2) Hannas II. (bei Josephos Ἄνανος, s. Hannas I.), Sohn des Vorigen, wird im J. 62 n. Chr. von Agrippa II. zum Hohenpriester ernannt als letzter der fünf Söhne H.s I. (Joseph. ant Iud. XX 197f.); er ist wohl auch der jüngste gewesen (seine vier Brüder treffen wir als ἀρχιερεῖς von 16 bis etwa 42 n. Chr., Joseph. ant. Iud. XVIII 34. XIX 316), aber damals jedenfalls auch schon ein Mann in höheren Jahren (Joseph. bell. Iud. IV 151. 238), trotzdem aber kühn und wagemutig (Joseph. ant. Iud. XX 199), ein glänzender, hinreißender Redner (Joseph. bell. Iud. IV 162ff.321). Er war ein eifriger Anhänger der sadducäischen Partei (die Kombinationen von Grätz Geschichte d. Juden III⁵ 749ff. aus talmudischen Quellen sind freilich sehr gewagt) und ist gegen seine Gegner scharf vorgegangen, hat sie als Gesetzesübertreter durch das Synedrion verurteilen und sie sogar in Überschreitung seiner Kompetenz steinigen lassen (die Angabe des Joseph. ant. Iud. XX 200, daß damals auch Jakobus, der Bruder Jesu, hingerichtet worden sei, ist nicht gesichert, sie beruht wohl sogar auf Textinterpolation, Schürer Gesch. des jüd. Volkes I³ 581ff.). Infolge dieser Kompetenzüberschreitung haben die Pharisäer die baldige Absetzung des H. leicht durchsetzen können (Joseph. ant. Iud. XX 200–203). Die Amtsenthebung mag den H. römerfeindlicher gemacht, ihn den Pharisäern, überhaupt der Menge genähert haben, jedenfalls hat er auch in den folgenden Jahren eine politische Rolle gespielt, wobei er sich freilich im Bewußtsein der Stärke Roms den Gemäßigteren anschloß (Joseph. bell. Iud. IV 319–321; Josephos’ Nachruf ist allerdings sicher panegyrisch gefärbt); immerhin finden wir H. zu Beginn des jüdischen Aufstandes in leitender Stellung. Er ist gegen Ende des J. 66 n. Chr. in einer Volksversammlung zusammen mit Joseph ben Gorion mit der Verteidigung von Jerusalem betraut und zugleich als eine Art oberster Gouverneur der Stadt bestellt worden (τῶν κατὰ τὴν πόλιν ἁπάντων αὐτοκράτωρ, Joseph. bell. Iud. II 562f.648). In dieser Eigenschaft finden wir ihn dann gleichsam an der Spitze der revolutionären Zentralregierung in Jerusalem und insofern z. B. auch in Galiläa gegen den dortigen Statthalter, den Historiker Josephos, eingreifend, um diesen von seinem Posten zu entfernen; er hat freilich ihm gegenüber bald eingelenkt (Joseph. vita 189ff. 216ff. 309ff.). H. hat als Gemäßigter versucht, die im Laufe des Aufstandes immer zügelloser werdende radikale Partei der Zeloten im Zaum zu halten; er ist ihnen freilich schließlich erlegen (Joseph. bell. Iud. IV 651[WS 1]). Als nämlich im Winter 67/8 n. Chr. die Zeloten sich immer entschiedener gegen die leitenden Kreise wandten, um selbst die Macht in die Hände zu bekommen, hat es vor allem die Beredsamkeit des H. verstanden, einen Teil des Volkes zum offenen Kampfe gegen die Zeloten in Jerusalem zu bestimmen. In diesem Kampfe haben H. und die Ordnungspartei – H. erscheint auch hier durchaus als der eigentliche Führer – zwar zuerst Erfolge errungen, als aber die Zeloten die Idumäer für sich gewannen und diesen endlich den von der Ordnungspartei gewehrten Eintritt in die Stadt verschafften, da sind die Gemäßigteren unterlegen. H. ist dabei den Idumäern [2318] in die Hände gefallen und getötet worden. Der Tod des H. ist etwa im Februar–März 68 n. Chr. erfolgt. Man war so erbittert gegen ihn, daß man dem Toten das Begräbnis verweigert hat (Joseph. bell. Iud. IV 151–325). An der Anfachung des Bürgerkrieges ist nicht ihm die Schuld beizumessen, sondern den Zeloten; auch ist es unbeweisbar, daß er es insgeheim mit Rom gehalten habe. Mit ihm scheint das Element beseitigt worden zu sein, das allein noch imstande gewesen war, die Schreckensherrschaft der Zeloten abzuwehren. Grätz Geschichte d. Juden III⁵ 443f. 475. 489. 512ff. urteilt infolge seines Eintretens für die Zeloten über H. nicht richtig. S. noch Schürer Gesch. d. jüd. Volkes I³ 581. 607. 618f. II⁴ 256. 273.