Seite:Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl.pdf/110

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

er nicht ganz mit Luther übereinstimme. Er berichtet von einem Gespräch mit Luther, in welchem er der von Manchen behaupteten paradoxen Vermischung des Brodes und Leibes Christi gedacht, aber gesehen habe, dass Luther bei seiner früheren Meinung verbleibe, und bemerkt, er, Melanchthon, werde den Streit darüber in keiner Weise ferner berühren. Er scheint Luthern damals dahin verstanden zu haben, als glaube dieser an eine Vermischung des Leibes und Blutes mit den irdischen Elementen. Im Jahr 1528 glaubt er aber, mit der Consecration, die ihn lange beschäftigt hat, ins Reine gekommen zu sein. Für die Darreichung des Leibes und Blutes Christi, urtheilt er jetzt, müsse man auf die Einsetzung Christi zurückgehen und annehmen, dass, wie die Sonne täglich aufgehe kraft der göttlichen Anordnung, so um derselben willen auch der Leib Christi in der Kirche sei wo immer die Kirche ist. Die Meinung aber, Christi Leib könne nicht an vielen Orten sein, bezeichnet er als eine irrige, denn Christus sei ja erhöht über alle Creaturen und allenthalben zugegen.

 Von da an erklärt er sich eine Weile entschiedener gegen die Zwinglianer. Luthers in diese Zeit fallende Schriften scheinen von Einfluss auf ihn gewesen zu sein. Er geht 1529 so weit, dass er sagt, er möchte lieber sterben, als durch Gemeinschaft mit der Zwinglischen Sache die Seinen beflecken lassen, und bekennt, er mache sich ein Gewissen daraus, dass er nicht sofort und von Anfang an auf Trennung mit den Schweizern bestanden habe. Jetzt stimmt er mit Luthern nicht nur darin überein, dass die Einsetzungsworte eigentlich aufgefasst werden müssten, er lehrt jetzt auch die körperliche Gegenwart des Leibes und Blutes im Brod und Wein, ist überzeugt, dass der Leib Christi an vielen Orten zugleich sein könne und nimmt die manducatio oralis an. Auch von der Meinung, dass Luther ein räumliches Eingeschlossensein von Leib und Blut Christi in Brod und Wein annehme, ist er, namentlich seit dem Marburger Gespräch, zurückgekommen. Gerade also die Jahre 1529 und 1530 wird man als die bezeichnen können, in welchen Melanchthon am entschiedensten der Lehre Luthers zugefallen war.

 Bei dieser Entschiedenheit blieb er aber freilich nicht lange.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/110&oldid=- (Version vom 1.10.2017)