Halmyris lacus an der Donaumündung. Plin. n. h. IV 79: primum ostium Peuces ...; ex eodem alveo et super Histropolim lacus gignitur LXIII p. ambitu, H. vocant. Die Beschreibung läßt keinen Zweifel, daß wir den See unter den geographisch sehr interessanten Liman- und Haffbildungen
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im Süden des Donaudeltas zu suchen haben. Es lassen sich heute drei untereinander in Verbindung stehende Seen unterscheiden, die durch die enge Mündung Poritsa zum Meer sich öffnen. Am nächsten der Donau der yezero Rasim, ein typisches Liman, der untergetauchte und durch eine Nehrung fast völlig geschlossene Trichter einer prähistorischen Hauptmündung der Donau, noch heute durch den Dunavatsuarm mit dem Strom in Verbindung. Auf dem großen Liman steht senkrecht ein sehr viel kleineres, jetzt durch eine ganz schmale Zunge zweigeteilt. Durch eine sumpfige Halbinsel werden sie im Süden von der Lagune oder dem Haff Sinoe geschieden, ein der Küste parallel gerichteter Strandsee, durch eine enge Rinne kaum noch mit der Portitsamünde kommunizierend, an Größe dem Liman Rasim vergleichbar, aber von diesem durch die wesentlich andere Entstehung verschieden; er stellt eine durch Küstenwall und Nehrung allmählich abgedämmte Meeresbucht dar. Die enge Zusammengehörigkeit der Seen und des Stromes ist von den hellenischen Ansiedlern in dem Namen ihrer am Rand der Seen gelegenen Kolonie Istros gut zum Ausdruck gebracht worden. Die Gründung läßt zugleich die besondere Bedeutung erkennen, welche den Seen einst zukam: sie waren der natürliche Hafen der Donaumündung und die alte Eingangspforte zu dem weiten, vom Strome durchflossenen Hinterland. Das läßt auch schließen, daß im Altertum der Dunavatsu noch bedeutend und wassereich genug und eine bequem schiffbare Straße war (s. Art. Hieron stoma). Aber zu den Hauptmündungen der Donau wurde er von den Geographen doch nicht mehr gezählt, wie die oben angeführte Beschreibung des Plinius am besten zeigt. Es ist falsch, wenn Brandis (s. o. Bd. IV S. 2119f.) in der Dunavezmündung (bezüglich in der Portitsamünde der Seen) das Hieron stoma sehen will (s. Art. Hieron stoma).
Beziehen wir die 63 Meilen des Plinius wirklich auf den ambitus des H. lacus, so würde dieser nur das Liman Rasim umfaßt haben. Dieser Beschränkung widerspräche aber die weitere Angabe des Geographen über die unmittelbare Nachbarschaft des Sees und der Stadt Istros, da diese nach den erhaltenen Itineraren mit aller Sicherheit viel weiter im Süden und am Rand des Haffs Sinoe gesucht werden muß. Die Küstenfahrt zwischen Istros und der heiligen (= S. Georg-) Mündung der Donau finden wir auf 500 Stadien geschätzt (Strabon, Arrianos, Anonymos; die Ptolemaioskarte ergibt 425); den Landweg bemißt die Tab. Peut. ad stoma (sicher auch die heilige Mündung, wie der Vergleich mit dem Geogr. Rav. ergibt; die Station dürfte am Ausfluß des Dunavatsu aus dem Georgsarm gelegen haben) zu 480 Stadien. Zwischen Istros und dem südlicheren Tomis (dessen Stelle archäologisch genau bestimmt ist zwischen Anadolkiöi und Palasi, nordwestlich von Constantsa; vgl. Contogiorgi Sui sito dell’ antica città di T., Constanza 1884) wird die Küstenlänge auf 250 Stadien berechnet (Strab.). Alle diese Zahlen vereinigen sich, um Istros auf dem Plateaurand zwischen dem winzigen yezero Devenderen und der Sinoelagune in der Nähe des Steppendörfchens Karanasib zu fixieren.
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Danach scheint notwendig, den H. lacus auch auf das Haff Sinoe auszudehnen und die 63 Meilen, anstatt auf den Umfang, auf die Länge des inneren Uferrandes zu beziehen. Also müssen die genetisch so verschiedenartigen und heute auch räumlich bestimmt geschiedenen Seebildungen im Altertum nicht bloß als ein See gegolten, sondern wirklich einheitlichere Gestaltung besessen haben. Diese Forderung wird ohne Schwierigkeit durch die Annahme erfüllt, daß damals die ganz niedrige und völlig versumpfte Schwemmlandhalbinsel gegenüber Portitsa noch nicht bestand, vielmehr die Lagune Sinoe sich in ganzer Breite gegen das Liman Razim öffnete. Das wird auch unabhängig vom Gang dieser Untersuchung allein durch die Lage der griechischen Seestadt Istros an der Lagune und ihre Bestimmung als Donauhafen gesichert; denn diese setzen notwendig eine freie, ungehinderte Zufahrt nicht nur vom Meer, sondern ebenso vom Liman und dem Donauarm voraus, während heute das Haff so gut wie völlig abgesperrt liegt. Ebenso läßt sich kaum bezweifeln, daß die Portitsamünde im Altertum beträchtlich breiter war und von der sich eben erst bildenden Nehrung noch kaum gefährdet wurde. Vgl. über die Seen Peters, den besten Kenner der Dobruga in den Denkschr. Akad. Wien, naturw.-math. Kl. XXVII = 1867, 99.