RE:Octavius 31

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Volkstribun 133 v. Chr. gegen das Ackergesetz des Kollegen Ti. Gracchus
Band XVII,2 (1937) S. 18201822
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31) M. Octavius, bei Flor. II 2, 5 versehentlich C. Octavius genannt, war Volkstribun 621 = 133, intercedierte gegen das Ackergesetz seines Kollegen Ti. Gracchus und wurde schliesslich, als ihr Kampf sich aufs äußerste verschärfte, auf den Antrag des Gracchus von den Tributcomitien seines Amtes entsezt. Die Darstellung seiner Persönlichkeit in den Hauptquellen der Geschichte des Ti. Gracchus wird durch deren Haltung gegenüber diesem ihrem Helden bestimmt; das hat unter den u. Bd. II A S. 1415-1417 verwerteten neueren Untersuchungen besonders die von Fraccaro Studi sull' età dei Gracchi (Città di Castello [1821] 1914) 93ff. gut ausgeführt und seitdem und meistens im Anschluß daran die von Täger Ti. Gracchus (Stuttgart 1928) 73ff. Cicero erkennt mit einer allgemeinen Wendung die gute Gesinnung des O. an (Brut. 95: civis in rebus optumis constantissimus), und Appian. (bell. civ. I 48–54 vgl. 60) läßt seine Gestalt gänzlich farblos. Die entgegengesetzten Auffassungen sind bei Plutarch und Dio zu finden. Plut. Ti. Gr. 10, 1 führt O. als Gegenstück zu dem edlen Jüngling Ti. Gracchus ein: νεανίαν ἐμβριθῆ τὸ ἦθος καὶ κόσμιον, ἑταῖρον δὲ τοῦ Τιβερίου καὶ συνήθη; er rühmt die ruhige Sachlichkeit und würdige Form ihres Kampfes (10, 5f.: λέγονται) und betont zweimal, daß O. sich des Abweichens vom rechten Wege selbst geschämt hätte (10, 1: αἰδούμενος. 12, 4: αἰδεσθείς); er schildert ihn als durch die Bitten des Gegners tief erschüttert (12, 3: λέγουσιν) und sie schließlich οὐκ ἀγεννῶς abweisend (12, 4). Aber mit dieser von Sympathie erfüllten Auffassung verträgt es sich schlecht, wenn er (10, 7) den O. ebenso wie später (13, 3) den Scipio Nasica als Besitzer vielen Gemeindelandes hinstellt; daß der Eigennutz bei beiden das ist, was sie zu Widersachern des Reformators macht, wird bei O. nur dadurch etwas verschleiert, daß diese Angabe zur Einfügung eines neuen edlen Zuges des Gracchus verhilft. Noch weniger paßt zu allem Vorhergegangenen die freilich in sich selbst widerspruchsvolle Schilderung der Mißhandlung des abgesetzten O. und seines treuen Dieners (12, 5f. vgl. Täger 81f.). Der Grundanschauung Plutarchs steht schroff gegenüber die von Dio frg. 83, 4–6: O. bekämpft den Gracchus aus freien Stücken διὰ φιλονεικίαν συγγενικήν (vgl. damit und mit dem folgenden ἀντιφιλονεικοῦντες bei Plut. 10, 7 τὴν φιλονεικίαν des O. in dem erwähnten Stücke über seinen Eigennutz); es geht nicht um das Wohl des Ganzen, sondern um die eigene Überlegenheit (4: περιγενέσθαι ... ἀλλήλων. 6: ἐν μηδενὶ ἀλλήλων ἐλαττοῦσθαι); die Kampfführung ist durchaus gewaltsam und gehässig. Somit liegen die Urteile beider Parteien über O. vor und sind miteinander schlechterdings unvereinbar; die tatsächlichen Vorgänge sind zuverlässig bekannt, so daß ihre Wiedergabe durch jene subjektiven Meinungen nicht beeinträchtigt zu werden braucht (s. Bd. II A a. O. und seitdem z. B. Hugh Last Cambridge Anc. Hist. IX 24ff. Vogt Die röm. Republik 181f.). Nur über den Abgang des O. nach der gegen ihn ausgefallenen Abstimmung bestehen Widersprüche; einerseite sagt Appian 54: αὐτίκα ἰδιώτης γενόμενος διαλαθὼν ἀπεδίδρασκε, während Plutarch die gewaltsame und schimpfliche Entfernung von der Rednerbühne berichtet (s. o.) und schließt: ἐσώθη μόλις ἐξαρπαγεὶς καὶ διαφυγὼν τὸν ὄχλον; anderseits wird Appian auch einigermaßen berichtigt durch Poseidonios (FGrH 87 F 110 d) bei Diod. XXXIV 7, 1: οὔθ' ὁμολογῶν ἑαυτὸν ἰδιώτην ὑπάρχειν οὔθ' ὡς ἄρχων τολμῶν πρᾶξαί τι δημαρχικόν, ἔμενε κατὰ τὴν ἰδίαν οἰκίαν ἡσυχάζων (s. dazu Ed. Meyer Kl. Schr. 394 = I² 376. Täger 84. 109). Kurze Erwähnungen des Tribunats und des Schicksals des O. sind Cic. leg. III 24; Brut. 95; nat. deor. I 106. Liv. ep. LVIII. Vell. II 2, 3. Ascon. Cornel. 64 K.-S. = 57 Stangl. Flor. II 2, 5. Oros. V 8, 3. Auct. de vir. ill. 64, 4. Plut. Ti. Gr. 14, 5. 8. 15, 1. [1822] Dio XLVI 49, 2. Im J. 631 = 123 eröffnete C. Gracchus sein Tribunat mit Anträgen, die sich gegen Feinde seines toten Bruders richteten; der eine davon lautete, daß ein durch Volksbeschluß seines Amtes entsetzter Mann künftig keines andern Amtes fähig sein sollte, und bezweckte, den O. für ehrlos zu erklären; auf Fürbitte seiner Mutter Cornelia ließ der Tribun, wie er selbst sagte, diesen Antrag fallen (Plut. C. Gracch. 4, 1–3. Diod. XXXIV 25, 2 mit der auf Verwechslung beruhenden Angabe, es habe sich um Verbannung des O. gehandelt; s. Bd. II A S. 1385, 30ff.). Die Verwendung Cornelias für O. entspricht dem Gedanken des ersten ihrer bekannten Brieffragmente (bei Corn. Nepos a. o. Bd. IV S. 1594. Ed. Meyer 389 = I² 371) und wäre noch mehr verständlich, wenn wirklich Verwandtschaftsbeziehungen des O. zu den Gracchen bestanden hätten, wie aus Dios Worten zu schließen ist (frg. 83, 4: διὰ φιλονεικίαν συγγενικήν [s. o.]). Im übrigen ist von einer Ämterbekleidung oder politischen Betätigung des O. außer dem Tribunat des J. 621 = 133 nichts bekannt.