RE:Astrolabium 2

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Planisphaerium
Band II,2 (1896) S. 17991802
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2) Das A. planisphaerium genannte Instrument ist bis ins 17. Jhdt. im Gebrauch geblieben, vom Altertum an in einer ganzen Anzahl morgen- wie abendländischer Schriften behandelt worden und noch heut in einer Reihe zum Teil publicierter Exemplare vorhanden (s. u.). Die älteste griechisch erhaltene Schrift darüber ist die des Io. Philoponos περὶ τῆς τοῦ ἀστρολάβου χρήσεως καὶ κατασκευῆς (herausg. von H. Hase Rh. Mus. VI 1839, 127–171; als Anhang sind S. 157ff. einige noch spätere Traktate abgedruckt, die aber nur im Anfange über die Verwendung dieses A. handeln, dann im Gegenteil von S. 160 an Anweisungen für rechnerische Behandlung solcher durch das A. lösbarer Aufgaben geben). Dieses A. ist eine kreisrunde Scheibe. Auf der einen Seite ist eine um den Mittelpunkt der Scheibe drehbare Dioptra angebracht (ein Lineal mit zwei Absehen an den beiden Enden – eine lateinische Bezeichnung für diesen beweglichen Radius: mediclinium [neben alhidada] führt Müllenhoff Deutsche Altertumsk. I 275 aus Gerbert u. a. an). Diese läuft in eine Spitze aus, die als μοιρογνωμόνιον auf die Gradeinteilung am Rande der [1800] Scheibe weist. An einem Ringe in die Höhe gehalten, diente diese Seite der Scheibe dazu, die Höhe eines Sternes (seinen Abstand vom Horizont) zu messen. So ist sie auch ein ,Sternnehmer‘ und ist in dieser Form thatsächlich als besonderes Instrument (nach R. Wolf [s. u.] auch unter dem Namen A.) lange in Gebrauch geblieben. Die Gradeinteilung beschränkte sich gewöhnlich auf einen Viertelkreis (Philoponos a. a. O. 130. 142 u. a.); daher der spätere Name Quadrant. Heute entspräche das Höhenkreis genannte Instrument (nur dass die Dioptra durch das Fernrohr ersetzt ist). Zum vollständigen A. planisphaerium gehört aber die Einrichtung der Rückseite der Scheibe. Und gerade sie ist es, die diesem A. (seit wann?) dieses unterscheidende Beiwort eingetragen hat, da auf ihr ebene Darstellungen der Himmelskugel, in stereographischer Projection, angebracht sind. Diese Seite der Scheibe hat einen erhöhten, ebenfalls graduierten Rand, der tiefere Teil ist mit einer stereographischen Polarprojection für eine bestimmte geographische Breite versehen. Oder diese Projectionen sind, nach den Klimata verschieden, auf besonderen genau in die Vertiefung passenden Scheiben dargestellt. Dann wird das dem Bedürfnis des Beobachters entsprechende τύμπανον in die Vertiefung fest hineingelegt. Darauf wurde nun eine ebenfalls in die Vertiefung passende zweite um den gemeinsamen Mittelpunkt drehbare und so weit wie möglich ausgeschnittene Scheibe gelegt, die in gleicher Projection nur den Zodiacus mit seiner Gradeinteilung und 17 oder mehr besonders bemerkbare Fixsterne enthielt (Philoponos 146; Synesios [s. u.] spricht von 16 Sternen des Hipparch). Diese drehbare Scheibe ist die ἀράχνη aranea (rete) astrolabii. Für die Vertiefung führt Philoponos 146 die Bezeichnung δοχεῖον τῶν τυμπάνων an; vgl. den späteren Namen mater astrolabii für diese Seite des Instrumentes, während die andere dorsum astrolabii hiess (Philoponos bezeichnet sie nur als ἐπίπεδον ἐν ᾧ ἡ δίοπτρα κεῖται). Vor allem diente dieser Apparat zur Bestimmung der Stunde bei Tag wie bei Nacht. In letzterem Falle z. B. (Philop. 142f. vgl. Tannery a. a. O. 51) wird zunächst die augenblickliche Höhe eines der auf der Arachne verzeichneten Sterne genommen mit Hülfe des vertikal gehaltenen Höhenkreises, des dorsum. Dann wird auf dem horizontal gelegten Planisphaerium die Arachne so gedreht, dass der bestimmte Stern auf den seiner Höhe entsprechenden Kreis des darunterliegenden Tympanums fällt (über die Construction dieser dem Horizont parallelen Kreise [Almukantarate] handelt Philop. 131). Nun weist der Grad des Zodiacus auf der Arachne, in dem sich die Sonne am Beobachtungstage befindet, auf die gesuchte Stundenlinie des Tympanums. Hervorzuheben ist, dass die Stunden, wie auf den Sonnenuhren, die ungleichen Stunden ὧραι καιρικαί des bürgerlichen Lebens sind (s. z. B. Philop. 133f. 139. Tannery a. a. O. 52), die also für astronomischen Gebrauch erst in ὧραι ἰσημεριναί umzurechnen waren. Auch zu anderen Verwendungen des Apparates, der dazu diente, mancherlei astronomische Aufgaben ohne Rechnung zu lösen, giebt Philoponos im zweiten grösseren Teile seiner Schrift Anweisungen, so zur Bestimmung der Auf- und Untergänge der Sonne wie [1801] der Sterne u. a.; vgl. auch R. Wolf Gesch. d. Astronomie 164, 5.

Die Abhandlung des Philoponos enthält die älteste uns bekannte Beschreibung des darin kurzweg ἀστρόλαβος genannten Apparates. Eine Schrift des Ptolemaeus, auf den Philoponos (139) Bezug nimmt, ist bis jetzt nur in lateinischer Bearbeitung einer arabischen Übersetzung bekannt unter dem Titel de planisphaerio (der griechische Titel nach Th. H. Martin s. v. Astronomia in Daremberg et Saglio Dict. des ant. I 492: Ἅπλωσις [Ἐξάπλωσις? vgl. Philop. a. Anf. Synesios a. a. O.] ἐπιφανείας σφαίρας ἐν ἐπιπέδῳ), gedruckt zuerst Toulouse 1544, dann u. a. herg. v. F. Commandini, Venedig 1558, s. Delambre a. a. O. II 433–457. Ptolemaeus hat darin keine Beschreibung und Gebrauchsanweisung des A. gegeben, sondern er hat nur die Theorie der auf dem Tympanum und der Arachne angewandten Art der Projection entwickelt (stereographisch genannt seit Aguilon, s. Delambre II 457), anlehnend an Hipparch und nach einem ihm vorliegenden Instrumente, Tannery a. a. O. 52f. Dass aber Hipparch, der Erfinder des Ring-A., auch die stereographische Projection und dieses A. erfunden hätte, dafür werden hauptsächlich die Worte des Synesios angeführt in seiner Dedicationsschrift ad Paeonium Migne gr. 66, 1584 (die gewöhnlich fälschlich de dono astrolabii betitelt wird, während das Geschenk allerdings eine kunstvoll auf Silber ausgeführte Projection der Sphäre, eine Sternkarte ist, aber kein A.). Dagegen weist der Arachne genannte Teil über Hipparch hinaus, auf die Arachne des Eudoxos, und führt zu der Combination Tannerys, der in jener alten, sonst nicht genügend erklärten Sonnenuhr Arachne (s. d. Nr. 2) einen auch zur Bestimmung der Nachtstunden dienenden Apparat sieht, wo der Gnomon zu diesem Zweck durch ein in der Höhlung der concaven Auffangfläche der Sonnenuhr drehbares Kugelnetz ersetzt ist. Wie die Linien der gehöhlten Halbkugel später auf eine ebene Fläche projiciert wurden, so auch dies Kugelnetz. So entstand die auf dem festen Tympanum drehbare aranea astrolabii. Und des Apollonios Anteil an der Erfindung der Arachne, den Vitruv bezeugt, würde sich dann gut so erklären, dass gerade er den wichtigen Schritt von der sphärischen Darstellung zur Projection gethan hätte, Tannery a. a. O. 52ff. So läge der Anfang des fast 2000jährigen Gebrauches dieses A. in der Blütezeit der alexandrinischen Mathematik. Wie die ursprüngliche Form war, was etwa Hipparch daran verbessert hat, entzieht sich ganz unserer Kenntnis. Ebenso, wann es zu dem Namen ἀστρόλαβος gekommen ist, den es beim Philoponos ebenso ohne Einschränkung führt, wie das Ring-A. im Almagest. Das Wort kann schon jener Zeit angehören (vgl. den Namen des von Eratosthenes erfundenen und beschriebenen astronomischen Instrumentes μεσόλαβος, Hultsch Pappos Index u. d. W. Vitruv. IX praef. 14). Aber passt nicht der Name ἀστρόλαβος viel mehr auf jene Längen und Breiten messenden Armillen des Ptolemaeus, oder höchstens auf den Höhenkreis des A. planisphaerium? Auch erscheint für uns das Wort zuerst als Bezeichnung des Ring-A. im Almagest. Daraus wäre zu schliessen, dass zu Ptolemaeus Zeit eben nur dieses den Namen [1802] ἀστρόλαβος führte, nicht das in der Schrift über die Projection behandelte. Bei Philoponos dagegen ist umgekehrt ἀστρόλαβος schlechthin die Benennung des A. planisphaerium. Ebenso, wie es scheint, in der Notiz des Theios über eine Beobachtung im J. 503 n. Chr. (s. Delambre a. a. O. I 318), wo mit dem A. die ,Stunde (und zwar auch die καιρικὴ ὥρα) genommen‘ wird. Dagegen wird das Ring-A. von dem planisphaeren von Proklos (ὑποτύπωσις s. o.), der von beiden spricht (Delambre I 315) als ὁ διὰ τῶν ἑπτὰ κύκλων ἀστρόλαβος unterschieden (Tannery 73). Und demselben Zwecke dient sicherlich das Beiwort στερεός bei ἀστρόλαβος, Simplikios z. Aristot. cael. 462, 20 Heiberg (Aristot. ed. acad. IV 496 a 30), der eine Messung der Länge des Arktur durch seinen Lehrer Ammonios erwähnt.

Sicheres über die Namen und über das Verhältnis beider Instrumente zu einander festzustellen wäre nur bei genauerer Durchforschung der zum Teil wohl unbekannten griechischen Schriften darüber möglich, wie auch über die lateinischen Benennungen (so das Wort A. selbst) und die frühere Geschichte dieser Instrumente im Abendlande ein Bericht nicht gegeben werden kann. Einige Nachweise über die umfangreiche Litteratur, sowie über erhaltene (arabische) Exemplare des planisphaeren A. giebt R. Wolf Geschichte d. Astron. 165f., auf den (S. 160–164) neben Tannery Recherches sur l’hist. de l’astron. anc. 70ff. 50ff. für beide Instrumente verwiesen werden mag.

Nachträge und Berichtigungen

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Band R (1980) S. 51
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Astrolabium

[2]) A. planisphaerium. (L) S I.