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Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.

man sich nun, dass in der Zeit des Interims die Abendmahlsfrage in den Hintergrund getreten war, dass durch den consensus Tigurinus die Schweizer Lehre vom Abendmahl einen Ausdruck gefunden hatte, welcher die Härte der Zwinglischen Auffassung vermied, so begreift man es leicht, dass die Melanchthonianer einen Zug zu diesem consensus empfanden, und sich lieber auf dessen Seite als auf die Luthers stellten, so weit es ohne Gefahr geschehen konnte. Einen gewissen Gegensatz gegen das Lutherthum repräsentirten diese Melanchthonianer also doch.

 Auch auf die Stellung der Fürsten dieses Landes war dieser Zustand der Dinge von Einfluss. Weil die Reformation in die Zeit fällt, in welcher die Abendmahlslehre in den Hintergrund getreten war und viele der Meinung waren, der Gegensatz zwischen der Schweiz und dem lutherischen Deutschland sei ausgeglichen, so wird auch der Kurfürst Otto Heinrich von diesem Gegensatz wenig Kenntniss gehabt haben, und lässt es sich erklären, dass er arglos Männer heranzog, welche nichts weniger als gut lutherisch waren, oder dass er solche, welche er von seinem Vorgänger überkommen hatte, wie den Ehem und Erast, in sein Vertrauen zog.[1] Darum hat er auch die Warnung, welche ihm Brenz bei Gelegenheit der Reorganisation der Universität gegeben hatte, er möge sich vor Märtyrern, Mäusen und Ratzen hüten, womit er den Peter Martyr und den Wolfgang Musculus meinte,[2] nicht beachtet oder vielleicht gar nicht verstanden, denn er versuchte gerade diese beiden nach Heidelberg zu ziehen, und nahm um dieselbe Zeit das Anerbieten des Boquin, vorerst als professor extraordinarius zu dienen, an: denn als eine Hinneigung zu dieser Richtung kann es dem Kurfürsten nicht gedeutet werden, sonst hätte er trotz der Empfehlung Melanchthons nicht das Jahr darauf den Heshus berufen, da er dessen Beziehungen zu Magdeburg doch gewiss kannte.

 Bei dieser Lage der Dinge, welche Heshus auf den ersten Blick erkannt haben wird, erklären sich die Veränderungen,


  1. Kluckhohn ibid. p. 18.
  2. Struve, Pfälzische Kirchenhistorie p. 53.
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Friedrich Ferdinand Schmid: Der Kampf der lutherischen Kirche um Luthers Lehre vom Abendmahl im Reformationszeitalter. Im Zusammenhang mit der gesamten Lehrentwicklung dieser Zeit.. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1868, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_der_lutherischen_Kirche_um_Luthers_Lehre_vom_Abendmahl.pdf/223&oldid=- (Version vom 1.10.2017)