Hermann Kaulbach

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Autor: Dr. Adalbert Svoboda
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Titel: Hermann Kaulbach
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aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 460–462
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Hermann Kaulbach.
Nach einem Selbstporträt.

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Hermann Kaulbach.

Gewiß kommt es manchem Maler zu statten, wenn er sich durch Noth und Drangsal zur Geltung und Anerkennung hindurchringen muß. Die Energie, mit welcher er allerlei Entbehrungen und Gegnerschaften zu bekämpfen hat, mag mitunter seine Kühnheit und sein Selbstvertrauen heben sowie die Entschiedenheit seiner Gestaltungskraft steigern. Allein nicht immer stehen Mühsale und das raschere Reifen künstlerischer Fähigkeiten in einer förderliche Wechselwirkung. Mancher Kunstjünger unterliegt im Kampfe mit des Lebens Noth; der größte Kraftaufwand bleibt oft unfruchtbar, wenn nicht gute Menschen, wohlwollende Lehrer und günstige Zufälle den jungen Künstler stützen. Besser entwickeln sich vorhandene Anlagen unter dem Schutze einer sorgenfreien Lebenslage; Kunstwerke werden sicherer befriedigen, wenn sie bei voller Muße, in glückshellen Stunden geschaffen wurden, als wenn sie bloße Schmerzenskinder sind.

Hermann Kaulbach gehört nun zu jenen Künstlern, welche ihre Schaffenskraft unter den günstigsten Lebensverhältnissen zur Entwickelung bringen konnten. Als einziger Sohn des großen Meisters Wilhelm von Kaulbach, des vormaligen Direktors der Münchener Kunstakademie, verbrachte er seine Jugend unter den erziehlichen Einflüssen einsichtsvoller Lehrer. Schon als Knabe besaß Hermann eine lebhafte Phantasie und den Drang, dem Spiele seiner Vorstellungen und den Einflüssen aus sein Empfinden einen künstlerischen Ausdruck zu geben; er machte mit großer Leichtigkeit kurze Gedichte, in welchen sein gutes, weiches Herz lebhaft und liebenswürdig das Wart nahm. Schon als fünfjähriger Knabe hat Hermann gereimte Verse aus dem Stegreif vor sich hingesagt. Geibel, Bodenstedt und andere Freunde der Familie Wilhelm von Kaulbachs meinten, daß sich aus Hermann ein bedeutender Dichter entwickeln werde. Hermann Kaulbach würde vielleicht ein tüchtiger Schriftsteller geworden sein, wenn er nicht jener Poesie dienstbar geworden wäre, welche in Werken der bildenden Kunst ihr Heim findet. Bezeichnend ist es für sein Wesen, daß er als Knabe den Werth von Spielsachen gering anschlug, dafür aber um so lieber mit Thieren verkehrte. Er bekam ein Zimmer für Schlangen, welche er fütterte, pflegte, beobachtete und andichtete; Füchse, Hunde, Tauben, Truthähne und Pfauen waren seine Spielgenossen und treuen Freunde. Ihnen erschloß er sein mildes Herz, während er Menschen gegenüber still, ernst und verschlossen blieb.

Wilhelm von Kaulbach, welcher sich viel mit seinem Sohne abgab, nahm ihn nach Berlin, wo er dem Vater zusah, wie er seine weltberühmten Bilder auf die Wand zauberte. Dabei mag sich in der reizbaren Phantasie des hochbegabten Knaben der Drang nach künstlerischem Gestalten entwickelt haben. In Nürnberg, wo er später das Gymnasium besucht hatte, zeichnete [461] und malte er im Hause seines Schwagers Kreling, des Leiters der Nürnberger Kunstgewerbeschule, ohne methodische Anleitung und nur deshalb, weil er am Nachbilden der Naturformen Vergnügen fand. Poet ist Hermann Kaulbach geblieben, auch als er aufgehört hatte, Verse zu machen. Man sieht es ja in seinen Gemälden, wie er die Poesie der Frauen- und Kinderanmuth zu versinnlichen versteht. Leuchtet doch diese Art von Poesie in sein eigenes Leben hinein. Hermann lernte nämlich, noch jung an Jahren, die ebenso anmuthige wie geistesfrische Tochter eines Nürnberger Künstlers kennen, gestand nicht nur ihr, sondern auch dem Vater seine Liebe, und die Verlobung fand statt.

Hermann Kaulbach wollte ursprünglich Arzt werden und besuchte bereits die Vorlesungen Liebigs, Jollys und anderer Universitätslehrer, als Karl von Piloty einmal die Studienköpfe entdeckte, welche Hermann zum Zeitvertreib zeichnete. Piloty redete nun dem geweckten Jünglinge zu, doch Maler zu werden. Wilhelm von Kaulbach hatte dagegen um so weniger etwas einzuwenden, als sich Piloty, der vortreffliche Kunstlehrer, erbot, den vielversprechenden Schüler in seinem eigenen Atelier zu unterrichten. Hermann verbrachte nun mehrere Lernjahre unter dem wohlthätigen Einflusse Pilotys, welcher dem jungen Künstler besonders seit einer gemeinschaftlich nach Venedig unternommenen Reise in treuer Freundschaft zugethan blieb.

Die Liebe förderte die künstlerische Entwickelung Hermanns. „Früher darfst Du nicht heirathen, bis Du Dein erstes Bild verkauft haben wirst,“ sprach Wilhelm von Kaulbach zu seinem Sohne, und diese Worte beflügelten den Lerneifer des jungen Malers. Das erste Bild Hermanns war ein schlichtes Stillleben, von dessen Verkauf der innigste Zusammenschluß zweier hoffender Herzen abhing. Plötzlich kam ein Käufer, welcher dem jungen Maler vierhundert Gulden für dieses Stillleben ausbezahlen ließ, und jubelnd kam der glückliche Bräutigam nach Hause. Da aber saß still lächelnd der edle Kunstmäcen vor einem Glase Wein und vor dem eben angekauften Bilde Hermanns. „Evviva! liebes Kind!“ rief Meister Wilhelm Kaulbach seinem Sohne entgegen; „wann machst Du Hochzeit?“ Heute hängt das erste Bild Hermanns in dem Arbeitszimmer der geistvollen Gattin des Künstlers und sieht auf das häusliche Glück desselben herab.

„Mädchenblüthe.“
Nach dem Gemälde von Hermann Kaulbach.

Die innigen Herzensbeziehungen Karl v. Pilotys zu seinem Schüler Hermann Kaulbach fanden auch darin ihren Ausdruck, daß Piloty, einen Sohn Hermann Kaulbachs aus der Taufe hebend, seinem Pathenkind gestattete, nach amerikanischer Sitte den Namen Piloty-Kaulbach zu führen. Als Karl v. Piloty vor zwei Jahren das Bild H. Kaulbachs „Die Krönung der heiligen Elisabeth“ (siehe „Gartenlaube“ Jahrg. 1886, S. 708. u. 709) der Vollendung nahe auf der Staffelei gesehen, regte er es an, daß der Schöpfer dieses edlen Bildes zum Ehrenmitgliede der Münchener Akademie der bildenden Künste ernannt wurde. Diese Ernennung erfolgte einstimmig. Piloty war eben ein neidloser und warmherziger Künstler, welchem es immer eine aufrichtige Freude bereitet hatte, die Vorzüge seiner Kunstgenossen rückhaltlos anzuerkennen. – Da Professor Hermann Kaulbach das Glück seiner Jugend dem Umstande verdankte, daß sich seine Anlagen zwanglos entfalten, seine Herzenswünsche frei offenbaren durften, so hat er die Freiheit und persönliches Ungebundensein schätzen gelernt und ist später einer jeden Zwangsstellung im Leben aus dem Wege gegangen. Seine Scheu vor Zwangslagen geht sogar so weit, daß er gegenüber Kunsthändlern und Kunstfreunden, welche ein kaum angefangenes Gemälde von ihm erwerben wollen, abwehrend zu bemerken pflegt, doch lieber zu warten, bis das Bild zu Ende gemalt sein werde. Seinen Drang, als Künstler ungefesselt zu bleiben, findet Hermann Kaulbach in dem von ihm oft wiederholten Sinnspruch Paul Heyses prägnant ausgedrückt:

„Mir ward ein Glück, das ich höher schätzte
Als alles Gold in Perus Ebene:
Ich hatte niemals Vorgesetzte
Und niemals Untergebene!“

Bei Hermann Kaulbach bewährte es sich, daß eine tüchtige Schulbildung die künstlerische Entwickelung fördere. Sein feiner Geschmack ist nicht nur die Folge eifriger, technischer Studien, sondern auch die Konsequenz einer gewählten Lektüre, welche ihm, dem Historienmaler, gestattet, immer neue bedeutsame Stoffe für seine Bilder zu finden. Die technische Befangenheit, welche seinen Erstlingswerken noch anhaftete, wurde immer entschiedener überwunden und sein erstes größeres Bild: „Der sterbende Mozart bei Aufführung seines Requiems“ hat im Jahre 1872 in Wien ebenso eine goldene Ehrenmedaille errungen, wie sein letztes Gemälde „Die Krönung der heiligen Elisabeth“ in der Berliner Jubiläumsausstellung.

Vortheilhaft bekannt sind Hermann Kaulbachs Darstellungen zu den Romanen von Ebers und von Gustav Freytag, und an den [462] Illustrationen zu Rückerts „Liebesfrühling“ kann man die vielseitige Gestaltungskraft des Künstlers erkennen und würdigen. Zwölf Bilder zu deutschen und italienischen Opern erweisen ebenfalls H. Kaulbachs künstlerisch rege und frische Phantasie, welche außerdem in seinen originellen Hofnarrenbildern aufblüht, die leider zu wenig bekannt geworden sind, weil sie – kaum fertig gemalt – von Kunstfreunden erworben wurden. Hoffentlich wird der Künstler diese eigenartigen Bilder in einem Sammelwerke herausgeben. Eines derselben, „Der Herzensvertraute“, hat die „Gartenlaube“ im Jahrgang 1887, Seite 28 wiedergegeben. Das Bild, welches unsere heutige Nummer schmückt, „Mädchenblüthe“, ist, wie wir verrathen wollen, das Porträt seiner Tochter.

Der Entwicklungsprozeß bewegt sich bei Hermann Kaulbach, der jetzt zweiundvierzig Jahre alt ist, noch immer in aufsteigender Linie, denn von Bild zu Bild wächst sein Können und der Werth des von ihm Geschaffenen. Gleichwohl bewahrt sich dieser Historienmaler seine liebenswürdige Bescheidenheit, da er als denkender, strenge Selbstzucht haltender Künstler genau weiß, daß die äußersten Grenzen der Kunst ebenso wie die letzten Grenzlinien des Wissens einem jeden gewissenhaft Strebenden unerreichbar erscheinen.

Dr. Adalbert Svoboda.