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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

aber unredlich war er nicht. Die bewusste Hineinlegung seiner von Luther abweichenden Lehre in die späteren Ausgaben der Bekenntnissschriften wäre ein Akt grober Unredlichkeit gegen Luther und die lutherische Kirche gewesen. Dann: es ist nicht denkbar, dass das Luthern entgangen wäre, Luther wäre aber nicht der Mann gewesen, das zu dulden. Er konnte die Wandlung, welche in Melanchthons Lehre vorging, von der er wenigstens eine Ahnung hatte, ertragen und er ertrug sie um der hohen Achtung willen, die er vor den grossen Verdiensten Melanchthons hatte, er hätte sie aber gewiss nicht ertragen, wenn er hätte sehen müssen, dass Melanchthons Lehre die seinige gefährde. Endlich: hatte sich auch Melanchthon von der Lehre Luthers allmählich entfernt, so gestaltete er ihr gegenüber doch seine eigene Lehre durchaus nicht so klar und bestimmt aus, wie es nothwendig gewesen wäre, ihr kirchliche Geltung zu verschaffen. Wir haben ja schon gesehen, dass er es geradehin vermieden hat, sich rückhaltlos über die Abendmahlslehre auszusprechen, und das vermied er wohl nicht nur, um keine Differenz an den Tag treten zu lassen, sondern auch, weil er in sich selbst zu keiner Bestimmtheit in der Lehre gelangte.

 Das alles sind Gründe, welche es von vornherein als undenkbar erscheinen lassen, dass Melanchthon in den späteren Ausgaben der Bekenntnissschriften die Lehre Luthers zu verdrängen und seine davon abweichende Lehre zur Geltung zu bringen suchte.

 Indessen, es ist nun einmal diese Behauptung ausgesprochen, und man sucht sie zu begründen. Wir können uns also der Aufgabe nicht entziehen, die Veränderungen, welche in der Augustana vorgenommen worden sind, darauf hin anzusehen.

 Die erste erhebliche Veränderung, welche Melanchthon mit der Augustana, und zwar dem lateinischen Text, vornahm, fällt in das Jahr 1540 und auch da kommt für uns nur die in Art. X vorgenommene in Betracht. Während es in der conf. invariata heisst: quod corpus et sanguis Christi vere adsint et distribuantur vescentibus in coena D. et improbant secus docentes, sagt Melanchthon

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.10.2017)