RE:Ἐξαιρέσιμος ἡμέρα

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Ausgeschaltete Tage
Band VI,2 (1909) S. 15491550
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Ἐξαιρέσιμος ἡμέρα, ein ausgeschalteter Tag, im Gegensatz zum eingeschalteten (ἐμβόλισμος). Solche Ausschaltungen fanden statt 1. außerordentlicherweise, um die durch Unvollkommenheit der Kalendereinrichtung verursachte Abweichung des Monats vom wahren (synodischen) Mondumlauf zu korrigieren. Vgl. Cic. Verr. II 129: est consuetudo Siculorum ceterorumque Graecorum, quod suos dies mensesque congruere volunt cum solis lunaeque ratione, ut nonnumquam, si quid discrepet, eximant unum aliquem diem, quos illi exhaeresimos dies nominant. Wie andere Kalendereinrichtungen, wurde auch diese zuweilen durch Habsucht und Gewissenlosigkeit zu fremdartigen Zwecken mißbraucht, wovon Ps.-Aristoteles Oecon. II 29 p. 1351 b 14 ein Beispiel berichtet. 2. Als Ausschaltung faßte man aber auch die Weglassung eines Tages auf, durch welche aus dem dreißigtägigen Monat (μὴν πλήρης) der neunundzwanzigtägige (μὴν κοῖλος) wurde. Dies geht von der Anschauung aus, daß die Tagzahl 30 das Ursprüngliche und Normale sei, 29 erst durch nachträgliche Kürzung daraus entstanden, einer Anschauung, von der es auch sonst zahlreiche Spuren gibt. Dahin gehört z. B. der Gebrauch von τριακάς für den letzten Monatstag, gleichgiltig ob der Monat voll oder hohl ist Dittenberger Or. Gr. inscr. sel. I p. 649f.). Die Tatsache, daß die Ägypter nur dreißigtagige Monate kannten, drückt daher Diodor. I 50, 2 mit den Worten aus οὐδ’ ἡμέρας ὑφαιροῦσιν, καθάπερ οἱ πλεῖστοι τῶν Ἑλλήνων. Während in der Oktaëteris (s. d.) volle und hohle Monate ununterbrochen abwechselten, galt in dem metonischen Kalender jeder 64. Tag, vom Anfang des Zyklus an gezählt, als ἐξαιρέσιμος. Genaueres s. unter Meton. Welcher Tag in den hohlen Monaten als ausgeschaltet galt, war früher sehr bestritten, indem Dodwell, Greswell, Unger den vorletzten (δευτέρα φθίνοντος), Petavius und nach ihm Ideler, Boeckh, A. Mommsen den zehntletzten (δεκάτη φθίνοντος) als Ausfalltag ansahen. Doch darf man wohl jetzt das Ergebnis von A. Schmidt Handbuch der griech. Chronol. l53ff. als gesichert ansehen, wonach in dem vormetonischen Kalender Athens, der die Tage der letzten Dekade rückwärts zählte, die δεκάτη φθίνοντος ın den hohlen Monaten fehlte, so daß in ihnen der 21. ἐνάτη φθίνοντος hieß, wogegen seit Einführung des metonischen Zyklus und der Vorwärtszählung in dem letzten Monatsdrittel die ἐνάτη μετ’ εἰκάδας, der vorletzte Monatstag, ausgelassen wurde. Gegen Dodwells Ansicht spricht Schol. Arist. Nub. 1132 und namentlich Pollux VIII 117, nach dem es in Athen in jedem Monat eine δευτέρα φθίνοντος gegeben haben muß. Mit Unrecht hat man das Zeugnis des Plutarch über den Ausfall des zweiten Boëdromion (de frat. am. 18 p. 489 B τὴν γὰρ δευτέραν ἐξαιροῦσιν ἀεὶ τοῦ Βοηδρομιῶνος, ὡς ἐν ἐκείνῃ τῷ Ποσειδῶνι πρὸς τὴν Ἀθηνᾶν γενομένης τῆς διαφορᾶς; Quaest. conv. IX 6, 1 p. 741 B ἐκεῖνο δέ σε, εἶπεν, ὦ Μενέφυλε, [1550] λέληθεν, ὅτι καὶ τὴν δευτέραν τοῦ Βοηδρομιῶνος ἡμέραν ἐξαιροῦμεν οὐ πρὸς τὴν σελήνην, ἀλλ’ ὅτι ταύτῃ δοκοῦσιν ἐρίσαι περὶ τῆς χώρας οἱ θεοί) mit dieser Frage in Verbindung gebracht; denn ein Ausfalltag, der nur in dem einen Monat Boëdromion, in diesem aber immer, einerlei ob er hohl oder voll war, eintrat, kann mit der regelmäßigen kalendarischen ἐ. ἡ. der μῆνες κοῖλοι nicht das mindeste zu tun haben; Plutarch sagt das ja auch geradezu (οὐ πρὸς τὴν σελήνην). Deshalb ist auch Boeckhs Hypothese (CIG 1 p. 226), der Schriftsteller habe die δευτέρα ἱσταμένου, die er ganz unzweideutig bezeichnet, mit der δευτέρα φθίνοντος verwechselt, nicht zu halten. Wie über die Glaubwürdigkeit der Plutarchischen Angabe an sich zu urteilen ist, steht dahin. Daß in einer Rechnungsurkunde aus dem J. 407/6 v. Chr. (Dittenberger Syll.² 51, 55) δευτέρᾳ Βοηδρομιῶνος steht, und zwar zwischen νουμηνίᾳ Βοηδρομιῶνος (Z. 53) und τετράδι ἱσταμένου Βοηδρομιῶνος (Z. 57), so daß sicher δευτέρᾳ ἱσταμένου gemeint ist, hat man durch die Annahme einer späteren Einführung jenes Ausfalltages mit Plutarchs Bericht in Einklang bringen wollen. Jedesfalls kann es sich, wenn etwas Wahres an der Sache ist, nur um die Vermeidung der Bezeichnung δευτέρα ἱσταμένου handeln (vielleicht zählte man statt dessen zwei τρίται), nicht um das Herausnehmen eines Monatstages ohne Ersatz aus dem kunstvoll geordneten athenischen Kalendersystem.