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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

den Zustand der kirchlichen Dinge ins Auge fassen, zu dem es durch diese Zugeständnisse kam, und müssen ins Auge fassen, was damit für die evangelische Kirche aufgegeben war.

 Man hatte sich zu Ceremonien und einer Kirchenordnung bequemt, welche denen der Römischen Kirche gleich waren, und hatte sich der Ordnung und Ceremonien begeben, an denen man bisher die evangelische Kirche erkannte.

 Das Leipziger Interim enthält die ganze Messordnung mit der Bestimmung, dass die Messe mit Läuten, Lichtern und Gefässen, Gesängen, Kleidungen und Ceremonien gehalten werde. Das Evangelium sollte lateinisch gesungen und nur dem Volk deutsch vorgelesen werden; nur in den Pfarren, die nicht Stifte sind, sollte man statt des Graduale deutsche Lieder singen dürfen; fast alle Feste der Römischen Kirche waren beibehalten, die Marienfeste und das festum corporis Christi, auch die Fasttage sollten wieder eingeführt werden.

 Musste die Einführung von dem allem nicht zum mindesten den üblen Schein erwecken, als ob man der Römischen Kirche zugefallen wäre, und konnte nicht aller Aberglaube, welcher in der Römischen Kirche sich daran anschloss, auch in die protestantische Kirche sich einschleichen? Wer ferner weiss, wie die Gemeinden gerade in solchen Dingen empfindlich und misstrauisch sind, der musste voraus wissen, dass Anstoss und Aergerniss damit erzeugt würde. Denken wir uns ein Gemeindeglied in einer Kirche mit solchen Ceremonien, musste sich ihm nicht die Frage aufdrängen, bin ich denn nicht in einer Römischen Kirche?

 Und, das dünkt uns die Hauptsache, konnte mit diesen Zugeständnissen ein befriedigender Zustand erreicht werden? Man kennt die Ziele des Kaisers, und der Kurfürst und seine Theologen kannten sie auch. Sie gingen auf Vernichtung des Protestantismus. Das Interim, das er herbeiführen wollte, war nur das erste Stadium dieses Ziels. Das Leipziger Interim war also keineswegs die Bedingung, unter der die evangelische Kirche in ihrem Bestand erhalten werden konnte, es war höchstens die Bedingung, unter der man eine sofortige Vergewaltigung von Seite des Kaisers abhalten konnte. Indem es feststeht,

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/136&oldid=- (Version vom 1.10.2017)