8) Erzgießer hellenistischer Zeit, wird von Plinius XXXIV 88 im dritten alphabetischen Verzeichnis als Verfertiger von Porträtstatuen, eines Tubabläsers und der Gruppe einer getöteten Mutter, die von ihrem Kinde mitleidig geliebkost wird, erwähnt. Sein Name ist auf fünf in Pergamon gefundenen Basen entweder vollständig erhalten oder mit Sicherheit ergänzt worden. Die erste (Fraenkel Inschr. v. Pergamon 11. Loewy Inschr. griech. Bildh. 157 b) gehört nach dem Weihepigramm zu dem grossen ehernen Wagen, den Attalos, der jüngere Bruder des Königs Philetairos und Vater des späteren Königs Attalos I., [70] zur Erinnerung an seinen in Olympia errungenen Wagensieg auf der Burg von Pergamon geweiht hat. Da in dem Gedicht Philetairos noch als lebend erwähnt wird, muss die Errichtung dieses Denkmals vor dessen im J. 263 erfolgten Tod fallen. Die zweite (Fränkel a. O. 22. Loewy a. O. 154 e) stammt von dem grossen Siegesdenkmal, das Attalos I. nach 223 (s. Bd. II S. 2161) zur Erinnerung an den Krieg mit Antiochos Hierax und seinen gallischen Bundesgenossen errichtet hatte und in dem jede Schlacht durch eine besondere Erzgruppe verherrlicht gewesen zu sein scheint. Die dritte (Fränkel a. O. 29) steht auf der Basis einer von dem Feldherrn Epigenes und der pergamenischen Armee zur Erinnerung an dieselben Kämpfe gestifteten Erzgruppe, die den König mit seiner Umgebung oder auch in der Schlacht dargestellt zu haben scheint. Sie wird dem grossen Siegesdenkmal ungefähr gleichzeitig sein, könnte aber auch schon früher errichtet sein. Die vierte und fünfte Inschrift stehen auf kleinen Basen, die vermutlich Porträtstatuen trugen (Fränkel a. O. 31. 32. Loewy a. a. O.157. 157a). Dieser Tatbestand zeigt, daß E. in Pergamon mindestens in den J. 264–222 tätig und bei der Herstellung der Denkmäler für die Galliersiege in hervorragender Weise beteiligt war. Da unter diesen Umständen das Fehlen seines Namens unter den bei Plin. XXXIV 84 aufgezählten Schöpfern dieser Gruppen ganz unbegreiflich sein würde, so hat Michaelis Arch. Jahrb. VIII 1893, 131f. völlig evident an jener Stelle statt des sonst unbekannten Isigonos den E. eingesetzt. Hingegen unterliegt der von demselben Gelehrten a. O. 119ff. 132f. gemachte Versuch, die von Plinius im alphabetischen Katalog genannten Statuen des E., den Tubabläser und die tote Mutter, für Einzelfiguren aus jenen Kämpfergruppen zu erklären und mit dem sterbenden Gallier des Capitols und der Neapler Amazone aus dem attalischen Weihgeschenk zu identifizieren, grossen Bedenken. Sehr treffend bemerkt Petersen Röm. Mitt. VIII 1893, 253, daß an dem sterbenden Gallier sein Amt als Tubabläser viel zu wenig charakteristisch und augenfällig sei, um eine solche Namengebung im Kunstjargon gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Richtiger würde man ihn wie die berühmte Statue des Kresilas als morientem deficientem bezeichnen können. Dies spricht aufs entschiedenste gegen jene schon früher von Urlichs Pergam. Inschr. 29 angedeutete Hypothese. Bei der Identificierung der Neapler Amazone mit der mater interfecta wird von der Voraussetzung ausgegangen, daß zu dieser Statue ein kleines, die Brust der sterbenden Mutter suchendes Kind gehöre, wie es in der Tat die älteren Zeichnungen zeigen. Diese Frage erscheint zur Zeit noch nicht spruchreif. Sie wird von Petersen a. O. 251ff. verneint, von Sauer (Röm. Mitt. IX 1894, 246ff) bejaht. Aber selbst wenn man die Richtigkeit der Annahme zugibt und, wie man dann muß, mit Michaelis in der Neapler Amazone eine plastische Umbildung der berühmten sterbenden Mutter aus dem Gemälde des Aristeides sieht (Plin. XXXV 98), so würde wiederum die Schilderung des Plinius höchst ungeschickt sein, nicht nur weil, wie Petersen erinnert, das singulare Motiv einer Amazone als Mutter gar nicht hervorgehoben [71] vorgehoben wird, sondern weil das Kind, wie es in den alten Zeichnungen erscheint, zwar begierig nach der Brust verlangt, aber keineswegs seine sterbende Mutter bemitleidet und liebkost. Auch erscheinen die Amazone und der Gallier stilistisch so verschieden, daß sie kaum von demselben Künstler herrühren können. Es kommt hinzu, dass die sterbende Mutter des E. nach Plinius ein Bronzewerk war. Um also die vorgeschlagene Identifizierung zu ermöglichen, muss angenommen werden, dass die Amazone und mit ihr das ganz attalische Weihgeschenk nach einem in Pergamon befindlichen Bronzeoriginal copiert sei, eine zwar sehr verbreitete, aber durch nichts gerechtfertigte, vielmehr schweren Bedenken unterliegende Annahme, die denn auch Michaelis nur in so weit gelten lassen will, als er nur Benutzung einzelner Motive aus der großen Gallicrgruppe zu Pergamon annimmt. Allein auch bei dieser Einschränkung bleibt der Beweis, daß sich in Pergamon eine große Amazonenschlacht aus Erz befunden habe, noch zu erbringen, und selbst bei der Galliergruppe ist die Annahme eines wenn auch noch so losen Zusammenhangs wegen der Art der Aufstellung nicht allzu wahrscheinlich. Denn die Erzgruppen in Pergamon standen auf großen Marmorbathren, alle Figuren also auf dem gleichen Niveau, die Marmorgruppen des attalischen Weihgeschenks bauten sich stufenförmig an der Südmauer der Akropolis auf (Habich Die Amazonengruppe des attalischen Weihgeschenks, Berlin 1896), woraus sich sowohl für den Aufbau als für die einzelnen Motive ganz verschiedene Bedingungen ergeben mußten. Diese Schwierigkeiten werden nur zum Teil gehoben, wenn man mit S. Reinach Rev. d. ét. gr. 1894, 43 annimmt, daß die Amazone die Umbildung einer sterbenden Gallierin aus dem pergamenischen Schlachtenmonument sei. Wichtigste Literatur: Michaelis Arch. Jahrb. VIII 1893, 119ff. Petersen Röm. Mitt. VIII 1893, 251ff. Collignon Sculpt. II 500ff.