Rosen-Monate heiliger Frauen/Christina

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XXXVII.
24. Juli.
Christina,
Jungfrau, Märtyrin.


 Was von dieser Jungfrau erzählt wird, wird nicht blos von vielen beanstandet, sondern wohl auch beanstandet werden müßen, daher man am allerwenigsten in einem protestantischen Buche, wie das unsrige ist, eine weitläufige Darlegung alles deßen erwarten kann, was die Sage von Christina berichtet. Es ist genug, wenn wir auch nur das allgemeinste von der Jüngerin wißen, welche ihren Namen mit Wahrheit und hohen Ehren trug; das reicht auch völlig hin, eine Wahrheit ins Licht zu stellen, die keinem Zweifel unterliegen kann, die nemlich, daß der Geist des Herrn auch ein junges, schwaches Kind für die größten Gefahren stark und in denselben siegreich machen kann. Christina war in Italien geboren, auf einer Seeinsel im Toskanischen Gebiete, welche späterhin vom Waßer verschlungen wurde. Die Stadt auf der Insel hieß Tyro. Ihr| Vater Urbanus, ein bigotter Heide, Stadtvogt zu Tyro, verfolgte die Christen mit Eifer, so daß seine Tochter im Vaterhause oft genug Gelegenheit hatte, das heilige Benehmen verfolgter Glieder Christi kennen zu lernen. Der Eindruck der Leiden, welche so geduldig hingenommen zu werden pflegten, war auf Christina ein starker; sie fieng an, die Christen zu lieben, fragte dem Christentum nach, ließ sich von christlichen Frauen unterrichten und zum Empfang der heiligen Taufe vorbereiten. Ihre Liebe zu Christo wurde allmählich eine flammende, so daß sie sich einmal in ihrem Eifer hinreißen ließ, die Hausgötzen ihres Vaters zu zertrümmern, das Metall aber, welches sie davon gewann, unter die Armen zu vertheilen. Dadurch konnte ihr Inneres nicht anders als offenbar werden. Ihr Vater zog sie zur Verantwortung und hörte sich bald genug am Glauben und an der Liebe seiner Tochter zu Christo Jesu. Auf die Frage, wie sie sich habe unterstehen können, mit ihres Vaters Göttern also umzugehen, antwortete sie unverzagt: „Es gibt keinen Gott, als den Einen, den ich anbete; deine Götter sind weiter nichts, als todte, unnütze Bilder, welche dir nichts helfen können.“ Das war die Antwort, welche sie nach empfangenen| Backenstreichen gab, nach welcher aber der erzürnte Vater andere Wege einschlug. Sie wurde so grausam geschlagen, daß ihr das Fleisch stückenweise vom Leibe fiel. Christina hob es auf und hielt es muthig ihrem Vater entgegen. Als sie nun dieser auf ein Rad binden und über einem Feuer herumdrehen ließ, und dabei mit Oel begießen, geschah es nach Bericht der Sage, daß das Feuer seine Dienste nicht that, und Christina wie die drei Männer im Feuerofen unversehrt erhalten wurde. Der Vater aber, der unnatürliche Verfolger seines Kindes, soll nach göttlichem Gerichte eines jähen Todes gestorben sein. Nachdem Christina auf Wunderwegen zur Heilung gebracht worden war, bekam sie am Nachfolger ihres Vaters, Dio, einen neuen Verfolger. Der habe sie, heißt es, in den Tempel Apollos führen laßen, um sie zum Opfer zu zwingen; statt deßen aber sei bei ihrem Eintritt in den Tempel das Bild auf die Erde gestürzt, was einen solchen Eindruck auf die Anwesenden gemacht habe, daß sich viele bekehrten, dem Dio aber sei es wie seinem Vorfahr gegangen, er sei eines plötzlichen Todes gestorben. Doch sei Christina auch damit noch nicht zum Ende ihrer Leiden gekommen; erst der zweite| Nachfolger ihres Vaters, Julian, habe dem Leben und den Kämpfen des jungen Mädchens ein Ziel gesetzt, indem er so lange mit Pfeilen auf sie habe schießen laßen, bis sie den Geist aufgab. Das alles sei während der Diocletianischen Verfolgung geschehen. Was ist nun eigentlich daran unglaublich im Vergleich mit andern Märtyrergeschichten, denen man die Glaubwürdigkeit nicht absprechen darf? Der Gott, welcher alle Dinge vermag und Seine Heiligen so oft wunderbar gestärkt hat, kann ja freilich auch eine Christina nicht blos wunderbar zu Kämpfen stärken, sondern auch wunderbar von Kampf zu Kampf erhalten, Seiner Spötter spotten und durch Passionswunder an die Seelen Seiner Feinde sprechen. Es kommt am Ende nur alles auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen an, wenn wir – nicht die Möglichkeit, sondern die Wirklichkeit der Sache annehmen sollen. Bei so vielen bezeugten und unwidersprechlichen Wundern, welche wir aus den Zeiten der Verfolgungen lesen, kann es uns in der That nicht schwer, oder gar unlieb sein, einige Wunder mehr hinzunehmen, welche sich von andern durch nichts unterscheiden, als daß sie ein junges Mädchen von 12 Jahren und die Tochter eines Vaters umstrahlen, welcher neben ihr eben so| schwarz, als sie licht, eben so eifrig und beständig im Bösen, wie sie im Guten steht. Möchten so viele Beispiele einer gewaltigen und siegreichen Kraft uns wenigstens in dem Maße erwärmen und entzünden, daß wir in unsern kleinen Verhältnissen eine ähnliche Treue erweisen, wie die Menschen der alten Zeit in ihren großen und schweren.




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