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Literaturbriefe an eine Dame/XXVI

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Textdaten
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Autor: Rudolf von Gottschall
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Titel: Literaturbriefe an eine Dame/XXVI
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 450–452
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1881
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Literaturbriefe an eine Dame.

Von Rudolf von Gottschall.
XXVI.


Wenn in Ihr Schloß am Meere, verehrte Freundin, das Echo der literarischen und buchhändlerischen Ereignisse dringt, so werden Sie wohl bereits erfahren haben, daß der letzte Band von Gustav Freytag’s „Ahnen" erschienen ist und wir damit von Ingo und Ingraban die Ahnentafel einer Familie bis zu den Zeitgenossen hinab verfolgt haben. Ich könnte die Gewissensfrage an Sie richten, ob Sie sämmtliche „Ahnen“ kennen gelernt haben, und wenn Sie bei diesem Examen schlecht beständen, so würde es um Ihr Renommée in vielen gesellschaftlichen Salons gethan sein, doch auf Ihrem einsamen Schlosse am baltischen Gestade kümmern Sie sich nicht um den Zwang und das Gesetz der Mode, und wenn Sie auch den Ivo und den Markus König oder irgend einen andern König überschlagen haben sollten: Sie können es vor Ihrem eigenen Gewissen, vor Ihren Freunden und auch vor mir verantworten.

Das aber werden Sie nicht wissen, daß der buchhändlerische Erfolg dieser „Ahnen" einer der seltensten ist, von denen die Annalen des Buchhandels in neuerer Zeit berichten; denn Sie interessiren sich nicht für das, was sich die Leipziger Ostermesse erzählt und was dort am Cantatesonntag neben den Klängen der Musiktribüne und den fünfmalhunderttausend Teufeln der Champagnerflaschen durch die Lüfte schwirrt: in der Plauderei des deutschen Buchhandels spielen die „Ahnen" eine große Rolle, die ihnen nicht einmal von den ägyptischen Prinzessinnen von Ebers streitig gemacht wird. Sie kennen das französische Wort: Rien ne réussit que le succès; dieses Wort ist längst in's Deutsche übersetzt worden und hat sich in der Politik, wie in der Literatur bewährt. Vor dem seltenen Erfolge der „Ahnen" hat ein Theil der Kritik, der früher eine etwas polemische Stellung gegen dieselbe einnahm, die Waffen gestreckt; witzige Recensenten, welche den Freytag'schen Ahnensaal mit sehr modernem Esprit glossirten, haben sich in Genealogen verwandelt, welche darüber lange Abhandlungen mit erläuternden Tabellen schreiben. Immerhin ist es erfreulich, daß dieser Erfolg einem Dichter von Talent zu Theil wird, [451] während im letzten Jahrhundert die Vulpius und nicht die Goethe buchhändlerische Triumphe feierten und auch noch vor wenigen Jahrzehnten die Colportageromane von Retcliffe eine wohl selbst von den „Ahnen“ nicht erreichte Höhe des Absatzes fanden.

Was mein eigenes Urtheil über „Die Ahnen" betrifft, verehrte Freundin, so halte ich das Werk nach wie vor für eine Reihe fein und geschmackvoll ausgeführter Culturbilder. Bei seinen salto mortalis über die Jahrhunderte hinweg kann man ihm den Titel „Roman", den es in Anspruch nimmt, nicht zugestehen; die Verknüpfung der einzelnen Erzählungen wird doch nur durch den lockeren Faden der Familienherkunft bewirkt und außerdem durch die unleugbare Familienähnlichkeit der jugendlichen Helden illustriert. Es sind Hauptepochen. deutscher Entwickelungsgeschichte, in welchen der Autor diese Helden eine Rolle spielen läßt: so in den vier letzten Bänden das Reformationszeitalter, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, die Zopfzeit, unser Jahrhundert bis zur Märzrevolution.

Gustav Freytag ist ein vorzüglicher Genremaler: über den Bereich des Genrebildes gehen alle diese Erzählungen nicht hinaus. Sie werden mich auf die Schlömp'sche Freytag-Gallerie verweisen, auf diese Bilder, in denen ausgezeichnete Künstler in großem Stil auch „Die Ahnen“ illustrirt haben. Gewiß, Ingo und ähnliche Gestalten zeigen hier den Wurf der geschichtlichen Freske, und die geschilderten Ereignisse selbst widersprechen ja solcher Auffassung nicht, doch erst bei der Uebertragung in das Gebiet der malenden Kunst kommt sie zur Geltung, nicht in der Darstellung des Dichters selbst: diese ist durchaus genrebildlich, und nur ganz ausnahmsweise erhebt sie sich mit größerem Zuge und Schwunge über dieses Niveau.

So ist's auch mit den geschichtlichen Persönlichkeiten von Bedeutung, welche in den Rahmen des Cultur- und Genrebildes eintreten; sie müssen den historischen Cothurn draußen lassen. Mit der meisten Vorliebe ist im Grunde der deutsche König Heinrich der Zweite im „Rest der Zaunkönige" geschildert; schon der Hohenstaufenkaiser Friedrich der Zweite tritt nur anfangs als Freigeist der Kirche gegenüber bedeutsam hervor; später verschwindet sein Bild in einem Gewirre culturgeschichtlicher Arabesken In „Markus König" erscheint Luther am Schluß, ohne jede geschichtliche Bedeutung, als Genrebild, aber nicht entfernt von der Lebensfrische des Goethe’schen Bruders Martin: im Grunde als ein langweiliger Nachmittagsprediger. Hier blieb die Erzählung weit hinter dem Essay zurück: denn wie frisch und bedeutend hat Freytag den Luther in seinen culturhistorischen Bildern geschildert! In der Erzählung „Der Freicorporal bei Markgraf Albrecht“ treten sowohl der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm der Erste wie auch der große Friedrich auf, doch nur als episodische Figuren, der letztere in einem bengalisch beleuchteten Schlachttableau am Schluß, und in der letzten Erzählung „Aus einer kleinen Stadt“ fährt Napoleon in einem Schlitten vorüber und der große Kaiser erscheint als der Held einer ganz kleinen Anekdote.

Selbst der Romandichter, geehrte Freundin, darf namhafte geschichtliche Persönlichkeiten nicht in den Mittelpunkt seiner Dichtung stellen, noch weniger der Novellist, und hierzu hat Freytag seinen Tact bewiesen. Nur fehlt ihm die Gabe, mit wenigen Zügen einem Charakter geschichtliche Größe und Bedeutung zu geben; er skizzirt als Genremaler. Hierzu kommt, daß er die Handlung mit Vorliebe in den verlorensten Winkeln der Weltgeschichte spielen läßt; so erläutern uns Begebenheiten und Zustände in Thorn an der Weichsel das Reformationszeitalter, und das vorletzte Jahr des erlöschenden Dreißigjährigen Krieges, das an großen Männern und Ereignissen gleich arm war, soll uns ein Bild dieser Epoche geben.

Die Kupferstichmanier der Freytag’schen Darstellung läßt an Feinheit und Sauberkeit nichts zu wünschen übrig, aber bisweilen wird uns doch dabei kühl bis an’s Herz heran, und die vornehme Kühle geht hier und dort in ertödtende Nüchternheit über. Wenn Freytag’s Muse schalkhaft lächelt, hat sie einen gewinnenden Reiz; einige Blüthen köstlicher Naivetät finden sich zerstreut in diesen Erzählungen, und hier und dort schlägt auch die echte Poesie ihr sanftes Auge auf.

Den Preis unter den einzelnen Erzählungen verdient wohl „Das Rest der Zaunkönige"; die Liebesscenen zwischen Imo und Hildegard sind von besonderer Anmuth: sowohl die Scene in der Halle des Grafen Gerhard, wo die beiden Liebenden ihre lateinischen Studien im Dienste Amor’s verwerthen, wie auch diejenige unter der Sommerlinde auf der Idisburg und die dritte Begegnung der Liebenden im Getümmel des Kampfes. Einzelne Stellen, wie der Streit Imo’s mit seinen Brüdern, haben einen Aufschwung, der sich sonst in dem Cyclus dieser Erzählungen selten wiederfindet. „Ingo“ hat eine gewisse altertümliche markige Färbung; leider aber ist die Erzählung entstellt durch häufige grillenhafte Manierirtheit der Darstellung, durch ein Deutsch, das in Deutschland auch im grauen Alterthum niemals gesprochen worden ist. „Die Brüder vom deutschen Hause“ sind im Ganzen unerquicklich; für die Romantik der Kreuzzüge fehlt der Freytag’schen Muse das rechte Organ, und nirgends mehr als in dieser Erzählung sind die Motive der Hauptbegebenheiten so versteckt unter dem Blätterwerk der genrebildlichen Arabesken wie hier; man muß nachblättern, um den Zusammenhang aufzufinden, und jeder Antheil in der Handlung, jede Spannung ist ein Ding der Unmöglichkeit. „Markus König“ enthält einzelne lebendige Schilderungen, einige drollige Genrebilder, auch ein paar anmuthige Liebescenen. Doch die Handlung verläuft gegen den Schluß hin in’s Breite und fesselt die Theilnahme nicht mehr. Die beiden Erzählungen: „Die Geschwister", sind wohl am flüchtigsten gearbeitet; sie erinnern, trotz der vornehmen Feinheit des Freytag’schen Talentes, an Tromlitz und Blumenhagen. Das Colorit für den Mysticismus und seine Anhängerinnen, für die Hexenprocesse und ähnliche Vorgänge ist lange nicht tiefdunkel genug; es sind trockene „Geschichtsklitterungen“, die keine Stimmung hervorrufen. In die zweite Erzählung ist zwar manche erheiternde Anekdote aus der Zopfzeit verwebt, doch ist auch hier die Mischung des Hochtragischen mit dem Possirlichen einem einheitlichen Gesammteindruck hinderlich.

Der Schlußband der „Ahnen" enthält die Erzählung. „Aus einer kleinen Stadt“, die eigentlich wiederum aus zwei Erzählungen besteht: aus den Lebensläufen des Vaters und dem des Sohnes, welche natürlich beide der Familie König angehören. Der Vater, ein Arzt in einer kleinen schlesischen Stadt, ist ein wackerer Patriot zur Zeit der Franzosenherrschaft; er betheiligt sich an den Kämpfen gegen dieselben sowohl bei den Glätzer Freicorps, wie auch später in den Freiheitskriegen, und erlebt mancherlei Fährnisse und Abenteuer, bis er das geliebte Mädchen heimführt, das aus Dankbarkeit sich einem französischen Office verlobt hatte, durch den sie vor seinen wilden Banden beschützt worden war. Die Schilderungen des Kleinlebens in dem schlesischen Städtchen in Friedens- und Kriegszeiten, der einzelnen Charaktere, wie des jeanpaulisirenden Einnehmers und des munteren Edelfräuleins, sind durchaus ansprechend und bestechen durch ihre ungezwungene Natürlichkeit, und von wahrhaft poetischer Schönheit ist die Beschreibung der nächtlichen Wanderung Henriettens, die ihren Geliebten vor einem Ueberfall durch die Franzosen warnen will.

Der Sohn dieses Doctor König, Victor, führt ein flottes Studentenleben, geräth in Theaterkreise, verliebt sich in eine Schauspielerin, duellirt sich mit einem Nebenbuhler, stürzt sich in den Trubel der Märzrevolution, heirathet ein adeliges Fräulein und wird Journalist von reinem Blut wie Bolz, der Lieblingsheld Freytag's. Man dachte anfangs daran, die Ururenkel Ingo's auf deutschen Thronen zu suchen, und war nicht wenig überrascht, den letzten Sprößling des bärenhäutigen Thüringers auf einem Redactionsbureau zu finden; ja man wollte sogar in seinen Zügen eine gewisse Aehnlichkeit mit der Physiognomie des Redacteurs der „Grenzboten" entdecken und in dem schlesischen Städtchen die gute Stadt Kreuzburg, die Geburtsstadt des Dichters, obschon diese in der Wasserpolakei gelegene Ortschaft von der Aussicht auf das Riesengebirge, die das Städtchen der Erzählung genießt, fast durch die ganze Breite der Provinz Schlesien abgesperrt ist.

Dieser Schlußband hat jedenfalls einen frischeren und wärmeren Ton, als die letzten vorangehenden Bände; auch hat die Handlung eine gewisse novellistische Spannung, wenn sich diese auch auf zwei Novellen vertheilt. Es werden Knoten geschürzt und gelöst, und das ist in vielen früheren Erzählungen nicht der Fall. Auf den „Ahnen", wie auf allen Schöpfungen Freytag's liegt eine sonnenhelle Beleuchtung, das Licht des Optimismus: ein culturgeschichtlicher Novellencyklus muß uns zwar durch manche düstere Epochen führen, und es giebt ja keine Epoche, in welcher Jammer und Noth der Menschen sich nicht sichtbar und vernehmbar gemacht hätten; auch Freytag's Muse schildert uns bei ihrer Wanderung durch die Jahrhunderte viel Peinliches und Schreckliches, aber sie erzählt es nur wie die Theoretik; sie verweilt nicht dabei mit einer sich in diese Schrecknisse [452] vertiefenden Darstellung; sie verschmäht die Rembrandt’sche Beleuchtung: alles Dämonische liegt ihr fern. Die Hexenprocesse, die Hinrichtungen in Thorn und ähnliche tragische oder an das Grauenhafte streifende Vorgänge werden von ihr mit einer Flüchtigkeit geschildert, der man es anmerkt, daß sie mit diesen Nachtseiten der menschlichen Natur und der menschlichen Geschichte so wenig wie möglich zu thun haben will. Gegen dies Alles ist der Freytag’sche Pegasus gleichsam mit einem Scheuleder gewappnet; er gehört nicht zu den Feuerossen eines Aeschylos und Shakespeare, nicht zu den wilden Rappen eines Victor Hugo und Eugene Sue; er geht gelassen und ruhig vor dem culturgeschichtlichen Pfluge einher, mit dem die heimathlichen Gefilde aufgeackert werden.

In der That, es ruht eine taghelle Beleuchtung, ein klarer Sonnenschein auf diesen Freytag’schen cultur-poetischen Schöpfungen. Seine Anhänger werden sagen: es ist die Sonne Homer’s, und Homeride zu sein, auch nur als Letzter, ist schön. Die unbefangene Kritik wird aber in diesem fortwährend nur mit leichten Sommerwölkchen bedeckten Himmel, der sich über den Freytag’schen Schöpfungen ausbreitet, nicht das Empyreum erblicken, in welchem die Feuermusen der großen Dichter wohnen, wie sie auch in dieser Reliefbildnerei der Darstellung den großen Wurf der Plastik vermißt.

Auch in der Charakterzeichnung ist lauter Licht und Sonnenschein; nur einige Frauencharaktere haben einen leisen dämonischen Zug, so die Gisela in „Ingo“, die trotz ihres altdeutschen Costüms und ihrer manierirten Ausdrucksweise als eine sich unbefriedigt fühlende Gattin an die Heldinnen neufranzösischer Romane erinnert, vor Allem aber an Georgine im „Grafen Waldemar“. Auch Hedwig in den „Brüdern vom deutschen Hause“ gemahnt uns wie eine skizzirte Nachzeichnung dieses Vorbildes; denn gerade bei derartigen Gestalten geht Freytag’s Darstellung nicht über die Skizze hinaus. In der Haltung sehr delicat, haben die Freytag’schen Frauen doch in ihrem Wesen immer etwas leidlich Emancipirtes, wie ja auch jene Adelheid in den „Journalisten“. Natürlich ist alles Makart’sche Colorit der keuschen Muse Freytag’s ein Gräuel, aber sie versteht sich doch zu Andeutungen, welche die Phantasie zu selbstthätiger Ausmalung erotischer Situationen anregen: wir erinnern nur an Hedwig, welche den Wappenmantel, dieses aus den Trophäen zahlreicher Turnierzüge zusammengesetzte Palladium der Liebe, vor dem Geliebten ausbreitet; wir erinnern an Anna, welche die Himmelsleiter zum Geliebten herabsteigt. Und diese Anna gehört nicht zu den Varietäten der Georginensorte, sondern zu den normalen deutschen Mädchen und Frauen, wie Irmgard, Hildegard, Friderun, Henriette, die oft mit frischer Naivetät geschildert, oft aber auch mit einer etwas süßlichen Glorie im Stil des Carlo Dolce oder noch älterer Goldgrundbilder verziert sind. Diese deutschen Jungfrauen sind zart, sittig, keusch, naiv, holdselig, von inniger Empfindung und gelegentlich zu heldenhaftem Entschlusse fähig, aber sie sehen sich überaus ähnlich. Der Dichter hat im Grunde nur eine Probirmamsell, der die verschiedensten culturhistorischen Garderoben umgeworfen oder übergehangen werden. Junge Mädchen haben indeß niemals eine sehr ausgeprägte Physiognomie, die ingénues der neueren französischen Komödie und ihrer deutschen Nachahmer sehen sich zum Verwechseln ähnlich, und so darf uns auch diese Aehnlichkeit bei den deutschen Jungfrauen verschiedener Jahrhunderte nicht Wunder nehmen.

Doch auch die Jünglinge haben den gleichen Schnitt der Physiognomie und der Charaktere: sowohl die ritterlichen Ingo, Ingraban, Imo, Ivo, wie die bürgerlichen Könige von Markus und Georg bis zu Ernst und Victor, sie sind alle wacker und tapfer, frisch und edel und – wenn man von kleinen Irrthümern des Herzens und einigen kleinen Excessen eines zu hitzigen Temperaments absieht – tadellos in ihrem Benehmen; es giebt keine ungerathenen, keine verlorenen Söhne unter ihnen; sie sind alle, um mit dem Dichter zu sprechen, behende Knaben, die auf dem Turnplatz der deutschen Geschichte an Reck und Barren, im Voltigiren und Freispringen ihre Tapferkeit und Muskelkraft bewähren.

Sie werden, verehrte Freundin, wenn Sie gelegentlich einen „Ahnen“ zur Hand nehmen, sich an der vornehmen Feinheit und Knappheit des Freytag’schen Stils, an der classischen Ciselirung des Details, an dem poetischen Hauch, der über einzelnen Situationen schwebt, gewiß erfreuen und dem Dichter gern einräumen, was ihm zukommt: die Meisterschaft der Genremalerei. Freytag wird nie Ihr Lieblingsdichter werden, ich weiß es; Sie lieben das Feurige und Leidenschaftliche, das Tiefsinnige und Bedeutende, den großen Stil der Darstellung, die Schärfe der Charakteristik, die einheitliche und spannende Composition, doch wenn Sie auch die Vorliebe unseres Publicums für das Genrehafte nicht theilen, so wissen Sie doch auch einen ansprechenden Bildersaal zur Culturgeschichte unseres Volkes zu würdigen.