10) In der Philoktetsage ein kultgeniessendes göttliches Wesen des nördlichen (aegaeischen) Meers, das zuerst bei Sophokles genannt ist. In dessen Philoktetes heisst sie 194 ὠμόφρων
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und hat einen οἰκουρῶν ὄφις als Wächter (1327), und zwar auf der ποντία Χρύση (270), also einer Insel, die auf der Fahrt von Aulis nach Ilion wohl vor Lemnos lag (s. Nr. 1); denn auf Lemnos wird Philoktetes ausgesetzt, nachdem er (266f.) von der Schlange am Altar der Ch. gebissen war. In den gleichfalls sophokleischen Λήμνιαι (frg. 345 Ddf.) liegen die πάγοι Χρύσης Lemnos benachbart; bei Eustath. Il. II 722 p. 330 zwischen Imbros und Tenedos, im Schol. B (L) Il. II 721 um Imbros oder um Tenedos. Nach dem einen Scholion zu Soph. Phil. 194 war Philoktetes dabei gewesen, als Herakles auf seinem troischen Zuge diese ‚πόλις nahe bei Lemnos‘ besuchte und dort opferte. Auf dieses προςνήξασθαι des Herakles führt Steph. Byz. den angeblichen späteren Namen dieser Insel Νέαι (s. v.) zurück (Anth. Pal. XV 25, 25 Νέαι Θρηΐκιαι). Nach dem Schol. 264 hatte Philoktetes dem Herakles ,in Lemnos‘ (!) einen Altar am Strande errichten wollen, als er gebissen wurde. Nach Philostrat. d. J. dagegen Ekphr. 17 p. 889 war der Altar schon von Iason gegründet worden auf der Argofahrt, und Philoktetes wollte ihn nur den Achaiern zeigen (Eustath. Il. II 722 p. 330, 10 = Schol. A B (L) D z. d. St. καθαίρων βωμόν). Denn Dosiades Anth. Pal. XV 26, 5 nennt Iason den Liebling (ἀΐτας) der Χρύσα. Vom Wesen der Ch. gab es zwei Auffassungen, beide gegenübergestellt im Schol. Soph. Phil. 194. a. Nach der einen, wiederholt zu 1327 = Schol. ABD(L) und Eustath. p. 330, 10 zu Il. II 722 = Tzetz. Lyk. 911 = metr. Hypoth. Soph. Phil., war X. ein Name der Athena, unter dem diese ein ἄγαλμα hatte. Vgl. die Athena χρυσῆ Schol. Soph. Oid. Rex 188. Anon. Laurent. de XII Deor. epithet. nr. 35 = Studemund Anecd. var. gr. 1886, 269 = Niketas d. XII Deor. epith. V, a. O. 276, 79. Anth. Gr. App. ep. III 91, 2 Cougny. Anth. Pal. XIV 2, 1 (Παλλὰς χρυσῆ σφυρήλατος). Der Minerva heilig ist die Insel Nea nach Plin. n. h. IV 72. Welcker schliesst daraus, dass auch Sophokles sich die Ch. als eine Athena gedacht habe, weil die Bezeichnung ihrer Schlange als κρύφιος οἰκουρῶν ὄφις (1327) der athenischen Burgschlange entlehnt sei; er habe nur sich gescheut, den Namen der heimischen Göttin geradezu auf die Barbaren zu übertragen. b. Die andere Erklärung des Schol. 194 nennt Ch. eine Nymphe; O. Müller Allg. Enc. s. v. Pallas-Athena § 33 schrieb diese Bezeichnung fälschlich dem Sophokles zu, was Roscher Myth. Lex. I 901, 27–31 wiederholt, obwohl schon Welcker Gr. Götterl. I 309 den Irrtum nachgewiesen hatte. Die vom Scholion citierte, offenbar jüngere Sage weiss, dass diese ,Nymphe‘ den Philoktetes unglücklich geliebt und darum verflucht habe; darum habe Sophokles sie nun ὠμόφρων genannt, Tzetz. Lyk. 911; darum habe sie ihn durch ihre Sehlange beissen lassen. Ohne Erwähnung dieser Legende stellt Eustath. a. O. diese ὁμόφρων (l. ὠμόφρων) νύμφη Χ.) der gleichnamigen Ch. einer angeblich zwischen Tenedos und Imbros liegenden Insel gegenüber, deren Schlange in der Parallelversion den Philoktetes biss. Versuch, den Wohnort der Ch. in dem goldreichen Thasos (Herodot. IV 46) wiederzufinden bei Arrian. v. Nikomed. frg. 67 (aus Eustath. Dion. Per. 517, FHG II 599). Diktys II 14 weiss
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ergänzend nachzutragen, dass Odysseus gleich nach dem berühmten Biss die Schlange der Ch. getötet habe, verlegt aber den Vorgang an den aus den Troïka bekannten, der Philoktetsage fremden Altar des Zminthischen Apollon, wo unter Beihülfe des Priesters Chryses Palamedes und die andern Griechen opfern und durch einen Ausfall des Alexandros gestört werden. Ist es nicht möglich, zu ergründen, wieviel von diesem Stoff den verschiedenen Bearbeitern der Philoktetsage zugehört, so dem Aischylos (Philoktetes frg. 250–253 Ddf.), dem Studemund (a. a. O. 261, 17) zweifelnd den Namen der Athena Χρύση zuschreibt, dem Philoktetes des Tragikers Philokles (Suid. s. v.), dem des Euphorion (Meineke Anal. Alex. 73ff.) u. a., so steht doch vom euripideischen Philoktetes fest, dass wir sein Argumentum in Hygin. fab. 102 haben. In dessen verdorbenem Texte lesen wir freilich, dass Philoktetes von der Schlange in insula Lemno gebissen sei (wie in Schol. Soph. Phil. 264), und Ch. wird nicht genannt; aber Dion Chrysostomos, der in seiner 52. Rede die Darstellungen des Aischylos, Sophokles und Euripides in Vergleich zieht und namentlich die letzten ausführlich bespricht, berichtet im ,Philoktetes‘ (or. 59) aus dem euripideischen Drama (p. 577), dass die Achaier auf dem Altar der Ch. opfern mussten, wenn sie vor Ilion keinen Misserfolg erleben wollten, und diesen Altar sich von Philoktetes zeigen liessen (vgl. Dindorf Poet. scaen. 351 a. E. Meineke a. O. Schneidewin Philol. IV 658). Abgebildet ist das Holzbild der Χ. mit Altar und opferndem Herakles auf dem Wiener Vasenb. Arch. Zeit. III 1845 Tab. 35. An den Brüsten sind zwei Sterne sichtbar. Andere nennt Welcker Gr. Götterl. Ι 308, 41. Vgl. Aldenhoven, Ann. d. Inst. 1873, 69 zu Flasch Angebl. Argonautenbilder 13ff. Overbeck Galerie 324ff. Ann. d. Inst. 1881, 149, sämtlich in Darstellungen der Philoktetsage.