den Teufel| selbst und sein Herumgehen uneigentlich zu nehmen und auf gewöhnliche und natürliche Gefahren des Lebens zu deuten. Das sei ferne. Im Gegentheil bin ich aus Gottes Wort überzeugt und vollkommen gewis, daß wir einen furchtbaren Widersacher an jenem großen, hochbegabten, aber abgefallenen Engel, dem Teufel, haben und daß er sich nicht bloß der ihm untergebenen geringen Geister bedient, die Kirche zu durchforschen und nach Seelen zu fahnden, die von Christo weichen, sondern daß ihn sein furchtbarer Hunger und Durst nach dem Verderben und Untergang aller Creaturen auch selbst treibt herumzugehen und im Reiche Gottes nach Beute zu schauen. Er ist zwar nicht allgegenwärtig, denn er ist eine Creatur, aber seine Bewegung geht mit einer Schnelligkeit und Behendigkeit vor sich, von der wir, eingeschloßen in Körper, keine Ahnung haben. Kann er nicht überall zugleich sein, so ist er doch bald da bald dort; niemand ist vor ihm sicher, jedermann ist in Gefahr, so bald er sich aus der Hand und Nähe Deßen begibt, der da spricht: „Niemand kann Mir Meine Schafe aus Meinen Händen reißen.“ Dabei ist jedoch nicht die Meinung, daß der Satan lauen, matten, unversuchten Christen mit unverwehrter Gewaltthat nahe; er hat ja die Macht nicht über die Täuflinge JEsu, sondern es bedarf einer Erlaubnis des allerhöchsten Richters, wenn er soll einen Menschen ergreifen und nach Leib und Seele verschlingen dürfen. Darauf hin deuten schon seine Namen „Teufel und Widersacher“. Der Name „Teufel“ deutet seinem Ursprung im Griechischen nach auf nichts anderes hin, als auf die Verläumdung, welche er vor Gott dem ewigen Richter aller Menschen gegen diese geltend machen möchte, so wie auch der Ausdruck „Widersacher“ zunächst nichts anderes meint, als einen Widersacher im Gericht. Es ist in unserer Textesstelle so wie in anderen in allem Ernste dasjenige festgehalten, was wir in den ersten Kapiteln des Buches Hiob lesen und was im letzten Buche der heiligen Schrift, der Offenbarung Johannes wiederklingt. Dort sehen wir den Satan vor Gott als Widersacher des frommen Hiob, und hier heißt er ohne Weiteres ein Verkläger unsrer Brüder. Seine Löwengier, uns zu verderben, kleidet sich gewissermaßen in eine rechtliche Form und das Gebrüll, von dem wir in unserem Texte lesen, in eine rechtliche Klage. Es ist daher der Christen höchste Angelegenheit, sich also zu verhalten, daß ihr größter Feind keine Klage findet, und eben dazu ermahnt der Apostel in den Worten: „Seid nüchtern und wachet.“Die Gemeinschaft der Leiden, die wir mit allen unsern Brüdern haben, und des Kampfes, in welchem sie nicht minder als wie wir stehen, zeigt uns zwar die Größe und Macht des gräulichen Feindes, mit welchem wir es zu thun haben, aber auch die Größe des Heeres, welches der HErr ihm gegenüber in den Streit stellt, mit welchem Er ja auch selbst ist, welches Er nimmermehr verlaßen kann, an deßen Spitze Er vielmehr selbst steht. Zu gleicher Zeit tritt uns damit die heilige Absicht unseres Lebens vor Augen, wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, mit den bösen Geistern unter dem Himmel, die in der Luft herrschen und mit ihren Pfeilen von oben her auf uns zielen. Sie sind groß an angeschaffener Kraft und Macht und Bosheit, wie wir arm und klein an Kraft und Macht und Güte; aber die Ehre des HErrn verlangt es, daß Er nicht immer durch Seine allmächtige Kraft, sondern in der Schwachheit Seiner Erlösten den Sieg gewinne. Seine Kraft will in den Schwachen mächtig sein und die gewaltigen Fürsten sollen der Nüchternheit, der Wachsamkeit und dem festen Widerstande derjenigen erliegen, die von Natur zum Siege keine Anlage haben, aber eben deshalb zu desto größeren Ehren des Königs Christus den Sieg gewinnen sollen. Dieser Sieg ist allerdings sehr häufig mit Augen nicht zu schauen, er ist im Gegentheil sehr oft ein leibliches Unterliegen, darf und kann es sein, weil auch das Lamm Gottes den Teufel durch Unterliegen besiegte, weil auch der Fürst des Lebens den Tod durch Sterben überwand. Unser Sieg besteht nicht in äußerlichen Erfolgen, sondern ganz einfach in ausharrender Treue. Wer getreu ist in den Leiden der Christenheit und in den mancherlei Anfechtungen des Teufels bis ans Ende, der hat schon gewonnen, dem gehört schon die Krone, niemand braucht mehr, als Treue; wer mit dem Schwerdt in der Hand und im Zustande des Krieges und Kampfes stirbt, der hat gewonnen. Das sollen die Heiligen Gottes wißen. Gebeugt unter die gewaltige Hand Gottes, die sie in den Anfechtungen des Teufels spüren, unbesorgt voll Vertrauens auf Den, der da sorget, sollen sie gar nichts thun als kämpfen, treulich kämpfen, und die Kriege JEsu führen. Das ist ihre Aufgabe, die soll ihnen gelingen.
Aber freilich, wenn sie auch von allen Sorgen entbunden und auf die einfache Lebensaufgabe eines unabläßigen Kampfes hingewiesen sind, es ist und bleibt dennoch eine Aufgabe, die von Natur kein Mensch löst, ja, die selbst die neue Creatur nicht leisten wird, wenn ihre Kraft und Gabe nicht immer von oben her erneut, Muth und Beständigkeit nicht immer aufs Neue von Gott aus der Höhe angefacht wird. Es klänge in der That schaurig, weil der Gehorsam unmöglich ist, den Apostel vermahnen zu hören: „dem widerstehet fest im Glauben“, wenn nicht der dritte und letzte Theil unseres Textes so voll Trostes und Ermuthigung dazu träte. Aber freilich dieser letzte Theil, dieser 10. und 11. Vers des Kapitels haben eine Kraft in sich, die man nur aufnehmen darf, so werden die müden Knie und die laßen Hände gestärkt, und der Kampf wird mit neuem Eifer fortgesetzt. „Der Gott aber aller Gnade, das sind die Worte des heiligen Apostels, der uns berufen hat zu Seiner ewigen Herrlichkeit in Christo JEsu, der wird euch, die ihr hier eine kleine Zeit leidet, vollbereiten, stärken, kräftigen, gründen. Demselbigen sei Ehre und Macht in die Ewigkeiten der Ewigkeiten. Amen.“
Berühmte, Euch bekannte Worte. Ihr erinnert Euch, meine Brüder, daß ich an Confirmationstagen beim Confirmationssegen mit mehreren Einsegnungsformeln wechsele, und daß der letzte, eben angeführet Theil unseres Textes eine dieser Formeln bildet. Es geschieht nach einem alten kirchlichen Vorgang, daß ich auch diese Worte zur Einsegnung gebrauche. Es geschieht aber auch um so mehr mit Freude und Dank,| weil ich wirklich nicht wüßte, in welch anderer Weise den jungen, neueintretenden Soldaten Christi mehr Muth zu ihrer Heerfahrt gemacht, mehr Glück zum seligen Gelingen geweißagt werden könnte. Die Kirche Christi hat die Confirmanden und Firmlinge allezeit als Anfänger im Kampfe betrachtet, wie diejenigen wohl wißen, welche die Geschichte der Confirmationshandlung auch nur ein wenig kennen gelernt haben. Es ist daher eine von alten Zeiten her ererbte wohlüberlegte und geziemende Anwendung die von unserem Texte bei der Confirmation gemacht wird. Wer von Euch die Erinnerung hat, mit den Worten unseres Textes den Confirmationssegen bekommen zu haben, der frische das Andenken in sich auf und erkenne in dem ihm zugesprochenen Segen eine heilsame Einladung, sich selbst in gleicher Weise oftmals anzureden und sich für den Kampf des Lebens zu stärken. Ist es den unerprobten und unerfahrnen Kräften der Confirmanden nützlich, sich diese Sprüche zuzueignen, so wird es denen, die da müde werden, und die des Satans List und Kraft und die Schwierigkeit des Kampfes erfahren haben, um so nöthiger sein, sich immer aufs Neue mit dem himmlischen Zuruf zu stärken, bis sie vom Kampf entbunden werden durch den Sieg. O könnte mein armes Fingerdeuten, mein geringes Aufzeigen eines Wortes nach dem andern Euch ermuntern, Eure müden Glieder in der Hitze des Streites Eures Lebens zuweilen in die kühlenden und stärkenden Fluthen dieses Textes unterzutauchen! –Ja Ihm gebührt die Ehre, wie Sein ist die Kraft unseres Lebens und Kampfes. Er wirke nur in uns. Wenn Er in uns, mit uns, durch uns wirkt, können wir es ertragen, gar nichts in uns selbst zu sein, wenn wir nur Ihn haben und durch Ihn siegen und Er Seinen Kampf und Seine Werke in uns wirkt, so haben wir doch gewonnen. Ach, daß uns alles, aber auch alles geschehe nach dem Inhalt unserer heutigen Epistel, da sängen wir mit deren letztem Worte so fröhlich: Amen, uns ewig währe die Freude, Gott die Ehre. Amen.
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