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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

Balduin.[1] Am Hof waren nur die beiden, der Hofrichter Erasmus von Venningen und der Kanzler von Minkwitz, eifrige Lutheraner, die Grafen von Erbach mehr Melanchthonianisch.[2] Es gab also Lutheraner, Melanchthonianer und Zwinglianer, von denen die letzteren sich freilich nicht offen zu erkennen gaben.

 Dieser bunte Zustand erklärt sich leicht.

 Der Kurfürst Otto Heinrich hatte sich freilich an die Augsburgische Confession angeschlossen und hatte von gut lutherischen Theologen, von Heinrich Stolo und dem Strassburger Theologen J. Marbach, eine Kirchenordnung entwerfen lassen, welche am 4. April 1556 publicirt worden war. Aber seit lange stand die Pfalz in Beziehung zur Schweiz und zu Strassburg, und blieb von Zwinglischem Einfluss nicht unberührt. Vor allem aber stand Melanchthon im Land in hohem Ansehen. Schon als Friedrich II. die Einführung der Reformation vorzubereiten begonnen, hatte er sich ein Gutachten von Melanchthon eingeholt, Melanchthon blieb auch mit dessen Nachfolger in steter brieflicher Verbindung, und wurde bei allen wichtigen Angelegenheiten um Rath gefragt: er nahm auch an dem Land, als seinem engeren Vaterland, stets besonders regen Antheil. Dass durch ihn Männer seiner Richtung nach der Pfalz kamen, ist also natürlich. Nun ist es freilich falsch, wenn man sich den Melanchthon in einem ausgesprochenen Gegensatz gegen Luther denkt, und noch falscher, wenn man von einer Melanchthonischen Basis spricht, auf welcher das gesammte Kirchenwesen der Pfalz sei organisirt gewesen, in dem Sinne, dass das Lutherthum dadurch wäre ausgeschlossen gewesen.[3] Allein das ist freilich richtig, dass Melanchthon Luthers Lehre vom Abendmahl nicht in allen Stücken theilte, und so wird es sich bei den Schülern von ihm, die sich im Lande befanden, auch verhalten haben. Vergegenwärtigt


  1. Kluckhohn, Wie ist Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz Calvinist geworden? 1866 p. 18.
  2. Häusser II, 8. Nach Kluckhohn nahm Georg von Erbach eine vermittelnde Stellung ein, war aber der Graf Valentin zu Erbach mehr oder wenig der zwinglischen Richtung zugethan.
  3. Gegen Heppe I, 305.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 198. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/222&oldid=- (Version vom 1.10.2017)