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Eierberg und östlich der Lugerberg, von denen gesagt worden ist, dass sie, wenn man sie ansähe, die drei Hauptlehren Reue, Glauben und Gehorsam predigten.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so hat Pulsnitz im Hussitenkriege und im 30jährigen Kriege furchtbar gelitten. Es zogen, nachdem es zum grössten Theil ein Raub der Flammen geworden war, viele Bürger weg, so dass nur noch 6 Häuser in der Stadt und 39 in den Vorstädten bewohnt blieben.

Auch der 7jährige Krieg hat Pulsnitz schwer getroffen; vorzüglich waren die Lieferungen an Preussen sehr stark.

Nach der Hochkirchner Schlacht[WS 1] lagerte Prinz Heinrich[WS 2] auf dem Siegesberge. In diesem Jahre, am 19. November 1758, wohnte Friedrich der Grosse[WS 3] zwei Tage auf hiesigem Schlosse und im Jahre 1760 wieder mehrere Tage.

Auch das Jahr 1813 hat seine Noth, seine Plage für die Pulsnitzer gebracht. Ein Theil der russischen Armee durchzog die Stadt. Am 10. Mai kam der Kaiser von Russland Alexander[WS 4] auf hiesigem Schlosse an und hatte am 10. Mai eine Unterredung mit dem Könige von Preussen.

Die Arbeitsamkeit, die Betriebsamkeit der Einwohner und die Milde und Güte der Gerichtsherrschaften von Pulsnitz hat jedoch bald solche Trauerjahre vergessen machen lernen, so dass man wohl mit Recht behaupten kann:

„Wo Fleiss und Eifer mit frommem Sinn sich paart,
Da ist des Hauses Glück und Friede stets gewahrt.“

Frommer Sinn hat auch schon frühzeitig dem Orte Pulsnitz eine Kirche geschenkt, über welche der Gerichtsherrschaft das Collaturrecht zusteht. Diese Kirche ist dem heiligen Nicolaus[WS 5] geweiht und hatte früher drei Altäre. Deshalb standen auch vor der Reformation an dieser Kirche ein Pleban und drei Altaristen, welche die Messe lasen und ein Schulmeister.

Im Jahre 1637 ward Kirche und Schule durch kaiserliche Soldaten mit ein Raub der Flammen, wobei die Bibliothek und der Kirchenornat verbrannten; das Mauerwerk blieb stehen. Im Jahre 1742 am 5. Juli brannte die Kirche und der Thurm durch Verwahrlosung zum zweiten Male aus, worauf sie erst 1745 wieder aufgebaut wurde.

Im Jahre 1792 wurde der Grund zu einem neuen Altar gegraben, wobei man eine Gruft entdeckte, in welcher zwei Ordenskutten gefunden wurden, die eine von dem durch Kurfürst Christian I.[WS 6] gestifteten Orden, das „goldene Kleinod“ genannt, die zweite von dem, durch dessen drei Prinzen[WS 7] gestifteten Orden „zum Zeugniss brüderlicher Treue und Einigkeit“; ferner wurde dabei gefunden ein goldnes Armband mit den Buchstaben H. W. v. S. 1589, ein goldenes Medaillon, 9 Stück goldne Knöpfe und drei Schleifchen, auch ein Schwert und ein Dolch.

Die Reformation scheint hier erst im Jahre 1540 Eingang gefunden zu haben; denn in der Güter-Theilung der Herren von Schlieben wird noch der geistlichen Lehre über gewisse Altäre und Seelenmessen erwähnt. Im Jahre 1533 war noch ein Pleban und 1540 noch ein Altarist hier.

Die Einwohner von Pulsnitz hatten keine Gelegenheit, lutherische Prediger zu hören; denn in der ganzen Nachbarschaft war bis 1539 noch Alles katholisch.

Nach Pulsnitz eingepfarrt sind Friedersdorf, Thiemendorf, Niedersteina, Obersteina, Ohorn, Pulsnitz (Meissner Seite), und böhmische Vollung.

In der Schule zu Pulsnitz, wohin die beiden letzteren Orte mit gehören, werden an 450 Kinder unterrichtet. An dieser Schule sind vier Lehrer angestellt.

Literarisch denkwürdig ist Pulsnitz als der Geburtsort des sächsischen Historiographen Johann Gottlob Horn[WS 8] und des ersten Missionärs für Ostindien, Barthol. Ziegenbalg, geb. 1683, welcher im Jahre 1705 in dänische Dienste nach Tranquabar ging, dort die erste christliche Mission stiftete, im Jahre 1707 die erste christliche Kirche baute, und im Jahre 1719 die Bibelübersetzung in tamulischer Sprache vollendete. Auch trieb er mit so viel Eifer die malabarische Sprache, dass er sie besser schreiben lernte, als die Braminen selbst. Die dort von ihm angelegte portugiesische und malabarische Druckerei hat eine Menge Uebersetzungen ascetischer Schriften geliefert und nicht wenig zur Ausbreitung des Christenthums beigetragen. Er starb zu Tranquabar als Probst der Missionen, am 10. Febr. 1719, nur 36 Jahre alt.

Pulsnitz hat jetzt 286 bewohnte Gebäude mit 2239 Einwohnern, die ihrem eigenen Gerichtsamte unterworfen sind, welches dem Bezirksgerichte Bautzen einverleibt ist.

M. G.     







Gersdorf oder Niedergersdorf.


In dem herrlichen Thale, welches der Haselbach, auch die kleine Pulsnitz genannt, durchläuft, liegt das eine Stunde von Camenz in gleicher Weise von Elstra und Pulsnitz entfernte Gersdorf, welches aus Obergersdorf dem Rittergute Rehnsdorf und Niedergersdorf besteht.

Unsre Beschreibung gilt für dieses Mal vorzugsweise dem Rittergute Niedergersdorf. Die Zeit der Gründung des Ortes, welcher seinen Namen von dem Markgrafen Gero[WS 9] erhalten haben soll, ist nicht ganz genau zu bestimmen. Unstreitig fällt sie nach dem Jahre 936.

In grauerer Vorzeit haben wir die Benennung des nahen heiligen Berges zu suchen, von welchem her verfallene unterirdische Gänge nach der hiesigen Pfarre führen sollen und mit welchem auch der, nur noch dem Namen nach bekannte, früher über die Gebirge gelaufene gepflasterte Fusssteig, die Mönchsmauer genannt, in Verbindung gestanden haben mag.

Dieser Fusspfad soll für den Bischof Benno,[WS 10] der in Bischheim, welches mit Gersdorf zusammenhängt, ein Lustschloss hatte, angelegt worden sein. Mehrere Sagen haben sich unter dem Volke von „dem heiligen Berge“[WS 11] und „der Mönchsmauer“[WS 12] erhalten, worunter folgende nicht unerwähnt zu lassen ist: Bischof Gero soll auf dem nahen heiligen Berge eine Kapelle gegründet gehabt haben zu Ehren der heiligen Walpurgis, einer Schwestertochter des bekannten grossen Heidenbekehrers Bonifacius,[WS 13] die, nachdem sie belehrend herumgezogen war, nach ihrem im Jahre 778 erfolgten Tode dadurch geehrt wurde, dass man auf vielen Bergen, wo sie gelehrt hatte,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. w:Schlacht von Hochkirch, 14. Oktober 1758
  2. w:Heinrich von Preußen (1726–1802), Bruder w:Friedrich II. (Preußen)
  3. w:Friedrich II. (Preußen); s.a. Leopold von RankeFriedrich II., König von Preußen. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 7. Duncker & Humblot, Leipzig 1877, S. 656–685
  4. w:Alexander I. (Russland)
  5. w:Nikolaus von Myra
  6. w:Christian I. (Sachsen), 1560−1591
  7. w:Christian II. (Sachsen), 1583−1611; Johann Georg I. (Sachsen), 1585−1656; w:August von Sachsen (1589–1615)
  8. Heinrich Theodor FlatheHorn, Johann Gottlob (sächsischer Historiker). In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 13. Duncker & Humblot, Leipzig 1881, S. 141
  9. w:Gero (Ostmark), um 900–965: seit 937 erster und einziger Markgraf der Sächsischen Ostmark
  10. w:Benno von Meißen, um 1010–1106
  11. siehe: Friedrich Bernhard Störzner: Der Heilige Berg bei Bischheim
  12. siehe: Friedrich Bernhard Störzner: Die Mönchsmauer
  13. w:Bonifatius
Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Poenicke: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen III. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1859, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Ritterg%C3%BCter_und_Schl%C3%B6sser_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_III.djvu/258&oldid=- (Version vom 31.7.2018)