Freizügigkeit

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Autor: Franz Dochow
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Titel: Freizügigkeit
Untertitel:
aus: Handbuch der Politik Erster Band: Die Grundlagen der Politik, Drittes Hauptstück: Herrschaft und Verwaltung, Abschnitt 18, S. 260−264
Herausgeber: Paul Laban, Adolf Wach, Adolf Wagner, Georg Jellinek, Karl Lamprecht, Franz von Liszt, Georg von Schanz, Fritz Berolzheimer
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1914
Verlag: Dr. Walther Rothschild
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Erscheinungsort: Berlin und Leipzig
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[260]
18. Abschnitt.


Freizügigkeit.
Von
Dr. Franz Dochow,
Privatdozent an der Universität Heidelberg.


Literatur:[Bearbeiten]

Hand- und Lehrbücher des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, namentlich

Anschütz, St.R., Encyclopaedie der Rechtswissenschaft6 (1903) 2, 527;
Fleiner. Verw.R.s (1912) § 720;
Laband, St.R.5 (1911) 1, 154;
Loening, Verw.-R. (1884) S. 261;
Meyer-Anschütz, St.R.6 (1905) § 219 S. 806;
Meyer-Dochow, Verw.-R.1 (1913) § 23 S. 111;
v. Stengel, Verw.-R. (1886) § 64 S. 302.

Hand- und Lehrbücher des Staats- und Verwaltungsrechts der deutschen Einzelstaaten, namentlich

v. Roenne-Zorn, preuss. St.R.2 (1906) 2, § 57 S. 170
und die verschiedenen Darstellungen im Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart.

Sammelwerke:

Handbuch der Politischen Oekonomie4 (1898) 3 (II. Halbband);
Loening, Armenrecht 3, II. S. 409;
v. Seydel, Sicherheitspolizei 3, II. 320.
– Handwörterbuch der Preussischen Verwaltung2 (1911) Art.
Ausweisungen 1,173;
Freizügigkeit 1,633;
Niederlassung 2,190.
– Handwörterbuch der Staatswissenschaften3 (1909):
Kayser-Loening, Art. Ausweisung 1,314;
Rehm, Art. Freizügigkeit 4,464.
– Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts (1890):
Gneist, Art. Freizügigkeit 1,450;
v. Stengel, Art. Niederlassung 2,163.
– Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts2 (1911):
Fleischmann, Art. Ausweisung 1,280;
Kutzer, Art. Freizügigkeit 1,854.
– Staatslexikon3 (1908):
Spahn, Art. Aufenthaltsrecht, Aufenthaltsbeschränkung, Ausweisung 1,426; (1909),
Bachem, Art. Freizügigkeit 2,322.

Kommentare zur Verfassung des Deutschen Reichs Art. 3, namentlich

Arndt4 (1911) S. 73;
Dambitsch (1910) S. 77;
v. Seydel (1897)2 S. 52.

Kommentare zum Freizügigkeitsgesetz vom 1. November 1867 (F.G.), namentlich

v. Brauchitsch, Preuss. Verwaltungsgesetz18 (1910) 3,677;
Gugel, Unterstützungswohnsitz (1910) Anlage VII S. 308;
Heinrichs, Deutsche Niederlassungsverträge und Übernahmeabkommen (1908) S. 185.

Kommentare zum Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz (U.W.G.) vom 30. Mai 1908, namentlich

Eger6 (1909);
Krech8 (1913);
Wohlers-Krech13 (1913).
– Die Literatur über Armenwesen ist hier nicht angeführt. Vgl. Art. Armenwesen;
Meyor-Dochow4 § 241

Kommentare zum Reichsgesetz über den Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870, namentlich Bazille-Köstlin (1902); Cahn3 (1908).

Die Materialien zum Freizügigkeitsgesetz finden sich bei Arnold, Freizügigkeit und Unterstützungswohnsitz. 1872.

§ 1. Geltendes Recht.[Bearbeiten]

Nach den Bestimmungen des Freizügigkeitsgesetzes vom 1. November 1867 kann jeder Reichsangehörige[1] sich im Reichsgebiet an jedem Orte aufhalten oder niederlassen, wo er sich eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen verschaffen kann. Er kann an jedem Orte Grundeigentum aller Art erwerben und umherziehend oder an dem Orte des Aufenthalts oder der Niederlassung Gewerbe aller Art unter den für Einheimische geltenden gesetzlichen Bestimmungen [261] betreiben.[2] In diesen Rechten darf er nicht gehindert oder durch lästige Bedingungen[3] beschränkt werden, insbesondere nicht um des Glaubensbekenntnisses[4] willen oder wegen fehlender Landes- oder Gemeindeangehörigkeit. Ausnahmen sind jedoch zugelassen im Interesse der öffentlichen Sicherheit und mit Rücksicht auf die öffentliche Armenpflege.

I. Aufenthaltsbeschränkungen und Aufenthaltsverweigerungen sind aus sicherheitspolizeilichen Gründen gegenüber bestraften Personen zulässig. Wenn bei einer Person neben der Freiheitsstrafe auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht auf Grund des § 38 des Reichsstrafgesetzbuchs erkannt ist, so erhält die Landespolizeibehörde die Befugnis, dem Verurteilten den Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten zu untersagen (R.Str.G.B. § 39).[5] Ferner kann Personen, die kraft landesgesetzlicher Vorschriften, die neben dem Freizügigkeitsgesetz und neben dem Reichsstrafgesetzbuch ihre Geltung behalten haben,[6] wegen gewisser Verbrechen oder zu gewissen Strafen verurteilt sind, der Aufenthalt in einzelnen Orten untersagt werden. Wer derartigen Aufenthaltsbeschränkungen in einem Bundesstaate unterliegt oder wer während der letzten zwölf Monate wegen Bettelns oder wegen wiederholter Landstreicherei bestraft worden ist, dem kann von der Landespolizeibehörde der Aufenthalt in jedem anderen Bundesstaate verweigert werden,[7] aus seinem Heimatstaate kann er aber nicht ausgewiesen werden.

Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiete des Deutschen Reiches ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen ist ihnen untersagt.[8]

Da der Reichsdeutsche einer fremden Regierung nicht ausgeliefert, aus seinem Heimatstaat nicht ausgewiesen und zur Auswanderung nicht gezwungen werden kann – er kann das Reichsgebiet freiwillig verlassen, wenn er seiner Militärpflicht genügt hat – , so besteht keine Möglichkeit, einem lästigen Inländer den Aufenthalt im Deutschen Reiche unmöglich zu machen.

II. Damit sich die Gemeinden und Armenverbände vor einer Überlastung der öffentlichen Armenpflege schützen können, sind sie befugt, eine neuanziehende [262] Person abzuweisen, wenn sie nachweisen können, dass die betreffende Person nicht hinreichende Kräfte besitzt, sich und ihren nicht arbeitsfähigen Angehörigen den notdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, und wenn sie ihn weder aus eigenem Vermögen bestreiten kann, noch von einem dazu verpflichteten Verwandten erhält. Die Besorgnis vor künftiger Verarmung berechtigt nicht zur Zurückweisung.[9] Ergibt sich nach dem Anzuge die Notwendigkeit einer öffentlichen Armenunterstützung[10], ehe der Anziehende den Unterstützungswohnsitz (Heimatrecht) erworben hat,[11] so kann die Gemeinde die Fortsetzung des Aufenthalts versagen, wenn sie nachweist, dass die Unterstützung nicht wegen einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit notwendig geworden ist. Hat der Anziehende aber den Unterstützungswohnsitz erworben, so kann die Gemeinde ihn nicht mehr ausweisen, die öffentliche Armenpflege muss für ihn und die Seinigen eintreten.

Ausländer sind im Gebiete des Deutschen Reiches nur geduldet und können, wenn sie lästig fallen, ausgewiesen und nötigenfalls zwangsweise über die Grenze geschafft werden,[12] auch wenn sie einen Unterstützungswohnsitz erworben haben.[13]

§ 2. Rechtsentwicklung.[14][Bearbeiten]

I. Nach der Reichsverfassung Art. 3 besteht in ganz Deutschland ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, dass der Angehörige (Untertan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäss zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Aemtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechtes und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist. Diese Bestimmungen sind im wesentlichen unverändert aus der Verfassung für den Norddeutschen Bund vom Jahre 1867 übernommen worden. Dadurch, dass das Freizügigkeitsgesetz vom Jahre 1867 zum Reichsgesetz erklärt wurde, gelangten im ganzen Deutschen Reiche Grundsätze zur Anwendung, die sich bereits in dem preussischen Gesetze vom Jahre 1842 finden,[15] wonach keinem selbständigen Untertan an einem Orte, wo er eine [263] eigene Wohnung oder ein Unterkommen sich selbst zu verschaffen imstande ist, der Aufenthalt verweigert oder durch lästige Bedingungen erschwert werden darf.[16] Einer Abänderung des Freizügigkeitsgesetzes hat es bisher nicht bedurft,[17] und es ist anzunehmen, dass sich in absehbarer Zeit eine Mehrheit für eine Einschränkung der Freizügigkeit im Deutschen Reiche nicht finden wird.[18]

Das Jesuitengesetz[19] ist ein Ausnahmegesetz, das von seiten der Katholiken als Härte empfunden wird,[20] und ihrem Grundsatze entsprechend, insbesondere das Recht der Religionsgesellschaften gegen Eingriffe der Gesetzgebung zu schützen,[21] hört die Zentrumsfraktion nicht auf, die Beseitigung der noch geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes zu erstreben, zurzeit ohne Aussicht auf Erfolg.[22]

Ein weiteres Ausnahmegesetz, das Reichsgesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom Jahre 1878, war bis 1890 in Kraft.

II. Das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz vom Jahre 1870 gilt jetzt in der Fassung vom Jahre 1908. Danach erwirbt den Unterstützungswohnsitz, wer nach zurückgelegtem sechszehnten Lebensjahr sich ununterbrochen ein Jahr in einem Ortsarmenverbande aufgehalten hat. [264] Diese Frist betrug ursprünglich zwei Jahre, und während noch die Novelle des Jahres 1894 das vollendete achtzehnte Lebensjahr verlangte, war ursprünglich das vierundzwanzigste Lebensjahr vorgesehen. Durch diese Herabsetzungen hat man der wirtschaftlichen Entwicklung, namentlich dem Abzug der ländlichen Bevölkerung nach den Industriestädten Rechnung getragen. Die ländlichen Heimatgemeinden haben ein armenrechtliches Interesse daran, dass die Personen, die sie doch an die Städte verlieren, möglichst bald den Unterstützungswohnsitz ihres neuen Aufenthaltsortes erwerben.[23]

Das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz gilt seit 1909 in Helgoland und seit 1910 auch in Elsass-Lothringen, mithin im ganzen Deutschen Reiche mit Ausnahme von Bayern.[24] Im Interesse der Armenpflege der bayrischen Gemeinden steht zu hoffen, dass bald eine Ausdehnung des Reichsgesetzes auch auf Bayern erfolgt.





  1. Wer als Reichsangehöriger anzusehen ist, bestimmt sich nach dem Reichsgesetz über die Erwerbung und dem Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juli 1870. Danach wird die Reichsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben und erlischt mit deren Verlust. Die Staatsangehörigkeit eines oder mehrerer Einzelstaaten wird begründet durch Abstammung, Legitimation, Verheiratung und durch Aufnahme, für Ausländer durch Naturalisation. Die Staatsangehörigkeit geht verloren durch Entlassung auf Antrag, durch Ausspruch der Behörde und durch zehnjährigen Aufenthalt im Auslande.
  2. Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich bestimmt im § 1, dass der Betrieb eines Gewerbes jedermann gestattet ist, soweit nicht durch dieses Gesetz Ausnahmen und Beschränkungen vorgeschrieben oder zugelassen sind. Nach § 13 soll die Zulassung zum Gewerbebetriebe in keiner Gemeinde und bei keinem Gewerbe vom Besitze des Bürgerrechts abhängig sein.
  3. Beispielsweise durch Erhebung von Gebühren für Anzug, Abzug oder Aufenthalt, durch die Forderung von Leumunds- oder Vermögensnachweisen. Meyer-Dochow, Deutsches Verwaltungsrecht4 § 23 S. 111.
  4. Durch Gesetz, betr. die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlicher Beziehung vom 3. Juli 1869 wurden alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses hergeleiteten Beschränkungen aufgehoben. – Vgl. auch das G. über die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschliessung vom 4. Mai 1868, das nur in Bayern nicht gilt.
  5. Die Aufenthaltsbeschränkung kann sich auf Ortschaften oder auf bestimmte Plätze, Strassen und Häuser beziehen, darf aber nicht zu einer Anweisung eines bestimmten Aufenthalts führen. Frank, Kommentar zum R.Str.G.B. § 39 V. Vgl. auch die Begründung zum Vorentwurf eines Deutschen St.G.B. Allgem. Teil 1909 § 182.
  6. Namentlich das preuss. G. über die Aufnahme neuanziehender Personen vom 31. Dez. 1842 § 2. Danach ist die Landespolizeibehörde zur Aufenthaltsbeschränkung, „jedoch nur in Ansehung solcher Sträflinge befugt, welche zu Zuchthaus oder wegen eines Verbrechens, wodurch der Täter sich als einen für die öffentliche Sicherheit und Moralität gefährlichen Menschen darstellt, zu irgend einer andern Strafe verurteilt worden oder in einer andern Korrektionsanstalt eingesperrt gewesen sind“. – Über die landesrechtlichen Bestimmungen in Bayern, Sachsen, Württemberg und Anhalt vgl. Kutzer, Art. Freizügigkeit, Wörterbuch2 1,857.
  7. F.G. § 3 Abs. 2.
  8. Gesetz, betr. den Orden der Gesellschaft Jesu, vom 4. Juli 1872 § 1. Der durch Gesetz vom 8. März 1904 aufgehobene § 2 dieses Gesetzes bestimmte, dass die Angehörigen des Ordens usw., wenn sie Ausländer waren, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurden; wenn sie Inländer waren, konnte ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. Vgl. Falck, Die Rückwirkung einer Aufhebung des Jesuitengesetzes auf die in den deutschen Einzelstaaten schon früher bestandenen Verbotsgesetze über den Orden der Gesellschaft Jesu. Zeitschrift für Völkerrecht und Bundesstaatsrecht. 4,1.
  9. F.G. § 4.
  10. F.G. § 6.
  11. Jeder Reichsdeutsche ist in bezug auf die Art und das Mass der im Falle der Hilfsbedürftigkeit zu gewährenden öffentlichen Unterstützung und auf den Erwerb und Verlust des Unterstützungswohnsitzes in jedem Bundesstaate als Inländer zu betrachten. U.W.G. § 1. – Eine Ausnahme macht Bayern, wo das U.W.G. noch nicht eingeführt ist. Die Bayern sind daher Ausländer im Sinne des U.W.G.
    Der Unterstützungswohnsitz wird erworben durch Aufenthalt, Verehelichung und Abstammung, und zwar erwirbt den Unterstützungswohnsitz innerhalb eines Ortsarmenverbandes, wer nach zurückgelegtem sechszehnten Lebensjahr ein Jahr lang ununterbrochen seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort gehabt hat. Der Unterstützungswohnsitz wird verloren durch Erwerbung eines anderweitigen Unterstützungswohnsitzes und nach einjähriger ununterbrochener Abwesenheit nach zurückgelegtem sechszehnten Lebensjahre (U.W.G. §§ 9–27).
    Ein Reichsdeutscher kann mehrere Staatsangehörigkeiten, aber nur einen Unterstützungswohnsitz besitzen.
  12. Die mit den Niederlanden und der Schweiz abgeschlossenen Niederlassungsverträge gewähren den Angehörigen dieser Staaten das Recht, sich im Deutschen Reiche niederzulassen, wenn sie die erforderlichen Ausweisungspapiere besitzen und die Gesetze und Verordnungen des Staates nicht übertreten. Da der Heimatsstaat das Recht hat, nachzuprüfen, ob bei etwaiger Ausweisung die Vertragsbestimmungen berücksichtigt sind, so gewähren die Niederlassungsverträge einen gewissen Schutz gegen willkürliche Ausweisungen. Meyer-Dochow4 § 2327.
  13. Hinsichtlich der vorläufigen Unterstützungspflicht sind hilfsbedürftige Ausländer den Inländern gleichgestellt. Sie behalten den z. B. nach preussischem Landesrecht erworbenen Unterstützungswohnsitz nur so lange, als ihnen der Aufenthalt im Inlande gestattet ist.
  14. Vgl. die geschichtlichen Angaben bei v. Frisch, Art. Stellung der Fremden.
  15. Gesetz über die Aufnahme neuanziehender Personen vom 31. Dezember 1842.
  16. Loening, Verw. R. S. 261: Während in Frankreich schon die Verfassung vom 3. Sept. 1791 (Tit. I) die Freiheit eines jeden Menschen, zu reisen, sich aufzuhalten und wegzuziehen, garantiert hatte, war durch die deutsche Bundesakte von 1815, Art. 18 den Angehörigen der deutschen Staaten nur die Befugnis zugesichert, in denjenigen Bundesstaat zu ziehen, der sie nachweislich zu Untertanen annehmen wollte.
  17. Abgesehen von einer unwesentlichen Änderung, die § 2 durch das Einführungsgesetz zum B.G.B. erfahren hat.
  18. v. Knebel Doeberitz, Die Reform der Freizügigkeit ; ein Problem der Bevölkerungspolitik, Zeitschrift für Politik (1909) 2,42 schlägt vor, die bestehende Gesetzgebung über die Freizügigkeit durch die Vorschrift zu ändern, dass den jugendlichen Landarbeitern gesetzlich verboten werden soll, vor Erreichung eines bestimmten Mindestalters – nicht vor dem achtzehnten Lebensjahr, eventuell vor der Mündigkeit – in die Grossstadt zu verziehen. – Damit wird ein Gedanke zum Ausdruck gebracht, der vielen Interessenten an der Landeskultur geläufig ist. Das hier vorgeschlagene Mittel dürfte wohl das letzte sein, das zur Verhütung der Entvölkerung des platten Landes und des übermässigen Anwachsens der Städte zur Anwendung zu bringen ist. Die Erbuntertänigkeit ist nun einmal abgeschafft, und es muss damit gerechnet werden, dass ein den früheren Zeiten ähnlicher Zustand sich nicht herbeiführen lässt. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit würde schon deshalb nicht den erwünschten Erfolg haben, weil der zurzeit auf dem Lande herrschende Mangel an geeigneten Arbeitskräften doch nur zum Teil eine Folge der Freizügigkeit ist, sondern im wesentlichen durch die ungünstigen Arbeitsbedingungen verursacht ist. Es liegt daher näher, hier mit dem Reformen einzusetzen, das geltende Reichsrecht aber unverändert zu lassen.
  19. Zu den verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen rechnet die Bekanntmachung des Bundesrats vom 20. Mai 1873 die Kongregationen der Redemptoristen, Lazaristen und Priester vom heiligen Geiste und die Gesellschaft vom heiligen Herzen Jesu.
  20. Vgl. Frins S. J. Art. Jesuiten, Staatslexikon 2,1356: Das Verhältnis der Staatsgewalt zum Orden ist als ein in einzelnen Ländern dem Orden höchst feindseliges zu bezeichnen. Der § 2 ist zwar aufgehoben. Gleichwohl bleiben die Jesuiten in Deutschland, ähnlich wie in Frankreich, Russland und in der Schweiz den härtesten Ausnahmebestimmungen unterworfen, da die auf Grund von § 3 des Jesuitengesetzes erlassene Bundesratsverfügung dem einzelnen Jesuiten jede Ordenstätigkeit untersagt. Bachem, Art. Freizügigkeit, Staatslexikon 2,329 rechnet die Bestimmungen des Jesuitengesetzes zu den Ausnahmen von der Freizügigkeit, welche als grosse Widersprüche zu bezeichnen sind, durch welche aus besonderen, nicht in der Sache liegenden Gründen politischer Natur und ebenso kurzsichtigen wie engherzigen Charakters die Freizügigkeit aufgehoben ist. – Bek. d. Reichsk. vom 5. Juli 1872 (R.G.Bl. S. 264), dazu Beschl. d. Reichsk. vom 28. Nov. 1912 (R.G.Bl. S. 553): Verbotene Ordenstätigkeit ist jede priesterliche oder sonstige religiöse Tätigkeit gegenüber anderen sowie die Erteilung von Unterricht. Unter die verbotene religiöse Tätigkeit fallen nicht, sofern nicht landesherrliche Bestimmungen entgegenstehen, das Lesen stiller Messen, die im Rahmen eines Familienfestes sich haltende Primizfeier und das Spenden der Sterbesakramente. Nicht untersagt sind wissenschaftliche Vorträge, die das religiöse Gebiet nicht berühren. Die schriftstellerische Tätigkeit wird durch das Verbot nicht betroffen.
  21. Programm der Zentrumsfraktion des Deutschen Reichstags vom 21. Mai 1871 Ziffer 2: für die bürgerliche und religiöse Freiheit aller Angehörigen des Reichs ist die verfassungsmässige Feststellung von Garantien zu erstreben und insbesondere das Recht der Religionsgesellschaften gegen Eingriffe der Gesetzgebung zu schützen.
  22. Dagegen ist das Reichsgesetz, betr. die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, vom 4. Mai 1874 durch G. vom 6. Mai 1890 aufgehoben.
  23. Der Beginn der wirtschaftlichen Selbständigkeit wurde den heutigen wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechend auf das vollendete sechszehnte Lebensjahr festgesetzt, obwohl ein Teil der jungen Leute schon nach dem Verlassen der Schule in die Stadt zieht, also nach vollendetem vierzehnten Lebensjahr. – Bei einer einjährigen Frist wurde es deshalb belassen, weil angenommen wurde, dass sich erst nach einem Jahre entscheiden lässt, ob der Zugezogene sich zum längeren Aufenthalt entscheiden wird.
  24. Die Einführung des Unterstützungswohnsitzgesetzes ist in Bayern noch nicht erfolgt, steht aber nahe bevor (vgl. R.G. vom 30. Juni 1913, R.G.B. S. 495).