Seite:Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl.pdf/138

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

beschaffen sind, wenn sie nur eben die Lehre nicht beeinträchtigen. Vielmehr, wie das sittliche Leben, ohne dass es durch bestimmte göttliche Gesetze geregelt ist, doch aus dem Glauben heraus sich gestalten und durch diesen normirt sein muss, so müssen Ceremonien und Kirchengebräuche durch das Bekenntniss der Kirche normirt sein, und müssen sie zwar der freie, aber auch der reine Ausdruck des Glaubenslebens der Gemeinde sein. Man wird dem Flacius endlich darin Recht geben müssen, dass Ceremonien und Gebräuche, welche die Eigenthümlichkeit der evangelischen Kirche verläugnen und ihre Gestalt vielmehr der Römischen näher bringen, aufhören adiaphora zu sein.

.

 Erwägt man diess aber, so wird man die Zugeständnisse, welche in dem Leipziger Interim gemacht worden sind, nicht billigen und sie mit der damaligen Lage nicht entschuldigen können, ja wird man diese Theologen nicht von dem Vorwurf freisprechen können, dass sie durch dieses Interim den Bestand der evangelischen Kirche gefährdet haben. Dieser Vorwurf ist am stärksten, mit schneidender Schärfe und nicht selten ohne die rechte Maasshaltigkeit, von Flacius gegen sie erhoben worden, wie denn überhaupt dieser Theologe der vornehmste Bestreiter des Interims und der eigentliche Wortführer in dem Streit wider die kursächsischen Theologen war: allein keineswegs steht er mit seinem Urtheil allein. Früh schon haben andere Theologen ihre Bedenken gegen die Nachgiebigkeit der kursächsischen Theologen geäussert. Zu den Ersten, die das thaten, gehören die Hamburger Theologen in einem Schreiben an Melanchthon vom 16. April 1549.[1] Früher noch als sie erhob Brenz seine Stimme, und warnte den Melanchthon, er möge für seine Nachgiebigkeit sich nicht auf die Kirche berufen, der man helfen müsse.[2] Und auch die Urtheile aus der Schweiz


  1. C. Ref. VII, 366.
  2. C. Ref. VII, 289 sq. Brenz an Melanchthon (wie es scheint zu Anfang des Jahres 1549) .. manifestum est, quod Interitus (Interim) pugnat cum verbo Domini. Inter tam pugnantia quae potest inveniri concordia? Succurrendum putas ecclesiis et piis ministris. Recte, si id sine contumelia Christi fieri potest. Existimas forte, Interimistos toleraturos piam doctrinam, si nos accipiamus omnes ipsorum ceremonias faciendas. Sed an nescis, perspicue in prooemio [115]
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/138&oldid=- (Version vom 1.10.2017)