RE:Χειρόμακτρον

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
fertig  
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Handtuch o. Serviette für d. Hände, Tischtuch?
Band III,2 (1899) S. 22232224
Bildergalerie im Original
Register III,2 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|III,2|2223|2224|Χειρόμακτρον|[[REAutor]]|RE:Χειρόμακτρον}}        

Χειρόμακτρον, frühzeitig ins Lateinische übersetzt mantellum (aus manterulum), Plaut. Capt. 521. Hieraus wird mantelum (Act. Arv. 27 Mai 218, Henzen p. 13. 17. Fest. 133 a 31. Lucilius V 23 M.) und mantelium (Varro de l. l. VI 85); aus dem Plural dieser letzteren Form wird endlich die in der Kaiserzeit üblichste Singularform mantele gebildet. Im Spätlatein kommt dann die ursprüngliche, volkstümlich fortbestandene Form mantellum in der Bedeutung ,Mantel‘ wieder zum Vorschein und entsteht aus dem vermeintlichen Deminutiv durch falsche Rückbildung mantum.

1. Handtuch zum Abtrocknen nach dem Waschen der Hände, Athen. IX 410 b und das dort Angeführte. Anthol. IV 286, 2. Schol. Theocr. 7, 16. So auch mantele. Man brauchte es vor dem Essen (Verg. Aen. I 702; Georg. IV 377) und vor dem Opfer (Serv. Aen. a. O. Ovid. fast. IV 933). Daher gehört das mantele zum Opfergerät und wird mit solchem abgebildet; so auf dem Altar des Vespasianstempel in Pompei mit Acerra und Lituus (Overbeck Pompei⁴ 119); es ist hier ein langes Tuch, nach Art unserer Handtücher, an den Enden mit Franzen versehen. Als Stoff wird genannt ὠμόλινον, Leinen aus angeröstetem Flachs; ferner zottige Stoffe, Verg. und Ovid. a. O. Serv. Aen. I 701. Poll. VII 74; aber auch feinere Stoffe, Anthol. a. O. Philoxenos bei Athen. a. O.

2. Serviette zum Abwischen der Hände während des Essens, Xen. Cyrop. I 3, 5. Lucian. de merc. cond. 15; vgl. übrigens Ἀπομαγδαλία. Sie war vielleicht ursprünglich, aus dem Namen zu schliessen, von dem Handtuch nicht verschieden. In römischer Zeit aber kam für die Serviette eine besondere Form und die nach Quintil. inst. I 5, 57 punische Bezeichnung mappa auf; häufig seit Horaz (bei Catull. 12, 3 linteum). Iuv. 5, 27. 6 Griechisch bleibt auch hierfür χ. üblich, Lucian. a. O. Ähnlichkeit der mappa mit dem mantele ergiebt sich aus Petron. 32; denn die laticlavia mappa fimbriis hinc atque illinc pendentibus erinnert sehr an das mantele des pompeianischen Altars; mappa mit breitem clavus auch Mart. IV 46, 17. Die mappa war aber kleiner: breves mappae Mart. VII 72, 2. X 87, 6. Bei Gastmählern [2224] wurde die Mappa sowohl vom Gastgeber geliefert (Varro de l. l. IX 47. Horat. sat. II 4, 81; ep. I 5, 21. Lucian. a. O.), als auch von den Gästen mitgebracht (Mart. XII 29); letzteres weil es üblich war, in der Mappa Speisen vom Nachtisch mit nach Hause zu nehmen, Petron. 60. 66. Mart. II 37, 7. VII 20, 13. Der ähnliche Gebrauch des mantelum Act. Arv. a. O. ist wohl die einzige Spur dieser Bezeichnung der Serviette. Mehrfach wird geklagt über die schlechte Sitte, dem Wirt oder den Mitgästen die Serviette zu stehlen, Catull. 12, 3. Mart. VIII 59, 7. XII 29. Die Mappa war ein beliebtes Saturnaliengeschenk, Mart. V 18, 1. VII 20, 13. 53, 4. 72. 2. X 87, 6. Beim Circusrennen gab der Spielgeber das Zeichen zum Beginn, indem er die Mappa in die Bahn warf, Quintil. a. O. Suet. Nero 22. Iuv. 11, 193. Mart. XII 29, 9. Tertull. spect. 16. Nach Cassiod. var. III 51, 9 soll die Sitte von Nero stammen; doch setzt die dort erzählte Anekdote – Nero, zu Tische liegend, lässt seine Mappa aus dem Fenster werfen, um das Zeichen zu geben – vielmehr den Gebrauch als bestehend voraus; so auch Sueton. a. O. Diesem Gebrauch verdanken wir die bildliche Darstellung der Mappa auf den Consulardiptychen: sie erscheint hier als ein zusammengerolltes, wohl kaum über 0,30 m. im Quadrat grosses Tuch.

3. Das Tischtuch. Der Gebrauch von χ. in diesem Sinne ist nicht ganz sicher zu erweisen; wahrscheinlich ist aber doch bei Alciphr. III 46 das sehr wertvolle χ., das der Briefsteller erst stehlen konnte, nachdem alle Anwesenden eingeschlafen waren, ein Tischtuch. Im Lateinischen hat mantele durchaus diese Bedeutung, Isid. or. XIX 26, 6. Tischtücher waren in älterer Zeit und noch bei Horat. sat. II 8, 10 nicht üblich; sie kommen zuerst vor bei Martial XII 29, 12. XIV 138; nach letzterer Stelle sollten sie die kostbaren Tischplatten schützen. Mit Tischtüchern wurde grosser Luxus getrieben, Alciphr. a. O. Hist. Aug. Elag. 27, 4; Al. Sev. 37, 2; Gallien. 16, 3; Aurel. 12, 1.

4. Endlich werden sowohl χ. als die lateinischen Übersetzungen in weiterem Sinne für Tuch, Umhüllung u. dgl. gebraucht. Sappho, Hekataios und, wie es scheint, auch Kratinos, alle bei Athen, a. O., verstehen unter χ. ein Kopftuch. Bei Plaut. Capt. 521 heisst mantellum in übertragenem Sinne ,Verhüllung‘. Auch die Bezeichnung des Tischtuches als mantele beruht wohl auf der allgemeinen Bedeutung ,Tuch‘, nicht etwa darauf, dass man sich am Tischtuch die Hände gewischt hätte; denn neben demselben blieb die Mappa stets im Gebrauch. So ist auch wahrscheinlich mantellum, in dieser ältesten Form, volkstümlich immer für ,Mantel‘ in Gebrauch geblieben und in dieser Bedeutung in die romanischen Sprachen übergegangen. Vielleicht war ein Mantel auch das mateliu, welches der in der britannischen Bleitafel Eph. ep. VII 827 Verfluchte gestohlen hatte; wenigstens dürfte es etwas mehr als eine Serviette gewesen sein. Becker-Göll Gallus III 387ff. Marquardt Privatl.² 312ff.

[Mau. ]