RE:Artaxerxes 5
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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(Ardasch-ir)_I., König d. neupers. Reiches | |||
Band II,1 (1895) S. 1321–1325 | |||
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5) Artaxerxes (Ardaschīr) I. Im Achaimenidenreich hatten von 464 bis fast an sein Ende mit einer einzigen längeren Unterbrechung (durch Dareios II. 424–404) Könige Namens A. geherrscht. Noch Bessos (s. Nr. 4), wahrscheinlich selbst ein Achaimenide, nannte sich, als er sich zum Grosskönig erklärte, A. Da ist es begreiflich, dass der Name nicht ausstarb, obgleich die Orientalen von dem alten persischen Reiche selbst so gut wie nichts wussten. So heisst denn der erste selbständige König von Armenien Artaxias (Polyb. XXII 6, 12. Diod. XXXI 32. Strab. XI 528. 531f. Appian. Syr. 45. 66), in armenischer Form Artaschēs, d. i., wie Andreas erkannt hat, im wesentlichen die eigentümliche Form dieses Königsnamens, welche die altpersischen Inschriften bieten (etwa Artachschassa zu sprechen), und welche das Alte Testament Artachschaschtā oder Artachschastā schreibt. Die von jenem Armenier gegründete Stadt hiess Artaxiasata oder Artaxata (Strab. a. a. O.), bei den armenischen Schriftstellern Artaschat, arabisch Ardaschāt. Besonders erhielt sich der Name aber im Heimatlande der Achaimeniden, in der Persis, wo auch [1322] der achaimenidische Name Dareios (Dārjāv, Dārāb, Dārā) lebendig blieb. Wir hören von einem Perserkönig A. im letzten Jhdt. v. Chr., welcher im Alter von 93 Jahren von seinem Bruder Gosithres (Gōtschithr, Gōzihr) umgebracht wurde (Isidor von Charax bei Ps.-Luc. macrob. 15). Er mag mit einem von den Königen der Persis Namens Artachschathr identisch sein, die wir durch Münzen kennen: s. A. D. Mordtmann Ztschr. für Numism. IV 153ff.; ZDMG XXXIV 3. v. Gutschmid Gesch. Irans 157ff. So schreibt sich nun auch der Mann, welcher das zweite persische Grossreich begründet hat, Artachschathr = Artaxerxes; doch war das schon zu seiner Zeit historische Schreibung; man sprach Artachschahr, was auf der griechischen Inschrift dieses Fürsten durch Ἀρταξάρου (Gen.) wiedergegeben wird (Stolze Persepolis 103). Jüngere Formen sind Artachschīr, Artaschīr und besonders Ardaschīr (über die Formen vgl. Nöldeke Übersetzung der Geschichte des Artachšîri Pâpakân, Göttingen 1879 [= Beiträge zur Kunde der indog. Sprachen IV 22ff.] 35, 2). Der Vater dieses A. hiess Pāpak, nach jüngerer Aussprache Pābak, arabisiert Bābak. Dessen Vater oder Ahnherr war Sāsān; daher nennen wir die Dynastie nach dem Vorgang der Orientalen die Sāsāniden. Das Geschlecht wird schon vorher angesehen gewesen sein; später wurden mehrere Stammbäume zurechtgemacht, welche es auf die mythischen Könige der Urzeit zurückführten und seine Herrschaft somit als die absolut legitime hinstellten. Pāpak stürzte den Fürsten Gōzihr, dem er bisher gedient hatte; der Name ist derselbe wie der oben genannte Gosithres, und man darf daher v. Gutschmid beistimmen, der hierin ein Zeichen sucht, dass er derselben Dynastie angehörte, wie jener. Pāpak war nun Herr eines Gebietes, zu dem Istachr (Persepolis) gehörte. Die natürliche Beschaffenheit der Persis, die zum grossen Teil ein Alpenland ist, begünstigt nicht sehr die politische Einheit, und so gab es denn dort in jener Zeit, wie gelegentlich wieder im Mittelalter, eine ganze Anzahl Kleinstaaten, allerdings unter der nominellen Oberherrschaft des arsakidischen Grosskönigs. Aber Pāpak fing an mit jenen aufzuräumen. Als er starb, folgte ihm sein Sohn Schāhpuhr (Sapor), aber dieser war bald das Opfer eines Unglücksfalls, in dem man, je nachdem, die Hand des Himmels oder seines Bruders A. sehen mag, der dadurch auf den Thron kam. Auch die diesem sehr günstige Tradition berichtet, dass er seine anderen Brüder umgebracht habe, weil sie gegen ihn conspirierten. Das Reich begann also echt orientalisch! A. ward wahrscheinlich im J. 211/2 König, v. Gutschmid Kleine Schriften III 152 = ZDMG XXXIV 734; die Angabe bei Masūdī III 135. IV 107, die auf das J. 205/6 führt, ist weniger verlässlich. Er war ein Mann von grosser Thatkraft. Zunächst unterwarf er das ganze eigentliche Persien, dann dessen Nebenland Kermān und wahrscheinlich das Gebiet von Ispāhān. Von Anfang an wird er sich mit den Priestern auf guten Fuss gestellt haben, die, wie es scheint, in seinem Heimatlande schon früh sehr mächtig waren und ihren Einfluss da noch bis tief in die islamische Zeit hinein bewahrt haben. Auf seinen Münzen tritt er in Wort und Bild als frommer Bekenner der zoroastrischen Religion auf. Die besonders [1323] von den Priestern gepflegte Tradition preist ihn deshalb als Musterfürsten. Man nahm natürlich keinen Anstoss daran, dass er sich selbst als göttlich (bagi, griechisch θεός) und von göttlichem Geschlecht stammend (griechisch ἐκ γένους θεῶν) bezeichnete; diese Formeln behalten seine Nachfolger bei. Wahrscheinlich hat er schon als König der Persis begonnen, dem Reiche die Organisation zu geben, welche so viel dazu beigetragen hat, es trotz aller inneren und äusseren Stürme über vier Jahrhunderte zu erhalten. Namentlich hat er, nach allen Spuren zu urteilen, von vornherein danach gestrebt, dass keine mächtigen Vasallenfürsten blieben, und dass das Reich nicht so zersplittere wie unter den Arsakiden. Die Tradition feiert ihn daher als Wiederhersteller der Einheit von Irān. Das war allerdings keine leichte Arbeit. Der parthische Oberkönig Artabān trat dem A. freilich zunächst nicht direct entgegen. Um Fehden verschiedener Machthaber in entlegenen Provinzen kümmern sich orientalische Grossreiche nur ausnahmsweise, und Artabān konnte um so weniger gegen den kecken Eroberer einschreiten, als das Reich zwischen ihm und seinem feindlichen Bruder Volagases geteilt war, s. v. Gutschmid Gesch. Irans 154. Nachdem A. aber auch Susiana und das Gebiet der Tigrismündung erobert hatte, zog Artabān endlich selbst gegen ihn, verlor jedoch in der entscheidenden Schlacht Krone und Leben. Von da an führte A. den Titel Schāhān schāh ‚König der Könige‘. Durch den eigentümlichen Umstand, dass nach sehr guter Überlieferung sowohl 223/24 wie 226/27 Epochejahre des Sāsānidenreichs sind, bleiben wir unsicher darüber, ob wir jene Schlacht, als deren Tag der 28. April angegeben wird, 224 oder 227 anzusetzen haben. v. Gutschmid entscheidet sich für das letztere Datum. Leider wissen wir nichts Authentisches über die einzelnen Ereignisse dieser Zeit, in der aus dem Arsakidenreich das sāsānidische wurde, und über die Massregeln, die der Sieger damals getroffen hat. Wir können es der Überlieferung glauben, dass er das regierende Geschlecht möglichst auszurotten suchte. Aber andere Zweige des Arsakidenhauses haben sich der neuen Dynastie unterworfen: die hochadeligen Familien Kāren, Sūrēn u. s. w. spielten auch unter den Sāsāniden eine grosse Rolle – Hauptstadt des Reiches blieb Ktesiphon, wenn auch Istachr officiell als solche gelten mochte. Das Ktesiphon gegenüberliegende Seleukia stellte der neue König wieder her und nannte es Weh Ardaschīr, d. i. ,Gut Artaxerxes.‘ So hat er noch eine Anzahl von Städten ‚erbaut‘ und nach sich benannt.
Die Bahn des A. war aber kein ununterbrochener Siegeslauf. Vor Hatra, dem Sitz eines Kleinfürsten in der mesopotamischen Wüste, nicht sehr weit von der Hauptstadt, scheiterte er wie vor ihm die Kaiser Traian und Severus; das berichtet schon der Zeitgenosse Cassius Dio (LXXX 3). Die Eroberung von Armenien, wohin sich einige Söhne Artabāns geflüchtet hatten, gelang ihm nach demselben Schriftsteller gleichfalls noch nicht. Wie weit er seine Herrschaft nach Osten und Norden ausgedehnt hat, können wir nicht wissen: die Tradition übertreibt hier. Aber auf alle Fälle reichten seine Eroberungen so weit, dass er sich mit Recht ‚König der Könige von Irān‘ nennen [1324] konnte. Überaus schlecht unterrichtet sind wir bedauerlicherweise über den ersten Kampf mit Rom, den Beginn einer Reihe von Kriegen, welche einen sehr grossen Teil der ganzen Dauer des Sāsānidenreiches ausfüllen. Dass man in Rom schon um 230 auf einen nahen Angriff des A. gefasst war, zeigt Cassius Dio a. a. O. Nach der Hauptnachricht des sehr unzuverlässigen Lampridius (Hist. Aug. Alex. Sev. 55ff.) hat nun Kaiser Alexander Severus den A. besiegt, nach dem noch viel unzuverlässigeren Herodian (VI 5f.) ist jener schmählich geschlagen worden. Doch sagt er wieder, so arg sei es nicht gewesen; dazu kommt eine chronologische Unmöglichkeit bei ihm. Nach Syncell. 357 D, der hier auf eine alte Quelle zurückgehen muss, brachen die Perser in Kappadokien ein – sie müssen inzwischen also in Armenien doch festen Fuss gefasst haben – und griffen Nisibis an, wurden aber von Alexander zurückgetrieben. Eine Münze (Cohen IV 33 nr. 238) vom J. 233 bestätigt den Sieg des Kaisers. Hätte A. über Rom grosse Erfolge errungen, so hätte auch die nur allzu ruhmredige persische Überlieferung davon wohl etwas bewahrt. Sie schweigt aber ganz von seinem Römerkrieg. Übrigens möchte ich doch glauben, dass Lampridius in dieser Sache wenigstens eine gute Quelle hatte.
Vor seinem Ende soll sich A. zu frommen Übungen zurückgezogen und die Regierung seinem Sohn Sapor überlassen haben, Masūdī II 160. Vielleicht darf man daraus, dass auf einer Kupfermünze neben seinem Bilde das eines jungen Prinzen steht (s. Thomas Early Sassanian Inscriptions tab. 1, 12. Bartholomaei Collection de monnaies sassanides tab. 1, 15), schliessen, dass er zuletzt wirklich den Sapor zum Mitregenten angenommen hat. Gestorben ist er 241 oder 242.
Die Münzen des A. sind gut geprägt; ich kann allerdings nur nach Abbildungen urteilen. Ob aber die Bilder darauf mehr für wahre Porträts gelten können, als z. B. die der Königin Victoria auf manchen Briefmarken des brittischen Reichs, steht dahin, zumal sie untereinander ziemlich verschieden sind. Königlich sieht er aber auf allen Münzen aus.
Wir wüssten von A. sehr wenig, wenn wir nur auf griechische und römische Schriftsteller angewiesen wären. Die orientalischen Quellen fliessen dagegen für seine Geschichte ziemlich reichlich. Die persische Königschronik berichtet ausführlich über ihn, namentlich auch über seine Thaten vor der Besiegung des Partherkönigs. Diese Nachrichten sind uns zwar nicht im mittelpersischen (Pehlevī-) Original, wohl aber in verschiedenen arabischen und neupersischen Bearbeitungen erhalten. Namentlich kommt hier die grosse arabische Chronik des Tabarī in Betracht, deren die Sāsānidengeschichte betreffenden Teil ich ins Deutsche übersetzt, eingehend erläutert und durch Mitteilung anderer orientalischer Angaben ergänzt habe (Nöldeke Gesch. der Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden. Aus .... Tabari übers. ... Leyden 1879). Mit einiger Kritik lässt sich die persische Überlieferung, die freilich nichts weniger als unparteiisch ist, sehr gut zur Ermittelung historischer Thatsachen verwerten. Gewissermassen gehört auch Agathias (IV 24) zu den orientalischen Quellen, da er durch Vermittelung eines [1325] Syrers aus den persischen Aufzeichnungen schöpfte. Für die Bestimmung der Chronologie kommt auch noch ein syrischer Schriftsteller in Betracht.
Neben der geschichtlichen Überlieferung haben die Perser noch eine fast ganz fabelhafte über den Gründer des Sāsānidenreichs, welche am reinsten in dem von mir übersetzten oben citierten Pehlevī-Traktat (Gesch. der Artachšîr u. s. w.) erhalten und auch in Firdausīs Schāhnāme aufgenommen ist (s. Mohls französische Übersetzung, Separatausg. V 217ff.). v. Gutschmid hat nachgewiesen, dass die Grundlage dieser Ardaschīrsage dieselbe ist, wie die der Kyrossage (Kl. Schriften III 133f. = ZDMG XXXIV 586f.). Einige durch christliche Gehässigkeit entstellte Züge daraus giebt auch Agathias II 27.