RE:Daphitas

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Grammatiker aus Telmessos
Band IV,2 (1901) S. 21342135
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Daphitas (Δαφίτας, vgl. CIG 1514 = Larfeld Inscr. Boeot. 261, bei Suid. = Aelian. Δαφίδας, wohl zu Δαΐφαντος), Grammatiker (Aelian.) oder ,Sophist‘ (Val. Max.) aus Telmessos (dem berühmten Orakelort in Karien); vgl. v. Wilamowitz Comment. gramm. III (Gott. 1890) 13; von ihm abhängig Friedländer De Zoilo 63.

Zeugnisse: A. Cic. de fato 3, 5. Val. Max. I 8 ext. 8. Suid. s. Δαφίδας = Aelian. περὶ προνοίας oder περὶ θείων ἐναργειῶν (früher falsch aus dem wertlosen Ps.- Hesychios abgeleitet; Flach meint den ersten Absatz bis ἦν δὲ dem echten Hesych zuweisen zu dürfen [Rh. Mus. XXXV 209, kaum mit Recht]): eine einheitliche Zeugnisgruppe. B. Strab. XIV 647: selbständig, aus verwandter Quelle. – Man kannte von D. (nach Suidas) eine Schrift περὶ Ὁμήρου, in der er, wie andere obtrectatores Homeri beweisen wollte, dass Homer ἐψεύσατο· Ἀθηναῖοι γὰρ οὐκ ἐστράτευσαν ἐπ’ Ἴλιον, also im Anschluss an die alte Debatte über Il. II 546ff. (anders v. Wilamowitz a. O. 11, der die Schrift mit Dions Troikos vergleicht und fragweise Athenienses in Achivos ändert). Ausserdem wird bei Strabon (B) ein bissiges Distichon auf einen Attalos von Pergamon citiert, dessen Kenntnis auch die Zeugnisse der ersten Gruppe (A) voraussetzen; er hatte also skoptische Epigramme geschrieben. In dem angegriffenen Attalos will Susemihl (Griech. Litt. d. Alex.-Zeit II 22 Anm. 111) Attalos II. oder III. erkennen, ohne jeden greifbaren Grund; nach den Darlegungen von Jakobs (Animadv. Anthol. II 1 p. 105, ähnlich v. Wilamowitz a. O.) wird man aber an den ersten Herrscher dieses Namens denken müssen. D. würde dann noch ins 3. Jhdt. v. Chr. gehören.

Der λοιδορός, der weder vor dem Dichterfürsten noch vor dem Könige Respect hatte, wagte sich (eine Art γοήτων φώρα im Stil des Oinomaos von Gadara) in seinem Vorwitz schliesslich auch an das delphische Orakel. Nach der einen Fassung (B, Strabon) missachtet er – wohl im Gefühl seiner Stärke und Gesundheit – eine Orakel-Warnung. φυλάττεσθαι τὸν Θώρακα (von ihm aufgefasst im Sinne von Brustkorb), und wird in der Stadt Θώραξ ans Kreuz geschlagen (ein Mirakeltypus, für den der βίος Hesiods ein Beispiel bietet); nach der andern Version (A, durchweg Römer) stellt er an die Pythia die Vexierfrage, εἰ τὸν ἵππον εὑρήσει, ohne eines zu besitzen (ein auch sonst nachweisbarer Anekdotentypus, vgl. Aesop. Fur. 32 Cor. 16 = Babr. 229 p. 197 Cr., vgl. Crusius Festschr. f. Overbeck 105ff.), und [2135] wird von den Schergen des Attalos bei einer Ortschaft dieses Namens in einen Abgrund gestürzt. Die Anekdote hat eine antithetische Pointe: gerade die urbs religiosissima (Plin. n. h. XXX 6) muss die Heimat des ἀσεβής sein. Von der gleichen Beobachtung ausgehend, hat v. Wilamowitz die Überlieferung über die Heimat bezweifelt. Er identificiert diesen D. mit dem in der angeführten boiotischen Inschrift genannten aus Alexandreia Troas. In der That begriffe sich so vortrefflich die Animosität gegen die Pergamener, wie die Opposition gegen Homer. Alles in allem kann man D. als einen Kyniker bezeichnen, dem grammatische Studien nur Mittel zum Zweck waren. So erklärt es sich auch, dass die Zeugnisse, die allesamt in die erbauliche Geschichte einmünden, unverkennbar in letzter Instanz auf hellenistische (wohl stoische) Popularphilosophie zurückgehen; für den römischen Arm der Überlieferung ist der bei Cicero citierte Poseidonios (περὶ μαντικῆς ?) der directe Gewährsmann. In der Geschichte der Litteratur und Philologie hat D. keinerlei Spuren zurückgelassen. – Sehr wunderlich Susemihl Gesch. d. griech. Litt. in der Alex.-Zeit II 22, der nur Suidas s. Δαφίδας citiert und behauptet, wir wüssten sonst nichts von diesem Manne.