RE:Terentius 82

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Terentius Varro, Legat, Flottenbefehlshaber, Erpressung 76 v. Chr.
Band V A,1 (1934) S. 678680
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82) A. Terentius Varro ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Kenntnis römischer Persönlichkeiten, die auf wenigen und unsicheren literarischen Zeugnissen beruht, durch Inschriftenfunde im griechischen Osten bereichert und berichtigt wird. Die vier Steine mit seinem Namen sind folgende: 1. Karische Ehreninschrift für T. und seine Mutter (ungenau Le Bas-Waddington 320, besser Bull. hell. XXII 374 = Dess. 8773): [Ὁ δ]ῆμος (so!) Τερεντία[ν ἀρετ]ῆς (apparet excidisse aliquid Dess.) αὐτὴν δὲ καὶ τὸν υἱὸν αὐτῆς | Αὖλον Τερέντιον Αὔλου υἱὸν . 2. Bilinguis aus Delos (Bull. hell. XXIX 228f. [vgl. ebd. XXXVI 121. 124] = Dess. 866 mit Add. = CIL ΙΙΙ Suppl. 7240 = Ι² 738 m. Abb): A. Terentium A. f. Varro[nem legatum?] | Italicei et Graecei quei Delei negoti[antur] | [Α]ὖλον Τερέντιον Αὔλου υἱὸν Οὐ[άρρωνα πρεσβευτὴν ?] . 3. Aus dem Hieron auf dem asiatischen Ufer nahe dem [679] Nordausgange des Bosporos (s. Oberhummer o. Bd. III S. 752f. und besonders Lehmann-Haupt Klio XVIII 366-368) stammt die Weihung einer koischen Schiffmannschaft (Österr. Jahresh. I 31ff. = IG XII 8, 260 = Cagnat IGR I 273): Ἁγ[ουμ]έ[ν]ου τοῦ στόλου παντος Αὔλου Τερε[ν]τίου Αὐ[λ]ου υἱοῦ Οὐάρρωνος . 4. Eine schon vor 30 Jahren o. Bd. IV S. 1369–1371 eingehend besprochene rhodische Inschrift (IG XII 1, 48 = Syll.³ 745 = Dess. 8768) gilt einem Unbekannten (Poseidonios? Hiller Suppl.-Bd. V S. 802f.), der an mehrere mit Namen und Titeln aufgezählte römische Beamte Gesandtschaften übernommen hat, und zwar an mindestens vier andere, L. Sulla, L. Lentulus, L. Murena, L. Lucullus. und schließlich ποτὶ Αὖλου υἱὸν Οὐάρρων[α. Alle vier Inschriften geben die drei Namen des T., den Namen seines Vaters, der ebenso wie sein eigener lautete, und seinen, nur auf dem delischen Steine weggebrochenen Titel Legatus, in welcher amtlichen Eigenschaft er eine Flotte in den Gewässern vom Karpathischen bis zum Schwarzen Meer befehligte; die erste Inschrift lehrt außerdem, daß seine Mutter gleichfalls der Gens Terentia entstammte. Die Zeit des Kommandos hat Mommsen in der grundlegenden Erläuterung der rhodischen Inschrift (S.-Ber. Akad. Berl. 1892, 848f.) richtig bestimmt: Es fällt in den sog. zweiten Mithridatischen Krieg 672 = 82; T. war damals Legat des Propraetors L. Murena, der in derselben Inschrift vorher genannt ist und mit ihm in verwandtschaftlichen Beziehungen stand (o. Bd. XIII S. 445, 51ff. s. Nr. 91)), und er ist kein anderer als der Terentius Varro, der nach literarischen Zeugnissen auf Grund seiner Tätigkeit in Asien in den Jahren 678 = 76 und 679 = 75 wegen Erpressungen angeklagt wurde, von seinem Vetter (consobrinus frater Ps.-Ascon. 109 Or. = 193 St., ungenau frater Ps.-Acro Horat. sat. II 1, 49) Q. Hortensius verteidigt wurde und infolge einer offenkundigen skandalösen Bestechung der Geschworenen seine Freisprechung erlangte. Cicero spielte bei der Verhandlung gegen Verres (div. in Caec. 24; act. I 17. 35. 40. 47) und später wiederholt, doch ohne die Namen anderer Beteiligten zu nennen, auf diesen Prozeß an, bei dem Hortensius sich als den Beherrscher der Gerichte zeigte und das Ansehen des Senats, der damals allein die Geschworenen stellte, auf das empfindlichste schädigte, indem er durch farbige Stimmtäfelchen die Abstimmung der erkauften Richter kontrollierte; die antiken Erklärer fügen zu den Stellen des Redners die näheren Umstände und die Namen der Personen hinzu, hauptsächlich Ps.-Ascon. 109f. Or. = 193f. St. 144 Or. = 218 St. Schol. Gronov. 398 Or. = 349 St. auch Ps.-Acr. a. O. (s. Von der Mühll o. Bd. VIII S. 2472, 17ff. und Art. C. Turius). Der Ankläger war der junge Ap. Claudius Pulcher (o. Bd. III S. 2849 Nr. 297), der Vorsitzende Praetor bei der ersten Verhandlung im J. 678 = 76 L. Furius (o. Bd. VII S. 316 Nr. 18), bei der zweiten 679 = 75 P. Lentulus Sura, der später als der vornehmste Genosse Catilinas berüchtigt wurde und damals vermutlich an der Bestechung am meisten beiteiligt war und mit deswegen bald darauf aus dem Senat ausgestoßen wurde (o. Bd. IV S. 1400). Der [680] ganze Prozess des T. hatte natürlich den Kampf um die Sullanischen Ordnungen und ihre Vertreter zum Hintergrunde; wenn T. als einer der untergeordneten Gehilfen Sullas in Asien vor Gericht gezogen wurde, und wenn der Fall ein gewisses Aufsehen erregte, so wird dazu beigetragen haben, daß sein Vorgesetzter L. Murena bereits tot und so der Verantwortung entrückt war. Bei Ps.-Ascon. erscheint sein Name noch bei Stangl 193 zweimal mit dem Praenomen M., doch hat dieses keine hsl. Gewähr und wird durch die Inschriften berichtigt. Die Verwandtschaft des T. mit Hortensius ist einstweilen nicht genauer zu ermitteln. Er selbst ist jedenfalls ein Nachkomme der älteren A. Terentii Varrones Nr. 80f., die auch schon im griechischen Osten tätig waren, etwa ein Enkel des zweiten. Doch die von Mommsen (a. O., danach Prosop. Imp. III 304) vermutete Identität mit A. Varro Murena Nr. 91 ist nicht aufrechtzuhalten, da keines der inzwischen so vermehrten inschriftlichen Zeugnisse dem Legaten beide Cognomina beilegt (so Mommsen selbst vorher Ephem. epigr. IV 43 zu der delischen Inschrift); richtiger scheint es, mit Cichorius (Herm. XXXIX 466; auch Röm. Stud. 191) den Legaten und Nr. 91 als Vater und Sohn von einander zu unterscheiden und erst in dem Sohne das Bindeglied zwischen den Familien der Licinii Murenae und der Terentii Varrones zu sehen.