Donatismus. Die bei weitem bedeutsamste unter den schismatischen Bildungen innerhalb der alten Kirche des Abendlandes ist der D. Er ist entstanden im J. 311 aus geringfügigem Anlass; die Majorität in Karthago, zu der fast der gesamte dortige Clerus gehörte, wählte für den erledigten Bischofssitz den Archidiakonen Caecilianus (s. d. Nr. 9), gegen den eine Minorität leidenschaftlich protestierte, zumal seine schnelle Ordination anfechtbar war. Der von ihr als Gegenbischof aufgestellte Lector Maiorinus war wohl keine geistige Grösse, aber die grosse Mehrzahl der africanischen Bischöfe, besonders der numidischen, unter denen Donatus von Casae nigrae einige Zeit die Führung hatte, erklärte sich für ihn, und als die von beiden Parteien angerufene kaiserliche Entscheidung durch Vermittlung der Synoden von Rom und Arles (313 und 314) zu Gunsten des Caecilian ausfiel, fand es der Nationalstolz der Africaner erst recht unwürdig, sich in kirchlichen Fragen von den Bischöfen fremder Provinzen commandieren zu lassen. Inzwischen war an die Stelle des Maiorinus ein gewaltiger Mensch getreten, Donatus, nach dem Urteil der Seinen ‚der Grosse‘; mit gutem Grund hat seine Partei von ihm den Namen Donatistae oder Donatiani erhalten. Hieronymus muss dem Verhassten einen Platz in de vir. ill. 93 geben, die ungeheuren Erfolge seiner Agitation anerkennen, und berichten, es gäbe viele Schriften von Donatus ad suam haeresim pertinentia. Davon ist so wenig übrig geblieben, wie von dem Buch de spiritu sancto, das Hieronymus zum Schluss erwähnt; wenn er es
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als Ariano dogmati congruens charakterisiert, so verdient er keinen Glauben; denn die ‚Orthodoxie‘ der Donatisten ist von ihren Gegnern nicht bestritten worden. Eher können in dem Buche einige um 392 archaistisch klingende Wendungen enthalten gewesen sein; absichtlich lehnt der D. es ab, die Entwicklung der übrigen Kirche mitzumachen; grundconservativ vertritt er die Theologie des Cyprian, auch in der praktisch bald so wichtigen Frage der Ketzertaufe. Jeden nicht zu ihrer Gemeinschaft gehörigen Christen sahen sie als Ketzer an; den Eintritt in ihre ‚Kirche‘ kann er nur erlangen durch eine von ihren Geistlichen vollzogene Taufe, nach katholischem Urteil eine Wiedertaufe.
In Rom wünschte man dringend Herstellung des Friedens in den so wichtigen Provinzen Africas; das Einschreiten der Staatsgewalt wider die donatistischen Bischöfe hat schon unter Constantin, noch deutlicher unter Constans zwischen 340 und 350 sich nur der bekämpften Partei förderlich erwiesen. Das Blut von Märtyrern, das damals floss, steigerte die Ehrfurcht des Volkes vor der reinen Kirche, die übrigens mit den Novatianern so wenig etwas gemein haben wollte, wie mit den bitterer als das Heidentum gehassten Römern oder Katholiken. Propaganda jenseits des Meeres trieb man nicht; die kleine donatistische Gemeinde in Rom (s. Art. Campenses) bestand wohl aus übergesiedelten Africanern; aber Africa wollte man gern auch von den letzten Resten antidonatistischen Kirchentums säubern. In den grossen Städten, namentlich der Proconsularis, gelang das zwar nicht, ohne politische Losreissung vom Reiche war dies Ziel ja unerreichbar; aber im Innern des Landes gab es um 360 kaum noch Katholiken, und in den Städten standen je zwei Bischöfe einander gegenüber; vielleicht überall, ausser in Karthago, hatte der donatistische die Mehrheit des Volkes hinter sich. Der nationalistische Charakter der donatistischen Bewegung tritt am schroffsten in dem Treiben der Circumcellionen (s. d.) zu Tage, und das kühne Wort des Donatus: quid imperatori cum ecclesia? bezeichnet die Stimmung seiner Anhänger. Dem Schicksal der Secten, sich immer aufs neue zu spalten, ist freilich auch der D. nicht entgangen; Rogatiani und Maximianistae wurden von den Majoritäten der donatistischen Bischöfe excommuniciert. Um so bewundernswerter bei den vielfachen äusseren und inneren Schwierigkeiten und bei der Vereinsamung der donatistischen Kirche ist die Energie, mit der sie Cultur und Litteratur festhielt oder fortentwickelte; eine stattliche Reihe angesehener Schriftsteller hat sie hervorgebracht, z. B. neben Donatus den Parmenianus von Karthago, Vitellius, Petilianus, vollends Tyconius, von dem selbst die Katholischen gern lernten und von dessen Schriftstellerei sie auch einiges aufbewahrt haben; das übrige ist bis auf die Citate in den antidonatistischen Werken Augustins von den Siegern vernichtet worden. Bekämpft hat man auf katholischer Seite die Donatisten mit geistigen Waffen weniger eifrig, als einst die Novatianer; nur africanische Katholiken haben sich dieser Aufgabe gewidmet, um 370 der Bischof Optatus von Mileve, seit etwa 393 Augustinus. Dem überwältigenden Einfluss dieser Persönlichkeit und der Männer, die
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sich an ihn anschlossen, ist der Niedergang des D. seit 390 gewiss vor allem zuzuschreiben. Unermüdlich kämpft Augustin in Wort und Schrift gegen die Abgefallenen; Bd. IX seiner Werke in Migne Patrolog. lat (t. XLIII) enthält nur antidonatistische Tractate; und die Collatio cum Donatistis vom J. 411, wo über 400 Donatistenbischöfe gegen etwa ebensoviele Katholiken in öffentlicher Debatte ihre Sache verteidigen sollten, bis eine Partei besiegt sei, ist nach Plan und Erfolg Augustins Werk (die Acten bei Mansi Coll. conc. IV 7–276). Rücksichtslos hat der Bischof von Hippo sein coge intrare in Bezug auf die Donatisten auch dem Kaiser eingeschärft; und die blutige Verfolgung durch die römischen Beamten war den Donatisten eine Vorbereitung auf die nicht freundlichere Behandlung seitens der Vandalen. Trotzdem ist der D. in Africa erst im 7. Jhdt. unter dem Ansturm des Islam zugleich mit dem Christentum untergegangen. Quellen ausser Augustin: Optatus ll. VII ed. C. Ziwsa in Corp. script. ecclesiast. lat. Vind. XXVI 1893, daneben die Ausgabe von Dupin, Paris 1700f., wegen der Fülle der beigefügten Monumenta vetera ad Donatistarum historiam pertinentia noch unentbehrlich. Über die neuere Litteratur (M. Deutsch, D. Völter, O. Seeck) vgl. L. Duchesne Le dossier du donatisme in Mélanges d’archéol. et d’hist 1890, 589–660. Ziwsa Beiträge zu Opt. Milev. im Eranos Vindobon. 1893, 168ff. Thümmel Zur Beurteilg. d. Donat., Halle 1893.