MKL1888:Meer

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Meyers Konversations-Lexikon
4. Auflage
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Band 11 (1888), Seite 411419
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Meer. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Leipzig 1885–1890, Band 11, Seite 411–419. Digitale Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/wiki/MKL1888:Meer (Version vom 01.02.2023)

[411] Meer (Weltmeer, Ozean, hierzu die Karte „Meeresströmungen etc.“), die ganze zusammenhängende Wassermasse, welche den größten Teil der Erdoberfläche bedeckt. Man teilt dasselbe ein in fünf Ozeane, nämlich: 1) das Südliche Eismeer südlich vom südlichen Polarkreis, 2) das Nördliche Eismeer nördlich vom nördlichen Polarkreis, 3) den Atlantischen Ozean zwischen dem Meridian des Kaps der Guten Hoffnung und dem des Kap Horn, 4) den Stillen Ozean zwischen dem Meridian des Kap Horn und dem des Kap Leeuwin, 5) den Indischen Ozean zwischen den Meridianen von Kap Leeuwin und Kap der Guten Hoffnung. Diese Einteilung ist nach dem Vorgang der Londoner Geographischen Gesellschaft (1845) immer allgemeiner angenommen und für Seekarten und ozeanographische Publikationen offiziell eingeführt. Nach vorläufigen Berechnungen kann das Areal der Meeresfläche zu 6,793,000 QM. angenommen werden. Da das Gesamtareal der Erdoberfläche 9,261,000 QM. beträgt, so ist das Flächenverhältnis von M. zu Land etwa 2,76 : 1. Noch auffallender gestaltet sich der Gegensatz zwischen M. und Festland, wenn man auch die größte und die mittlere Tiefe der größten und der mittlern Höhe gegenüberstellt. Während nämlich die größte Tiefe 8513 m der größten Höhe 8840 m nahezu gleichkommt, beträgt die mittlere Tiefe 3320 m, die mittlere Höhe vielleicht 440 m. So ungenau die beiden letztern Zahlen auch noch sind, so geben sie doch ein anschauliches Bild für die Gegensätze in den räumlichen Verhältnissen des Meers und der Kontinente. Dieselben Kräfte, welche durch Abschwemmung die Umrisse der höchsten Erhebungen schärfer und rauher gestalten, ebnen die Meerestiefen immer mehr und gestalten das Becken des Weltmeers zur Tiefebene, aus welcher die Kontinente als gewaltige Plateaugebirge emporsteigen.

Die Meerestiefen sind erst seit wenigen Jahrzehnten zum Gegenstand erfolgreicher Forschungen gemacht. Im J. 1838 betrug die größte bekannte Tiefe 2200 m. Die großen Tiefen, welche man kurz nachher fand, haben sich in neuerer Zeit als irrig erwiesen. Erst als das praktische Bedürfnis sich geltend machte und für Legung transozeanischer Telegraphenleitungen die Untersuchung des Meeresgrundes erforderlich wurde, bildete sich die Technik auf diesem Gebiet aus (s. Tiefenmessung). Über die Tiefenverhältnisse findet man bei den einzelnen Ozeanen Spezielleres angeführt. Die größten Tiefen, welche man bis zum Jahr 1887 zuverlässig festgestellt hat, enthält folgende Tabelle:

Übersicht der größten Meerestiefen.
Meeresteil Ort der Lotung Größte Tiefe
Meter
Gefunden
Breite Länge von im Jahr
Nordatlantischer Ozean 19° 39′ Nord 66° 26′ West 8341 Brownson 1883
Südatlantischer Ozean 19° 55′ Süd 24° 20′ West 6006 Schley 1878
Nordsee bei Nörstrand (Norwegen) 0687 Hoffmann 1872
Ostsee nordwestlich von Gotland 0325 Hoffmann 1871
Mittelländisches Meer 35° 5′ Nord 18° 8′ Ost 3968 Spratt 1865
Golf von Mexiko 25° 8′ Nord 87° 18′ West 3875 Sigsbee 1878
Karibisches Meer 20 Seemeilen südl. von Grand Cayman 6270 Bartlett 1880
Nördlicher Stiller Ozean 44° 55′ Nord 152° 26′ Ost 8513 Belknap 1874
Südlicher Stiller Ozean 11° 51′ Süd 78° 54′ West 6160 Belknap 1881
Chinasee 17° 54′ Nord 117° 14′ Ost 3840 Thomson 1875
Zwischen Japan u. Admiralitätsinseln 11° 24′ Nord 143° 16′ Ost 8367 Thomson 1875
Sulu- oder Mindorosee 8° 32′ Nord 121° 55′ Ost 4663 Nares 1874
Celebessee 5° 42′ Nord 123° 34′ Ost 4755 Nares 1874
Bandasee 5° 24′ Süd 130° 37′ Ost 5120 Nares 1874
Melanesien oder Korallensee 16° 47′ Süd 165° 20′ Ost 4850 Nares 1874
Indischer Ozean 16° 11′ Süd 117° 32′ Ost 5523 v. Schleinitz 1875
Nördliches Polarmeer 78° 5′ Nord 2° 30′ West 4846 v. Otter 1868

[Der Meeresboden.] Die Grundbeschaffenheit der Ozeane ist abhängig von der Nähe des Landes einerseits und von der Meerestiefe anderseits. In Entfernungen bis zu 150 Seemeilen von der Küste und in mäßigen Tiefen (im Atlantischen Ozean bis etwa 750 m) kann man Festland-Abschwemmungen als charakteristische Beschaffenheit des Grundes annehmen. Außerhalb dieser Küstenzone herrschen die organischen Reste in dem Tiefseeschlamm vor. Am weitesten über alle Meere verbreitet und den Boden des größten Teils des Nordatlantischen Ozeans bedeckend ist der Globigerinenschlamm, ein Kalkschlamm, welcher aus den kalkigen Resten vieler Foraminiferen (Wurzelfüßer) besteht, unter denen die Globigerinen die zahlreichsten sind. Seiner Zusammensetzung nach läßt sich der Globigerinenschlamm oft nicht von der Kreide unterscheiden, und man nimmt an, daß sich die letztere unter ähnlichen Bedingungen gebildet hat. Die Foraminiferen leben in der Nähe der Meeresoberfläche in großer Menge, ihre zarten Reste sinken nach dem Absterben äußerst langsam in die Tiefe hinab. Auf dem Weg dahin wird der kohlensaure Kalk durch die freie Kohlensäure im M. angegriffen und mehr und mehr aufgelöst. So erklärt es sich, daß in größern Tiefen immer weniger Kalkschlamm zum Niederschlag gelangt und derselbe in Tiefen über 3700 m aufhört, einen wesentlichen Bestandteil des Tiefseeschlammes zu bilden. In größern Tiefen herrschen roter Thon und vulkanischer Detritus vor, ersterer vermutlich aus unlöslichem Rückstand der organischen Reste und feinstem von Winden und Strömungen über die Meeresfläche verteilten unorganischen Staub herrührend, letzterer das Produkt von Eruptionen, welche in der Nähe der Küste oder unterseeisch stattgehabt haben. Außer diesen drei Hauptklassen der Grundbeschaffenheit sind noch die organischen Ablagerungen des Diatomeen- und Radiolarienschlammes zu erwähnen, welche aus Kieselzellen und -Schalen bestehen, die, schwerer zersetzlich als Kalk, in größere Tiefen gelangen. Wegen ihrer geringern Verbreitung sind indessen nur beschränkte Gebiete des Meeresbodens durch ihr Vorherrschen charakterisiert.

[Meerwasser.] Die Frage nach dem Ursprung des Salzgehalts des Meers ist hier nur so weit zu berühren, als die Aufrechterhaltung der bestehenden Zusammensetzung

[Ξ]

MEERES-STRÖMUNGEN UND NEUERE TIEFLOTHUNGEN.
Aequatorial-Maßstab = 1 : 100.000.000

[412] darunter verstanden wird. Die Flüsse führen dem M. die Salze in etwa folgender Zusammensetzung zu: Carbonate 80, Sulfate 13, Chloride 7. Das Salz des Meers dagegen enthält sehr konstant: Carbonate 0,21, Sulfate 10,34, Chloride 89,45. Man nimmt an, daß im Meerwasser befindliche von Fäulnisprozessen herrührende Schwefelsäure den zugeführten kohlensauren Kalk in schwefelsauren Kalk (Gips) verwandelt, aus welchem durch organische Prozesse wieder der kohlensaure Kalk der Schalen und Skelette der Seetiere hervorgeht. Das Meerwasser enthält nach Forchhammer 27 Elemente gelöst, zu denen später noch mehrere gefunden sind. Wahrscheinlich sind alle Stoffe vertreten. Die meisten dieser Elemente sind nur in kleinen Mengen in Seepflanzen oder in dem Kesselstein der Dampfschiffe gefunden worden.

In größerer Menge finden sich die Hauptbestandteile des Seesalzes: Chlor, Schwefelsäure, Kalk, Magnesia und Natron, welche untereinander und zum Gesamtsalzgehalt überall im Weltmeer in merkwürdig gleichbleibendem Mischungsverhältnis angetroffen sind. Der Salzgehalt wiederum steht zu dem spezifischen Gewicht des Meerwassers in sehr konstantem Verhältnis, sobald man das letztere auf eine bestimmte Temperatur bezieht. Diese Verhältnisse geben zwei einfache Methoden an die Hand, den Salzgehalt des Seewassers zu bestimmen: eine chemische und eine physikalische. Bei der erstern bestimmt man den Salzgehalt aus der Menge des Chlors, welche aus einem gewissen Quantum Seewasser mit Hilfe einer Silberlösung niedergeschlagen werden kann (Titriermethode). Der sehr konstante Koeffizient SalzgehaltChlorgehalt (1,81) ergibt dann ohne weiteres das Resultat. Bei der zweiten Methode bestimmt man das spezifische Gewicht des Seewassers mittels eines Aräometers, reduziert dasselbe auf eine konventionelle Temperatur (gewöhnlich 17,5° C.) und hat dann den Koeffizienten Salzmengespezifisches Gewicht −1 (131,9) anzuwenden. Folgende Tabelle enthält für verschiedene Meeresgebiete den Salzgehalt für 1000 Teile Seewasser und das Mischungsverhältnis der Hauptbestandteile auf Chlor = 100 berechnet sowie den sich daraus ergebenden Chlorkoeffizienten und das spezifische Gewicht reduziert auf 17,5° C. (nach den Untersuchungen Forchhammers):

  Salz­gehalt Schwefel­säure Kalk Mag­nesia Chlor­koeffi­zient Spezi­fisches Gewicht
01) Atlantischer Ozean, 0–30° nördl. Br. 36,253 11,75 2,98 11,11 1,810 1,0277
02) 30° nördl. Br. bis Nordspitz-Schottland-Neufundland 35,932 12,05 3,07 11,10 1,812 1,0274
03) Nördlich davon 35,391 11,80 2,97 11,03 1,808 1,0270
04) Baffinsbai und Davisstraße 33,281 12,01 2,77 11,23 1,811 1,0254
05) Nordsee und Skagerrak 32,823 12,09 2,86 11,25 1,816 1,0258
06) Kattegat und Sund 16,230 11,94 3,29 10,86 1,814 1,0124
07) Ostsee 4,931 12,73 3,64 11,94 1,835 1,0038
08) Schwarzes Meer 18,146 11,71 4,22 12,64 1,821 1,0138
09) Mittelmeer (Kreta) 37,936 11,82 3,08 10,90 1,816 1,0289
10) Straße von Gibraltar 36,391 11,42 2,82 10,12 1,805 1,0278
11) Atlantischer Ozean, 0–30° südl. Br. 36,553 12,03 2,91 10,96 1,814 1,0279
12) 30° südl. Br. bis Kap Horn und Kap der Guten Hoffnung 35,038 11,94 2,87 10,15 1,809 1,0267
13) Indischer Ozean 33,868 12,04 2,98 11,01 1,814 1,0259
14) Nördlicher Stiller Ozean 35,219 11,67 2,93 11,06 1,807 1,0269
15) Südpolarregion 28,565 11,65 3,16 10,99 1,814 1,0218

Aus der sich hieraus ergebenden gleichmäßigen Zusammensetzung der gelösten Substanzen im M. muß man auf eine fortwährend vor sich gehende innige Durchmischung des Meerwassers schließen. Der Salzgehalt wird vermehrt durch Verdunstung und Eisbildung, vermindert durch Niederschläge und Eisschmelze und lokal durch Süßwasserzuflüsse. Infolgedessen ist die horizontale Verteilung des Salzgehalts am Boden sehr gleichmäßig, an der Oberfläche schwankend. Im allgemeinen findet sich die größte Salzmenge an der Oberfläche, abnehmend bis 1500–1800 m, dann sehr langsam nach unten hin zunehmend, aber am Boden nicht den Betrag der Oberfläche erreichend. Wegen der dort herrschenden niedrigen Temperatur bleibt das Wasser unten natürlich immer absolut am schwersten. Abgesehen von den geschlossenen Meeresteilen, findet sich das salzigste Oberflächenwasser in den Gebieten trockner Winde, den Passaten, im Gegensatz zu den Regionen der äquatorialen Regen und der feuchten Monsune; doch ist die Verteilung nicht durchaus hiernach geordnet. Besonders hervorzuheben ist das ausgedehnte Gebiet schweren Wassers im Nordatlantischen Ozean, herrührend von den aus den salzigen Binnenmeeren (Karibisches M., Mittelländisches M.) austretenden Strömungen (dem Golfstrom und dem Unterstrom der Straße von Gibraltar). Für den nördlichen Stillen Ozean bringen die Strömungen aus dem niederschlagreichen Monsungebiet umgekehrt Verdünnung, so daß sich beispielsweise beobachten ließ im Nordatlantischen Ozean in 26°21′ nördl. Br. und 33°37′ westl. L. spez. Gew. 1,0272, im nördlichen Stillen Ozean in 30°22′ nördl. Br. und 154°56′ westl. L. spez. Gew. 1,0255. Die im Seewasser enthaltene Luft ist anders zusammengesetzt als die Luft der Atmosphäre, weil Sauerstoff und Stickstoff in verschiedener Menge absorbiert werden. Die Atmosphäre enthält 20,9 Sauerstoff, 79,1 Stickstoff, die Luft im Seewasser dagegen 34,9 Sauerstoff und 65,1 Stickstoff. Warmes Seewasser enthält weniger Luft als kaltes. Es werden absorbiert (nach Tornöe[WS 1]) Stickstoff , Sauerstoff . Erfahrungsmäßig findet sich das Seewasser mit Stickstoff sehr vollständig gesättigt, dagegen zeigt sich namentlich in der Tiefe Mangel an Sauerstoff, welcher durch Oxydation und Tierleben beständig verbraucht wird. Je länger das Wasser in der Tiefe, desto ärmer ist es an Sauerstoff. Armut an Stickstoff dagegen deutet darauf hin, daß solches Wasser in warmen Gegenden mit der Oberfläche kommuniziert hat. Die Analyse der im Tiefenwasser enthaltenen Luft bietet dadurch ein Mittel, auf die unterseeische Zirkulation zu schließen. Das Meerwasser ist viel reicher an Kohlensäure als süßes Wasser (1 Lit. Nordseewasser enthält 50 ccm Kohlensäure). Der Kohlensäuregehalt nimmt mit der Tiefe zu, er steigt und fällt mit der Salzmenge. Die speziellen Untersuchungen auf diesem Gebiet lassen noch keine allgemein gültigen Resultate angeben.

[413] Die physikalischen Eigenschaften des Meerwassers sind besonders in Bezug auf Gefrierpunkt und Maximum der Dichtigkeit von denen des chemisch reinen Wassers ganz abweichend, wie folgende Zusammenstellung ergibt:

Wasser, dessen Salz­gehalt beträgt gefriert bei erreicht sein Dichtig­keits­maximum bei
0 Proz.  0° C. +4° C.
1    −0,7°    +1,6°   
2    −1,4°    −0,8°   
3    −2,1°    −3,5°   
4    −2,6°    −6,1°   

Die größte Dichtigkeit des Seewassers liegt also im allgemeinen immer unter dem Gefrierpunkt. Während daher ein Süßwassersee, sobald er bis zum Grund auf +4° abgekühlt ist, bei einer Lufttemperatur unter Null sehr bald an der Oberfläche gefrieren kann, dauert der vertikale Wasseraustausch des sich abkühlenden Seewassers unter dem Einfluß der Winterkälte so lange fort, bis die ganze Wassermasse auf den tief herabgedrückten Gefrierpunkt abgekühlt ist. Erst dann bildet sich unter Abscheidung des Salzes eine Eisdecke (s. Polareis). Die Polarmeere bilden daher unter der Eisdecke mächtige Ansammlungen eiskalten, bis auf −2° und darunter abgekühlten Wassers, ein Umstand, der für die Wasserzirkulation über das ganze Weltmeer entscheidend wirkt.

[Meerestemperatur.] Die Meerestemperatur an der Oberfläche ist wesentlich abhängig von der Temperatur der Luft und folgt den Schwankungen derselben, wenngleich unter beträchtlicher Abstumpfung der Extreme. In den mittlern Breiten beträgt die jährliche Schwankung im Atlantischen Ozean durchschnittlich 5° C., in abgeschlossenen Meeresteilen kann sie viel beträchtlicher werden, z. B. im Skagerrak 17° C. Die Oberflächenströmungen sind für die Verteilung der Temperatur von besonderer Bedeutung, daher die Temperatur im Nordatlantischen Ozean im Mittel 2–3° höher ist als im Südatlantischen und die Temperaturen gleicher Breiten im nördlichen und südlichen Stillen Ozean einander etwa gleich sind und zwischen dem des Atlantischen Ozeans liegen. Die Äquatorgegenden haben im Durchschnitt 28°. Die höchste in offener See gemessene Meerestemperatur ist bei Aden vor dem Roten M. zu 34,5° C. beobachtet.

Die Meerestemperatur in der Tiefe ist erst in den letzten Dezennien so zuverlässig bestimmt worden, daß man einen Überblick über die Temperaturverteilung am Meeresboden und in den mittlern Wasserschichten hat gewinnen können. Für diese Messungen sind besonders konstruierte, gegen hohen Druck geschützte Thermometer erforderlich. Als Resultat der Temperaturbeobachtungen in der Tiefe ergibt sich allgemein das Vorhandensein einer außerordentlich mächtigen Kaltwasserschicht, deren Temperatur dem Gefrierpunkt naheliegt. Fig. 1 gibt ein Beispiel für die Temperaturverteilung im tiefen Ozean. Im Stillen Ozean, wo die Begrenzungsflächen der Wasserschichten gleicher Temperatur zwischen 35° nördl. und 35° südl. Br. sehr gleichmäßig verlaufen, liegt die Fläche von 2,5° C. in etwa 1550 m Tiefe, und die mittlere Tiefe zwischen diesen Breiten beträgt etwa 3500 m. Eine Wasserschicht von 2000 m Mächtigkeit ist also durchweg kälter als 2,5° C. Nimmt man aber die Fläche von 5° als obere Grenzfläche des kalten Wassers an, so erhält man für dasselbe Gebiet eine kalte Schicht von nahezu 2700 m Mächtigkeit. Im nördlichen Teil des Stillen Ozeans findet sich schon in 100 m Tiefe Wasser von einer Temperatur unter 1° C., wie folgende Temperaturreihe zeigt, welche

Fig. 1. Tieflotungen und Temperaturverteilung (in Celsiusgraden) im Atlantischen Ozean: I. von den Kapverdischen Inseln über Monrovia bis Ascension (Länge und Tiefe 600 : 1); II. von da bis nahe an die Congomündung (500 : 1). Nach Messungen der Gazelle im Juli und August 1874.

[414] von der amerikanischen Korvette Tuscarora in 48°21′ nördl. Br. und 155°25′ östl. L. am 5. Juli 1874 gemessen wurde. Oberfläche: 6,6°, 91 m Tiefe 0,4°, 183 m Tiefe 0,3°, 366 m Tiefe 0,7°, am Boden in 3500 m Tiefe −0,4° C. Im Atlantischen Ozean zeigt die Grenzfläche der kalten Schicht eine deutliche Neigung von S. nach N. Der Challenger fand die 3° Temperaturfläche zwischen den Falklandinseln und Tristan d’Acunha in 1000 m, zwischen Salvador und dem Kap der Guten Hoffnung in 1100 m, auf dem Äquator in 1800–2000 m, zwischen Bermudas und Madeira nahe ebenso in 1800–2200 m.

Die Temperaturverhältnisse am Grund lassen folgende Zusammenstellung der in den verschiedenen Meeresteilen gefundenen niedrigsten Bodentemperaturen erkennen:

  Östlicher Teil: Mittlerer Teil: Westlicher Teil:
niedrigste Temperatur °C. Tiefe
Meter
niedrigste Temperatur °C. Tiefe
Meter
niedrigste Temperatur °C. Tiefe
Meter
Nördlicher Atlantischer Ozean 1,6¹ 4526 0,9² 4160 0,8 3482
Südlicher Atlantischer Ozean 0,5 4252 0,4³ 5170 −0,6 4892
Nördlicher Stiller Ozean 0,3 3948 0,3 4636 −0,4 3509
Südlicher Stiller Ozean 0,7 4151 0,5 5303 0,6 4755
Indischer Ozean −0,6 3566 0,7 4618 1,4 3475
¹ In 2°52′ nördl. Br.  ² In 0°9′ nördl. Br.  ³ In 2°42′ südl. Br.  ⁴ In 26°22′ nördl. Br.  ⁵ In 25°5′ südl. Br.

Nicht minder auffallend wie die Temperaturen dieser Kaltwasserschicht ist die Verbreitung der darüber liegenden wärmern Wasserbedeckung. Im Atlantischen Ozean findet man in unmittelbarer Nähe und nördlich vom Äquator erstaunliche Temperaturabnahmen in den obern 100–200 m. So fand der Challenger in 12°15′ nördl. Br., 22°28′ westl. L.

Oberfläche 25 Faden 50 Faden 75 Faden 100 Faden
25,9° 15,7° 12,3° 11,8° 10,8°
200 Faden 300 Faden 400 Faden 500 Faden
9,3° 7,8° 6,2° 5,0°

Im nördlichen Atlantischen Ozean zwischen 30 und 40° nördl. Br. dagegen ist die größte Ansammlung warmen Wassers vorhanden, welche überhaupt im offenen Ozean angetroffen wird. Bis zu 600 m Tiefe findet man hier noch warmes Wasser von 15° und darüber. Dieses Reservoir warmen Wassers bildet die so überaus wirksame Wärmequelle für das gemäßigte Klima Westeuropas bis nach Spitzbergen hinauf und wird von warmen Oberflächenströmen gespeist. Die Ursache der geschilderten Temperaturverteilung in den Ozeanen muß in den oben berührten Dichtigkeitsverhältnissen gesucht werden, welchen zufolge das von oben her abgekühlte Wasser stets in die Tiefe sinkt, während das von oben her erwärmte Wasser sich an der Oberfläche ausdehnt. Das kalte Wasser wird infolgedessen in der Tiefe auch einen seitlichen Druck ausüben und sich in der ganzen Ausdehnung des Meeresbeckens über den Boden hin auszubreiten streben. Ist dann eine solche Anordnung der kalten Wasserschichten erreicht, wie sie thatsächlich angetroffen wird, so ist ein äußerst langsames Zudrängen des polaren Wassers am Boden hinreichend, um diesen Zustand aufrecht zu erhalten und einer Erwärmung der tiefen Schichten in der heißen Zone von oben her das Gleichgewicht zu halten. Von der Annahme kalter Strömungen von meßbarer Geschwindigkeit in der Tiefe ist also ganz abzusehen. Das Zudrängen des polaren Wassers nach dem Äquator hin verrät sich aber dadurch, daß überall da die kältesten Bodentemperaturen angetroffen werden, wo in der Tiefe die freieste Kommunikation mit den Eismeeren vorhanden ist. Besonders deutlich zeigt sich dies an dem westlichen tiefen Teil des Südatlantischen Ozeans, wo sich Tiefentemperaturen unter 0° bis zum Äquator hin finden. Ebenso deutet das Emporsteigen der kalten Schichten im nördlichen Teil des Indischen Ozeans und des Stillen Ozeans auf ein Nachdrängen kalten Wassers von Süden her in das gegen Norden abgeschlossene Becken hinein. Da auch der Atlantische Ozean gegen das Nördliche Eismeer durch ein unterseeisches Plateau (von Grönland nach England verlaufend) abgeschlossen ist, so lassen sich alle drei Ozeane in Bezug auf ihre thermalen Verhältnisse als große Meerbusen des antarktischen Wassergebiets betrachten. Vgl. Polareis.

Die Temperaturverteilung in Binnenmeeren, welche bis zu einer gewissen Tiefe gegen den offenen Ozean abgesperrt sind, bietet den klarsten Beleg für den polaren Ursprung der niedrigen Bodentemperaturen. In solchen abgeschlossenen Becken übersteigt die Temperaturerniedrigung nämlich in keinem Fall diejenige, welche der Tiefenschicht auf der absperrenden Bodenerhebung zukommt. Nur wenn die Winterkälte des Ortes niedriger ist als die Temperatur dieser Schicht, kann die Temperatur noch um diese Differenz erniedrigt werden. Solche Verhältnisse werden beobachtet im Mittelmeer, welches nur bis 350 m Tiefe mit dem Atlantischen Ozean in Verbindung steht, welcher Tiefe eine Temperatur von 14° C. im Atlantischen Ozean zukommt. Die Temperatur in den größten Tiefen des Mittelmeers entspricht daher der Wintertemperatur der Luft (12,8–13,6°). Im Karibischen M. und im Mexikanischen Meerbusen sinkt ebenso die Bodentemperatur nirgends unter 4,4°, entsprechend der Tiefe auf dem absperrenden submarinen Rücken von 1500 m, während außerhalb dieses Rückens die Bodentemperatur noch um mehrere Grad sinkt. Umgekehrt hat diese Erfahrung aus den beobachteten Tiefentemperaturen auf eine nicht direkt ausgelotete absperrende Bodenerhebung zu schließen gestattet, so für die Sulusee (s. Fig. 2), welche von 740 m bis zum Grund in 4700 m eine konstante Temperatur von 10–10,3° aufweist. Die Differenzen der Temperaturminima in den verschiedenen Teilen des Südatlantischen Ozeans (s. die Tabelle oben) u. a. sind ebenfalls auf solche submarine Bodenerhebungen zurückzuführen.

[Meeresströmungen.] Ganz anders als die Wasserzirkulation in der Tiefe gestaltet sich die des Oberflächenwassers. In allen Ozeanen (vgl. die Karte) beobachtet man eine äquatoriale Strömung in der Richtung von O. nach W., welche sich im W., der Konfiguration der Küsten entsprechend, nach N. oder S. weiter verfolgen läßt (Nordatlantischer Ozean: Golfstrom, Südatlantischer Ozean: Brasilischer Strom, Stiller Ozean: Kurosiwo, Indischer Ozean: Agulhasstrom). Die primäre Ursache dieser Strömungen ist in den Passatwinden zu suchen. Diese beständig nach dem Äquator zu gerichteten und nach W. abgelenkten Luftströmungen treiben die zu Wellen aufgeregte Oberflächenschicht in westlicher Richtung fort, und vermöge [415] der innern Reibung der Flüssigkeit teilt sich dieser Bewegungsimpuls nach der Tiefe hin mit. Wie in neuerer Zeit Zöppritz nachgewiesen hat, ist dieser Fortpflanzung der Bewegung nach der Tiefe hin keine Grenze gesetzt, und wenn der Wind nur lange genug anhält, so gerät allmählich die ganze Wassermasse in Bewegung, bis ein stationärer Zustand erreicht ist, bei welchem von der Oberfläche nach der Tiefe eine stetige Geschwindigkeitsabnahme bis zum Ruhezustand am Grund besteht. Freilich sind ungeheure Zeiträume erforderlich, um eine tiefe Wasserschicht in einen solchen Bewegungszustand zu versetzen, in 100 m Tiefe würde erst in 239 Jahren die halbe Oberflächengeschwindigkeit erreicht sein, und 200,000 Jahre stetig wehenden Passats wären erforderlich, um einen 4000 m tiefen Ozean in den stationären Bewegungszustand

Fig. 2. Temperaturverteilung in dem unterseeisch abgeschlossenen Meeresbecken der Sulusee. (Messungen des Challenger Okt. 1874.)

zu versetzen. Aber ebenso langsam, wie die Bewegung eindringt, wird sie auch abgegeben; zeitweilige Windänderung beeinflußt nur die oberste Schicht, und die mittlere Windrichtung bestimmt die allgemeine Wasserbewegung in dem betreffenden Meeresgebiet. So finden wir im Bereich der Passatwinde die regelmäßigsten Strömungen nach W. gerichtet, im Bereich der vorherrschenden Westwinde schwächere Ostströmungen (man bezeichnet Strömungen allgemein nach der Richtung, nach der sie hinströmen). Im Bereich der Monsune, also der halbjährlich ihre Richtung wechselnden Winde, aber beobachtet man in Übereinstimmung mit der Windtheorie im allgemeinen alternierende Strömungen. Wo die Strömungen die Küste treffen, verzweigen sie sich, dem Lauf der Küste folgend, und wo zwei einander entgegengerichtete Küstenströme sich treffen, vereinigen sie sich zu einem von der Küste fortfließenden Strom. Von Bedeutung für die Theorie der Meeresströmungen ist ferner der Einfluß der Erdrotation. Dieser Einfluß äußert sich in einer Ablenkung des Stroms nach rechts auf der nördlichen, nach links auf der südlichen Halbkugel, sobald die direkte Erregungsursache zurücktritt. In hohen Breiten nimmt der Einfluß der Erdrotation zu und gibt sich deutlich daran zu erkennen, daß Strömungen, welche das Land zur Rechten (auf der nördlichen Halbkugel) haben, sich an die Küste dicht anlehnen, während umgekehrt diejenigen, welche das Land zur Linken haben, von demselben abschwenken. Dem entsprechend findet man in hohen Breiten (über ca. 40°) an den Westküsten warme, an den Ostküsten kalte Strömungen, während in niedern Breiten unter dem Einfluß der Passate und der Westwinde und dem Gesetz der Stromverzweigung entsprechend an den Westküsten kalte, dagegen an den Ostküsten warme Strömungen angetroffen werden. Diese Verhältnisse machen die Meeresströmungen zu einem wichtigen Faktor bei den klimatischen Verhältnissen der Kontinente. Über die Einzelheiten betreffs des Verlaufs der Meeresströmungen vgl. die einzelnen Ozeane.

Während so der große Kreislauf der ozeanischen Strömungen sich auf gemeinsame Ursachen zurückführen läßt, müssen für die Erklärung von Strömungen in begrenzten Meeresbecken noch andre Verhältnisse in Betracht gezogen werden. Zuweilen ist es der Unterschied im spezifischen Gewicht, welcher einen lebhaften Wasseraustausch zwischen dem Ozean und den Binnenmeeren zur Folge haben kann. Über einem Unterstrom dichtern Wassers findet sich dann ein entgegengerichteter Oberstrom leichtern Wassers von geringerm Salzgehalt. So fließt das stark verdünnte Ostseewasser an der Oberfläche aus über einem eingehenden salzhaltigern Unterstrom. Beim Mittelmeer dagegen wird ein starker eingehender Oberflächenstrom in der Straße von Gibraltar bemerklich, und ebenso ist dort ein salzhaltigerer Unterstrom in entgegengesetzter Richtung nachgewiesen.

Die Geschwindigkeit der Meeresströmungen im offenen Ozean übersteigt kaum jemals 80 Seemeilen in 24 Stunden (1,7 m in der Sekunde), erreicht also nicht die mittlere Geschwindigkeit des Rheins bei Koblenz (1,9 m pro Sek.) oder der Donau bei Wien (1,8 m pro Sek.). In Meerengen und namentlich da, wo Ebbe und Flut oder große Flüsse mitwirken, sind allerdings vereinzelt Stromgeschwindigkeiten von 6–8 Seemeilen in der Stunde (3–4 m pro Sek.) beobachtet. Die großen äquatorialen Meeresströmungen weisen eine mittlere Geschwindigkeit von 10–20 Seemeilen in 24 Stunden auf.

[Meereswellen.] Die Meereswellen, welche vom Wind erregt werden, erlangen im offenen Ozean, wo die Wassertiefe ihre freie Entwickelung nicht hemmt, sehr bedeutende Dimensionen. Nach den Versuchen im kleinen teilt sich die Wellenbewegung bis in Tiefen mit vom 350fachen der Wellenhöhe. Eine 10 m hohe Welle (vom höchsten Punkte des Wellenbergs zum niedrigsten Punkte des Wellenthals gemessen) würde also in flacherm als 3500 m tiefem Wasser schon durch Reibung am Grund beeinträchtigt werden. Damit hängt dann auch zusammen, daß selbst im Südlichen Ozean in dem Gebiet beständiger heftiger Westwinde zuverlässige Beobachtungen keine größern Wellenhöhen als 15 m ergeben haben. Scoresby fand dort nur 12,2 m, Wilkes bei Madeira 9,7 m, Cialdi gibt als Maximum 10,4 m (bei der Insel Ouessant). Über die Länge (von Kamm zu Kamm gemessen) gehen die Angaben stark auseinander, unter dem direkten Einfluß eines Orkans erreichen die Wellen eine beträchtliche Steilheit, aber das 10fache der Höhe wird wahrscheinlich stets überschritten. Man hat Wellenlängen von 400 m in der Bucht von Viscaya, von über 800 m am Äquator gemessen.

[416] Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit solcher Wellen ist unabhängig von der Höhe, aber nimmt mit der Wellenlänge (l) zu nach der Relation , wo v die Geschwindigkeit in Metern pro Sekunde bezeichnet. Dem entsprechend fand sich die Geschwindigkeit in der Bucht von Viscaya auch zu 21 m.

Am meisten der Theorie entsprechend bilden sich die Wellenformen aus, wenn der Wind nicht mehr direkt einwirkt, also in der sich weit fortpflanzenden und lange anhaltenden Wellenbewegung, welche man als Dünung bezeichnet. Eine solche Dünung ist im offenen Ozean bei Windstille fast die Regel, sie macht sich auf außerordentlich weite Entfernungen bemerklich und ist daher ebensowenig als Anzeichen eines bevorstehenden wie als Nachwirkung eines erloschenen Sturmes anzusehen. Im Atlantischen Ozean findet man nicht selten im ganzen Gebiet des Nordostpassats und noch südlich vom Äquator hohe Nordwestdünung, welche aus den nördlichen Breiten stammt. Die merkwürdige Erscheinung der Roller an den Inseln des Südatlantischen Ozeans und den Antillen, welche auch an der Westküste Afrikas unter der Bezeichnung Kaléma bekannt ist, muß als von den Stürmen in höhern Breiten herrührend erklärt werden. Diese Roller sind hohe Wellenzüge, welche, zeitweise auf die Küste zulaufend, eine hohe Brandung erregen, welche jeden Verkehr der Schiffe mit dem Land unterbrechen und auf flachem Wasser ankernden Schiffen gefährlich werden.

Pflanzen- und Tierleben des Meers. Nutzen etc.

Wie das Festland, ist auch das M. reich belebt von Pflanzen und Tieren. Die Pflanzen bilden eine von der des festen Landes wesentlich abweichende Vegetation, welche auch mit der Flora des süßen Wassers wenig Übereinstimmendes hat. Sie besteht, wenn man von den Rhizophoren und Avicennien absieht, die mit andern Holzgewächsen die undurchdringlichen Mangrovewaldungen an den Küsten des tropischen Südamerika bilden und so sehr Kinder des Meers sind, daß die Brandung oft über ihre Kronen hinwegbraust, ohne ihr Wachstum zu beeinträchtigen, fast ausschließlich aus dem M. eigentümlichen Gattungen von Algen (s. Tafel „Algen“), und besonders haben die Tange (Fukaceen und Florideen) hier ihre eigentliche Heimat; sie bedingen den eigenartigen Charakter der marinen Flora, welche, wenn auch aus andern Formen gebildet, doch an Fülle und Großartigkeit der Landvegetation kaum nachsteht. Die Tange mit ihrem auf Klippen und dem Meeresgrund festgewachsenen, an verzweigte und beblätterte Stämme der höhern Pflanzen erinnernden, äußerst mannigfaltig gestalteten, ansehnlichen Thallus sind zur Bildung einer so formenreichen Vegetation besonders geeignet. Zu den stets dunkel olivenbraun gefärbten Fukaceen gehören die größern und kräftigern Pflanzen und die Riesen des Meers. So bildet der Blasentang (Fucus vesiculosus) ausgedehnte buschige Rasen in den Meeren der gemäßigten und kältern Zone. Ebendaselbst finden sich die Laminarien mit holzigem Stiel und riesenhaftem, lederartigem Blatt. Lessonia fuscescens Bory bildet unterseeische Wälder an der Küste von Chile und in der Südsee. Ebenfalls in der Südsee findet sich die gigantische Macrocystis pyrifera Ag., deren bis 300 m langer, federkieldicker Thallus bis 1,25 m lange Blätter trägt und durch Luftblasen sich schwimmend erhält. Das Sargassokraut (Sargassum), ein vielfach verästeltes Gewächs mit kleinen, gezahnten Blättern und zahlreichen, luftgefüllten, großen, roten Blasen, treibt massenhaft im Atlantischen Ozean, von Strömungen u. Winden abhängig, auf einem großen, aber immerhin begrenzten Terrain und hat Veranlassung gegeben zu den Berichten über ein Sargassomeer oder die Fucusbank, welche seit Jahrhunderten Ort und Grenze nicht verändert haben und Schiffe in ihrem Lauf zu hemmen vermögen sollte. Diese Vorstellungen sind durch neue Beobachtungen wesentlich modifiziert worden. Anhäufungen von solcher Massenhaftigkeit gibt es nicht, und von einem konstanten Areal eines Sargassomeers ist nicht zu reden. Die Florideen schmücken als kleinere, zartere Gewächse von rosenroter Farbe die Klippen und Tiefen des Meers. Plocamium coccineum Lyngb., Porphyra vulgaris Ag., Chondrus crispus Lyngb., Delesseria alata Lamour. u. a. bilden hauptsächlich diese Vegetation. Außerdem ist aber das M. auch reich an kleinern Algen, welche ähnlich wie in unsern süßen Gewässern größere Pflanzen, Fels etc. wie Flocken oder Filz überziehen. Auch dies sind meist Fukaceen und Florideen, zum Teil auch grüne Konfervaceen und Siphoneen. Von den mikroskopisch kleinen, einzelligen Algen finden sich besonders Diatomeen in Menge und in einer großen Anzahl von Arten, welche teils Gattungen, die auch Süßwasserarten enthalten, teils rein marinen Gattungen angehören. Von dem massenhaften Auftreten gewisser Protokokkaceen und Oscillarien rühren die periodischen Rotfärbungen der Meeresoberfläche her. So gab Trichodesmium erythraeum Ehrb., eine aus geraden, rötlichen Fäden bestehende Oscillarie, dem Roten M. den Namen. Sie erfüllt das Wasser desselben in den obern Schichten, und die Wellen führen sie als blutrote, schleimige Masse ans Ufer, welche zur Ebbezeit einen breiten roten Saum erzeugt. Protococcus atlanticus Mont. färbt bisweilen die Oberfläche des Meers an der Westküste von Portugal auf mehrere Quadratmeilen rot. Bakterien tragen zum Leuchten des Meers wesentlich bei. Außer den Algen finden sich im M. wenige kleine Schmarotzerpilze und von Phanerogamen nur 26 Arten, welche den monokotylen Pflanzenfamilien der Potameen und Hydrochoridaceen angehören. Man faßt sie als Seegräser zusammen, weil sie meist aus schlankem, kriechendem Stämmchen schmale, grasartige, mit langen Scheiden versehene Blätter entsenden. Sie leben meist gesellig und überziehen in dichtem Rasen wiesenartig oft weite Strecken des Meeresgrundes. Am bekanntesten ist das Seegras der Nord- und Ostsee (Zostera marina). Wie die Flora des Landes, zeigen die Algen die größte Artenzahl und die größte Entwickelung unter den Tropen; doch nähren auch die Meere in höhern Breiten oft eine reiche Vegetation, und die großen submarinen Wälder sind besonders im nördlichen Stillen Ozean und im südlichen Atlantischen Ozean bei den Falklandinseln beobachtet worden. Nur die Küsten des antarktischen Kontinents sollen nicht mit Algen geschmückt sein. Auch die Seegräser sind mit Ausnahme der arktischen (und vermutlich auch der antarktischen) Gewässer unter allen Breiten gefunden worden. Eigentümlich ist die Verteilung der verschieden gefärbten Algen nach gewissen Standorten. So sind fast alle lebhaft grünen Algen Bewohner des ganz flachen Wassers. Die olivengrünen Algen finden sich vorzugsweise zwischen der Grenze der höchsten Flut und tiefsten Ebbe; die roten bevorzugen das tiefste Wasser, aber sehr tief gehen die höhern Algen nicht in das M. hinab. [417] Sie sind daher auch hauptsächlich auf die Küsten beschränkt, und auf offener See findet man nur die schwimmenden Algen, die oben erwähnt wurden, die aber auch nur durch Meeresströmungen von ihren ursprünglichen Standorten an den Küsten an günstige Stellen zusammengeführt worden sind. Bei 50 Faden Tiefe wird die Vegetation bereits sehr sparsam (die Phanerogamen gehen nur bis 10 m), und bei etwa 200 Faden erlischt sie wegen Lichtmangels vollständig. Trotz der schwimmenden Sargassowiesen von enormer Ausdehnung erscheint es höchst zweifelhaft, ob die Masse der im M. erzeugten vegetabilischen Substanz derjenigen der Tierwelt, die es belebt, gleichkommt. Im größern Teil des Ozeans steht sie jedenfalls weit hinter ihr zurück.

Für das Tierleben in den größern ozeanischen Tiefen der Weltmeere haben die neuern Tiefseeforschungen nachstehende, von den frühern Annahmen vollständig abweichende Hauptergebnisse geliefert: 1) Tierisches Leben ist in allen Tiefen bis zum Meeresgrund vorhanden. 2) Es ist am reichsten in mäßigen Tiefen und hängt ab von der Anwesenheit des Sauerstoffs, der Kohlensäure und des phosphorsauren Kalks. 3) Die Meeresfauna ist am reichsten in zwei Zonen, die eine an oder nahe der Oberfläche des Meers, die zweite auf oder nahe über dem Meeresgrund; in dem dazwischenliegenden Raum fehlen nahezu alle Tiere. 4) In größern Tiefen sind Spongien (Schwämme) und Echinodermen (Stachelfische) vorherrschend. 5) In Tiefen über 900 m hat die Meeresfauna überall dieselben Grundzüge. Tiefseegenera sind kosmopolitisch, Tiefseespezies sind an entfernten Orten identisch oder vikarierende Formen. 6) Die Tiefseefauna zeigt mit den Faunen der (geologischen) Tertiär- und Sekundärzeit eine größere Ähnlichkeit als die des seichten Wassers. Bis jetzt ist aber erst eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Typen, die man für ausgestorben hielt, in den Tiefen der Meere entdeckt worden. 7) Die Hauptcharakterformen der Tiefe und solche, welche den erloschenen Typen am nächsten stehen, scheinen in größter Zahl und hervorragender Größe in den südlichen Ozeanen zu leben. 8) Der allgemeine Charakter der Tiefseefauna gleicht am meisten dem des seichten Wassers der hohen nördlichen und südlichen Breiten, weil die Temperaturverhältnisse die gleichen sind.

Viel mannigfacher und gestaltenreicher als die Flora ist die Fauna des Meers. Sämtliche bekannte Tierformen der Gegenwart und früherer geologischer Perioden kann man in 155 Ordnungen oder 36 Klassen teilen. Von diesen 36 Klassen sind 34 im M. vertreten, indem nur Amphibien und Tausendfüßer fehlen; von den 155 Ordnungen sind 75 auf dem Land, 67 im Süßwasser, aber 107 im M. vertreten, und 52 Ordnungen aus 16 verschiedenen Klassen kommen einzig und allein im M. vor. Das M. besitzt also einen viel größern Reichtum tierischer Hauptformen als das Süßwasser und das Land. Seine Tiefe und seine Ausdehnung, sein Salzgehalt, die Gleichmäßigkeit der Temperatur und der Reichtum an Nahrungsstoff begünstigen die Entwickelung einer so reichen und vielgestaltigen Fauna. Aber auch an Individuenzahl ist die Meeresfauna der ganzen übrigen Lebewelt weit überlegen und tritt unter Umständen höchst überraschend hervor. Die Verbreitung der Seetiere in senkrechter und wagerechter Richtung ist hauptsächlich von dem Salzgehalt, der Temperatur und den Strömungen abhängig. Eine Zunahme des Salzgehalts, wie im Mittelmeer und im Roten M., übt keinen wesentlichen Einfluß auf die Tiere aus; wo aber der Salzgehalt auf 2 und 1 Proz. und noch weiter sinkt, nimmt die Zahl der Seetiere bedeutend ab, und auch die Zahl der Arten vermindert sich mit dem Salzgehalt. Die meisten Tiere aber, welche das salzarme Wasser bewohnen, gehören zu Arten, die auch in benachbartem salzreichern Wasser vorkommen. Der höchste Reichtum des Tierlebens findet sich in der Oberflächenschicht auf tropischen Korallenriffen, wo die Temperatur immer über 20° bleibt und im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten nur um wenige Grade schwankt. Nach N. hin nimmt die Artenzahl der Strandregion schnell und um so mehr ab, je stärkerm Temperaturwechsel das Wasser ausgesetzt ist. Auf Austernbänken an der Westküste von Schleswig-Holstein, wo Temperaturunterschiede von 22° vorkommen, leben außer der Auster nur noch wenige Arten, während bei viel niedrigerer, aber gleichmäßiger Temperatur sich eine reiche Fauna entwickelt. Selbst in Tiefen von 5500 m, wo die Temperatur nicht über 2° steigt, wurden noch Tiere gefunden, und man hat beobachtet, daß diese Bewohner der eisigen Tiefe, begünstigt durch die Gleichmäßigkeit aller Verhältnisse, eine viel bedeutendere Größe erreichen als nahe verwandte, in höhern, wenn auch mildern Meeresschichten lebende Arten. Die Zahl der Tiere, welche die schwankenden Temperaturverhältnisse der flachen Meere mittlerer Breiten ertragen, ist viel geringer als diejenige, welche an gleichmäßige oder sehr wenig veränderliche Temperatur gebunden sind. Unter diesen, die der größten, seit unberechenbarer Zeit bestehenden Gleichförmigkeit aller Lebensbedingungen genießen, finden sich Arten und Gattungen über den Boden aller Ozeane verbreitet und Formen, welche schon in frühern geologischen Epochen existierten. Zur Nahrung dienen diesen Tieren der Tiefsee die dunkelfarbigen, reichen Mudmassen, welche aus abgestorbenen Pflanzen entstehen und durch die Strömungen bis in die größten Tiefen hinunter geführt werden, außerdem die Zersetzungsprodukte andrer Tiere. In der Tiefe des Mittelmeers fehlen Tiere, und man erklärt dies aus dem Umstand, daß das Mittelmeer gegen das am Meeresgrund nach dem Äquator strömende Polarwasser, welches sich in höhern Breiten an der Oberfläche des Meers mit Sauerstoff gesättigt hat, abgeschlossen ist. Unter den günstigsten Verhältnissen entwickeln sich in den tropischen Teilen der offenen Ozeane die Korallen, und wo an den Riffen die Brandung sich tosend bricht, kulminiert auch das marine tierische Leben. Hier findet sich auf kleinem Raum die größte Artenzahl, während im N. große Scharen von Tieren, welche nur sehr wenigen Arten angehören, sich üppig entwickeln. An einem einzigen Leuchtschiff vor der Elbmündung fand man bei der Reinigung über 2 Mill. Seepocken Einer Art, und die an Einem Tag in der Kieler Bucht gefangenen 240,000 Heringe enthielten in ihren Magen wenigstens 2400 Mill. einer und derselben kleinen Krebsart. – Auf Seetiere ist das schon erwähnte wunderbare, in stets wechselnder Pracht auftretende und besonders unter den Tropen äußerst glanzvolle Meeresleuchten zurückzuführen. Es sind aber nicht einzelne Arten, welche dies Schauspiel hervorbringen, sondern es beteiligen sich daran so zahlreiche Geschöpfe, daß es nicht möglich ist, sie alle aufzuzählen. Eine hervorragende Rolle spielt hierbei die Noctiluca miliaris und in tropischen Meeren die nahe verwandte Pyrocystis; aber fast jede Gruppe der Meerestiere: Infusorien, Polypen, Aktinien, Quallen, Medusen, Seesterne, Tunikaten (besonders Pyrosoma), Muscheln, Würmer, Rädertierchen, Krustentiere, nimmt daran teil. Auch [418] Bakterien spielen beim Meeresleuchten eine große Rolle. Bald leuchtet das M. nur in einzelnen äußerst glänzenden Funken, bald drängen sich die lichtentwickelnden Organismen enger zusammen, und die ganze Oberfläche des Meers erglänzt in einem gleichförmigen weißen Phosphorlicht. Stets ruft mechanische Reizung der Tiere erhöhtes Leuchten hervor; aber auch für chemische Reize sind sie höchst empfänglich, und wenn ein Platzregen plötzlich das Salzwasser verdünnt, verwandelt sich der Ozean in ein Feuermeer.

Überblickt man die einzelnen Regionen des Meers, so zeigt sich im Nördlichen Eismeer ein Vorherrschen der Seesäugetiere und Flohkrebse, welch letztere den erstern zur Nahrung dienen. Unter diesen sind der grönländische Bartenwal, der Finnfisch, Narwal und das Walroß charakteristisch. Der Nordatlantische Ozean ist das Reich der Schellfische und Heringe; im Mittelmeer erscheint der Pottwal nur selten, häufiger sind Delphine und Robben; unter den Fischen herrschen Lippfische vor, sonst sind noch Barsche, Schollen, Thunfische, Sardinen und Sardellen aus der reichen Fischfauna hervorzuheben; außerdem finden sich zahlreiche Kopffüßer, Schnecken, Muscheln, Polypen (Edelkoralle), Badeschwämme. Auffallend arm an Arten ist das Schwarze M. Im tropischen Teil des Atlantischen Ozeans findet man neben Pottfischen und Delphinen pflanzenfressende Sirenen, in der Nähe der westindischen Inseln kommen die großen Seeschildkröten vor. Zahlreiche Mollusken, darunter Pteropoden, ferner Kruster, Medusen und Salpen locken fliegende Fische und diese wieder die Boniten an. Bei den Bahamainseln und Antillen gibt es auch riffbildende Polypen. Der Indische Ozean ist das Reich der Hydriden (Seeschlangen) und Kegelschnecken; von Säugetieren ist der Dugong am bezeichnendsten. Riesenschildkröten, Krokodile und die giftigen Schlangen repräsentieren die Reptilien. Eine reiche Fischfauna, besonders aber zahlreiche Mollusken (Nautilus, Perlmuschel, Riesenmuschel), Strahltiere und Korallentiere sind weitere Eigentümlichkeiten dieses Meers, welches mit dem tropischen Stillen Ozean einigermaßen übereinstimmt, vom Atlantischen Ozean jedoch bedeutend abweicht (daher der große Unterschied der Fauna des Roten und des Mittelmeers). Im nördlichen Stillen Ozean herrschen unter den Fischen die Panzerwangen vor; im nördlichsten Teil sind einige Robben sowie Seelöwen und Seebären bemerkenswert. Der tropische Stille Ozean ist das eigentliche Reich der Korallen und Holothurien; Robben und Sirenen fehlen fast ganz, nur Pottfische und antarktische Wale werden bisweilen angetroffen. Zahlreiche Fische, darunter Flugfische, Doraden, große Haifische, ferner mannigfache Mollusken sind charakteristisch. Der südliche Teil der Ozeane ist bedeutend ärmer an Tieren als der nördliche; aber selbst im hohen M. werden hier Schwärme von Quallen, Pteropoden und kleinen Krustern angetroffen. In der Nähe der Küsten leben große Robben und Wale, darunter der kosmopolitische Pottfisch, ferner zahlreiche Mollusken und Kopffüßer; die Fische sind durchweg von denen der nordischen Meere verschieden. Im antarktischen M. herrschen wieder Wale und Robben vor; doch sind auch zahlreiche Fische vorhanden, welche wieder eine übergroße Menge niederer Geschöpfe voraussetzen. Zu allen diesen Tieren gesellen sich endlich noch in allen Meeren die Vögel, welche wohl den größten Teil ihres Lebens über dem Wasser verbringen und sich von Seetieren nähren, aber durch das Fortpflanzungsgeschäft stets an das Land gefesselt sind.

In geognostischer Beziehung haben die Untersuchungen des Meeresgrundes ergeben, daß die Gebirgsformationen, welche in der Nähe des Strandes anstehen, sich in ganz analoger Weise unter dem M. hin fortsetzen. Freilich sind hier die Ergebnisse noch sehr lückenhaft; indes hat man z. B. westlich von Jütland die auf Helgoland anstehenden Trias- und Kreidethonschichten streckenweise nachzuweisen vermocht und im Kanal die Kreide-, Jura- und Bergkalkschichten und ihre Grenzen annähernd konstatiert. Auch hat man die topographische Ausbreitung der Korallen- und Austernbänke festgestellt, insbesondere aber die der verschiedenen Arten von Schlamm, speziell des kreidigen Kalkschlammes, welcher manche Tierreste enthält, die denen der Kreidezeit nahestehen. Diese Schlammmassen sprechen für die große Bedeutung des Meers in geologischer Hinsicht; sie sind die Anfänge neu sich bildender Gesteinsmassen und zeigen deutlich, welchen großen Anteil an dieser Bildung die niedern Organismen haben. Die auf dem Festland niederfallenden und in den Boden einsinkenden Wasser nehmen aus dem Gestein, welches sie durchsickern, teils als Produkte einfacher Lösungsprozesse, teils infolge chemischer Umwandlungen Salze auf und führen diese den Quellen, Flüssen und endlich dem M. zu. In dieser Weise gelangt der Kalk stets als schwefelsaurer Kalk ins M., denn der als doppeltkohlensaures Salz gelöste Kalk scheidet sich größtenteils unter Verlust von Kohlensäure wieder unlöslich ab. Im M. wird nun der schwefelsaure Kalk durch die Organismen zersetzt; sie nehmen ihn auf und wandeln ihn durch ihren Stoffwechsel in kohlensauren Kalk um, welchen sie zum Aufbau ihrer Gehäuse gebrauchen. Diese Gehäuse sinken nach dem Absterben der Tiere zu Boden, und aus ihnen, besonders aus den mikroskopisch kleinen, bilden sich die erwähnten Schlammmassen, die einst als Kalkstein auftauchen werden. Auch Muscheln und Korallen beteiligen sich an dieser Kalksteinbildung in ausgedehntem Maß, und große Ablagerungen von kohlensaurem Kalk bestehen fast ausschließlich aus Muschelschalen. Neben diesen kolossalen Neubildungen spielen andre, welche das Material dem Schlamm verdanken, welchen die Ströme dem M. zuführen (s. Alluvium), oder dem mächtigen Anprall der Wogen gegen die Küsten (s. Küste), eine verhältnismäßig untergeordnete Rolle, und noch geringer ist die Bedeutung der Eisberge, welche, wie erwähnt, den Moränenschutt im M. verbreiten. Daß auch für die innern Erdkräfte das M. nicht ohne Bedeutung ist, wird mit gutem Grund aus der Lage der Vulkane in der Nähe der Meere gefolgert; jedoch ist Sicheres hierüber nicht ermittelt.

Der Nutzen, welchen das M. gewährt, ist ein außerordentlich großer, auch wenn man von seinem Einfluß auf das Klima und von seiner Bedeutung für den Völkerverkehr absieht. Es liefert zahlreiche Produkte und nährt und beschäftigt ganze Völker. In seiner teils als Wellenschlag, teils als Ebbe und Flut auftretenden Bewegung repräsentiert das M. einen ungeheuern Vorrat an lebendiger Kraft, den man von mehreren Seiten nutzbar zu machen gesucht hat. So soll die Ebbe und Flut zum Betrieb von Wasserrädern und Turbinen nutzbar gemacht werden, und die Brandung hat man zur Kompression von Luft benutzt, um mit dieser Motoren zu betreiben und Kälte zu erzeugen. Vielfach wird an den Küsten durch Verdampfen des Meerwassers auf weiten abgeschlossenen Flächen Kochsalz gewonnen, aber nach der Abscheidung des letztern liefert die Mutterlauge auch noch andre Salze und zuletzt das Brom. Seesalz wird auch zu Bädern benutzt und ersetzt mehr [419] oder weniger das direkte Seebad, welches, wie die Seeluft, zu den gepriesensten Heilmitteln zählt. Das dem Brom so nahe verwandte Jod wird aus der Asche von Tangen (Kelp, Varech) gewonnen, welche auch Kalisalze liefert. Andre Tangarten dienen der Küstenbevölkerung vieler Länder als Nahrungsmittel; einige werden auch als Viehfutter und Dünger benutzt, und manche sind geschätzte Heilmittel und für die Technik wichtig. Auch der Bernstein und das als Polstermaterial benutzte Seegras verdienen Erwähnung. Ungleich größer ist der Nutzen, welchen das Tierreich gewährt. Die Jagd auf die Waltiere beschäftigt viele Flotten und ist für die Ausbildung der Schiffahrt von hohem Belang gewesen; sie liefert Fischbein und Thran als hauptsächlichste Produkte. In noch höherm Grad beeinflußt die Großfischerei die Wohlfahrt der Völker, sie liefert bis ins Binnenland hinein beliebte Nahrungsmittel und wird besonders durch den Schellfisch- und Heringsfang nationalökonomisch wichtig. Neben den zahlreichen Fischen spielen die Schildkröten, die Krustentiere (Hummern, Langusten, Garneelen), die Mollusken (Austern, Miesmuschel, Kammmuschel etc.), die Kopffüßer, Seeigel und Holothurien eine untergeordnete Rolle, obwohl sie meist als Luxusnahrungsmittel für den Handel wichtig genug sind. Will man die Vögel zu den Seetieren rechnen, so ist der Daunen, der Eier, der eßbaren Nester und des Fleisches derselben, aber auch des Guanos zu gedenken. Seehunde liefern Leder, mehrere Seesäugetiere geben eine Art Elfenbein, der Pottwal das Walrat und die Ambra; wichtiger sind die Perlen und die Edelkorallen, noch mehr die Badeschwämme. Auch Perlmutter und ähnliche Schalen von Seemuscheln finden Verwendung, während die massenhaft am Strand aufzulesenden und hier und da Korallen wie Kalkstein gebrannt werden.

Vgl. Maury, Physische Geographie des Meers (deutsch von Böttger, 2. Aufl., Leipz. 1859); Schleiden, Das M. (3. Aufl. von Voges, das. 1886); Gareis u. Becker, Zur Physiographie des Meers (Triest 1867); Kayser, Physik des Meers (Paderb. 1873); Hartwig, Leben des Meers (5. Aufl., Glogau 1862); Krümmel, Versuch einer vergleichenden Morphologie der Meeresräume (Leipz. 1879); Derselbe, Der Ozean (das. 1886); v. Boguslawski, Handbuch der Ozeanographie (Stuttg. 1884; Bd. 2 von Krümmel, 1887); „Handbuch der Ozeanographie und maritimen Meteorologie“, im Auftrag des k. k. Reichskriegsministeriums verfaßt von den Professoren der k. k. Marineakademie (Wien 1883); Süß, Das Antlitz der Erde, Bd. 2: Das M. (Prag 1888); Häckel, Das Leben in den größten Meerestiefen (Berl. 1870); Möbius, Das Tierleben am Boden der deutschen Ost- und Nordsee (das. 1871); Kny, Das Pflanzenleben des Meers (das. 1875); Schmitz, Die Vegetation des Meers (Bonn 1883). Für die einzelnen Ozeane enthalten die englischen, amerikanischen etc. Segelhandbücher von Findlay, Rosser-Imray, Kerhollet u. a. eine große Anzahl von Angaben und Darstellungen der physikalischen Verhältnisse der betreffenden Ozeane, ebenso auch für die Tiefseeforschungen die amtlichen Publikationen der britischen, amerikanischen und deutschen Admiralität. Die der letztern, die „Annalen der Hydrographie und maritimen Meteorologie“, bringen auch noch Abhandlungen und Beobachtungen über alle Zweige der Physik der Ozeane. Für die Ost- und Nordsee geben besonders die amtlichen Berichte der Kieler Kommission zur wissenschaftlichen Untersuchung der deutschen Meere (Berl., seit 1873) sowie die monatlich erscheinenden Beobachtungsresultate von 15 Stationen an der Ost- und Nordsee vielfache und wertvolle Aufschlüsse über die physikalischen Verhältnisse und das Tier- und Pflanzenleben in diesen Meeren.

Meer, 1) Jan van der (Vermeer van Haarlem), holländ. Maler, geb. 1628 zu Haarlem, war schon mit zehn Jahren Schüler des Jakob de Wet, wurde 1654 Mitglied der St. Lukasgilde und starb im August 1691 daselbst. Seine Flach- und Dünenlandschaften, meist der Umgegend von Haarlem entnommen, denen von J. van Ruisdael verwandt, zeichnen sich durch meisterhafte Luft- und Lichtstimmung aus. Bilder in Berlin, München, Meiningen, Oldenburg u. a. O.

2) Jan van der (Vermeer), holländ. Maler, geb. 1632 zu Delft, war Schüler von K. Fabritius und bildete sich dann nach Rembrandt weiter. Er trat 29. Dez. 1653 in die St. Lukasgilde zu Delft, in deren Vorstand er 1662, 1663, 1670 und 1671 thätig war, und starb im Dezember 1675 daselbst. M. ist erst in neuerer Zeit wieder zu Ehren gekommen. Er malte, wie P. de Hoogh, Schilderungen aus dem Leben des Hauses oder Straßenprospekte, meist mit wenig Figuren und dem Reiz einer gewählten Licht- und Farbenstimmung. In früherer Zeit neigt er mehr zu gesättigter Färbung, zu schlagender Lichtwirkung; später herrscht ein bläulichweißer Ton von größter Zartheit der Behandlung vor. Er gehört zu den namhaftesten Genremalern der holländischen Schule. Seine bedeutendsten Werke sind: die Briefleserin (Amsterdam, Reichsmuseum), das Milchmädchen und die Straße von Delft (ebenda, Sammlung Six), Ansicht von Delft (Museum des Haag), die Dame mit dem Perlenhalsband (Berlin, Museum), das Maleratelier (Wien, Galerie Czernin), bei der Kupplerin (Dresden, Galerie), der Spaziergang (Wien, Akademie), die Kokette (Braunschweig, Galerie) und ein weibliches Porträt (Brüssel, beim Herzog von Arenberg).

3) Jan van der, der jüngere, Maler, Sohn von M. 1), geb. 1656 zu Haarlem, war Schüler seines Vaters und N. Berchems und starb 28. Mai 1705 in Haarlem. Er malte Landschaften mit Tieren, besonders Kühen und Schafen, von schöner Zeichnung, aber etwas trübem Kolorit. Man kennt auch von ihm sechs meisterhafte Radierungen.


Ergänzungen und Nachträge
Band 17 (1890), Seite 559560
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[559] Meer. Das Meeresniveau bildete bisher die Grundlage für alle Höhenmessungen auf dem festen Land, besonders wurden alle zur Bestimmung der Erdgestalt nötigen geodätischen Messungen und alle trigonometrischen oder barometrischen Höhenbestimmungen auf den Wasserspiegel an den den Beobachtungsorten zunächst liegenden Küsten bezogen. Man ging dabei von der Ansicht aus, daß das M. ein mittleres Durchschnittsniveau bilde, das sich stets gleichbleibe. Für die Meere mit Ebbe und Flut leitete man aus den Aufzeichnungen der Flutmesser den mittlern Wasserstand ab, bezogen auf das durch Nivellement bestimmte Niveau irgend eines nahen Punktes auf dem festen Land. In den Meeren ohne Ebbe und Flut, wie z. B. in der Ostsee, bestimmte man aus längern, viele Jahre umfassenden Beobachtungsreihen an den bei verschiedenen Küstenpunkten errichteten Pegeln die mittlern Wasserstände, um daraus den Nullpunkt für alle Höhenmessungen zu entnehmen. Die Vergleichung der an den Pegeln von 13 Küstenpunkten gewonnenen Wasserstände von 1846 bis 1875, bezogen auf den Pegel von Neufahrwasser, hat aber ergeben, daß ein eigentliches Mittelwasser der Ostsee nicht existiert; der Spiegel der Ostsee steigt vielmehr von der Ostküste Holsteins bis Memel an, so daß eine Stauung des Wassers nach O. hin stattfindet, deren wahrscheinliche Ursache in den in der Ostsee vorherrschenden Westwinden zu suchen ist. Die neuern Nivellements haben ferner außer Zweifel gesetzt, daß auch die Normalpegel verschiedener Meere eine Höhendifferenz aufweisen. Sieht man von der erwähnten Eigentümlichkeit des Spiegels der Ostsee ab, so ergeben sich folgende Niveaudifferenzen: 1) Die Ostsee liegt über dem Mittelmeer bei Marseille 0,664 m. 2) Der Nullpunkt des Amsterdamer Pegels liegt über der Ostsee 0,242 m. 3) Das Mittelwasser der Nordsee liegt über demjenigen der Ostsee 0,093 m. 4) Das Mittelwasser bei Ostende liegt über demjenigen der Ostsee 0,066 m. 5) In der Bucht von Viscaya steht das normale Niveau um 0,663 m höher als das des Mittelländischen Meers bei Alicante. Stellt man die Mittelwasserhöhen an den Küsten Europas zusammen, so scheinen die Abweichungen vom allgemeinen Mittelwasser einen regelmäßigen Gang zu haben. Von Kronstadt bis Warnemünde sind alle Werte positiv, von Wismar bis Eckernförde und in der ganzen Nordsee negativ, von Carenton bis St.-Nazaire wieder positiv und die Höhenabweichungen im Golfe du Lion bis Nizza alle negativ. Aus den Differenzen des spezifischen Gewichts des Wassers bei der Garonnemündung und im Mittelländischen M. gegenüber den Rhônemündungen ist ebenfalls berechnet worden, daß das Meeresniveau im Atlantischen Ozean höher steht als im Mittelmeer. Außer dem spezifischen Gewicht des Meerwassers sind noch andre Ursachen vorhanden, welche, wenn auch in untergeordnetem Grad, Niveauverschiedenheiten entweder in zwei durch Länderstrecken voneinander getrennten Meeren oder in einem und demselben Meeresteil hervorbringen können. Dahin gehören außer den Wirkungen der Ebbe und Flut die vorherrschende Windrichtung und die durch stetigen Temperaturwechsel bedingten Luftdruckschwankungen. Sieht man von diesen Unregelmäßigkeiten ab, so müßte die Oberfläche der Ozeane eine Niveaufläche sein, d. h. eine Fläche, welche die Eigenschaft hat, daß sie für alle in ihr liegenden Punkte durch ihre Normalen (die Senkrechten auf den Tangentialebenen des betreffenden Punltes) die Richtung der an dieser Stelle wirkenden Kraft anzeigt. Bei gleichmäßiger Bedeckung der ganzen Erdkugel durch eine tiefe Wasserschicht würde die Meeresoberfläche einem abgeplatteten Ellipsoid entsprechen. Durch die ungleichmäßige Verteilung der Land- u. Wassermassen und die verschiedene Dichte von Festland und Ozean erleidet jedoch das Lot eine Ablenkung von der Vertikalen, wodurch die Senkrechte zur Lotlinie ebenfalls in ihrer Lage gestört wird. Da nun die freie Oberfläche einer Flüssigkeit stets auf der Richtung der Schwere senkrecht steht, so muß auch die Oberfläche der Ozeane gegen die Küsten der spezifisch dichtern Festländer ansteigen und eine Ausbiegung gegen die regelmäßige Sphäroidfläche bilden. Beobachtungen, welche vermittelst des Pendels über die Schwereverteilung angestellt sind, haben nun die bemerkenswerte Thatsache ergeben, daß auf den ozeanischen Inseln die Schwere größer und auf den Kontinenten kleiner ist, als sie auf einem idealen Ellipsoid betragen würde. Aus der Differenz der Schwingungszahl eines Sekundenpendels auf einer ozeanischen Station und derjenigen, welche der normalen Intensität der Schwere auf dem Ellipsoid auf demselben Kreis entspricht, berechnete man die Abweichungen des Meeresniveaus vom zugehörigen Rotationsellipsoid. So sollte bei den Bonininseln die Meeresoberfläche eine Depression von ungefähr 1400 m unter der Ellipsoidfläche haben, an der Küste von Südamerika bei Maranhão hingegen eine Erhöhung von ca. 600 m. Diese Werte haben sich jedoch als nicht richtig erwiesen.

Durch eine neue Methode der Reduktion der Pendelmessungen auf das Meeresniveau ist F. R. Helmert in seinem Werk „Die mathematischen und physikalischen Theorien der höhern Geodäsie“ (Leipz. 1884) zu wesentlich andern Resultaten gelangt. Derselbe konstruiert zu der Meeresniveaufläche eine Parallelfläche im Abstand von etwa 21 km (linearer Wert der Erdabplattung) und denkt sich alle Massen, die sich außerhalb dieser Fläche befinden, durch radiale Verschiebung auf ihr kondensiert. Eine Berechnung der Länge des Sekundenpendels nach dieser Kondensationsmethode, und zwar getrennt für Festlands-, Küsten- und Inselstationen (F, K, I), führte zu dem Resultat, daß der Unterschied in der Länge des Sekundenpendels für Festlands- und Küstenstationen fast völlig verschwindet, dagegen zeigt die Differenz zwischen Festlands- und Inselstationen einen ziemlich hohen Wert, und zwar ist F < I. Gibt man nun mit Helmert jedem Kontinent die Gestalt eines Cylinders und berechnet auf synthetischem Weg die Störungen, welche die Gleichgewichtsflächen der Erde durch die Einwirkung der Kontinente erleiden müssen, so ist ersichtlich, daß die Meeresfläche in der Nähe der Kontinente gehoben wird; dagegen weisen die Ozeane eine Senkung auf bis zu −400 m im nördlichen Atlantic und −265 m im nördlichen Pacific, im Innern der Kontinente steigt die Niveaufläche bis zu +400 m. Aus den synthetischen Untersuchungen [560] folgt nun aber unzweifelhaft, daß die Schwerestörungen auf den Kontinenten positiv sind, während sie auf dem M. negativ sind. Dies theoretische Resultat steht aber in Widerspruch mit der Erfahrung, nach welcher F < I. Solange nun Beobachtungen der Schwerkraft auf dem offenen M. noch nicht angestellt sind, hält es Helmert für das Natürlichste, von der Annahme, daß die Kontinente Störungsmassen sind, ganz abzusehen, anstatt dessen aber anzunehmen, daß die Wirkung der Kontinentalmassen mehr oder weniger kompensiert wird durch eine Verminderung der Dichtigkeit der Erdkruste unterhalb der Kontinentalmassen. – Über die Tierwelt des Meers s. den folgenden Artikel.


Jahres-Supplement 1890–1891
Band 18 (1891), Seite 611612
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[611] Meer. Unter den verschiedenen Erklärungen, welche für die Entstehung der großen Meeresströmungen aufgestellt sind, haben nur zwei eine größere Bedeutung, die man als die Gravitationstheorie und die Windtheorie bezeichnen kann. Die Gravitationstheorie führt die allgemeine ozeanische Zirkulation auf die starke Erwärmung des Meereswassers unter dem Äquator zurück, wodurch das leichtere Oberflächenwasser polwärts abfließt und durch eine Rückströmung kalten und dichten Polarwassers in der Tiefe ersetzt wird; die Windtheorie sieht als einziges Agens der Meeresströmungen die Passatwinde und die vorherrschenden Winde an der Meeresfläche an. Wenn nun auch festgestellt ist, daß die Bewegungen der Atmosphäre in erster Linie für die Entstehung der Meeresströmungen in Betracht kommen, so darf man gleichwohl die Temperaturschwankungen, Dichteunterschiede, Verdunstung, Rotation der Erde und Druck der an der Oberfläche lagernden Wassermassen als sekundäre Faktoren nicht außer acht lassen. Die allgemeine Versetzung der Wassermassen läßt sich oft weniger durch direkte Beobachtungen nachweisen als durch Temperaturmessungen. Letztere haben nun ergeben, daß in allen Meeren, die in der Tiefe frei mit den Eismeeren in Verbindung stehen, selbst unter dem Äquator, eiskalte Wassermassen lagern, die nur an der Oberfläche von einer verhältnismäßig dünnen Schicht warmen Wassers überlagert werden. Das Aufquellen des kalten Tiefenwassers am Äquator läßt sich unzweideutig durch die Lage der Isothermenflächen nachweisen, die von den höhern Breiten nach den Tropen aus der Tiefe emporsteigen. Die chemische Zusammensetzung des Polarwassers lehrt ferner, daß das ganze Becken des norwegischen Meeres in seiner Tiefe mit salzreichem atlantischen Wasser von hohem Stickstoffgehalt angefüllt ist. In der Richtung der Meridiane herrscht also eine dreifache Zirkulation des Wassers: ein Absteigen in hohen Breiten, in der Tiefe eine Bewegung äquatorwärts und ein Aufsteigen unter dem Äquator. Auf die vorherrschende Windrichtung ist auch der Austausch des Wassers in der Richtung der Parallelkreise zurückzuführen. Ein anhaltend gegen das Ufer wehender Wind bewirkt hier eine Aufstauung des Wassers; der Druck, der hierdurch in der Tiefe an der Luvküste erzeugt wird, veranlaßt einen Unterstrom am Meeresboden in einer dem Winde entgegengesetzten Richtung. So wird eine vertikale Zirkulation eingeleitet mit einer absteigenden Bewegung des Wassers an den Luvküsten und einer aufsteigenden an den Leeküsten. Entschiedene Leeküsten sind in der Passatzone die Westküsten der Kontinente, die Ostküsten dagegen Luvküsten. Im nordatlantischen Ozean trifft man an der Küste von Marokko, der Sahara und von Senegambien bis zum Kap Verde kaltes Küstenwasser, im südlichen Atlantic erstreckt sich eine Zone kalten Küstenwassers vom Kap bis zur Congomündung. Dieselbe Erscheinung wiederholt sich an der Westküste von Nordamerika vom Kap San Lucas bis San Francisco und an der Westküste von Südamerika vom Kap Blanco bis über Valparaiso hinaus. Diese Kaltwassergebiete verdanken ihre Entstehung den Passaten, die das Oberflächenwasser der Ozeane westwärts drängen; der Überdruck, der an den Luvküsten entsteht, veranlaßt eine Kompensation an den Leeküsten durch Emporsteigen kalten Wassers aus der Tiefe. Entsprechend diesen Verhältnissen, liegen im Westen der tropischen Ozeane die Isothermenflächen viel tiefer als in der Osthälfte. In den Gebieten, welche außerhalb der Passatzone liegen, muß nun infolge der vorherrschenden Westwinde eine Zirkulation in entgegengesetzter Richtung stattfinden. Für den nordatlantischen Ozean ist dieselbe nachgewiesen. Die Isothermen senken sich gegen Osten; die „kalte Mauer“, jenes Kaltwassergebiet, das die amerikanische Küste von dem warmen Wasser des Golfstroms trennt, rührt nur zum Teil von dem Labradorstrom her, zum Teil ist der Auftrieb an der Leeküste die Ursache. Diese beiden großen Zirkulationssysteme stehen miteinander in einem Austauschverhältnis. Nur zum kleinen Teil sinken die Wassermassen des Äquatorialstromes an der Luvküste zur Tiefe, die größte Masse biegt an den Antillen um und lenkt als Golfstrom in den Oberflächenstrom der nördlichen Zirkulation ein. Von diesem letztern zweigt sich wieder ein Arm an der spanisch-afrikanischen Küste südwärts zum Äquatorialstrom ab. Dieses ganze System verdankt seine Entstehung der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, welche durch den Temperaturunterschied zwischen Pol und Äquator einerseits, Kontinent und Ozean anderseits bedingt ist. Von den Strömungen ist nun die Verteilung der Oberflächentemperatur der Ozeane abhängig. In den Tropen, wo die Strömungen von O. nach W. setzen, verbreitert sich das Gebiet tropisch warmen Wassers (über 24°) ganz außerordentlich nach W. Entsprechend den in gemäßigten Breiten herrschenden östlichen Strömungen, finden sich die Ansammlungen von Wasser mit Temperaturen von 12–20° an den Ostseiten der Ozeane. Es beträgt die Breite der Fläche mit einer Oberflächentemperatur von 12–24° im

  Stillen Ozean Atlantischen Ozean
Westseite Ostseite Westseite Ostseite
August 16° 65° 15° 60°
Februar 12° 45° 50°

Die Folge hiervon ist, daß die Wasserflächen mit einer Temperatur über 12° sehr viel breiter in den Osthälften sind als in den Westhälften. Wie ausgedehnt die Flächen warmen Wassers sind, zeigt folgende Tabelle: Es beträgt in Prozenten der bezüglichen Meeresfläche das Areal der Nordhemisphäre (NH.), bez. der Südhemisphäre (SH.) mit einer Oberflächentemperatur

[612]

  über 24°   über 20°
  Febr. Aug. Jahr Febr. Aug. Jahr
NH. 36,0 56,0 46 47,6 65,2 56
SH. 42,6 23,2 33 59,2 39,1 47
Erde 39,6 38,6 39 53,7 51,3 52

Zwei Fünftel der gesamten Meeresoberfläche sind im Jahresdurchschnitt tropisch und mehr als die Hälfte über 20° erwärmt. Zugleich lassen die Zahlen erkennen, in wie hohem Maße die nördliche Halbkugel in Bezug auf die ozeanische Wärmeverteilung begünstigt ist. Die Flächen hoher Temperatur verschieben sich mit dem Sonnenstand, so daß im Sommer der Nordhemisphäre der größere Teil der erstern nördlich, im Winter aber südlich vom Äquator liegt. Im Jahresmittel tritt die thermische Begünstigung der nördlichen Halbkugel deutlich hervor, wie folgende Tabelle zeigt, welche angibt, wieviel Prozent der gesamten über 24°, bez. über 20° erwärmten Meeresfläche der nördlichen und wieviel der südlichen Hemisphäre zukommt.

  über 24° über 20°
  Febr. Aug. Jahr Febr. Aug. Jahr
NH. 42 68 55 43 59 51
SH. 58 32 45 57 41 49

Der größere Teil der tropisch warmen Meeresfläche gehört der Nordhemisphäre an. Vgl. O. Krümmel, in der „Zeitschrift für wissenschaftliche Geographie“, Bd. 6, 1887. – Über Fauna der Tiefsee s. Naturforscherversammlung, S. 635, und Maritime wissenschaftliche Expeditionen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hercules Tornöe: Resultate der norwegischen Nordmeerexpedition. In: Journal für praktische Chemie, Band 127 (1879), S. 401–433 (Formeln S. 426) Google