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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

dass diess der Endzweck des Kaisers war, und die Theologen das wussten, kann man auch nicht annehmen, dass sie sich etwa der Hoffnung hingaben, durch die Zugeständnisse, welche sie jetzt gemacht, würden sie die Kirche über diese Zeit der Gefahr hinüberretten in eine bessere Zeit, und für diese sei doch etwas erhalten, während wenn sie jetzt Widerstand erhöben, der Kaiser den ganzen Bestand der Kirche zerstören würde. Eine solche bessere Zeit ist allerdings gekommen, aber die Lage der Dinge war damals nicht so, dass man auf eine solche hätte hoffen können, und wahrhaft unverantwortlich wäre es gewesen, wenn sie bei ihren Zugeständnissen ihr Absehen auf eine solche Zeit gerichtet hätten. Viel näher lag vielmehr die Gefahr, dass der Kaiser über kurz oder lang inne werden würde, dass man ihn mit dem Leipziger Interim getäuscht habe und dass er dann die Zugeständnisse, welche darin gemacht waren, zu einem Strick machen würde, mit dem er sie in die Römische Kirche zöge.

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 Fassen wir die Sache so, so können wir uns ganz der Mühe überheben, auf den Streit zwischen Flacius und den Philippisten über den Begriff der Mitteldinge einzugehen. Schon die Thatsache, dass mit der Annahme des Interims die evangelische Kirche eine Gestalt gewonnen hätte, an welcher man sie nicht mehr als solche hätte erkennen können, und dass damit alle die Gefahren gesetzt waren, welche wir angedeutet haben, spricht dafür, dass von diesen Theologen der Begriff der Mitteldinge zu lax gefasst war. Man kann zugeben, dass die Rücksicht auf die besondere Lage der Dinge an und für sich Zugeständnisse, welche die Lehre nicht schädigten, erlaubt hätte, und dass Flacius diesen zu wenig Rechnung trug und zu viel Aufhebens von einzelnen Zugeständnissen machte; darin aber wird man ihm Recht geben müssen, dass man Ceremonien und Gebräuche nicht sofort schon da Mitteldinge nennen darf, wo sie nicht einen Lehrirrthum in sich schliessen oder eine Lehre nicht schädigen. Die Ceremonien und Kirchengebräuche sind freilich nicht von Gott geboten, wie es die Lehre ist. In diesem Sinne sind sie dann freilich Mitteldinge, aber auch nur in diesem; sie sind es aber nicht in dem, als wenn es gleichgültig wäre, wie sie überhaupt

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/137&oldid=- (Version vom 1.10.2017)