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RE:Tintenfische

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kopffüßer, Tiergruppe der Wirbellosen
Band VI A,2 (1937) S. 13931406
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Tintenfische.

1. Die Kephalopoden (Kopffüßer) oder, wie sie wenig passend genannt werden, T. gehören wegen ihres ganz eigenartigen Körperbaues, der es dem Laien schwer macht vorne und hinten, oben und unten zu unterscheiden, zu den seltsamsten Geschöpfen der Natur. Aber gerade über diese Tiere besaß Aristoteles geradezu erstaunliche Kenntnisse, die nur die Frucht eingehender Spezialstudien sein können und ihn befähigten, sie auf Grund ihres Körperbaues zu einer fest umrissenen Tiergruppe in seinem zoologischen System unter dem Namen μαλάκια zusammenzufassen. Die Forscherarbeit, die Aristoteles an dieser Tiergruppe geleistet hat, wurde erst um die Mitte des 19. Jhdts. voll erkannt und gewürdigt und manche vermeintlich neue Entdeckung in der Anatomie der Kephalopoden stellte sich nur als eine Bestätigung dessen heraus, was bereits Aristoteles über diese Tiere wußte (vgl. Aubert Die Kephalopoden des Aristoteles [1862]. Jürgen Bona Meyer Aristoteles’ Tierkunde [1855]. Heck Die Hauptgruppen des Tiersystems bei Aristoteles und seinen Nachfolgern. Diss. Lpz. [1885] 14). In den zoologischen Büchern des Plinius, der freilich die von Aristoteles geschaffene, systematisch wichtige Definition dieser Tiergruppe in ihrer Bedeutung nicht erkannt hat (vgl. Steier Die Einteilung der Tiere in der Naturalis historia des Plinius. Zool. Annal. IV 29ff.), erscheinen die μαλάκια als mollia (Plin. n. h. IX 83. XI 275). Wenn Plinius sie im Index zum 9. Buch pisces molles nennt, so darf daraus nicht geschlossen werden, daß er die Kephalopoden für Fische hielt; denn piscis bedeutet nicht bloß Fisch, sondern Wassertier im weitesten Sinne (auch Muscheln, Krebse, vgl. Papendick Die Fischnamen in griech.- latein. Glossaren, Diss. Würzburg [1926] 25), und auch wir reden ganz unzutreffender Weise von T., ja sogar von Walfischen. Daß diese erweiterte Bedeutung auch für ἰχθῦς gilt, zeigen Suid. s. σηπία• ὁ ἰχθῦς. Hesych. s. πολύποδες• εἶδος ἰχθύος

Die Hauptstellen, an denen das zoologische Wissen um die T. zusammengefaßt ist, das sich bis in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein nicht mehr vermehrt hat, sind Aristot. hist. an. IV 1 p. 523 b 1-525 a 29; part. an. IV 9 p. 685 a 1-685 b 26; hist. an. [IX] 37 p. 621 b 30-622 a 34. Nur das Wichtigste kann hier herausgehoben werden. Die μαλάκια, die eine Unterabteilung der [1394] ἄναιμα (worunter die wirbellosen Tiere verstanden werden) bilden, sind dadurch gekennzeichnet, daß sie im Gegensatz zu den μαλακόστρακα (Weichschaltiere, Krebse s. den Art. Krebs) und den ὀστρακόδερμα (Hartschalige, Schnecken und Muscheln, s. die Art. Schnecke und Muscheln) die dem Fleisch entsprechende Masse außen, die festen Teile aber innen haben, οἷον τὸ τῶν σηπίων γένος. Weiterhin besitzen die μαλάκια mit zwei Reihen von Saugnäpfen (κοτυληδόνες) besetzte πόδες [Tentakeln], auch πλεκτάναι genannt, deren Zahl 8 beträgt, wozu bei den σηπίαι, τευθίδες und τεῦθοι (s. Abschn. 2) noch 2 lange Fangarme (προβοσκίδες) kommen, die an den Enden eine rauhe Stelle mit 2 Reihen Saugnäpfen haben [damit sind die zehnarmigen T. wie in der modernen Systematik von den achtarmigen Polypen oder Kraken geschieden]. Der Kopf befindet sich zwischen den ‚Füßen‘ und dem Bauch; die inneren Teile umgibt der Mantel (τὸ κύτος), an dem (bei den zehnarmigen T.) außen ringsum ein Flossensaum (πτερύγια) läuft; der zum Schwimmen dient. Vor dem Mantel über den Tentakeln haben die T. eine Röhre (κοῖλον αὐλόν, der Trichter, der hist. an. V 6 p. 541 b 15 auch μυκτήρ heißt), durch die sie das mit dem Mantel aufgenommene Wasser ausstoßen und auch den Tintenbeutel (θολός) entleeren [θολός wird zuweilen auch für die ‚Tinte‘ selbst gebraucht, vgl. Aristot. hist. an. IV 1 p. 524 b 21. Athen. VII p. 316 C. Hipponax bei Athen. VII p. 324 A nennt sie σηπίης ὑπόσφαγμα vgl. Ailian. hist an. I 34. Plin. n. h. IX 84 atramentum, der aber die Tinte fälschlich als das Blut der T. bezeichnet, quod pro sanguine iis est]. Ferner beschreibt Aristot hist. an. IV 1 p. 524 b 1ff. den Mund mit den 2 Zähnen [richtiger Kiefern], die Augen, die lange und enge Speiseröhre (οἰσοφάγος) mit ihrer kropfartigen Erweiterung, den Magen (Spiralmagen) und den von diesem zum After führenden Darm. Er kennt auch die μύτις, worunter das die Funktionen der Leber vertretende Organ zu verstehen ist, und sagt, daß der Tintenbeutel auf der μύτις liegt (bei Athen. VII p. 323 D ist daraus fälschlich geworden: ἐν τῇ μύτιδι ὁ θολός ἐστιν vgl. p. 326 C). Auch die Kiemen sind als τριχώδη (haarförmige Gebilde) anatomisch, wenn auch nicht in ihrer physiologischen Bedeutung erkannt. Schließlich wird der den Sepien (σηπίa, τευθίς und τεῦθος) eigene Rückenschulp (τὸ σηπίον, bei Athen. VII p. 323 D τὸ λεγόμενον ὄστρακον genannt) beschrieben, der bei σηπίa fest und breit (os sepiae), bei den τευθίδες (Kalmare) schmal ist und deshalb ξίφος genannt wird. Den πολύποδες (Kraken) fehlt dieser Schulp (vgl. part. an. II 8 p. 654 a 20ff.). Ob unter den hist. an. IV 1 p. 525 a 2 erwähnten ἐρυθρὰ σώματα das Kiemenherz zu verstehen ist, läßt sich aus der kurzen Andeutung nicht mit Sicherheit erkennen. Über die Eier der Kephalopoden und die Entwicklung der Embryonen handelt Aristot. hist. an. V 18 p. 549 b 29-550 b 21 eingehend und hatte seinen Ausführungen sogar eine anatomische Zeichnung des Embryos von Sepia beigegeben. Er beschreibt die für πολύπους charakteristischen Eiertrauben (ὅμοιον βοστρυχίοις οἰνάνθης; vgl. Athen. VII p. 316 E βοτρυδόν. Plin. n. h. IX 163 polypi .... pariunt ova tortili vibrata pampino), die aus einer großen [1395] Menge von einzelnen Eiern an kurzen Stielen gebildet sind und an der Schlupfhöhle des Kraken aufgehängt werden (vgl. Athen. VII p. 316 E), sowie die Eier der Sepien, die großen schwarzen Myrtenbeeren ähnlich in traubenartigen Gewinden (an Wasserpflanzen) abgelegt werden (vgl. Aristol. hist. an. V 12 p. 544a 1-15; gen. an. III 8 p. 758 a 1ff. Plin. n. h. IX 162). Auch über die Begattung der Kephalopoden finden sich bei Aristoteles zahlreiche Beobachtungen, die jedoch erst bei der Besprechung der einzelnen Arten herangezogen werden sollen, da sie nicht für alle T. gleichmäßig gelten. Die Fülle der Beobachtungen findet ihren Niederschlag in den zoologischen Büchern des Plinius sowie an verschiedenen Stellen im Werke des Athenaios (vgl. VII p. 316 A -318 F. p. 323 C-324 C. p. 326 B-E), doch bieten ihre Ausführungen keine Bereicherung der zoologischen Kenntnisse über die T.

2. Die einzelnen Arten.

a) Seepolyp oder Krake, Polypus (Oktopus) vulgaris Lam. (vgl. Brehm Tierleben⁴ I 592ff.). Griechisch πολύπους, ὁ, lateinisch polypus, i. Die Form πουλύπους, οδος und oυ (zuerst Hom. Od. V 432), ist attisch, πώλυπος dorisch und äolisch, vgl. Athen. VII p. 316 A und 318 E. Diphilos bei Athen. VIII p. 356 E πῶλυψ, πώλυπος; vgl. Aristoph. Byz. Epitome hist. an. cap. 39 L. Über die Deklination handelt eingehend Athen. VII p. 316 A ff., wo die einzelnen Formen mit Zitaten aus Komikern belegt sind, bei denen der Polyp sehr häufig vorkommt. Der Name ὀκτάπους findet sich erst in später Zeit, vgl. Alex. Trall. II 251 P. Eustath. Od. p. 154. Timoth. Gaz. (Haupt opusc. III p. 302). Dem athenischen Volk war das Tier sehr bekannt, da der Polyp bei seiner großen Verbreitung an den Küsten des Mittelmeeres wohl auf keinem Fischmarkte fehlte und, wie die T. überhaupt, eine billige, beliebte Speise war (vgl. das Sprichwort πουλύποδος κεφαλῇ ἔνι μὲν κακόν, ἐν δὲ καὶ ἐσθλόν Diogen. VII 76. Apostol. XIV 42. Ailian. hist. an. I 27. VII 11. Alexis bei Athen. VIII p. 356 E. Platon com. bei Athen. I p. 5 D [Polyp gekocht und gebraten]. Poll. VI 47), wenn auch sein Fleisch als schwer verdaulich galt (Diphilos bei Athen. VIII p. 356 E. Mnesitheos bei Athen. VIII p. 357 D. Alex. Trall. II 518 P.). Deshalb verursachte sein Genuß schlechten Schlaf und schwere, aufgeregte Träume (vgl. Diphilos bei Athen. VIII p. 356 E ὁ δέ πῶλυψ συνεργεῖ μὲν ἀφροδισίοις, σκληρὸς δ’ ἐστὶ καὶ δύσπεπτος: ὁ δέ μείζων τροφιμώτερος. VII p. 316 C. Plut. mor. p. 15 B βρωθῆναι μέν ἐστιν ἥδιστος, δυσόνειρον δ’ ὕπνον ποιεῖ usw.; quaest. conv. p. 734 F. Nach Archestratos bei Athen. VII p. 318 F waren die Polypen von Thasos und Karien die besten; auch die von Kerkyra lobt er (vgl. Enn. frg. 529, 11). Nach einer der vielen Anekdoten über den Tod des Diogenes soll der Philosoph am Genuß eines rohen Polypen gestorben sein (Athen. VIII p. 341 E). Gefangen wurde der Krake mit der Angel, was aber nicht ganz einfach war, da es der Krake crinali corpore versteht, den Köder vom Angelhaken zu lösen und den Haken auszuspucken, was Ovid. hal. 32ff. sehr anschaulich schildert (vgl. Plin. n. h. XXXII 12. Isid. XII 6, 44). Aber auch mit dem Netz ist er nicht leicht zu fangen, da er sich aus Steinen eine Art Höhle [1396] baut, von der aus er auf Muscheln und Fische Jagd macht (vgl. Aristot. hist. an. VIII 2 p. 591 a 1. Plin. n. h. IX 86. Oppian. hal. I 305), sich fest an die Felsen anklammert und nur mit äußerster Gewalt losgerissen werden kann (vgl. Hom. Od. V 432 πουλύποδος θαλάμης ἐξελκομένοιο etc. Oppian. hal. II 232ff.). Zumeist wurde er jedenfalls mit dem Dreizack erlegt. Ob das Mittel, das Athen. VII p. 316 F angibt wirksam war, nämlich Salz in seine θαλάμη zu streuen, worauf er sofort herauskomme, oder das andere, von dem Theophyl. 9 p. 17 Boiss. spricht, nämlich auf den Felsen, an dem der Polyp festsitzt, Süßwasser zu gießen, worauf er den Felsen loslasse, erscheint sehr fraglich. Jedenfalls waren diese Mittel nur anwendbar, wenn der Polyp an einer vom Wasser nicht überspülten Stelle angetroffen wurde. Denn er hat die Fähigkeit sich auch außerhalb des Wassers längere Zeit aufzuhalten, was bereits [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 622 a 31f. bemerkt ist (vgl. Theophr. frg. 171, 3 Wimm. Plin. n. h. IX 71. 85. Athen. VII p. 317 F. Varr. l. l. V 78). Allerdings machte man sich von dieser Fähigkeit manchmal übertriebene Vorstellungen und gestaltete sie zu richtigen Landspaziergängen des Polypen aus. Über eine solche Landwanderung eines Polypen, der nächtlicherweile die Pökelanstalten in Carteia plünderte und dabei über Zäune und Bäume kletterte, berichtet Plin. n. h. IX 92f. in sensationeller Aufmachung nach Trebius Niger, dem angeblichen Augenzeugen, auf dessen Angaben auch die Riesenmaße jenes Polypen zurückgehen. Noch toller sind die Geschichten, die Ailian. hist. an. XIII 6. I 37 zu erzählen weiß; vgl. Klearchos bei Athen. VII p. 317 B. Ailian. hist. an. IX 45. Oppian. hal. I 310ff. IV 300ff.

Der den Polypen eigentümliche Farbwechsel erregte größtes Interesse und führte zu dem Sprichwort πολύποδος ὁμοιότης, das Suid. s. v. mit πρὸς τοὺς ἐξομοιοῦντας τισιν ἑαυτούς erklärt, also von Menschen, die sich leicht anpassen, so wie der Polyp seine Farbe der Umgebung anpaßt (vgl. Diog. VII 73. Apost. XIV 70. Macar. VII 28. Arsen. 412). Wie wir bildlich vom Chamäleon, so sprachen die Alten vom Polypen (vgl. Plut. adul. et amic. p. 52 F; amic. multit. p. 96 F), doch dürfte das Urteil Kellers Ant. Tierw. II 508, daß den Griechen der Polyp das treffendste Symbol ihres eigenen Naturells, nämlich der bis zur vollständigen Charakterlosigkeit führenden Gewandtheit und Schmiegsamkeit, gewesen sei, doch zu einseitig sein. Mit der Frage: διὰ τί τὴν χρόαν ὁ πολύπους ἐξaλλάττει beschäftigt sich Plutarch zweimal eingehend (aet. phys. p. 916 B ff.; soll. an. p. 978 E ff.) und zitiert dabei Verse aus Pindar und Theognis, in denen die Anpassung gleich dem Polypen (πουλύποδος πολυχρόου) als Lebensregel empfohlen wird (vgl. Athen. XII p. 513 D und VII p. 317 A, wo außer den Versen des Theognis noch der gleichsinnige Vers nach Klearchos: πουλύποδός μοι, τέκνον, ἔχων νόον, Ἀμφίλοχ’ ἤρως, τοῖσιν ἐφαρμόζου τῶν κεν κατὰ δῆμον ἵκηαι angeführt ist; vgl. Diog. I 23). Plutareh polemisiert hier gegen die von Theophr. frg. 172. 188 (vgl. [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 622 a 9) ausgesprochene Ansicht, daß der Farbwechsel eine Folge des plötzlichen Erschreckens, also ein passiver Vorgang sei, und [1397] vertritt die Meinung, daß es sich um einen aktiven Vorgang handle, da der Polyp die Farbe wechsle um sich vor dem zu verbergen, was er fürchtet, und um das zu bekommen, wovon er sich nährt (vgl. Dyroff Die Tierpsychologie des Plutarchos. Progr. Neues Gymn. Würzburg 1897, 52f.). Für Plin. n. h. IX 87 colorem mutat ad similitudinem loci et maxime in metu ist der Vorgang kein Problem, auch nicht für Ailian. hist. an. I 32. VII 11 und Athen. VII p. 317 F. Weiter erwähnen den Farbwechsel im Gleichnis Soph. frg. 286 N. Ion frg. 36. Ps.-Phokyl. 44. Orac. Sibyll. II p. 252. Clem. Alex. paed. III 11, 80 p. 280 St. Apost. II 39 oder sonst Xenarchos bei Athen. II p. 64 A. Oppian. hal. II 233. Anth. Pal. IX 10 (vgl. Ailian. hist. an. VII 11) und 94. Ovid. hal. 33. Solin. 30, 26. Nach [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 622 a 15 sollen die πολύποδες nicht über zwei Jahre alt werden, vgl. Plin. n. h. IX 89. Ailian. hist. an. VI 28. Oppian. hal. I 535. Nach Theophyl. 9 p. 17 Boiss. soll der Krake im Schwarzen Meere nicht vorkommen, weil es dort zu kalt und das Wasser zu wenig salzhaltig ist.

Da man zuweilen Polypen fing, deren Fangarme nicht vollzählig waren, bildete sich die Meinung, der Polyp fresse sich (aus Nahrungsmangel) selbst die Arme ab. Diese Meinung wird Aristot hist. an. VIII 2 p. 591 a 4 als unrichtig zurückgewiesen, vielmehr sei es der Meeraal (γόγγρος, conger), der dem Polypen die Fangarme abbeiße, vgl. Plin. n. h. IX 87. Oppian. hal. II 244. Plut. soll. an. p. 978F. Athen. VII p. 316 E. (Über den Meeraal als Feind und die Languste [κάραβος, carabus, locusta] als Beutetier des Polypen vgl. Aristot. hist. an. VIII 2 p. 590 b 15f. Plin. n. h IX 185. Oppian. hal. II 254. Ailian. hist. an. VI 22. IX 25. X 38). Ailian. hist. an. I 27 (vgl. XIV 26) behauptet jedoch, es sei Tatsache, daß sich der Polyp selbst die Arme abbeiße und nimmt auch die Behauptung Plin. n. h. IX 87 (vgl. Oppian. hal. II 244), daß die abgebissenen Arme wieder nachwachsen, auf. Nicht Nahrungsmangel, sondern die gierige Gefräßigkeit des Polypen ist nach Ailian der Grund dieser Selbstverstümmelung. Diesem Volksglauben entstammt das Sprichwort πολύποδος δίκην (oder πολύποδος τρόπον Macar. VII 27), das auf einen habgierigen Menschen angewendet wurde, vgl. Hesych. s. πουλύποδος δίκaν, ὅτι αὐτὸς τὰς ἑαυτοῦ πλεκτάνας ἐσθίει. Suid. und Hesych. s. πολύποδος δίκην αὐτὸς ἑαυτὸν καταφαγών. Alkaios com. bei Athen. VII p. 316 C ἔδω δ’ ἐμαυτὸν ὡς πουλύπους. Eupolis bei Athen. VII p. 316 C ἀνὴρ πολίτης πουλύπους ἐς τοὺς τρόπους. Horapoll. II 113. Tatsächlich ist es, wie Brehm Tierleben⁴ I 597 berichtet, keine Fabel, daß sich Kraken unter Umständen, z. B. in Gefangenschaft, die eigenen Fangarme abfressen, ebenso gibt es im Mittelmeer eine Art der Gattung Polypus, Polypus defilippii Vér., der die Fähigkeit hat einen Arm, an dem er gepackt wird, ohne weiteres abzustoßen; am Stumpfe treten sehr bald Neubildungserscheinungen auf, so daß also auch Plinius und Ailian mit ihren Behauptungen recht haben. Daß solche verstümmelten Kraken nicht selten gefangen wurden, zeigt auch die mykenische Goldfigur eines siebenarmigen Kraken, Schliemann Mykenae 307 (vgl. Keller Ant. Tierw. II 511).

[1398] Aber noch auf eine andere Art kann die Krake siebenarmig werden, nämlich durch Abstoßung des sog. Hectocotylus, jenes merkwürdigen Fangarmes, der in einen Begattungsarm umgebildet ist und die Funktion eines Penis hat. Diesen hektokotylisierten Arm führt das Männchen in die Mantelhöhle des Weibchens ein, wo er dann längere Zeit selbständig weiterlebt und die Befruchtung vollzieht (vgl. Brehm Tierleben⁴ I 614ff.). Während noch zu Beginn des 19. Jhdts. der große Zoologe Cuvier ebenso wie andere bedeutende Naturforscher seiner Zeit dieses Gebilde in der Mantelhöhle des weiblichen Kraken für einen Schmarotzerwurm hielt, den er Hectocotylus, den Wurm mit hundert Saugnäpfen, benannte, hatte bereits Aristot. hist. an. V 12 p. 544 a 12f. das Gebilde als einen besonders gestalteten Fangarm ( πλεκτάνη) mit weißem Fortsatz (λευκόν) des Kraken erkannt und als τὸ καλούμενον ὑπὸ τῶν ἁλιέων αἰδοῖον, also geradezu als Penis bezeichnet. In der Beschreibung dieses Fangarmes hist. an. IV 1 p. 524 a 5 (τῇ δ’ ἐσχάτῃ τῶν πλεκτανῶν (d. h. der unterste Fangarm; Plin. n. h. IX 85 ohne Verständnis cauda; tatsächlich ist es der dritte Arm rechts), ἥ ἐστιν ὀξυτάτη τε καὶ μόνη παράλευκος αὐτῶν καὶ ἐξ ἄκρου δικρόα usw. dürfte ὀξυτάτη nicht auf die Spitze des Armes zu beziehen sein, die schon mit ἐξ ἄκρου δικρόα (zweispaltig; gemeint ist die löffelförmige Platte, in welche der Arm endigt) charakterisiert ist, sondern auf die oberseitige Kante (ῥάχις), in der die Rinne hinzieht, in welcher sich die Spermatophoren befinden. Mit den Worten (ταύτῃ δὴ πλεκτάτῃ χρῆται ἐν ταῖς ὀχείαις ist die Funktion des Armes bei der Begattung deutlich bezeichnet. Weniger bestimmt drückt sich Aristot. hist. an. V 6 p. 541 b 8f. aus, wo er den Begattungsvorgang der Kraken schildert, aber die Bemerkung τὸν ἄρρενα ἔχειν αἰδοιῶδές τι ἐν μιᾷ τῶν πλεκτανῶν mit φασί τινες einführt, es also unentschieden läßt, ob dieser Arm wirklich ein Begattungsarm ist. Wenn aber Aristot gen. an. I 14 p. 720 b 32f. sagt, das Einsenken des Fangarmes in die Mantelhöhle des Weibchens geschehe nur des Zusammenhaltens wegen (συμπλοκῆς χάριν), der Arm diene jedoch nicht, wie die Fischer glauben, zur Begattung, so kann dieser Widerspruch wohl nur so erklärt werden, daß hier, wie das manchmal zu beobachten ist, der spekulative Philosoph die Oberhand über den exakten Naturforscher gewonnen hat; denn die Begründung ἔξω γάρ ἐστι τοῦ πόρου καὶ τοῦ σώματος, mit der Aristoteles hier die Richtigkeit der Beobachtung ablehnt, entspringt einer rein verstandesmäßigen Überlegung. Die diesbezüglichen Bemerkungen Plin. n. h. IX 158. Athen. VII p. 317 D stammen aus Aristoteles.

Der Krake ist als dumm bezeichnet [Aristot] hist. an. IX 37 p. 622 a 3, weil er dem Menschen auf die Hand krieche (vgl. Klearchos bei Athen. VII p. 317 B. Alkaios bei Athen. VII p. 316 B), aber auch als οἰκονομικός, weil er es versteht allerlei Beute in seinem Schlupfwinkel zu sammeln. Ja Plin. n. h. IX 90 hebt sogar seine besondere Schlauheit beim Muschelfang hervor (vgl. Oppian. hal. II 232ff. Antig. Car. 55. Ovid. hal. 32ff. Plin. n. h. XXXII 12). Sein zähes Festhalten am Felsen führte zum Sprichwort Macar. [1399] IV 26 ἔχεται δ’ ὥσπερ πολύπους πέτρας: ἐπὶ τῶν ὀχυροῦ τινος ἐχομένων ἐπὶ σωτηρίᾳ (vgl. VII 21. Ailian. var. hist. I 1. Plaut. Aul. II 198 ego istos novi polypos, qui ubi quicquid tetigerunt tenent). Ein weiteres Sprichwort führt Zenob. III 24 an: δὶς ἑπτὰ πληγαῖς πουλύπους πιλούμενος (vgl. Athen. I p. 5 D. VII p. 316 B) mit der Erklärung: ἐπὶ τῶν κολάσεως ἀξίων. Παρόσον ὁ πολύπους θηρευθεὶς τύπτεται πολλάκις πρὸς τὸ πίων γενέσθαι, woraus hervorgeht, daß man das an sich ziemlich zähe Fleisch des Kraken klopfte, ehe man es kochte oder briet. Das Fleisch wurde auch als Fischköder in Reusen verwendet (Aristot. hist. an. IV 8 p. 534 a 23f. Plin. n. h. X 194 polypus und saepia usta. Oppian. hal. III 189), ferner zu medizinischen Zwecken (Blutstillen) Plin. n. h. XXXII 121. Den Wöchnerinnen brachten anläßlich der Amphidromien (s. o. Bd. I S. 1901f.) Verwandte und Bekannte πολύποδες und σηπίaι als Geschenke, vgl. Suid. s. Ἀμφιδρόμια. Harpocr. 15, 6. Apostol. II 56. Darstellungen des Kraken sind sehr häufig schon in der kretischen (s. o. Bd. XI S. 1777. 1783) und mykenischen Kunst sowie auf griechischen Vasen und römischen Mosaiken (vgl. Keller Ant. Tierw. II Fig. 124 S. 509. 511), ferner auf Münzen italischer und griechischer Seestädte wie Tarent, Kroton, Syrakus, Eretria und Gemmen, vgl. Imhoof-Keller Münzen u. Gemmen Taf. VIII 3. 15—22. XIII 1. XXIV 44. 45. 46. Auf einem Jaspis, den Imhoof-Keller XXIV 44 wiedergeben, ist nach Kellers Deutung der Langarmige (Rote) Krake, Polypus (Oktopus) macropus Risso (= Polypus ruber Raf) dargestellt; von einem solchen roten Kraken spricht Cic. fam. IX 16, 8 polypum Miniani Iovis similem. Möglicherweise ist auch Aristot. hist. an. IV 1 p. 525 a 15, der ja von πλείω γένη πολυπόδων spricht, mit den ποικίλοι πολύποδες diese Art gemeint. Unter dem γένος μέγιστον ist ohne Zweifel der Gemeine Krake, Polypus vulgaris, verstanden, von dem Aristoteles sagt, daß er sich mehr an der Oberfläche (ἐπιπολάζον) und in Landnähe (πρόσγειοι) aufhält Diese Bezeichnungen gibt Plin. n. h. IX 85 mißverständlich wieder, wenn er von polypi terreni spricht, woraus bei Georges Lat. Wörterb. s. polypus gar Landpolypen geworden sind. In dem Gedicht περὶ πολύποδος Philes anim. propr. 1778ff. sind alle sensationellen Beobachtungen über den Kraken, Abbeißen der Fangarme, Farbenwechsel, Plünderung von Fruchtbäumen usw. zusammengefaßt. Mit seiner Ansicht, daß der Krake, der ja tatsächlich manchmal in Riesenexemplaren vorkommt (vgl. Brehm Tierleben⁴ I 587. Sten Bergman Die 1000 Inseln im fernen Osten 154), das Urbild der Lernäischen Hydra sei, steht Keller Ant. Tierw. II 508f. wohl allein. Das Vasenbild, das er Fig. 149 wiedergibt, beweist für seine Ansicht nichts; denn die Hydra ist auch hier an dem spitz zulaufenden Schwanzende deutlich als Schlange zu erkennen und nicht, wie Keller sagt, als Oktopus mit mißratenem Unterleib. Die Zahl der 8 Arme (Köpfe) ist ebensowenig beweisend, da der Hydra auch 9, 50 und 100 Köpfe zugeschrieben werden; auf einer Berliner Vase ist die Hydra das eine Mal mit 8, das andere Mal mit 10 Köpfen dargestellt, ein Beweis, wie wenig [1400] Wert auf die Zahl zu legen ist (s. Art. Hydra o. Bd. IX S. 46). Nicht besser steht es um Kellers Behauptung, daß die hundertarmigen Giganten im Kraken ihr Urbild haben sollen (s. Art. Giganten Suppl.-Bd. III S. 655ff.).

b) Moschuskrake, Moschites (Eledone) moschata Lam. Diese an allen Küsten des Mittelmeeres sehr häufige, stark nach Moschus riechende Art nennt Aristot. hist. an. IV 1 p. 525 a 16f. ἑλεδώνη (var. lect. ἐλεδώνη, ἐλεώνη, ἐλεδόνη) und rechnet sie zum γένος πολυπόδων. Das von Aristoteles angegebene Unterscheidungsmerkmal, daß ἐλεδώνη an den Tentakeln nur eine einzige Reihe von Saugnäpfen habe (τῲ μονοκότυλον εἶναι μόνον τῶν μαλακίων, vgl. p. 523 b 29; part. an. IV 9 p. 685 b 13) sichert die Bestimmung einwandfrei, vgl. Suid. s. ἐλεδώνη: εἶδος πολύποδος, ἥτις ἔχει μίαν κοτυληδόνα, καὶ ἔστιν ἑπτάπους (wofür wohl richtig ὀκτάπους zu lesen ist), ὥς φησιν Αἰλιaνός (vgl. Ailian. frg. 143 K) ... καλεῖται δὲ ἑλεδώνη ἀπὸ τοῦ ἑαυτὴν ἔδειν, ὃ ἔστιν ἐσθίειν. καὶ Ἡσίοδος (op. et d. 524): ὅτ’ ἀνόστεος ὃν πόδα τένδει. Hesych. s. ἐλεδώνη (vgl. Abschn. 2 a über die Selbstverstümmelung). Wenn auch die Fassung des Textes Aristot. hist. an. IV 1 p. 525 a 19 καὶ ἢν καλοῦσιν οἱ μὲν βολίταιναν οἱ δ’ ὄζολιν nicht unbedingt den Schluß zuläßt, daß βολίταινα und ὄζολις Synonyma für ἑλεδώνη sind, so spricht für die Synonymität der drei Namen doch der in ὄζολις liegende Hinweis auf den starken Geruch dieses Polypen, vgl. Plin. n. h. IX 89 polyporum generis est oxaena, dicta a gravi capitis odore, Kallimachos bei Athen. VII p. 329 A nennt als ἰχθύων ὀνομασίοι: ὄζαινα und synonym mit diesem Wort ὀσμύλιον (vgl. Aristophanes bei Athen. VII p. 324 B ὀσμύλιa ....καὶ σηπίδιa. Poll. II 76 καὶ ὀσμύλιa ἰχθύων τι γένος, ἡ ὑπὸ τῶν πολλῶν ὄζαινα καλουμένη usw.; einige Zeilen weiter ὀσμυλίδια ...καὶ σηπίδια. Hesych. s. ὀσμύλιa: τῶν πολυπόδων αἱ ὄζαιναι. Der Name ὀσμύλιον (ὀσμυλίδιον ist das Diminutivum zu ὀσμύλος, ὁ und ὀσμύλη, ἡ welche Athen. VII p. 318 E neben ἑλεδώνη und βολβιτίνη als εἴδη πολυπόδων aufzählt. Da auch diese Namen ebenso wie ὄζολις und ὄζαινα von ὄζειν abgeleitet sind, beziehen sich diese Bezeichnungen wohl alle auf den Moschuskraken, der den Moschusgeruch zwar nicht allein, aber in besonders bemerkbarem Grade besitzt, trotzdem aber auf den Fischmärkten der Mittelmeerstädte sehr häufig erscheint und gegessen wird (vgl. Koraes Xenocrates et Galenos de aquat. 194). Von ὀσμύλος, dessen Biß nach Ailian. hist. an. V 44 giftig sein soll, weiß Oppian. hal. I 307f. (vgl. Ailian. hist. an. IX 45) ebenso wie vom Großen Kraken von weiten Landwanderungen und Plünderungen von Feldern und Obstbäumen zu erzählen. Tatsache ist nur, daß der Moschuskrake stundenlang im Trockenen ausdauern kann. Nach [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 621 b 17 kommt βολίταινα (vgl. Epicharmos bei Athen. VII p. 318 E βολβιτίς. Hesych. s. ὀσμύλαι: βολβιτῖναι θαλάσσιοι) im Euripus von Pyrrha (Lesbos) wie auch die πολύποδες nicht vor.

c) Papierboot, Argonauta argo L. Diesen eigenartigen, mit einer zarten äußeren Schale versehenen Vertreter der Oktopoden führt Aristot. hist. an. IV 1 p. 525 a 20ff. in seiner Abhandlung über die μαλάκια als letzten an und rechnet [1401] ihn ohne Zweifel zu den Polypen, wie schon aus den die Aufzählang der γένη πλείω πολυπόδων abschließenden Worten ἔτι δ’ ἄλλοι δύο usw. sowie aus der Bemerkung (26) τὸ εἶδος ὅμοιοι ταῖς βολβιταίναις (s. Abschn. b) hervorgeht. Er bezeichnet das Tier als ναυτίλος. Wenn Dittmeyer die folgenden Worte: καὶ ποντίλος ὑπ’ ἐνίων• ἔστι δ’ οἷον πολύπους deshalb für interpoliert hält, weil Aristoteles bei Athen. VII p. 317 F ausdrücklich sage: ὁ ναυτίλος πολύπους μὲν οὐκ ἔστιν, ἐμφερὴς δὲ κατὰ τὰς πλεκτάνας, so kann ich zwischen diesen beiden Bemerkungen einen Widerspruch nicht finden, sondern meines Erachtens soll ναυτίλος hier wie dort zwar nicht als eigentlicher Krake (πολύπους im engeren Sinne; s. Abschnitt a), wohl aber als ein diesem sehr ähnliches Tier bezeichnet werden.

Übrigens ist es, worauf Dittmeyer 296 seiner Ausgabe der Aristotelischen Tierkunde selbst hinweist, sehr unwahrscheinlich, daß das Athenaios-Exzerpt aus den echten Schriften des Aristoteles stammt. Die Feststellungen Aristot. hist. an. IV 1 p. 525 a 20ff. über ναυτίλος sind zwar kurz, aber sachlich richtig: Das Tier lebt in einer Schale, die ähnlich wie bei der Kammmuschel (κτείς, s. Art. Muscheln) gerippt und mit dem Tiere nicht verwachsen ist [diese Beobachtung wurde durch neuere Forschungen als richtig bestätigt, vgl. Brehm Tierleben⁴ I 600]. Es lebt in der Nähe des Ufers und wird deshalb oft von den Wellen an das Land gespült, wobei die Schale abfällt und das Tier gefangen wird oder ἐν τῇ γῇ zugrunde geht.

Von diesen sachlichen Feststellungen hebt sich die phantasievolle Darstellung des Verfassers [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 622 b 5-15 unvorteilhaft ab, mit der die angeblich aus Aristoteles stammende Schilderung Athen. VII p. 317 F eine starke Ähnlichkeit hat. Hier wie dort wird erzählt, daß ναυτίλος die Fähigkeit habe, auf der Oberfläche des Meeres mit umgekehrter Schale zu segeln und dazu die Haut zwischen den Fangarmen, die ähnlich wie die Haut zwischen den Zehen der Schwimmvögel sei, aber dünn und spinnwebeartig, als Segel benütze. Als Steuerruder gebrauche es zwei Arme. Daß wir diese Segelfahrt des ναυτίλος bei Plin. n. h. IX 88 mit weiteren Ausschmückungen inter praecipua miracula wiederfinden, braucht nicht wunderzunehmen. Plinius nennt das Tier nautilos und pompilos und erzählt gleich darauf (n. h. IX 94) nochmals in noch phantasievollerer Weise von diesem nauplium, animal saepiae simile, dessen Segeln angeblich Mucianus in der Propontis selbst beobachtet habe. Auch Oppian. hal. I 340ff. und Ailian. hist. an. IX 34 bringen diese Geschichte vom segelnden ναυτίλος πολύπους (wie er übrigens schon [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 622 b 5 genannt wird) und Philes anim. propr. 1981ff. περὶ ναυτίλου hat ihm ein eigenes Gedicht gewidmet. Wesentlich hübscher ist das Athen. VII p. 318 B überlieferte Epigramm des Kallimachos auf eine Schale des ναυτίλος, die das Spielzeug eines Mädchens aus Smyrna gewesen war und bei dessen Vermählung in den Tempel der Arsinoe zu Zephyrion in Unterägypten gestiftet wurde; übersetzt bei Keller Ant. Tierw. II 518, der auch auf die Unhaltbarkeit aller an dieses Gedicht geknüpften [1402] philologischen Vermutungen hinweist. Die Erinnerung an die phantasievollen Erzählungen über ναυτίλος spiegelt sich in der Notiz Hesych. s. ναυτίλος: τὸ ἐν τῇ θαλάσσῃ ζῷον, ὃ τῷ ἑαυτοῦ σώματι πλοῖον ἀπομιμεῖται; vgl. Suid. s. ναυτίλος: ὁ ἰχθῦς (καὶ ὁ ναύτης). Darstellungen des Papierbootes sind nicht gesichert; denn es läßt sich meistens nicht unterscheiden, ob die dargestellte Schale einer Schnecke oder dem ναυτίλος angehört, vgl. Imhoof-Keller Münzen u. Gemmen 121 und Taf. XIX 45. Bemerkt sei noch, daß sich alle Angaben der alten Schriftsteller nur auf das Weibchen von Argonauta argo beziehen; das ganz abweichend gebaute Männchen ist erst im 19. Jhdt. bekannt geworden. Zu der Gattung Nautilus L., die in der Paläontologie als Leitfossil eine so große Rolle spielt, hat ναυτίλος nicht die geringste Beziehung.

d) Gemeiner Tintenfisch, Sepie, Sepia officinalis L. Griechisch σηπίa, ἡ (Ableitung von σήπω), Boisacq Dict. étym. 861; naiv ist die Ableitung Isid. XII 6, 46 sepia dicitur, quia sepibus interclusa facilius capitur), lateinisch saepia, ae (so immer bei Plinius, sonst auch sepia). Keller Ant. Tierw. II 514 führt aus Not. Tir. 113, 4 Schm. auch die Form sippia an sowie den boiotischen Vulgärnamen ὀπιτθοτίλα (Pechkakerin) von der Absonderung des ,Tintensaftes‘, der nach Aristoteles bei Athen. VII p. 316 D tiefschwarz ist (vgl. Oppian. hal. III 158 κυάνεος, πίσσης δνοφερώτερος), während der Saft des Kraken als ὑπέρυθρον bezeichnet wird. über die Anatomie der Sepia s. Abschn. 1. Ob die Sepia gerade zu den Festspeisen der Athener gehörte, wie Bergk Rel. com. Att. 396 sagt, mag dahingestellt bleiben, gegessen wurde sie jedenfalls wie noch heute in Griechenland und Italien häufig, und zwar gesotten (vgl. Alexis bei Athen. VII p. 324 B. Diphilos bei Athen. VIII p. 356 D. Mnesitheos bei Athen. VIII p. 357 D) und gebraten (Aristoph. Ach. 1005; Eccl. 126f. vgl. 554. Mnesitheos a. O.; Suid. s. σηπίa); vgl. Plaut. Rud. 659. Das Fleisch wirkt abführend, Plin. n. h. XXXII 100. Diosc. II 21. Diphilos bei Athen. VIII p. 356 D. Die Begattung der Sepien (und Kalmare; s. Abschn. e) schildert Aristot. hist. an. V 6 p. 541 b 12ff.: ,Die Sepien schwimmen fest miteinander verschlungen, Mund an Mund und Fangarme gegen Fangarme stützend (vgl. Isid. XII 6, 46 sepia . . . in coeundo obscenum genus; ore enim concipit); dabei stecken sie die Trichter (τὸν καλούμενον μυκτῆρα) ineinander. Die Fier legen sie durch den sog. φυσητήρ ab, durch welchen nach Ansicht mancher (Fischer?) auch die Begattung geschehen soll. Diese Angaben des Aristoteles sind im wesentlichen von neueren Forschern bestätigt (vgl. Brehm Tierleben⁴ I 617), nur ist es nicht klar, ob Aristoteles hier μυκτήρ und φυσητήρ als identische Bezeichnungen für den Trichter gebraucht. Den Angaben des Aristoteles folgen Plin. n. h. IX 158. Athen. VII p. 323 E. Als äußere Unterscheidungsmerkmale des Männchens gibt Aristot. hist. an. IV 1 p. 525 a 10f. an, daß es auf der Rückenseite dunkler und rauher sei als das Weibchen und bunte Längsstreifen habe; das Hauptkennzeichen, die weiße Linie auf dem Flossenrande, ist also nicht beobachtet, vgl. Plin. n. h. IX 84. [1403] Athen, VII p. 323 F. Die Funktion der beiden langen Greifarme beschreibt Aristot. hist. an. IV 1 p. 523 b 30f., vgl. Plin. n. h. IX 83. XI 258. Ailian. hist. an. V 41. Athen. VII p. 323 C, die Jagdmethode der Sepia schildert Plut. soll. an. p. 978 D. Die Sepia hat nach Aristot hist. an. IV 1 p. 524 b 16 die meiste ‚Tinte‘ und stößt den gesamten Inhalt des Tintenbeutels aus, wenn sie in Furcht gerät. Nach [Aristot] hist. an. IX 37 p. 621 b 34 aber ist die Sepia τῶν μαλακίων πανουργότατον (vgl. Oppian. hal. I 312 δολόφρων σηπίη. III 156ff.) und sie allein benützt den Tintensaft κρύφεως χάριν, und nicht nur, weil sie sich fürchtet, vgl. Plin. n. h. IX 84. Cic. nat. deor. II 127. Colum. VI 17, 7. Ovid. hal. 19ff. Ailian. hist. an. I 34. Plut soll. an. p. 978 A. Nach Ailian. hist. an. V 44 ist der Biß der Sepia giftig; vgl. das Gedicht περὶ σηπίaς Philes anim. propr. 1823ff. Wie noch heute so wurde auch im Altertum die Sepia, abgesehen vom Fang im Netz, mit dem Dreizack erlegt. Daß dabei, wie [Aristot] hist. an. IX 1 p. 608 b 17 (vgl. Plin. n. h. IX 84. Athen. VII p. 323 E) zu lesen ist, das Männchen dem vom Dreizack getroffenen Weibchen zu Hilfe komme, ist nur ein Fischermärchen, dessen Grundlage vielleicht die Tatsache ist, daß man männliche Sepien fängt, indem man angeköderte Weibchern an den Liegeplätzen und Schlupfwinkeln vorüberzieht, worauf sich die Männchen auf die Weibchen stürzen, sie fest umklammern und so hochgezogen werden können.

Der Farbwechsel wird für die Sepia nicht mit der gleichen Bestimmtheit behauptet wie für den Kraken (vgl. [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 622 a 10f.), obwohl er ihr in gleichem Maße eigentümlich ist. Nur von einem Farbwechsel bei jungen Sepien (σηπίδιa) wird Aristot. hist. an. V 18 p. 550 a 30 gesprochen, der eintritt, wenn man die Eier kurz vor dem Ausschlüpfen öffnet. Während hier σηπίδιa bestimmt junge T. bedeutet (vgl Aristot. hist. an. V 18 p. ,550 b 16), kann an anderen Stellen wie mit σηπιδάριον, τό (vgl. Athen. III p. 86 E. Poll. VI 47) und sepiola, ae (Plaut. Cas. 493) vielleicht auch eine der im Mittelmeer vorkommenden kleinen T.-Arten wie Sepiola rondeletii Leach, die Imhoof-Keller Münzen und Gemmen Taf. XXIV 32 auf einer Gemme erkennen will (vgl. Keller Ant. Tierw. II 350), oder die etwas größere Heteroteuthis dispar Rüpp. gemeint sein (vgl. Athen. II p. 65 D. VII p. 324 B). Nach Aristot. hist. an. V 18 p. 550 b 14 (vgl. [IX] 37 p. 621 b 34. Athen. VII p. 323 E. Plin. n. h. IX 89. 93) sollen die Sepien wie die Kraken nicht über zwei Jahre alt werden.

Der Rückenschulp der Sepie (vgl. Abschn. 1), os saepiae, saepiae cortex, ex ossibus saepiarum cinis wurde medizinisch vielfach, besonders gegen Angenleiden verwendet, vgl. Plin. n. h. XXXII 71ff. 67. 85. 89. 125. Diosc. II 21 (ὄστρακον). Gal. XII 347. VI 736, die Eier als harntreibendes Mittel, Plin. n. h. XXXII 103. Marcell. med. XXVI 56 (vgl. Keller Ant. Tierw. II 515). Das atramentum der Sepie wurde nach Plin. n. h. XXXV 43 zur Tintenbereitung nicht verwendet, doch spricht Persius sat. 3, 13 von einer Schreibtinte aus Sepiensaft (nigra quod infusa vanescat sepia lympha), die jedoch nichts tauge, da sie bald zu [1404] dick und bald zu dünn fließe. Erst spät scheint Schreibtinte aus Sepiensaft allgemeiner verwendet worden zu sein, wie aus Auson. ep. XIV 76 P. notasque furvae sepiae und XV 54 hervorgeht; vgl. Fulg. myth. 1 praef. p. 19 M. sepioticon in der Bedeutung Tinte. Als Malfarbe mag Sepiabraun schon früher gebraucht worden sein. Die intensive Wirkung des Farbstoffes drückt Isid. XII 6, 46 so aus: Cuius (scil. sepiae) atramento tanta vis est, ut lucernae addito Aethiopas videri ablato priori lumine quidam tradant. Die von Plin. n. h. IX 93 nach Trebius Niger gemachten Angaben vom Vorkommen riesiger Sepien (und Kalmare) an der spanischen Küste verdienen kaum Glauben, obwohl manchmal Riesenexemplare gefangen werden; schon die Angaben über Sepien von 2 (vgl. Aristot. hist. an. IV 1 p. 524 a 28 γίγνονται ... σηπίaς ἐνίαι διπήχεις) und Kalmaren von 5 Ellen in nostro mari können höchstens für Ausnahmefälle gelten. Auch seine Bemerkung, daß der Kalmar im Schwarzen Meer vorkomme, nicht aber die Sepie (IX 52), scheint irrtümlich in das auf Aristot. hist. an. VIII 13 p. 598 a 24ff. zurückgehende Exzerpt geraten zu sein. Archestratos bei Athen. VII p. 324 B hebt die Sepien von Abdera und Maroneia besonders hervor. Ausgezeichnete Darstellungen der Sepie finden sich auf Münzen (Keos), zum Teil auch auf Gemmen, vgl. Imhoof-Keller Münzen und Gemmen Taf. VIII 23-25. XXIII 13, 37. XXIV 47.

e) Kalmar. Während im Lateinischen für den Gemeinen Kalmar, Loligo vulgaris Lam., Calamaio der Italiener, und ihm ähnliche T. nur die Bezeichnung lolligo, inis (Isid. XII 6, 47 lulligo. Plaut. Cas. 493 loliguncula, ae) vorhanden ist, werden im Griechischen τευθίς, ἡ und τεῦθος, (τευθός), ὁ, unterschieden. Diese Namen sind nach Lewy Semitische Fremdwörter im Griech. 18 von aramäisch dejūtā, Tinte, abgeleitet; auch Keller Ant Tierw. II 515 schließt sich dieser Deutung an. Die τευθίς wird nach den Beschreibungen des Aristoteles (vgl. Abschn. 1) für Loligo vulgarie Lam. gehalten. Dafür spricht der Hinweis auf den gegenüber dem Os sepiae schmalem, knorpelartigen Rückenschulp (ξίφος, Aristot. hist. an. IV 1 p. 524 b 25ff.) und die zartere, mehr längliche Bauart des Körpers sowie die Angabe, daß die Flosse nicht rings um den Mantel laufe (wie bei τεῦθος) und daß τευθίς gesellig lebt, vgl. Aristot. hist. an. IV 1 p. 524 a 25ff. Aristoteles bei Athen. VII p. 326 B. An letzterer Stelle stehen allerdings einige Angaben, die nicht recht stimmen wollen; wenn es hier heißt τῶν δὲ ταύτης (τευθίδος) ποδῶν οἱ μὲν κάτω μικροί εἰσιν, οἱ δ’ ἄνω μείζους• καὶ τῶν προβοσκίδων (Greifarme) ἡ δεξιὰ παχυτέρα, so trifft davon auf den Kalmar nur zu, daß von den Armen das erste Paar bedeutend kürzer ist als die übrigen. Auch die weitere Angabe, daß der Tintensaft von τευθίς nicht schwarz, sondern ὠχρός sei, ist auffallend; Oppian. hal. III 167 bezeichnet ihn als ὑπερευθής (rötlich). Der τεῦθος unterscheidet sich von der τευθίς nach Aristot hist. an. IV 1 p. 524 a 26ff. (vgl. Aristoteles bei Athen. VII p. 326 C) vor allem dadurch, daß er größer ist, nämlich bis 5 Ellen lang (Athen. a. O. nur τριῶν σπιθαμῶν). Er ist ziemlich selten, gegen das Ende des Leibes breiter als τευθίς, hat eine ohne Unterbrechung [1405] um den Mantel laufende Flosse, sei ὑπέρυθρος [was aber auch für die karminrote Farbe des Gemeinen Kalmars gilt], der obere Zahn (Kiefer) sei größer als der untere und beide schwarz und ähnlich einem Raubvogelschnabel [was aber auch auf Sepia officinalis vgl. Abschn. d zutrifft]. Nach diesen Angaben läßt sich τεῦθος nicht sicher bestimmen. Aubert-Wimmer Aristoteles’ Tierkunde I 150 und Keller Ant. Tierw. II 515 denken an Sepioteuthis Blainv., Lenz Zoologie der alten Griechen und Römer 612 vermutet den Pfeil-Tintenfisch, Sepia sagittata, womit er wohl die gleiche Art meint, die Brehm Tierleben⁴ I 610 als Pfeil-Kalmar, Ommatostrephes sagittatus Lam. anführt. Diese letztere Art, die im Mittelmeer häufig vorkommt und größer ist als der Gemeine Kalmar, könnte am ehesten unter τεῦθος verstanden sein.

Beide, τευθίς und τεῦθος leben auf der hohen See (Aristot. hist an. IV 1 p. 524 a 33) und werden nur selten über zwei Jahre alt (Aristot. hist. an. V 18 p. 550 b 14 οὐ διετίζουσι, vgl. Plin. n. h. IX 93). Die Richtigkeit der Bemerkung Plin. n. h. IX 84 lolligo volitat extra aquam se efferens (vgl. XXXII 149 lolligo volitans. XVIII 361. XXXII 15. Ailian. hist an. IX 52. Cic. divin. II 145. Isid. XII 6, 47) ist lange bezweifelt worden, trifft aber insoferne zu, als sich die Kalmare ähnlich wie die fliegenden Fische durch schräges Anschwimmen gegen den Wasserspiegel zuweilen bis zu einem halben Meter und höher in die Luft herausschnellen, wobei sie in einzelnen Fällen sogar an Bord von Schiffen kommen. Das ‚Fliegen‘ der Kalmare galt als Zeichen kommenden Sturmes. Epicharmos bei Athen. p. 316 E und 323 F nennt die τευθίδες geflügelt (ποταναὶ τευθίδες), vgl. Varr. l. l. V 79 lolligo, quod subvolat, littera commutata, primo volligo. Wie für die Sepie wird auch für τευθίς [Aristot.] hist. an. IX 37 p. 621 b 3 angegeben, daß sie die Tinte aus Furcht ausstößt, vgl. Ovid. hal. 130 et nigrum niveo portans in corpore virus lolligo. Horat sat. I 4, 100 hic nigrae sucus lolliginis. Wie die anderen T. war auch der Kalmar gesotten und besonders gebraten ein beliebtes, billiges Essen, vgl. Suid. s. τευθίδες ....ἰχθύδιον εὐτελές. Aristoph. Equ. 926ff.; Ach. 1120ff. ὃν ἔτ’ ἐπίδοιμι τευθίδος δεόμενον usw. Alexis bei Athen. VII p. 326 D läßt einen Koch folgendes Rezept angeben: Man muß τὰ πτερύγιa (Flossen) wegschneiden, den Kalmar mit etwas Fett beschmieren, mit einer ‚Fülle‘ aus Küchenkräutern stopfen und so braten. Nach Diphilos bei Athen. VIII p. 356 E ist τευθίς besser verdaulich als die Sepie und nahrhaft. Gesotten ist sie härter und wenig bekömmlich. Besonders gute τευθίδες gibt es nach Archestratos bei Athen. VII p. 326 D bei Dion. in Pierien und im Meerbusen von Ambrakia. Vermutlich steckt auch in oclopecta Petron. cen. Trim. 35, 4 ein Kalmar (vgl. Keller II 516). Plut. Themist 11 überliefert einen treffenden Ausspruch des Themistokles, der den mit Krieg drohenden Eretriern zurief: οἱ καθάπερ αἳ τευθίδες μάχαιραν μὲν ἔχετε, καρδίαν δὲ οὐκ ἔχετε. (Der sonst ξίφος genannte Rückenschulp heißt hier μάχαιρα; das Kiemenherz der T. war nicht bekannt.) Unverkennbar ist die Darstellung des Kalmars mit dem pfeilförmig zugespitzten Hinterleib auf dem Neapler Mosaik Keller [1406] Fig. 124, weniger deutlich Fig. 161; auf Münzen und Gemmen von der Sepie meist nicht zu unterscheiden.

[Steier. ]