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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

dass Melanchthon sich in seiner Lehre stets gleichgeblieben sei, ausgeschlossen; mit dem zweiten Ergebniss aber ist die andere Behauptung Heppes hinfällig, dass schon die Augustana von 1530 die dem Melanchthon eigenthümliche Lehre enthalte. Die in der Augustana niedergelegte Abendmahlslehre ist, wie wir früher schon gezeigt haben, die Luthers, und sie ist das nach dem eigenen Zeugniss Melanchthons. Sie war damals aber auch die Lehre Melanchthons.[1]

 Ist aber Melanchthon nicht später, nachdem eine Wandlung in seiner Lehre eingetreten war, der Versuchung unterlegen, diese jetzt von Luther abweichende Lehre zur Geltung zu bringen, etwa gar dadurch, dass er in die späteren Ausgaben der Augustana sie einrückte, so dass man zwar nicht mit Heppe sagen könnte, er habe seiner Lehre in den folgenden Ausgaben einen bestimmteren Ausdruck gegeben, aber doch sagen müsste, er habe damit angefangen, ihr eine andere Deutung zu geben?

 Franks Aeusserung, dass Melanchthon, nachdem er allmählich sich von der Anschauung Luthers getrennt hatte, darauf ausging, „seine früheren mit Luther übereinstimmenden Aussagen im Sinne seiner späteren Ueberzeugung aufzufassen und zu deuten,“ wird man nicht als dahin zielend zu betrachten haben. Damit meint er wohl nur, dass Melanchthon seine Abweichung zu verdecken gesucht habe, und bezieht er sich nur auf die privaten Aeusserungen Melanchthons. Es ist aber etwas ganz anderes, darauf bedacht zu sein, die Differenz nicht an den Tag treten zu lassen und des Willens zu sein, seine abweichende Meinung für die Lehre Luthers auszugeben und ihr kirchliche Geltung zu verschaffen suchen. Das Letztere aber wäre der Fall Melanchthons gewesen, wenn er in die späteren Ausgaben der Augustana seine von Luthern abweichende Lehre hätte hineinlegen wollen.

 Dagegen spricht alles. Einmal schon der Charakter Melanchthons. Melanchthon war kein Mann von besonderer Charakterstärke,


  1. Melanchthon schreibt am Tag nach der Uebergabe der Augustana, am 26. Juni an Veit Dietrich: auch der Landgraf Philipp habe die nun übergebene Confession mit unterschrieben, ubi inest etiam articulus περὶ τοῦ δείπνου κυριακοῦ juxta sententiam Lutheri.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/113&oldid=- (Version vom 1.10.2017)